IT- und Medienrecht

Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages und Auswirkung einer den Klagegrund austauschenden Antragsänderung in der Berufungsinstanz

Aktenzeichen  29 U 3500/15

Datum:
6.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 19565
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 397, § 524 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 533

 

Leitsatz

Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages und Auswirkung einer den Klagegrund austauschenden Antragsänderung in der Berufungsinstanz betreffend die Anzeige von Markenbegriffen in der interen Suchmaschine einer Onlineverkaufsplattform (s.iehe hierzu auch BGH GRUR 2018, 924). (Rn. 30 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

33 O 22637/14 2015-08-18 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 18.08.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird verworfen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Revision, zu tragen.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Unterlassungsansprüche aus Markenrecht, hilfsweise aus Wettbewerbsrecht, geltend.
Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das unter der Marke „O. “ Taschen aus wasserdichtem Material und andere Transportbehälter herstellt. Ihr Geschäftsführer H. O. ist Inhaber der deutschen Wortmarke DE 39518381 „O. “, angemeldet am 29.04.1995 und eingetragen am 14.11.1995, mit Schutz für die Waren der Klassen 9, 11, 12, 18, 20, 22 und 25.
Die Beklagten sind Tochtergesellschaften der A. .com Inc. mit Sitz in den USA. Die Beklagte zu 1) ist Verkäuferin der auf …a. .de mit „Verkauf und Versand durch A. “ gekennzeichneten
Produkte. Die Beklagte zu 2) ist verantwortlich für die Marketplace-Plattform unter …a. .de, also Vertragspartnerin der über amazon.de verkaufenden Drittanbieter. Die Beklagte zu 3) ist für den technischen Betrieb der Website a. .de zuständig.
Die Klägerin arbeitet nicht mit A. zusammen, sondern vermarktet ihre Produkte über ein selektives Vertriebssystem, das für den Internethandel den Vertrieb über einen eigenen Onlineshop vorsieht.
Bei Eingabe des Suchbegriffs „O. “ in das Suchfeld der internen Suchmaschine auf … a. .de erscheinen nicht immer nur Angebote von O. -Produkten, sondern auch Angebote von Produkten anderer Hersteller und zwar sowohl Eigenangebote von der Beklagten zu 1) als auch Angebote von Drittanbietern. So führte am 09.10.2014 die Eingabe des Suchbegriffs „O. “ zu folgender Bildschirmansicht (Anlage K 7):
Die Klägerin behauptet, sie habe eine exklusive Lizenz zur Nutzung der Marke „O. “. Sie sei auch vom Markeninhaber beauftragt, gegen rechtsverletzende Benutzungen vorzugehen.
Die Beklagten hätten das Zeichen „O. “ markenmäßig bei der Anzeige der Wettbewerbsprodukte benutzt und zwar im Rahmen ihrer kommerziellen Kommunikation mit den Besuchern der Webseite amazon.de.
Hilfsweise ergebe sich der Unterlassungsanspruch auch aus Wettbewerbsrecht.
Die Beklagten sind der Auffassung, eine Benutzung der Klagemarke im tatsächlichen Sinne liege nicht vor, da die Anzeige von Wettbewerbsprodukten in der Trefferliste zum Suchwort „O. “ das Ergebnis eines Algorithmus sei, der Suchergebnisse nach Relevanz zusammenstelle (Behavior Bases Search, BBS).
Sie sind weiter der Auffassung, die Verbraucher erwarteten beim Besuch eines Online-Shops bei Eingabe einer Marke in die Suchfunktion auch die Anzeige von Produkten von Wettbewerbern und würden diese auch erkennen, wie empirische Studien belegen würden (vgl. Anlagen RS 4, RS 5). Die Nutzer wüssten, dass es sich bei allen Darstellungen auf der Webseite … a. .de um Werbung handele, anders als bei einer allgemeinen Suchmaschine, wo ein Verbraucher in erster Linie „objektive“ Treffer in der Trefferliste der regulären Suchfunktion erwarte. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Darstellung würden Verwechslungen nahezu ausgeschlossen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 18.08.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, der Klage vollumfänglich stattgegeben und wie folgt erkannt:
I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,-€, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, in den Ergebnislisten der unter … .a. .de betriebenen und auf die dortigen Produktangebote gerichteten internen Suchmaschine auf die Eingabe von „O. “ hin Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anzuzeigen, die nicht zuvor von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung durch Dritte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind.
II. [Kosten]
III. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
Der Senat hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 12.05.2016 zurückgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 11.05.2017 die Revision zugelassen. Mit Urteil vom 15.02.2018 (Az. I ZR 138/16, GRUR 2018, 924 – O. hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der Beklagten das Senatsurteil vom 12.05.2016 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen.
Die Klägerin führt nunmehr aus, die Anzeige von Fremdprodukten in den Ergebnislisten beruhe nicht nur auf dem von der Beklagten zu 3) installierten Suchalgorithmus, sondern inzwischen fast ausschließlich auf schlüsselwortbasierten Werbeanzeigen. Es handele sich um ein relativ neues Geschäftsfeld, mit dem erhebliche Werbeeinnahmen erzielt würden.
Eine typische Trefferliste bei einer Suche nach O. -Produkten entspreche nicht der Anlage K 7, sondern der nachfolgend eingelichteten Anlage K 43.
Die Beklagten sind der Auffassung, die abstrakt gefassten Klageanträge seien wegen mangelnder Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, da sie nicht auf eine konkrete Verletzungsform bezogen seien. Bei der Ergebnisliste Anlage K 43 handele es sich um einen neuen Lebenssachverhalt, der nicht zulässig eingeführt werden könne.
Sie bestreiten, dass die Ergebnisse in den bislang streitgegenständlichen A.-Trefferlisten im Wesentlichen auf Keyword-Anzeigen zurückgingen und dass BBS in den aktuellen Trefferlisten keine Rolle spiele.
Die Beklagten beantragen mit der Maßgabe,
dass das Urteil des Landgerichts aufgehoben wird, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.06.2019 mit der Maßgabe, dass die Berufung im Umfang dieser Anträge zurückgewiesen wird, zunächst entsprechend der Ankündigung im Schriftsatz vom 22.03.1019 beantragt,
die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, in den Ergebnislisten der unter … .a. .debetriebenen und auf die dortigen Produktangebote gerichteten internen Suchmaschine auf die Eingabe „O.“ hin, Verkaufsangebote für Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anzuzeigen, bei denen im Text der Angebotsbeschreibung die Angabe „O.“ fehlt und in der Produktdarstellung ein mit einer anderen Marke gekennzeichnetes Produkt abgebildet ist;
hilfsweise die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, in den Ergebnislisten der unter … a. .de betriebenen und auf die dortigen Produktangebote gerichteten internen Suchmaschine auf die Eingabe „Ortlieb“ hin, Verkaufsangebote für Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anzuzeigen ohne unabhängig vom Suchalgorithmus gelistete Schlüsselwort-Werbeanzeigen in einer räumlich, farblich oder auf andere Weise deutlich abgesetzten Trefferliste auszuweisen und als „Anzeige“ zu kennzeichnen;
höchst hilfsweise:
die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, in den Ergebnislisten der unter …a. .de betriebenen und auf die dortigen Produktangebote gerichteten internen Suchmaschine auf die Eingabe „O. “ hin, Verkaufsangebote für Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anzuzeigen ohne gleichzeitig in räumlicher Nähe darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisliste auch Produkte enthalten kann, die nicht mit „O. “ gekennzeichnet sind und aus einem anderen Herstellungsbetrieb stammen.
Nach Darlegungen des Senats, dass nach seiner vorläufigen Rechtsauffassung der Hauptantrag zwar zulässig, aber unbegründet sein dürfte, weil nicht unabhängig von der konkreten Gestaltung der Werbeanzeigen oder etwaigen aufklärenden Hinweisen für den durchschnittlichen Internetnutzer nicht oder nur schwer erkennbar ist, dass es sich gegebenenfalls um Angebote von Wettbewerberprodukten handelt, und die Hilfsanträge eine unzulässige, weil verfristete Anschlussberufung darstellen dürften, hat die Klägerin die Hilfsanträge zurückgenommen und den Hauptantrag dahingehend gefasst, dass an den bisherigen Text anzufügen ist:
wenn dabei sämtliche Treffer in einer einheitlichen Liste aufgeführt sind, wobei die vorstehend beschriebenen markenfremden Angebote weder als „Anzeige“ gekennzeichnet, noch grafisch oder räumlich von den markenkonformen Angeboten von O. -Produkten abgesetzt dargestellt werden, insbesondere wenn dies geschieht wie aus der Abbildung auf Seite 9 der Klageschrift sowie den Anlagen K 7, K 8, K 21, K 22, K 23, K 24, K 25, K 43 und K 45 ersichtlich.
und beantragt, die Berufung nach Maßgabe dieses Antrags zurückzuweisen.
Für den Fall, dass entgegen ihrer Auffassung in der neuen Antragsfassung eine Teilrücknahme liegen sollte, hat die Klägerin insoweit Verzicht erklärt.
Die Beklagten haben
Klageabweisung und den Erlass eines Verzichtsurteils beantragt.
Die Klägerin hat zu dem neu formulierten Antrag erklärt, dass mit diesem nicht das Verbot einer konkreten Verletzungsform in Gestalt der im Antrag benannten Anlagen begehrt werde. Diese Anlagen seien daher durch das Gericht nicht einzeln zu prüfen. Sie illustrierten vielmehr nur den ständigen Wechsel der Suchergebnisse, der mit dem neu formulierten Antrag angegriffen werden solle.
Nach weiterer Erörterung der Sach- und Rechtslage ändert die Klägerin ihr Petitum dahin, dass nicht mehr jegliche sich ändernde Darstellungsformen angegriffen werden, sondern die im Prozess bekannt gewordenen Darstellungsformen und streicht das Wort „insbesondere“ im neu formulierten Antragszusatz.
Klägerin erklärt, dass in dem jetzt erneut neu formulierten Antrag eine Teilklagerücknahme liege und erklärt insoweit den Verzicht.
Die Beklagten beantragen Klageabweisung, hinsichtlich des Verzichts im Wege des Verzichtsurteils.
Zur Zulässigkeit dieses zuletzt gestellten Antrags beruft sich die Klägerin auf eine zulässige Klageerweiterung nach § 533 ZPO auch in der Berufungsinstanz.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2019 Bezug genommen.
II.
Der zuletzt gestellte Antrag der Klägerin stellt eine Anschlussberufung dar, die weder formnoch fristgerecht eingelegt wurde und daher unzulässig ist. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat im Termin vom 06.06.2019 auf den bisher geltend gemachten Anspruch vollumfänglich verzichtet, so dass auf die Berufung der Beklagten durch Verzichtsurteil das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen waren.
1. Der zuletzt gestellte Sachantrag der Klägerin, der auf das Verbot der im Antrag aufgeführten konkreten Verletzungsformen gerichtet ist, stellt eine Anschlussberufung dar, denn die Klägerin verfolgt mit diesem Antrag etwas anderes als die Zurückweisung der Berufung. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der in erster Instanz obsiegende Kläger der Berufung der Gegenseite anschließen, wenn er eine Klageerweiterung vornehmen oder neue Ansprüche einführen und sich damit nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will (vgl. BGH NJW 2015, 2812 Rn. 28 m.w.N.). Er muss seine Anschlussberufung nicht ausdrücklich als solche bezeichnen und kann sie auch hilfsweise erheben. Er muss sie aber gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung einlegen (BGH GRUR 2015, 1108 Rn. 27 – Green-IT).
Der zuletzt gestellte Sachantrag ist gegenüber dem bisherigen und ausgeurteilten Antrag nicht auf ein Minus, sondern ein Aliud, einen prozessual neuen Anspruch gerichtet. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Bei einem Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten – als rechtswidrig angegriffenen – Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat. Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens (vgl. BGH GRUR 2006, 960 Tz. 15 – Anschriftenliste für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag). Eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dementsprechend den Streitgegenstand. Dies gilt ebenso, wenn eine im Antrag umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Gegenstand des Antrags erhoben worden waren (vgl. BGH a.a.O. Tz. 16 – Anschriftenliste).
Die Klägerin hatte bis zur letzten Antragsänderung ihren Verbotsantrag immer abstrakt formuliert. Sowohl der ursprüngliche Klageantrag als auch der Antrag, nach dem die Kammer im erstinstanzlichen Urteil erkannt hat, waren auf ein abstrakt formuliertes Verbot gerichtet. Die Klägerin hat sodann ihren Antrag nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits vom Bundesgerichtshof an den Senat im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs, dass der bisherige Antrag das Charakteristische der Verletzungsform nicht zum Ausdruck bringe, nochmals umformuliert und dabei ausdrücklich klargestellt, dass sie ihren Klageantrag immer abstrakt formuliert habe und dabei auch bleibe (vgl. S. 16 des klägerischen Schriftsatz vom 22.03.2019, Bl. 341 der Akten). Die Klägerin hat sodann diesen nach der Zurückverweisung angepassten Antrag in der mündlichen Verhandlung nochmals präzisiert und erstmal in dem neu angefügten „insbesondere-Teil“ des präzisierten Antrags auf die in den genannten Anlagen und Seite 9 der Klageschrift enthaltenen konkreten Verletzungsformen Bezug genommen und dabei aber ausdrücklich klargestellt, dass die Anlagen durch das Gericht nicht einzeln zu prüfen seien. Bis zur letzten Umstellung des Klageantrags war das Begehren der Klägerin somit zu keinem Zeitpunkt als „Minus“ zum abstrakt formulierten Verbot auf ein Verbot zumindest der beispielhaft vorgelegten konkreten Verletzungsformen gerichtet. Erst nachdem die Klägerin mit ihrer letzten Antragsänderung ihren Antrag auf ein Verbot der aus den Anlagen ersichtlichen konkreten Verletzungsformen gerichtet hat, wäre somit bei einer Zulässigkeit des Antrags zu prüfen, ob für einen durchschnittlichen Internetnutzer hinsichtlich der in diesen konkreten Trefferlisten enthaltenen Werbeanzeigen nicht oder nur schwer erkennbar ist, ob diese vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder aber einem Dritten stammen (vgl. BGH GRUR 2018, 924, Tz. 56 – O.). Durch das Hinzutreten dieses Merkmals wandelt) sich das Charakteristische des Klagebegehrens, so dass in dem mit dem letzten Antrag verfolgten Anspruch ein Aliud zu dem vom Landgericht zugesprochenen liegt.
Gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Anschlussberufung nur bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig. Die – zweimal verlängerte -Berufungserwiderungsfrist ist am 02.03.2016 abgelaufen. Die Anschlussberufung konnte somit in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.06.2019 nicht mehr fristgerecht erhoben werden. Zudem hat die Anschließung gemäß § 524 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht zu erfolgen. Lediglich durch mündlichen Antrag in der Berufungsverhandlung, wie vorliegend geschehen, kann eine Anschlussberufung nicht wirksam erhoben werden (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az. I ZR 81/01, juris, dort Rn. 22 – E-Mail-Werbung I; Heßler in Zöller, 32. Aufl., ZPO, § 524 Rn. 8 m.w.N.)
Ob die Voraussetzungen des § 533 ZPO für die – auch nach Auffassung der Klägerin vorliegende – Klageerweiterung gegeben sind, kommt es nicht an, weil auch eine nach § 533 ZPO zulässige Klageerweiterung, wenn es sich um eine Anschlussberufung handelt, vorrangig den Anforderungen des § 524 ZPO genügen muss (vgl. BGH NJW 2015, 1296, Rz. 15, 16).
2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Aufgrund des seitens der Klägerin hinsichtlich des bisher geltend gemachten Anspruchs erklärten Verzichts, war gemäß § 307 ZPO insoweit durch Verzichtsurteil zu entscheiden.
Gegenstand des Verzichtsurteils ist der geltend gemachte Anspruch in folgender Antragsfassung:
Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, in den Ergebnislisten der unter … .a. .debetriebenen und auf die dortigen Produktangebote gerichteten internen Suchmaschine auf die Eingabe „O.“ hin, Verkaufsangebote für Taschen, Rucksäcke, Packsäcke, Beutel und/oder Schutzhüllen anzuzeigen, bei denen im Text der Angebotsbeschreibung die Angabe „O. “ fehlt und in der Produktdarstellung ein mit einer anderen Marke gekennzeichnetes Produkt abgebildet ist, wenn dabei sämtliche Treffer in einer einheitlichen Liste aufgeführt sind, wobei die vorstehend beschriebenen markenfremden Angebote weder als „Anzeige“ gekennzeichnet, noch grafisch oder räumlich von den markenkonformen Angeboten von O. -Produkten abgesetzt dargestellt werden, insbesondere wenn dies geschieht wie aus der Abbildung auf Seite 9 der Klageschrift sowie den Anlagen K 7, K 8, K 21, K 22, K 23, K 24 K 25, K 43 und K 45 ersichtlich.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war der Klägerin nach der Zurückverweisung an den Senat Gelegenheit zu geben, einen das Charakteristische der beanstandeten Verletzung beschreibenden Klageantrag zu stellen (BGH GRUR 2018, 941, Rn. 52 – O.), da der auf Hinweis des Landgerichts umformulierte Antrag, nach dem die Verurteilung erfolgt ist, dieses nicht zum Ausdruck bringe. Die Klägerin hat dem durch die neue Antragsfassung Rechnung getragen. In der neuen Antragsfassung entsprechend der Ankündigung im Schriftsatz vom 22.03.2019 und wie zunächst in der mündlichen Verhandlung auch gestellt, liegt keine Teilklagerücknahme gegenüber dem ursprünglich geltend gemachten und ausgeurteilten Antrag, denn soweit die Klägerin klarstellt, dass bestimmte (theoretische) Verletzungssachverhalte vom diesem Antrag nicht umfasst sind, wie die Abbildung von Produkten der Klägerin zu Fremdangeboten, waren diese nach dem für den Streitgegenstand maßgeblichen vorgetragenen Lebenssachverhalt auch bisher nicht streitgegenständlich. Gleiches gilt hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Präzisierung des Antrags hinsichtlich der Gestaltung der markenfremden Angebote. Markenfremde Angebote, die als „Anzeige“ gekennzeichnet sind, oder grafisch oder räumlich von den angebotenen O. -Produkten abgesetzt dargestellt sind, waren nach dem vorgetragenen Lebenssachverhalt auch bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es nicht an der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dient dazu, den Streitgegenstand abzugrenzen und zugleich die Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung zu schaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Verbotsantrag daher nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH, Urteil vom 06.06.2018, Az. VIII ZR 247/17, juris, dort Tz. 24 mit zahlreichen Nachweisen – Strompreise). Zur hinreichenden Bestimmtheit des Antrags bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht der Bezugnahme auf eine konkrete Verletzungsform. Der Antrag ist auf ein generelles Verbot der Anzeige von Wettbewerbsangeboten in einer einheitlichen Ergebnisliste ohne Kennzeichnung als „Anzeige“ oder grafische oder räumliche Abgrenzung von den Angeboten der O.-Produkte bei Eingabe von „O.“ in die Suchmaschine gerichtet. Aus den Ausführungen der Klägerin ergibt sich, dass der Antrag bewusst abstrakt formuliert wurde und ein Verbot bezogen auf eine konkrete Ergebnisliste nicht gewollt war. Der Umfang des begehrten Verbots ist nicht undeutlich.
Da die Klägerin ein auf die in den Anlagen dargestellten Trefferlisten bezogenes Verbot erstmals mit ihrem zuletzt gestellten Antrag, der – wie ausgeführt – deshalb eine (unzulässige) Anschlussberufung darstellt, begehrt hat, erstreckt sich der von der Klägerin auch im Zusammenhang mit dem zuvor gestellten Antrag bereits erklärte Verzicht nicht auf ein Verbot der aus den Anlagen ersichtlichen konkreten Verletzungsformen. Über das Nichtbestehen eines solchen Anspruchs wurde durch das vorliegende Verzichtsurteil somit nicht entschieden.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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