IT- und Medienrecht

Beteiligung, Auslegung, Verwertungsgesellschaft, Urheberrecht, Leistungen, Zustimmung, Satzung, Anlage, Leistung, Urheber, Inhaltskontrolle, Nachzahlung, Unionsrecht, Internet, Interesse der Allgemeinheit, unangemessene Benachteiligung, berechtigtes Interesse

Aktenzeichen  42 O 13841/1

Datum:
4.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Bis zur Satzungsänderung der Beklagten am 09.06.2018 erfolgten die von der Beklagten an Herausgeber vorgenommenen Ausschüttungen rechtswidrig, da Herausgeber nicht vom Kreis der nach der Satzung Berechtigten, der sich auf „Inhaber von Urheberrechten und Nutzungsrechten an Sprachwerken“ beschränkte, umfasst waren.
2. Die Satzungsänderung vom 09.06.2018 konnte gegenüber Inhabern von Wahrnehmungsverträgen aus dem Jahr 1984 nicht wirksam werden, da die in diesem Vertrag enthaltene Einbeziehungsklausel als allgemeine Geschäftsbedingung wegen einer unangemessenen Benachteiligung unwirksam ist. Gegenüber den Inhabern von neueren Verträgen entfaltet sie ebenfalls keine Wirkung, da die Ausweitung der Wahrnehmung auch auf Inhaber von Urheber und Nutzungsrechten an Sammelwerken von Sprachwerken die Wahrnehmung eines weiteren Rechtes beinhaltet und daher nach § 10 VGG der Textform bedurfte. Diese wurde nicht eingehalten. Zudem genügte die Mitteilung über die Satzungsänderung nicht den Anforderungen an eine schriftliche Mitteilung, wie sie sich bereits aus den Wahrnehmungsverträgen selbst ergibt: Für die Empfänger der Mitteilung war deren Bedeutung nicht erkennbar.
3. Die Satzungsbestimmungen der Beklagten für Zuwendungen an den Förderungsfonds der Beklagten sind als allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, da nicht sichergestellt wird, dass die Erlöse aus der Wahrnehmung der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung unbedingt den unmittelbar und originär Berechtigten zukommt. Zudem war die Erweiterung der Zuwendungen, die sich zunächst nur aus der Bibliothekstantieme speiste, auch um Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung durch die Satzungsänderung vom 09.06.2018 für die Mitglieder der Beklagten überraschend und daher als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war und nicht berechtigt ist, die
Ausschüttungen der auf die Werke des Klägers entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß den §§ 27, 54 ff UrhG, die auf den Wahrnehmungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 entfallen, durch Zahlungen aus diesen Erlösen für folgende Zwecke zu vermindern:
a) Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung;
b) Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG W1. GmbH.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war und nicht berechtigt ist, die Ausschüttungen der auf Fach- und Sachbücher des Autors F. K. entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß §§ 27, 54 ff UrhG, die auf den Wahrnehmungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 entfallen, durch Zahlungen aus diesen Erlösen für folgende Zwecke zu vermindern:
a) Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung;
b) Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG W1. GmbH.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, um welche Beträge sich die Ausschüttungen an den Kläger und den Autor F. K. in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 durch die in den Anträgen zu 1. und 2. genannten Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung und an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG W1. GmbH vermindert haben (jeweils getrennt für den Kläger und den Autor K. sowie getrennt nach Jahren, den einzelnen Ausschüttungen und den Ausschüttungen für Buchbeiträge und Zeitschriftenbeiträge, beim Kläger auch nach Beiträgen im Internet, bei dem Autor K. auch nach Ausschüttungen für Bücher); wobei hinsichtlich der Ausschüttungen an den Kläger die Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG W1. GmbH nur insoweit zu berücksichtigen sind, als die Ausschüttungen nach dem 31.12.2017 erfolgt sind.
4. Im Übrigen wird die Klage in Ziffer 3 abgewiesen.
5. Das Urteil ist in Ziffer 3 vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich in der ersten Stufe als überwiegend begründet.
A. Zulässigkeit
Die Klage ist zulässig.
I.
Hinsichtlich der Klageanträge unter den Ziffern 1 und 2 liegt ein Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO vor. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, dass die behauptete fehlende Berechtigung der Beklagten zur Vornahme der streitgegenständlichen Ausschüttungen festgestellt wird, weil hierdurch zumindest mittelbar eine Auswirkung auf die ihm zustehenden Ausschüttungen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der §§ 27, 54 ff UrhG erwachsen kann.
II.
Es handelt sich bei der Klage um eine Stufenklage gem. § 264 ZPO. Die Klage wird vom Kläger zulässigerweise als Stufenklage gem. § 264 ZPO geltend gemacht (Klageschrift vom 25.09.2019, S. 3, Bl. 3 d.A.).
B. Begründetheit
Die Klage ist in den Anträgen unter Ziffer 1. und 2. vollständig und im Antrag 3. überwiegend begründet.
Die Beklagte war und ist seit dem Jahr 2016 nicht berechtigt, die Ausschüttungen der auf die Werke des Klägers und die auf Fach- und Sachbücher des Zedenten entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß den §§ 27, 54 ff UrhG, die auf den Wahrnehmungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 entfallen, durch Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung und Zuwendungen an den FFW zu vermindern. Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunft, um welche Beträge sich die Ausschüttungen an den Kläger und den Zedenten in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 durch die Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung und Zuwendungen an den FFW, im Fall des Klägers hinsichtlich dieser Zuwendungen nur, soweit die Ausschüttungen nicht vor dem 31.12.2017 erfolgten, vermindert haben (jeweils getrennt für den Kläger und den Zedenten sowie getrennt nach Jahren, den einzelnen Ausschüttungen und den Ausschüttungen für Buchbeiträge und Zeitschriftenbeiträge, beim Kläger auch nach Beiträgen im Internet, beim Zedenten auch nach Ausschüttungen für Bücher).
I. Der Kläger ist hinsichtlich seiner eigenen Ansprüche sowie der des Zedenten aktivlegitimiert. Der Autor K. hat dem Kläger seine Ansprüche wirksam gem. § 398 BGB I. V.m. § 8 des Wahrnehmungsvertrags mit Vereinbarung vom 24.07.2019 (Anlage K 10) abgetreten. Die Beklagte hat der Abtretung zugestimmt.
II. Der Kläger und der Zedent können von der Beklagten aufgrund des zwischen den Parteien jeweils geschlossenen Wahrnehmungsvertrags verlangen, mit einem Anteil an ihren Einnahmen beteiligt zu werden, der den Erlösen entspricht, die sie durch die Auswertung ihrer Rechte erzielt haben (BGH, GRUR 2016, 596, 598, Rn. 23 – Verlegeranteil m.w.N.). Die Ausschüttungen an den Kläger und an den Zedenten wurden zu Unrecht durch die Ausschüttungen an Herausgeber und Zuwendungen an den FFW gemindert.
1. Gem. Ziffern 1.a) und 2.a) der Klage soll festgestellt werden, dass die Vorgehensweise der Beklagten bei der Ermittlung der Berechtigten im Hinblick auf die gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß den §§ 27, 54 ff UrhG insoweit unzulässig war, als im Wahrnehmungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 Herausgeber ausschließlich aufgrund ihrer Eigenschaft als Herausgeber an den Ausschüttungen beteiligt wurden und die Beklagte im Klagezeitraum die Ausschüttungen an den Kläger und den Zedenten dadurch vermindert hat. Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem W1.laut der Anträge und folgt zudem aus der Antragsbegründung (vgl. S. 6 des Schriftsatzes der Klägervertreter vom 08.07.2020, Bl. 270 d.A.).
Die Feststellungsanträge unter Ziffern 1.a) und 2.a) schließen nicht aus, dass ein Teil der Zahlungen an Herausgeber möglicherweise berechtigt erfolgt ist. Die Begründung der Klage fußt vielmehr darauf, dass die Herausgeberbeteiligung in der gelebten Form zu Unrecht und insbesondere keine Prüfung erfolgte, ob die Empfänger tatsächlich Inhaber der wahrgenommenen Urheber- oder Nutzungsrechten seien und damit einen Anspruch auf Ausschüttungen aus den Erlösen aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff. UrhG hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Anträge nicht auf die Zulässigkeit der Beteiligung von Herausgebern von Sammelwerken an den Wahrnehmungserlösen begrenzt. Der Begriff der „Sammelwerke“ wird in den Anträgen nicht genannt.
Dem zeitlichen Umfang nach bezieht sich der Klageantrag unter Ziffer 1.a) auf die Minderungen des Anteils des Klägers an den Wahrnehmungserlösen, die durch die Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gem. §§ 27, 54 ff UrhG im Klagezeitraum erzielt und bei den Hauptausschüttungen verteilt wurden sowie auf die Nachausschüttungen, die in den Klagezeitraum fielen.
2. Die Beklagte war und ist seit dem Jahr 2016 nicht berechtigt, die Ausschüttungen der auf die Werke des Klägers und die auf Fach- und Sachbücher des Zedenten entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß den §§ 27, 54 ff. UrhG, die auf den Wahrnehmungszeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 entfallen, durch Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung zu vermindert.
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit ist zu unterscheiden zwischen den Ausschüttungen, die im Zeitraum bis zur Satzungsänderung am 09.06.2018 erfolgten, und den Ausschüttungen, die nach Satzungsänderung erfolgten.
a. Die Beteiligung von Herausgebern an den Einnahmen aus den Vergütungsansprüchen nach §§ 27, 54 ff UrhG findet keine Grundlage in der Satzung der Beklagten in der bis zum 09.06.2018 geltenden Fassung. Der Wahrnehmungsumfang der Beklagten war bis zur Satzungsänderung am 09.06.2018 auf Urheberrechte an Sprachwerken beschränkt und erstreckte sich nicht auf Urheberrechte an Sammelwerken (1). Herausgeber sind keine Urheber von Sprachwerken (2). Die Herausgeberbeteiligung erfolgte somit an eine Empfängergruppe, die nach dem Satzungszweck nicht in den Wahrnehmungsumfang der Beklagten fiel und damit unrechtmäßig (3). Zudem findet die Beteiligung von Herausgebern keine Grundlage in den bis zum 09.06.2018 geltenden Wahrnehmungsverträgen (4). Selbst bei unterstellter berechtigter Wahrnehmung von Urheberrechten an Sammelwerken waren die Regelungen des Verteilungsplans zur Herausgeberbeteiligung gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam (5).
(1) § 3 Abs. 1 der Satzung in den hier relevanten Fassungen bis 2018 (Anlagen K 3 und K 28) regelt, dass der Beklagten die Wahrnehmung der von ihr jeweils satzungsgemäß wahrzunehmenden Rechte durch Inhaber von Urheberrechten und Nutzungsrechten an Sprachwerken anvertraut werden können. Dies umfasst nicht zugleich die Wahrnehmung von Rechten an Sammelwerken. Unter den Begriff „Sprachwerke“ im Sinne der Satzung lassen sich nicht auch Sammelwerke subsumieren.
(aa) Bei der Satzung der Beklagten handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese sind nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen (BGH, GRUR 2009, 395, 398 – Klingeltöne für Mobiltelefone, m.w.N.).
Die Vorschriften des Wahrnehmungsvertrages stellen als Standartverträge allgemeine Geschäftsbedingungen dar (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 27 – Verlegeranteil). Gem. § 6 Abs. 1 des Wahrnehmungsvertrages in der Fassung von 2017 (Anlage B 6) sind Satzung und Verteilungsplan, auch soweit sie künftig geändert werden sollten, Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages. Auch nach § 3 des Wahrnehmungsvertrags des Klägers (Anlage K 8) sowie § 5 des Wahrnehmungsvertrags des Zedenten (Anlage K 9) bilden Satzung und Verteilungspläne einen Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages. Als Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages sind Satzung und Verteilungspläne daher gleichfalls allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 27 – Verlegeranteil m.w.N.; BGH, GRUR 2002, 332, 333 – Klausurerfordernis m.w.N.).
(bb) Aus objektiver Sicht besteht ein Unterschied zwischen der Bezeichnung „Sprachwerk“ und „Sammelwerk“, weshalb unter den Begriff „Sprachwerke“ nicht auch Sammelwerke subsumiert werden können.
Um den objektiven Inhalt und typischen Sinn der vorliegenden Klausel und dem Begriff „Sprachwerk“ zu ermitteln, ist auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen. Hieraus lässt sich ableiten, dass es sich bei „Sprachwerken“ um Werke handelt, bei denen durch die Verwendung der Sprache etwas geschaffen wurde. Dies ist bei jeder Art von selbst verfassten Texten grundsätzlich der Fall. Hingegen wird bei Werken, bei denen verschiedene Textbeiträge zusammengefasst werden, keine schöpferische Leistung mittels Sprache erbracht. Vielmehr werden verschiedene bereits existierende Texte hintereinandergestellt. Dass diese Tätigkeit als „Schaffung eines Sprachwerks“ verstanden werden könnte, erscheint fernliegend.
Laut Duden handelt es sich bei dem Begriff „Sprachwerk“ um einen relativ selten verwendeten Begriff, der „(im Urheberrecht) ein literarisches wissenschaftliches oder künstlerisches Werk beschreibt, das aus geschriebener oder gesprochener Sprache besteht“ (https://www.duden.de/suchen/dudenonline/sprachwerk). Es handelt sich somit nach dem einschlägigen Nachschlagewerk für die deutsche Sprache um einen juristischen Fachbegriff. Dies ist auch für einen juristischen Laien erkennbar.
Im Urhebergesetz werden „Sprachwerke“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG als eigene Werkgattung aufgeführt. Es handelt sich hierbei um Werke, deren geistiger Gehalt durch das Mittel der Sprache zum Ausdruck kommt (Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 2 Rn. 81). Im Unterschied hierzu findet sich in § 4 Abs. 1 UrhG die Werkgattung des „Sammelwerks“. Um ein Sammelwerk handelt es sich nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 UrhG bei Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind.
Dem Urheber eines Sammelwerks ist vor diesem Hintergrund bei der Auslegung des Begriffs „Sprachwerk“ bewusst, dass er insoweit keine schöpferische Leistung erbracht hat. Auch die Beklagte als Satzungsgeberin, die als Verwertungsgesellschaft die ihr anvertrauten Urheberrechte und Nutzungsrechte wahrnimmt, musste den Unterschied der beiden Werkformen „Sprachwerke“ und „Sammelwerke“ kennen. Bei der Übertragung der Wahrnehmung der Urheber- und Nutzungsrechte an die Beklagte tritt zwangsläufig die Frage auf, ob und wodurch ein eigenes Werk geschaffen wird. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick auf den von ihr wiederholt angeführten Wahrnehmungszwang war die Beklagte gehalten, eine rechtlich eindeutige Formulierung zu verwenden bzw. der Mitgliederversammlung zur Abstimmung vorzulegen.
Auch eine Auslegung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, wie von der Beklagten vorgetragen, gelangt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 157 BGB ist die Verkehrssitte bei der Auslegung von Verträgen zu berücksichtigen. Hierbei sind die Auffassung und Anschauung des Verkehrs als Auslegungshilfe heranzuziehen, um den objektiven Inhalt des auszulegenden Vertrags anhand des für Geschäfte dieser Art Typischen zu erläutern (BeckOK BGB/Wendtland, 59. Aufl. 01.08.2021, BGB, § 157 Rn. 19). Die Beklagte nimmt insbesondere Bezug auf die Formulierung in ihren Meldeformularen, um zu einer erweiternden Auslegung zu gelangen und auch die Urheber von Sammelwerken unter den Begriff der „Sprachwerke“ zu fassen. Hierbei übersieht sie bereits, dass die Einzelmeldungen, mit denen Veröffentlichungen ohne den Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages gemeldet werden konnten, lediglich für einen kleinen Kreis der Berechtigten in Betracht kam, nämlich nur für Meldende im Bereich Wissenschaft. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine vermeintliche Übung für Wenige Auswirkung auf die Praxis aller Berechtigten haben sollte. Ebenso wenig kann das Argument der Beklagten überzeugen, der Verteilungsplan habe ausdrücklich eine Beteiligung von Herausgebern an bestimmten Ausschüttungen vorgesehen, weshalb die Satzung auch Urheber von Sammelwerken umfasse. Die Begriffe „Herausgeber“ und „Urheber eines Sammelwerkes“ können nicht synonym verwendet werden: Herausgeber können nur dann Urheber eines Sammelwerkes sein, wenn sie eine eigene schöpferische Leistung durch die Zusammenstellung verschiedener Texte erbracht haben.
(2) Herausgeber sind keine Urheber von Sprachwerken. Urheber ist gem. § 7 UrhG der Schöpfer eines Werkes. Urheber eines Sprachwerkes ist folglich derjenige, der einen Beitrag zur Entstehung eines Sprachwerkes erbringt, der die Voraussetzung der „persönlichen geistigen Schöpfung“ erfüllt (vgl. Thum, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 7 Rn. 13 m.w.N.). Bei einem Herausgeber handelt es sich laut der Definition im Duden um eine Person, die ein Druckwerk herausgibt (https://www.duden.de/rechtschreibung/Herausgeber). Das Herausgeben eines Druckwerkes als solches stellt keinen Beitrag zur Schaffung einer persönlichen geistigen Schöpfung dar. Vielmehr muss das Druckwerk, das seinerseits die Anforderungen an ein Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 UrhG erfüllen soll, bereits existieren, damit es herausgegeben werden kann.
Aus diesem Grund konnten Herausgeber aufgrund ihrer bloßen Eigenschaft als Herausgeber bei der Beklagten keine Nutzungsrechte von Sprachwerken einbringen. Die Beteiligung der Herausgeber an Erlösen aus den Vergütungsansprüchen nach §§ 27, 54 ff. UrhG erfolgte auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht aufgrund ihrer Eigenschaft als Herausgeber sondern unter der Prämisse, dass diese die ihnen zustehenden Urheberrechte an Sammelwerken bei der Beklagten eingebracht hatten. So führte die Beklagte aus, dass es grundsätzlich von der inhaltlichen Natur „des jeweiligen Sammelwerks“ abhänge, aus welcher der Sparten „Bibliothekstantieme“ oder „Vervielfältigung von stehendem Text“ ein Herausgeber eine Vergütung erhalten könne (Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 23.12.2019, S. 21, Bl. 78 d.A.).
(3) Die Beteiligung von Herausgebern als mögliche Urheber an Sammelwerken ist von der Satzung der Beklagten in der bis zum 09.06.2018 geltenden Fassung nicht gedeckt, da nur die Rechte von Inhabern von Urheberrechten und Nutzungsrechten an Sprachwerken wahrgenommen wurden. Mit den Ausschüttungen an Herausgeber verstieß die Beklagte somit gegen ihren durch die Satzung definierten und begrenzten Aufgabenbereich. Die Beklagte hat als Treuhänderin der Berechtigten die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit ausschließlich an die Berechtigten zu verteilen. Mit diesem Grundgedanken ist es unvereinbar, Nichtberechtigte an diesen Einnahmen zu beteiligen (BGH, GRUR 2016, 596, 599, Rn. 30 – Verlegeranteil, m.w.N.). Sowohl der Kläger persönlich als auch der Zedent erhielten im streitgegenständlichen Zeitraum Ausschüttungen der Beklagten. An Herausgeber wurde im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 30.09.2019 im Bereich Bibliothekstantieme für Ausleihen in öffentlichen Bibliotheken insgesamt ca. 2,09 Mio. EUR ausgeschüttet. Durch die Beteiligung von Herausgebern an den Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung sowie der Bibliothekstantieme verstieß die Beklagte daher gegen ihre Pflichten als Treuhänderin. Zugleich verletzte sie den Anspruch des Klägers und des Zedenten darauf, mit einem Anteil an den Einnahmen der Beklagten beteiligt zu werden, der den Erlösen entspricht, die sie durch die Auswertung ihrer Rechte erzielt hat (BGH, GRUR 2016, 596, 598, Rn. 23 – Verlegeranteil, m.w.N.) Denn durch die Beteiligung von Herausgebern an den Einnahmen aus den §§ 27, 54 ff. UrhG ohne satzungsgemäße Grundlage wurde die Summe verringert, die für die tatsächlich Berechtigten zur Auszahlung zur Verfügung stand. Die Ausschüttungen der Beklagten an Herausgeber, die aus Erlösen aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff. UrhG stammten, erfolgten mithin unrechtmäßig.
(4) Die Beteiligung der Herausgeber an den Einnahmen aus der Wahrnehmung der Vergütungsansprüche nach §§ 27, 54 ff. UrhG entbehrt überdies einer Grundlage im Wahrnehmungsvertrag der Beklagten in der Fassung bis zum 09.06.2018.
Herausgeber konnten bis zur Satzungsänderung keine Urheberrechte an Sammelwerken bei der Beklagten durch Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages einbringen (a). Die Beteiligung von Herausgebern an den Erlösen der Vergütungsansprüche nach §§ 27, 54 ff. UrhG erfolgte daher ohne Rechtsgrund (b). Auch über die Meldesystemregistrierung wurde kein Rechtsgrund für die Herausgeberbeteiligung geschaffen (c).
(a) Entsprechend der Satzungsregelung sah auch der Wahrnehmungsvertrag in der bis zum 09.06.2018 gültigen Fassung die Wahrnehmung der Rechte von Urheber- und Nutzungsrechten an Sprachwerken vor (vgl. Wahrnehmungsvertrag des Klägers vom 29.12.1983/28.01.1984, K 8, Wahrnehmungsvertrag des Zedenten vom 20.11./03.12.1994, K 9, sowie § 2 des Musterwahrnehmungsvertrages der Beklagten in der Fassung 10.09.2016, B 6). Eine Übertragung von Rechten an Sammelwerken im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG war dagegen nicht vorgesehen. Beim Wahrnehmungsvertrag handelt es sich, wie ausgeführt, um allgemeine Geschäftsbedingungen. Er ist daher nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen. Umstände, die nur einzelnen Beteiligten bekannt oder erkennbar sind, müssen danach außer Betracht bleiben (BGH, GRUR 2009, 395, 398 – Klingeltöne für Mobiltelefone, m.w.N.). Bei der Auslegung des Wahrnehmungsvertrages ist keine andere Auslegung des Begriffs „Sprachwerk“ geboten als bei der Auslegung der Satzung. Die dortigen Erwägungen gelten unterschiedslos auch für den Wahrnehmungsvertrag. Unter „Sprachwerk“ im Sinne des Wahrnehmungsvertrages sind daher nur die Rechte von Urhebern und Inhabern von Nutzungsrechten an Sprachwerken zu subsumieren, dagegen nicht die Urheber und Inhaber von Nutzungsrechten an Sammelwerken im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG.
Zwar ist für die Auslegung des Umfangs einer Rechtseinräumung bei Wahrnehmungsverträgen mit Verwertungsgesellschaften auch der Zweckübertragungsgedanke maßgeblich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Berechtigungsvertrag maßgeblich der Zweck zugrunde liegt, der Verwertungsgesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung Rechte einzuräumen, deren individuelle Wahrnehmung dem einzelnen Urheberberechtigten nicht möglich ist, während Rechte, die der Urheberberechtigte individuell verwerten kann, diesem verbleiben sollen (BGH, GRUR 2000, 228, 229 – MusicalGala m.w.N.). Voraussetzung für eine (erweiternde) Auslegung ist allerdings, dass eine an diesem Zweck orientierte Auslegung eine Grundlage im jeweiligen Vertrag findet. Der Zweckübertragungsgedanke kommt dann zum Tragen, wenn eine inhaltlich naheliegende Nutzungsart nicht ausdrücklich, wohl aber dem Sinn nach in den Vertrag einbezogen werden sollte. Der Schutzzweck der Zweckübertragungslehre ist es, den Urheber an den Erträgnissen sämtlicher einzelner Verwertungen seines Werkes angemessen zu beteiligen (Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, Rn. 113). Es geht mithin darum, den Umfang der übertragenen Rechte an einem konkreten Werk in einem bestehenden Vertragsverhältnis sinnvoll zu bestimmen. Die Zweckübertragungslehre hat jedoch dort keinen Anwendungsbereich, wo es um die Frage geht, wer überhaupt Urheberrechte übertragen kann. Die Frage der Vertragsparteien ist der Frage nach dem Umfang der übertragenen bzw. von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte vorgelagert. Die Zweckübertragungslehre kommt erst dann zum Tragen, wenn klar ist, wer als Urheber seine Rechte an einen Vertragspartner übertragen hat.
Vorliegend geht es aber zunächst um die Frage, welche Urheber überhaupt Rechte an die Beklagte übertragen konnten. Der Wahrnehmungsvertrag in der bis zum 09.06.2018 gültigen Fassung sah ausschließlich die Wahrnehmung von Urheber- und Nutzungsrechten an Sprachwerken vor. Bei einem Sammelwerk handelt es sich, wie ausgeführt, um eine gänzlich andere Art von Werk als bei einem Sprachwerk. Geschützt wird in einen Fall eine sprachliche Leistung, im anderen Fall die Leistung, etwas zusammengestellt zu haben. Folglich sind auch die Urheber des einen nicht mit dem des anderen identisch. Ein Schriftsteller (Urheber eines Sprachwerks), könnte allenfalls dann zugleich Urheber eines Sammelwerkes sein, wenn er mehrere seiner eigenen Werke in einer Weise zusammenstellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 UrhG erfüllt sind. Es handelt sich also bei Urhebern und Inhabern von Nutzungsrechten an Sprachwerken nicht um dieselben Personen wie bei Urhebern und Inhabern von Nutzungsrechten an Sammelwerken.
Die Einbeziehung von Urhebern und Inhabern von Nutzungsrechten an Sammelwerken in die Wahrnehmungsverträge aufgrund der Zweckübertragungslehre würde vorliegend dazu führen, dass der Adressatenkreis der Wahrnehmungsverträge über den W1.laut hinaus auf eine weitere Gruppe von Berechtigten, nämlich Urhebern und Inhaber an Nutzungsrechten an Sammelwerken, erweitert würde. Dies geht über die Zielrichtung der Zweckübertragungslehre hinaus, weshalb diese vorliegend keine Anwendung findet. Überdies sind die Werkarten Sprachwerke und Sammelwerke von Sprachwerken derart unterschiedlich, dass auch insoweit der Anwendungsbereich der Zweckübertragungslehre überspannt würde. Diese kann nicht dazu führen, dass die Rechte an gänzlich anderen Werkarten über den eindeutigen W1.laut eines Vertrages hinaus Vertragsinhalt werden.
(b) Durch Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages in der bis zum 09.06.2018 geltenden Fassung wurden keine Rechte an Sammelwerken an die Beklagte übertragen. Ausschüttungen an Herausgeber als Urheber von Sammelwerken erfolgten mithin ohne vertragliche Grundlage. Zu Ausschüttungen an Herausgeber aus Erlösen, die aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff. UrhG stammten, war die Beklagte nicht berechtigt. Folglich war die Beklagte auch nicht berechtigt, die Ausschüttungen der auf die Werke des Klägers und des Zedenten entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gem. den §§ 27, 54 ff. UrhG durch Zahlungen aus diesen Erlösen zum Zweck der Herausgeberbeteiligung zu vermindern (Anträge Ziffer 1.a und 2.a).
(c) Auch durch die Meldesystemregistrierung wurde kein Rechtsgrund für die Herausgeberbeteiligung geschaffen.
Im Bereich „Belletristik, Kinder- und Jugendbücher“ konnte auf diesem Wege schon deswegen keine entsprechende Vereinbarung zwischen Berechtigten und Beklagter geschlossen werden, weil es in diesem Bereich keine Möglichkeit der Meldungen gibt.
Die Möglichkeit für Berechtigte, über Einzelmeldungen bzw. die Registrierung im Meldesystemregister eine Vereinbarung mit der Beklagten einzugehen, gab es nur im Bereich Wissenschaft, und auch dies nur bis zum 01.02.2018. Nach den Meldeformularen, über die Berechtigte Ansprüche geltend machen konnten, auch ohne einen Wahrnehmungsvertrag mit der Beklagten geschlossen zu haben, überträgt der Urheber seine „Rechte und Ansprüche aufgrund der §§ 27, 54 sowie 54 c UrhG“ (Anlagen B 9 und 10). Meldeberechtigt waren nach den Ausfüllhinweisen (Anlagen K 18, K 33) Herausgeber, die einen Sammelband mit mehr als drei (später: sechs) Beiträgen verschiedener Autoren zusammengestellt hatten. Damit war wohl gemeint, dass eine Übertragung von Urheberrechten an Sammelwerken erfolgt. Unabhängig davon, ob durch diese Kriterien tatsächlich Urheberrechte an Sammelwerken erfasst wurden und die Herausgeber damit eine Vereinbarung mit der Beklagten über die Wahrnehmung der ihnen zustehenden Urheberrechte an Sammelwerken abschlossen, war jedenfalls eine Beteiligung der Herausgeber wegen Überschreitung des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Beklagten, der wie dargestellt nur Sprachwerke umfasste, unwirksam.
Selbst wenn man die Satzung und den Wahrnehmungsvertrag in der Fassung bis zum 09.06.2018 so auslegen wollte wie die Beklagte und davon ausginge, dass der Wahrnehmungsumfang auch Urheber- und Nutzungsrechte an Sammelwerken an Sprachwerken umfasste, wären die aufgrund des Verteilungsplans an die Herausgeber vorgenommenen Ausschüttungen bis zur Satzungsänderung am 09.06.2018 gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Die Regelungen des Verteilungsplans (a) stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar und unterliegen als solche gem. §§ 307 ff. BGB der Inhaltskontrolle (b). Die Regelungen zur Ausschüttung an Herausgeber verstoßen gegen den Grundgedanken des § 27 VGG (c). Die Beklagte darf Ausschüttungen nur an originär Berechtigte vornehmen. Diese Voraussetzung war bei den Zahlungen an Herausgeber, die nach der Praxis der Beklagten nicht notwendiger Weise Urheber sein mussten, im Zeitraum bis zur Satzungsänderung am 09.06.2018 nicht erfüllt.
(a) Die Beteiligung der Herausgeber an den Ausschüttungen findet ihre Grundlage in den Verteilungsplänen der Beklagten. Gem. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung 2017 (Anlage K 24, entsprechende Regelung in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Verteilungsplan in den Fassungen 2016, Anlage B 2, sowie 2015, Anlage B 1) werden die Verteilungssummen für jedes Geschäftsjahr vom Verwaltungsrat nach Sparten getrennt festgestellt und grundsätzlich das Aufkommen aus jeder Sparte gesondert abgerechnet und verteilt.
In § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in den relevanten Fassungen ist eine Beteiligung von Herausgebern in der Sparte „Vervielfältigung von stehendem Text“ (Vergütung für wissenschaftliche sowie Fach- und Sachbücher gem. § 48 des Verteilungsplans 2017 bzw. § 45 der Verteilungspläne 2015 und 2016), die die Vergütungsansprüche nach §§ 54 ff. UrhG betrifft, unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. Herausgeber werden dabei (nur) in den Sparten Belletristik, Kinder- und Jugendbücher (§ 42 des Verteilungsplans von 2015, Anlage B1, bzw. § 45 der Verteilungspläne 2016 und 2017, Anlagen B 2, K 24) sowie Wissenschaftliche und Fachzeitschriften (§§ 48, 49 des Verteilungsplans 2015 bzw. § 50 der Verteilungspläne 2016 und 2017) an den Ausschüttungen beteiligt. Nach § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in den relevanten Fassungen wurden Herausgeber insbesondere dann berücksichtigt, wenn sie ein Sammelwerk mit mindestens vier Textbeiträgen verschiedener Urheber zusammengestellt hatten.
Die Beteiligung von Herausgebern am Aufkommen aus der Sparte Bibliothekstantieme für Ausleihen in allgemeinen öffentlichen Bibliotheken und somit die Beteiligung am Vergütungsanspruch nach § 27 UrhG ist in § 10 Abs. 4 des Verteilungsplans in den Fassungen 2015 und 2016 (Anlagen B 1 und B 2) bzw. § 14 Abs. 4 in der Fassung 2017 (Anlage K 24) geregelt.
(b) Bei § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in allen den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Fassungen sowie § 10 Abs. 4 des Verteilungsplans in den Fassungen 2015 und 2016 bzw. § 14 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung 2017 handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Wie bereits dargelegt, stellen die Regelungen des Wahrnehmungsvertrages und die Satzung und der Verteilungsplan als Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages allgemeine Geschäftsbedingungen dar.
Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifeln anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
(c) Gemäß § 27 Abs. 1 VGG hat die Verwertungsgesellschaft feste Regeln aufzustellen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten ausschließen (Verteilungsplan). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Verwertungsgesellschaft fremde Rechte treuhänderisch wahrnimmt. § 27 Abs. 1 VGG liegt, wie schon der bis zum 31.12.2015 gültigen Vorgängervorschrift in § 7 Abs. 1 Wahrnehmungsgesetz, der wesentliche Gedanke zugrunde, dass die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebenden Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche von Urhebern und Inhabern verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte oder Ansprüche zu verteilen hat (vgl. zu § 7 Satz 1
Wahrnehmungsgesetz, BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 31 – Verlegeranteil; zur Vergleichbarkeit der beiden Regelungen vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 27 VGG Rn. 1). Es kann danach nicht jeder, der mit der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen oder dieser ein Werk gemeldet hat, allein deshalb als Berechtigter angesehen werden, der an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft zu beteiligen wäre. Eine Beteiligung setzt vielmehr voraus, dass die Einnahmen der Beklagten auf der Wahrnehmung originärer Ansprüche der Berechtigten beruhen (vgl. BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 33 – Verlegeranteil).
Berechtigte sind sämtliche Urheber und Leistungsschutzberechtigte, also diejenigen, bei denen die Rechte originär entstanden sind (Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 9 VGG Rn. 17). Korrespondierend zu dem sich aus § 9 VGG ergebenden Wahrnehmungszwang muss die Verwertungsgesellschaft die aus den Nutzungen der wahrgenommenen Urheber- oder Leistungsschutzrechte eingezogenen Vergütungen willkürfrei verteilen (Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 27 VGG Rn. 1). Eine Verwertungsgesellschaft muss bei der Verteilung ihrer Einnahmen daher maßgeblich berücksichtigen, zu welchem Anteil diese Einnahmen auf einer Verwertung der Rechte und Geltendmachung von Ansprüchen der einzelnen Berechtigten beruhen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 34 – Verlegeranteil). Ein Wahrnehmungsberechtigter ist auf Grund der bestehenden vertraglichen Beziehung verpflichtet, der Verwertungsgesellschaft seine Urheberschaft an den von ihm angemeldeten Werken in dem Umfang beweiskräftig zu belegen, wie dies zur wirksamen Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber Dritten und zur Rechtfertigung seiner Beteiligung am Vergütungsaufkommen gegenüber anderen Wahrnehmungsberechtigten, deren Anteil dadurch zwangsläufig geschmälert wird, erforderlich ist (BGH, GRUR 2002, 332, 334 – Klausurerfordernis).
Die von der Beklagten aufgrund des Verteilungsplans vorgenommenen Ausschüttungen an die Herausgeber sind mit dem Grundgedanken des § 27 VGG unvereinbar.
(aa) Die Prüfkriterien der Beklagten bei Sammelbänden in der Sparte „Vervielfältigung von stehendem Text“ gem. § 3 Abs. 6 der Verteilungspläne 2016 und 2017 (Anlagen B 2 und K 24), die die Vergütungsansprüche der Geräte- und Speichermedien nach §§ 54 ff. UrhG betrifft, sind nicht geeignet, festzustellen, ob es sich bei dem Herausgeber eines Sammelbandes um den Urheber eines Sammelwerks im Sinn des § 4 Abs. 1 UrhG handelt, der Berechtigter für Ausschüttungen der Beklagten sein könnte. Die Auswahl der Berechtigten durch die Beklagten gem. § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in sämtlichen streitgegenständlichen Fassungen verstieß damit sowohl gegen die treuhänderische Verpflichtung der Beklagten, keine Ausschüttungen an Nichtberechtigte vorzunehmen, als auch gegen das Willkürverbot. Damit entspricht § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans nicht den Vorgaben des § 27 VGG und ist daher gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Auch aus diesem Grund waren daher für den Klagezeitraum bis zum 09.06.2018 die Ausschüttungen von Erlösen aus der Wahrnehmung des §§ 54 ff. UrhG an Herausgeber unzulässig.
(i) Gemäß § 3 Abs. 6 der Verteilungspläne 2016 und 2017 (Anlagen B 2 und K 24) wurden Herausgeber an den Ausschüttungen berücksichtigt, wenn sie ein Sammelwerk mit mindestens vier Textbeiträgen verschiedener Urheber zusammengestellt haben. Nach dem „Merkblatt für Urheber im wissenschaftlichen Bereich“ von 2015 (Anlage K 23) konnte ein Herausgeber bereits dann melden, „wenn er einen Sammelband mit mehr als drei Beiträgen verschiedener Autoren zusammengestellt (…) hat“. Die Frage, ob ein Sammelband ein urheberrechtlich schutzfähiges Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG ist, lässt sich nicht mit der Feststellung beantworten, ob in dem Band mindestens drei oder vier Textbeiträge verschiedener Autoren enthalten sind. Erforderlich für die Schutzfähigkeit eines Sammelwerks gem. § 4 Abs. 1 UrhG ist nicht allein, dass eine Auswahlentscheidung getroffen wurde, sondern dass die Auswahl oder Anordnung der einzelnen Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (vgl. Marquardt, in: Wandtke/Bullinger UrhG 5. Auflage, 2019, § 4 Rn. 5 m.w.N.). Der geistige Gehalt muss über die bloße Summe der Inhalte der Einzelwerke hinausgehen und eine eigene schöpferische Leistung ausweisen (Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O.; OLG Köln GRUR-RR 2012, 325, 328 – Newton-Bilder). Der Gesamtheit der Elemente muss ein neuer geistiger Gehalt verliehen werden (OLG Nürnberg GRUR 2002, 607, 608 – Merkblätter für Patienten). Der Schutzgrund des § 4 Abs. 1 UrhG liegt in der eigenschöpferischen Auswahl oder Anordnung der Elemente (BGH, GRUR 2013, 1213 – SUMO, Rn. 57). Eine rein handwerkliche, schematische oder routinemäßige Auswahl oder Anordnung reicht dagegen nicht aus, um eine schöpferische Leistung annehmen zu können. Hierbei werden die Anforderungen mitunter nicht hoch angesetzt und ein Werk gilt schon dann als geschützt, wenn sich sagen lässt, dass ein anderer Urheber möglicherweise eine andere Auswahl oder Anordnung getroffen haben würde, so dass die vorliegende eigenständige Behandlung einem bestimmten Urheber persönlich zugerechnet werden kann (Marquardt in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 4 Rn. 5 m.w.N.). Aber selbst bei dieser niedrigen Schwelle reicht ein Blick ins Inhaltsverzeichnis nicht aus, um zu prüfen, ob eine schöpferische Leistung und nicht nur eine routinemäßige Auswahl vorliegt. Die Frage, ob bei einer Auswahl oder Anordnung von Elementen eine schöpferische Leistung erbracht wurde, setzt die konkrete Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Werkes sowie der darin zusammengeführten Einzelwerke voraus. Eine derartige inhaltliche Auseinandersetzung wird bereits von der Beklagten selbst nicht vorgetragen. Letztlich bedingt die Mindestanzahl der Texte einer Veröffentlichung, wie die Beklagte sie aufstellt, lediglich die Feststellung, dass eine Sammlung vorliegt. Sie sagt aber noch nichts über die schöpferische Leistung aus.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beklagte aufgrund der Bezeichnung einer Person als Herausgeber nicht davon ausgehen konnte, dass es sich bei diesem tatsächlich um den Urheber des Sammelwerks handelte, sofern ein solches vorlag. Es ist denkbar, dass für ein Werk ein Herausgeber bezeichnet wird, der tatsächlich nicht der Urheber des Werkes ist, beispielsweise bei Neuauflagen mit Herausgeberwechsel, bei Mitherausgebern oder Titularherausgebern.
Es genügt mithin auch bei anderen wissenschaftlichen Werken als Festschriften, juristischen Kommentaren, Gesetzes- und Vorschriftensammlungen nicht, allein das Inhaltsverzeichnis des entsprechenden Werks zu prüfen, selbst wenn dies in jedem einzelnen Fall geschehen sein sollte.
Im Übrigen wurden Urheber von Sammelwerken, die nicht als Herausgeber genannt waren, im Verteilungsplan nicht berücksichtigt.
(ii) Auch bei Anthologien, Lexika und Handbüchern sowie Tagungsbänden kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Werken typischerweise um ein Sammelwerk handelt, weil hier ein hinreichender Gestaltungsspielraum bei der Auswahl oder Anordnung der Elemente bestehe, der ein Urheberrecht des Herausgebers begründen könne. Auch in diesen Fällen ist eine über die Prüfung einer Mindestanzahl von Textbeiträgen verschiedener Autoren hinausgehende Einzelfallprüfung notwendig. Der insoweit anderslautenden Einschätzung des DPMA im Schreiben vom 05.06.2018 (Anlage B 17) kann nicht gefolgt werden. Auch bei diesen Werkarten ist denkbar, dass für das Werk ein Herausgeber bezeichnet wird, der tatsächlich nicht der Urheber des Werkes ist, wie beispielsweise bei Neuauflagen mit Herausgeberwechsel, bei Mitherausgebern oder Titularherausgebern. Zudem steht bei Lexika aufgrund der Herausgebereigenschaft nicht fest, ob es sich um eine originär eigene Zusammenstellung handelt oder ob diese beispielsweise anderweitig übernommen wurde. Bei „Handbuch“ handelt es sich bereits nicht um einen stehenden Begriff, weshalb auch nicht typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass es sich hierbei um ein Sammelwerk handelt. Bei einer Anthologie wiederum ist im Vorfeld zu klären, ob es sich überhaupt um eine Anthologie handelt, was allein aufgrund der Bezeichnung als „Anthologie“ durch den Herausgeber nicht vermutet werden kann. Bei einem Tagungsband schließlich könnte der schöpferische Beitrag in der Zusammenstellung der Tagung und der Beiträge liegen. Beim Tagungsband handelt es sich jedoch grundsätzlich nur um die Wiedergabe dieser Zusammenstellung. Dass es sich bei demjenigen, der die Zusammenstellung vorgenommen hat, und dem Herausgeber des Tagungsbands um die gleiche Person handelt, kann nicht typischerweise vermutet werden.
(iii) Die erkennende Kammer verkennt nicht, dass es der Beklagten als Verwertungsgesellschaft in gewissem Rahmen möglich sein muss, die Berechtigung von Meldenden aufgrund pauschalierender Kriterien zu überprüfen. Insoweit hat die Beklagte ausgeführt, sie sei nicht verpflichtet, die Wahrnehmung der Ansprüche von Herausgebern von Sammelwerken von Sprachwerken von einer Einzelfallprüfung dahingehend abhängig zu machen, dass für jedes angemeldete Werk geprüft werden müsse, ob es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne von § 4 Abs. 1 UrhG handele (Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 21.05.2020, S. 40, Bl. 244 d. A.). Eine Verwertungsgesellschaft sei berechtigt, beim Abschluss von Wahrnehmungsverträgen allein auf die Zugehörigkeit des Berechtigten zu einer bestimmten Berufsgruppe von Urhebern abzustellen. Die Wahrnehmung von Rechten durch eine Verwertungsgesellschaft stelle ein Massengeschäft dar, das nur dann wirtschaftlich erfolgreich abgewickelt werden könne, wenn bei der Vertragsgestaltung im weiteren Umfang typisiert und standardisiert werde.
Die möglichen pauschalierenden Kriterien müssen jedoch zwingend sicherstellen, dass für die ganz überwiegende Anzahl der Berechtigten die gesetzlichen Leitgedanken der §§ 9, 27 VGG eingehalten und eine willkürfreie Auskehrung der Erlöse aus der Wahrnehmung von Rechten und Ansprüchen nur an die Berechtigten erfolgt. Diesen Anforderungen werden die von der Beklagten angelegten Kriterien nicht gerecht, weil sie für die Ausschüttungen gemäß den Verteilungsplänen an das Vorliegen eines „Herausgebers“ anknüpfen.
Die Erwägungsgründe des BGH im von der Beklagten zitierten Urteil GRUR 2002, 961 – Mischtonmeister – lassen sich nicht auf die hier vorliegende Situation übertragen. Die dortige Argumentation fußt zum einen auf der Tatsache, dass es sich bei dem Geschäft der Verwertungsgesellschaften um ein Massengeschäft handelt, das eine Typisierung und Standardisierung erfordert, um wirtschaftlich erfolgreich abgewickelt zu werden. Im dortigen Fall ging es aber um die Frage, ob die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe schon ausreichend sei, damit die Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag abschließen dürfe. Ein Wahrnehmungsvertrag sei insbesondere dann abzuschließen, wenn die Verwertungsgesellschaft mit Anderen in gleicher Lage derartige Wahrnehmungsverträge abschließe. Vorliegend ist aber gerade nicht geklärt, dass Herausgeber eine vergleichbare Leistung erbringen und somit davon ausgegangen werden darf, dass sämtliche Herausgeber in gleicher Weise eine Beteiligung an den Erlösen verdient haben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass sich der BGH in der genannten Entscheidung mit den Bedingungen des Wahrnehmungsvertrags befasste, es hier aber darum geht, ob überhaupt ein Wahrnehmungsvertrag abzuschließen ist. Wie bereits erläutert wurde, folgt aus der Bezeichnung als Herausgeber allein nicht, dass typischerweise die gleiche Leistung oder auch nur eine vergleichbare Leistung durch die Meldenden erbracht wurde. Zudem handelt es sich bei Herausgebern gerade nicht um eine homogene Berufsgruppe. Vielmehr kann es sich bei einem Herausgeber um den Urheber eines Sammelwerks im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handeln, es kann auch nur ein Verfasser eines Sammelbands, der urheberrechtlich nicht geschützt ist, vorliegen, es kann aber auch sein, dass als Herausgeber jemand bezeichnet wird, der mit der eigentlichen Schaffung des Sammelbands bzw. Sammelwerks nicht befasst war sondern aus anderen Gründen, etwa Vermarktungsaspekten, als Herausgeber bezeichnet wird. Aus diesem Grund ist es für die Frage, ob eine Erlösbeteiligung zur erfolgen hat, jedenfalls anhand der von der Beklagten verwendeten Kriterien nicht zulässig, eine Pauschalierung vorzunehmen.
Vielmehr ist der Entscheidung „Mischtonmeister“ zu entnehmen, dass selbst dann, wenn dem Grunde nach eine urheberrechtlich relevante Leistung erbracht wird, der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags womöglich abzulehnen ist, wenn die Feststellung von urheberrechtlich relevantem Schaffen nicht nach leicht feststellbaren Kriterien beurteilt werden kann, sondern vielfach eine sachkundigen Einzelfallprüfung erfordert und mit ganz erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden ist (BGH, GRUR 2002, 961, 962 – Mischtonmeister).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass sie aufgrund des Wahrnehmungszwangs gem. § 9 VGG verpflichtet sei, Verträge mit Herausgebern einzugehen, ist darauf zu verweisen, dass der Wahrnehmungszwang nur dann gelten kann, wenn tatsächlich ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG vorliegt. Insoweit ist die Beklagte aber nicht nur berechtigt, sondern aufgrund ihrer treuhänderischen Verpflichtung gegenüber den weiteren Berechtigten sogar verpflichtet, eine Prüfung vorzunehmen, ob es sich bei einem gemeldeten Werk tatsächlich um ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handelt.
Die Beklagte selbst legt den Maßstab des Wahrnehmungszwangs insoweit jedenfalls nicht konsequent an, da sie es nach § 3 Abs. 6 und § 10 Abs. 4 (Fassungen 2015 – 2016) bzw. § 14 Abs. 4 (Fassung 2017) des Verteilungsplans nur Herausgebern ermöglicht, eine Ausschüttung zu erhalten. Andere Urheber von Sammelwerken, die nicht zugleich Herausgeber sind oder als solche bezeichnet, werden dagegen weder im Verteilungsplan berücksichtigt, noch wird ihnen die Möglichkeit gegeben, ihr Werk überhaupt zu melden. Insoweit nimmt die Beklagte jedenfalls eine unzulässige Beschränkung des Kreises der möglichen Berechtigten vor und verstößt insoweit tatsächlich gegen den Wahrnehmungszwang gem. § 9 VGG.
(bb) In der Sparte Bibliothekstantieme lässt sich anhand der Regelungen des Verteilungsplans in der Fassung von 2017 (Anlage K 24) bzw. § 10 Abs. 4 des Verteilungsplans in den Fassungen von 2015 und 2016 (Anlagen B 1 und B 2) nicht feststellen, ob die Ausschüttungen an Berechtigte erfolgten. Wer Herausgeber ist, wird dort bereits nicht definiert. Es ist deshalb unklar, wer Berechtigter der Ausschüttungen in der Sparte Bibliothekstantieme sein soll. Die entsprechenden Regelungen des Verteilungsplans sind daher willkürlich. Wollte man für die Bestimmung, wer als Herausgeber Ausschüttungen aus der Sparte Bibliothekstantieme erhalten soll, auf § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in den Fassungen bis zum 09.06.2018 zurückgreifen sollte, gilt das bereits Ausgeführte.
Nach dem Vortrag der Beklagten entsprach es der tatsächlichen Praxis, in der Sparte Bibliothekstantieme Herausgeber dann zu berücksichtigen, wenn der „Beteiligte“ im Katalog der deutschen Nationalbibliografie, die von der deutschen Nationalbibliothek verantwortet wird, als Herausgeber genannt wird und dass der Beklagten in Folge ihres Erhebungsverfahrens Ausleihnachweise des Titels aus öffentlichen Bibliotheken vorliegen (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 23.12.2019, S. 33, Bl. 90 d.A.). Die Berechtigten nach diesen Kriterien auszuwählen, war ebenfalls willkürlich: Es wurde der aus § 27 VGG resultierende Grundsatz verletzt, dass die Beklagte als Treuhänderin die Erlöse aus der Wahrnehmung der Rechte und Ansprüche nicht an Nichtberechtigte auskehren darf. Die fehlende Anknüpfung der Herausgeberbeteiligung an das Vorliegen von Urheberrechten an Sammelwerken verstößt damit gegen die treuhänderische Verpflichtung der Beklagten, keine Ausschüttungen an Nichtberechtigte vorzunehmen.
(i) Die tatsächlichen Prüfkriterien der Beklagten, das Anknüpfen an die Nennung im Katalog der Nationalbibliothek, sind ungeeignet, eine originäre Berechtigung der Herausgeber zu etablieren. Ohne weitere Feststellung zu Anzahl, Art und Titel der zusammengestellten Sprachwerke und Gesamtinhalt des Sammelbandes ist es jedoch nicht möglich herauszufinden, ob bei einem Werk eine eigenschöpferische Leistung vorliegt und es sich um ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handelt. Der Ansicht der Beklagten, dass im Rahmen der Bibliothekstantieme eine Beteiligung von Herausgebern primär in Bezug auf Sammelwerke aus den Bereichen Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur sowie Lyrik erfolgt und es sich hierbei um Werkgattungen handele, bei denen die urheberrechtlich geschützte Herausgeberleistung grundsätzlich nicht zweifelhaft sein könne, kann nicht gefolgt werden. Allein aufgrund der Tatsache, dass es für ein Werk aus den Bereichen Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur und Lyrik einen Herausgeber gibt, lässt sich nicht schließen, dass es sich bei dem Werk um ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handelt. So fehlt es beispielsweise bereits an einer eigenschöpferischen Leistung, wenn die Zusammenstellung von einer anderen Quelle übernommen wurde. Dies lässt sich ohne weitere Feststellungen nicht überprüfen. Hinzu kommt, dass aus der Tatsache, dass ein Herausgeber genannt wird, nicht zwingend geschlossen werden kann, dass es sich hierbei auch um den Urheber des Sammelwerks handelt, sofern ein solches vorliegen sollte. So kann als Herausgeber auch jemand genannt werden, der die Zusammenstellung nicht selbst vorgenommen hat, der aber aus anderen Gründen als Herausgeber bezeichnet wird, beispielsweise bei Neuauflagen oder im Fall einer Titularherausgeberschaft.
Umgekehrt ist nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Werk um ein Sammelwerk handelt, der Urheber des Sammelwerks aber nicht als Herausgeber genannt wird. In diesem Fall war eine Beteiligung des Urhebers des Sammelwerks an Erlösen aus der Wahrnehmung der Bibliothekstantieme nicht vorgesehen, denn eine Beteiligung an diesen Erlösen war nach dem Verteilungsplan ausschließlich für als Herausgeber bezeichnete Personen geregelt.
Hinzu kommt, dass an allgemeinen öffentlichen Bibliotheken nicht nur Werke aus den genannten Bereichen Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur und Lyrik verliehen werden. Für andere als diese Werke stellt selbst die Beklagte nicht die Behauptung bzw. Vermutung auf, dass es sich hier bei den Herausgebern auch um Urheber von Sammelwerken handele.
(ii) Die Beklagte kann sich im Hinblick auf die Tatsache, ob es sich bei einem meldenden Herausgeber tatsächlich um den Urheber des Sammelwerks handelt, nicht auf § 10 Abs. 1 UrhG berufen. § 10 Abs. 1 UrhG ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar.
Dies ergibt sich schon aus einem Vergleich von Abs. 1 und Abs. 2 des § 10 UrhG. Nach § 10 Abs. 1 UrhG ist derjenige als Urheber des Werkes anzusehen, der auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werkes oder auf dem Original der bildenden Künste in üblicher Weise als Urheber bezeichnet ist. Nach Absatz 2 wird vermutet, dass, wenn der Urheber nicht nach Abs. 1 bezeichnet ist, derjenige, der als Herausgeber bezeichnet ist, ermächtigt ist, die Rechte des Urhebers geltend zu machen. Das Gesetz unterscheidet mithin eindeutig zwischen der Bezeichnung als Urheber einerseits und der Bezeichnung als Herausgeber andererseits. Ein Herausgeber ist nach § 10 UrhG gerade nicht Urheber.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607, 608. Darin hat das OLG zwar festgestellt, dass bei einem Sammelwerk üblicherweise der Urheber als Herausgeber bezeichnet werde. Es führt jedoch weiter aus, dass daraus nicht folge, dass quasi im Umkehrschluss die Benennung als Herausgeber die Behauptung enthielte, Urheber zu sein. Beim Begriff „Herausgeber“ handele es sich nicht um einen rechtlich fixierten Terminus. Die verschiedenen Bedeutungsinhalte des Begriffs „Herausgeber“ verböte die Annahme eines Verkehrsverständnisses im Sinne einer Gleichsetzung mit „Urheber“ (OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607, 608 – Merkblätter für Patienten).
Für das Verhältnis zwischen einer Wahrnehmungsgesellschaft und ihren (angeschlossenen) Mitgliedern hat die gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 1 UrhG ohnehin nur eine beschränkte Bedeutung. Denn ein Wahrnehmungsberechtigter ist aufgrund der bestehenden vertraglichen Beziehung verpflichtet, der Verwertungsgesellschaft seine Urheberschaft an den von ihm angemeldeten Werken in dem Umfang beweiskräftig zu belegen, wie dies zur wirksamen Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber Dritten und zur Rechtfertigung seiner Beteiligung am Vergütungsaufkommen gegenüber anderen Wahrnehmungsberechtigten, deren Anteil dadurch zwangsläufig geschmälert wird, erforderlich ist (BGH, NJW 2002, 1713, 1716 – Klausurerfordernis). Dementsprechend wird in der Satzung der Beklagten formuliert, der Berechtigte müsse „nachweislich“ Inhaber von Rechten sein (§ 3 Abs. 1 der Satzung in sämtlichen streitgegenständlichen Fassungen). Vor dem Hintergrund ist eine bloße Vermutung der Urheberschaft der meldenden Herausgeber durch die Beklagte nicht zulässig.
(iii) Zwar steht der Verwertungsgesellschaft wegen der unvermeidbaren Typisierungen und Pauschalierungen und im Blick auf die notwendige Bewertung und Abwägung der Interessen der betroffenen Berechtigten ein außerordentlich weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser wird aber durch das Willkürverbot begrenzt (BGH, GRUR 2016, 596 Rn. 35 – Verlegeranteil). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt vor, wenn, wie hier, die angesetzten Kriterien nicht geeignet sind, festzustellen, ob den von der Beklagten als Berechtigte angesehenen Personen tatsächlich ein gesetzlicher Anspruch gem. § 27 UrhG zusteht.
Für Werke in der Sparte Bibliothekstantieme erfolgte daher eine Beteiligung von Herausgebern, ohne dass hierbei eine angemessene Prüfung dahingehend durchgeführt wurde, ob die als Herausgeber genannte Person der Urheber des Werks war und ohne Berücksichtigung von Urhebern, die nicht als Herausgeber genannt waren. Die fehlende Anknüpfung der Herausgeberbeteiligung an das Vorliegen von Urheberrechten an Sammelwerken verstößt damit sowohl gegen die treuhänderische Verpflichtung der Beklagten, keine Ausschüttungen an Nichtberechtigte vorzunehmen, als auch gegen das Willkürverbot.
Damit entsprechen § 14 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung von 2017 (Anlage K 24) bzw. § 10 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung von 2016 (Anlage B 2) nicht den Vorgaben des § 27 VGG und sind daher gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Insoweit war daher für den Klagezeitraum bis zum 09.06.2018 die Ausschüttung von Erlösen aus der Wahrnehmung des § 27 UrhG an Herausgeber unzulässig.
b. Auch nach der Satzungsänderung am 09.06.2018 erfolgte die Beteiligung der Herausgeber an den Erlösen aus der Wahrnehmung der Vergütungsvorschriften gem. §§ 27, 54 ff UrhG unrechtmäßig, weshalb die Ausschüttungen an den Kläger und den Zedenten zu Unrecht vermindert wurden.
Mit Mitgliederbeschluss vom 09.06.2018 wurde die Satzung dahingehend geändert, dass die Beklagte nunmehr auch die Rechte an Sammelwerken von Sprachwerken gem. § 4 Abs. 1 UrhG wahrnehmen kann, siehe § 3 Abs. 1 der Satzung in der Fassung vom 09.06.2018 (Anlage K 4). Bei der Änderung der Satzung handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um eine reine Klarstellung, sondern um eine Erweiterung des Wahrnehmungsumfangs. Wie bereits ausgeführt, umfasste die Satzung in ihrer Fassung bis zum 09.06.2018 die Urheber- und Nutzungsrechte an Sammelwerken von Sprachwerken gerade nicht.
Die Satzungsänderung wurde nicht Bestandteil der Wahrnehmungsverträge des Klägers und des Zedenten (1). Jedenfalls sind die Regelungen des Verteilungsplans, die eine Beteiligung von Herausgebern ohne die Anknüpfung an eine originäre Berechtigung oder unter Ansetzung der in § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans in der Fassung vom 09.06.2018 aufgeführten Kriterien an den Erlösen aus den §§ 27, 54 ff UrhG ermöglichen, nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam (2).
(1) Die Satzungs- und Vertragsänderung vom 09.06.2018 wurde nicht Bestandteil der Wahrnehmungsverträge des Klägers und Zedenten. Im Fall des Klägers verstößt die in seinem Wahrnehmungsvertrag enthaltene Einbeziehungsklausel gegen § 307 Abs. 1 BGB (a). In spätere Wahrnehmungsverträge wie dem des Zedenten wurde die Vertragsänderung vom 09.06.2018 nicht einbezogen, weil die Voraussetzungen einer „schriftlichen Mitteilung“ gemäß § 6 Abs. 2 dieser Wahrnehmungsverträge durch die Übersendung des „VG W1.REPORT“ nicht erfüllt sind (b.aa). Außerdem wurde die Formvorschrift des § 10 S. 2 VGG verletzt, so dass die Vertragsänderung gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam war (b.bb).
(a) Auf den Wahrnehmungsvertrag des Klägers mit der Beklagten hatten die nachfolgenden Satzungsänderungen und damit einhergehende Änderungen der Wahrnehmungsverträge keinen Einfluss. In § 3 des Wahrnehmungsvertrages des Klägers heißt es insoweit: „Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Abänderungen des Wahrnehmungsvertrages, so gilt auch diese Abänderung als Bestandteil dieses Vertrags.“ (Anlage K 8). Eine solche Regelung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 AGBG unwirksam, weil sie die Berechtigten der Verwertungsgesellschaft entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine Klausel, nach der die Zustimmung des Vertragspartners des Verwenders zu einer von diesem gewünschten Vertragsänderung nicht einmal aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Vertragspartners des Verwenders fingiert wird, sondern weitergehend entbehrlich ist, ist als unangemessen benachteiligend und unwirksam anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2009, 395, 400 – Klingeltöne für Mobiltelefone, für die insoweit wortgleiche Bestimmung bei der GEMA m.w.N.). Um eine solche Klausel handelte es sich bei der Klausel, die im Wahrnehmungsvertrag des Klägers verwendet wurde. Auch aus späteren Änderungen des Wahrnehmungsvertrages kann in Bezug auf den Kläger nicht hergeleitet werden, er habe den Änderungen des Wahrnehmungsvertrages zugestimmt. Insoweit wäre zunächst eine tatsächliche Vereinbarung notwendig gewesen, nachdem diese Vertragsänderung Vertragsbestandteil geworden wäre (BGH, GRUR 2009, 395, 400 – Klingeltöne für Mobiltelefone). Insoweit hat die Beklagte aber nichts vorgetragen, und aufgrund der unwirksamen Klausel im Vertrag des Klägers konnte diese nicht durch eine Klausel in der Fassung der zeitlich nachfolgenden Wahrnehmungsverträge ersetzt werden.
(b) In späteren Fassungen der Wahrnehmungsverträge war geregelt, dass Änderungen der Satzung und des Verteilungsplans Bestandteil des Vertrages bilden sowie Änderungen und Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrages durch Beschluss der Mitgliederversammlung als Bestandteil des Vertrages gelten, sofern sie dem Berechtigten schriftlich mitgeteilt wurden und er nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen ausdrücklich widersprach, vgl. § 5 des Wahrnehmungsvertrages des Zedenten (Anlage K 9) sowie § 6 Abs. 2 der Wahrnehmungsverträge in den neueren Fassungen wie die Fassung vom 10.09.2016 (Anlage B 6). Auch diese Formulierung ist nicht geeignet, die Vertragsänderung vom 09.06.2018, nach der nunmehr auch die Urheberrechte und Nutzungsrechte an Sammelwerken von Sprachwerken durch die Beklagte wahrgenommen werden, wirksam in bestehende Wahrnehmungsverträge einzubeziehen.
Die Änderung des Wahrnehmungsvertrages vom 09.06.2018 im Hinblick auf den Wahrnehmungsumfang wurde auch bei späteren Wahrnehmungsverträgen als denen des Klägers nicht Vertragsbestandteil, weil die Voraussetzung einer „schriftlichen Mitteilung“ im Sinne des § 6 Abs. 2 der Wahrnehmungsverträge nicht erfüllt war.
(aa) § 6 Abs. 2 der Einbeziehungsklausel sieht vor, dass Änderungen oder Ergänzungen den Berechtigten schriftlich mitzuteilen sind. Bei einer „schriftlichen Mitteilung“ handelt es sich nicht um eine gesetzlich geregelte Form. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Wahrnehmungsvertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Wahrnehmungsvertrag ist mithin nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen (BGH, GRUR 2009, 395, 398 – Klingeltöne für Mobiltelefone, m.w.N.). Da es sich bei Änderungen oder Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrags für den Berechtigten um erhebliche Änderungen handeln kann, mit denen dieser nicht zwingend einverstanden sein muss, kann er aufgrund der Formulierung von Satz 2 des § 6 Abs. 2 des Wahrnehmungsvertrags davon ausgehen, dass er auf diese in adäquater Form ausdrücklich und durch persönliche Ansprache hingewiesen wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit der Klausel bei Schweigen auf ein Angebot zur Vertragsänderung die Zustimmung zur Vertragsänderung fingiert wird. Es wird mithin eine Ausnahme zu dem Grundsatz vereinbart, dass ein Vertrag grundsätzlich durch Angebot und Annahme, die beide ausdrücklich erklärt werden und dem Vertragspartner zugehen müssen, zustande kommt. Die Fiktion der Zustimmung zu einem Angebot setzt zwingend voraus, dass der Vertragspartner überhaupt über die angebotene Vertragsänderung Kenntnis erlangen konnte. Nur dann, wenn sichergestellt ist, dass der Vertragspartner das Angebot tatsächlich wahrnehmen konnte, entspricht es dem Interesse beider Parteien, ein Schweigen hierauf als Zustimmung zu werten. Folglich muss eine „schriftliche Mitteilung“ über die geplante Vertragsänderung in einer Form erfolgen, durch die gewährleistet ist, dass der Vertragspartner, dessen Zustimmung fingiert werden soll, diese tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Die Zustimmungsfiktion des § 6 Abs. 2 des Wahrnehmungsvertrages kann nur dann eintreten, wenn die Beklagte eine „schriftliche Mitteilung“ dergestalt übersendet, dass der jeweilige Berechtigte auf die Bedeutung der Vertragsänderung in seinem Einzelfall sowie auf die Zustimmungsfiktion ausdrücklich hingewiesen wurde. Dem Berechtigten ist jedenfalls eine an ihn persönlich gerichtete ausdrückliche Mitteilung zu übersenden, aus der sich ergibt, welcher Art die von der Beklagten vorgeschlagene Änderung sein soll. Nur dann handelt es sich um eine „schriftlichen Mitteilung“ im Sinn des § 6 Abs. 2 des Wahrnehmungsvertrags. Diesen Anforderungen wurde die durch die Beklagte erfolgte Mitgliederinformation im „VG W1.REPORT“ nicht gerecht.
Nach dem Vortrag der Beklagten erhielten sämtliche Wahrnehmungsberechtigte den „VG W1.REPORT August 2018“ (Anlage B 12). Dieser richtet sich ausweislich der Anrede „Sehr geehrte Wahrnehmungsberechtigte der VG W1.REPORT“ pauschal an alle Wahrnehmungsberechtigten. Er befasst sich im Einleitungswort des geschäftsführenden Vorstands mit dem Inkrafttreten des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes und der Tatsache, dass infolge dessen die Mitgliederversammlung eine Reihe von Änderungen des Wahrnehmungsvertrags und des Inkassoauftrags für das Ausland beschlossen habe. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Mitgliederversammlung der Beklagten eine Reihe von Änderungen der Satzung und des Verteilungsplans beschlossen habe, die nach Genehmigung durch die Vereinsaufsichtsbehörde auf der Homepage veröffentlicht werden. Schließlich wird auf Veränderungen aufgrund der neuen Datenschutz-Grundverordnung aufmerksam gemacht. Darauf, dass in der Satzungsänderung auch eine Änderung des Wahrnehmungsumfangs der Rechte der Berechtigten durch die Beklagte erfolgte, wird in diesem Einleitungsabsatz nicht hingewiesen. Vielmehr liest sich der gesamte Abschnitt so, als ob es sich im Wesentlichen um Änderungen handelte, die aufgrund Veränderungen gesetzlicher Vorgaben erfolgten. Dass auf den folgenden knapp 2 1/2 Seiten Änderungen von Wahrnehmungsvertrag und des Inkassoauftrags für das Ausland in der Gestalt dargestellt werden, dass geänderte Klauseln aufgeführt und neuer Text durch Fettdruck hervorgehoben werden, führt nicht zur leichteren Verständlichkeit für den Empfänger. Die hier relevante Änderung des § 2 des Wahrnehmungsvertrages, in den die Wahrnehmung von Rechten auch an Sammelwerken von Sprachwerken aufgenommen wurde (VG W1.REPORT, Anlage B 12, Seite 3), fällt im Verhältnis zu den zahlreichen weiteren Änderungen nicht weiter auf. In den Erläuterungen hierzu (Seite 4) heißt es dazu, die Beklagte habe schon in der Vergangenheit Rechte der Herausgeber von Sammelwerken von Sprachwerken geltend gemacht. Mit den jetzt erfolgten Ergänzungen von § 2 würden die entsprechenden Rechtewahrnehmungen ausdrücklich im Wahrnehmungsvertrag geregelt. Bei objektiver Auslegung des unbedarften Empfängers liest sich dies so, als ob es hier nicht zu einer Änderung des Wahrnehmungsvertrages gekommen sei, sondern lediglich eine bestehende Praxis ausdrücklich schriftlich aufgenommen wurde. Schon nach dem Inhalt des Schreibens ist für den Empfänger nicht deutlich erkennbar, dass mit der Änderung des Wahrnehmungsvertrags nun auch eine Änderung des Wahrnehmungsumfangs, in dem die Beklagte tätig wird, einhergeht. Hinzu kommt, dass es sich auf den ersten Blick bei dem Schreiben um einen allgemeinen und für den Betroffenen wenig interessanten MitgliederInformationsbrief handelt, der von Gesetzesänderungen und damit einhergehenden technisch notwendigen Änderungen von Satzungs- und Wahrnehmungsvertrag berichtet. Dass es sich tatsächlich um grundlegende Änderungen im Hinblick auf den Umfang der Rechte handelt, welche die Beklagte für die Berechtigten wahrnimmt, lässt sich der Aufmachung des Schreibens nicht entnehmen. Selbst wenn der Empfänger die Einleitungsworte lesen sollte, wird ihm die Bedeutung der Satzungs- und Vertragsänderung hier nicht auch nur andeutungsweise vor Augen geführt. Der Empfänger des „VG W1.REPORTS“ konnte daher davon ausgehen, dass das Schreiben rein formelle Anpassungen von Satzung und Verträgen aufgrund von Gesetzesänderungen betrifft.
(bb) Die Vertragsänderung vom 09.06.2018 war darüber hinaus wegen Verstoßes gegen § 10 S. 2 VGG gem. § 125 S. 1 BGB unwirksam. Durch die Satzungsänderung der Beklagten mit Beschluss vom 09.06.2018 wurde der Wahrnehmungsumfang um die Wahrnehmung der Rechte an Sammelwerken von Sprachwerken erweitert. Die Übertragung dieses weiteren Rechts auf die Beklagte hätte der Textform nach § 126 b BGB bedurft.
(i) Nach § 10 Satz 1 VGG hat eine Verwertungsgesellschaft, die auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wahrnimmt, dessen Zustimmung zur Wahrnehmung für jedes einzelne Recht einzuholen und diese zu dokumentieren. Gemäß § 10 Satz 2 VGG bedarf die Vereinbarung, auch soweit Rechte an künftigen Werken eingeräumt werden, der Textform.
Die Vorschrift des § 10 VGG setzt Art. 5 Abs. 7 Satz 1 und 2 der VG-Richtlinie um (Gerlach in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl. 2019, § 10 VGG Rn. 1). Die Notwendigkeit zur gesonderten Einholung jedes einzelnen zur Wahrnehmung anvertrauten Rechts und der entsprechenden Dokumentation ergibt sich aus der generellen Vorgabe der VG-Richtlinie (RL 2014/26/EU), deren zentrales Anliegen es unter anderem ist, die kollektive Rechtewahrnehmung flexibler zu gestalten und den Rechtsinhabern umfassende Wahlmöglichkeiten einzuräumen, welches Recht sie jeweils welcher Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung einräumen wollen (Freudenberg, in: BeckOK, Urheberrecht, Ahlberg/Götting/Lauber-Rönsberg, 31 Aufl., 01.05.2021, § 10 VGG, Rn. 1). Gemäß Art. 5 Abs. 7 Satz 1 der VG-Richtlinie erteilt ein Rechtsinhaber, der eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt, ausdrücklich für jedes Recht oder jede Kategorie von Rechten oder jede Art von Werken und jeden sonstigen Schutzgegenstand seine Zustimmung zur Wahrnehmung dieser Rechte.
Art. 5 Abs. 7 der VG-Richtlinie ist so auszulegen, dass die Zustimmung des Berechtigten ausdrücklich für jedes Recht zu erfolgen hat, nicht dagegen, dass die Zustimmung des Berechtigten ausdrücklich erfolgen muss. Dies folgt aus der Sprachfassung der Richtlinie in englischer, französischer und italienischer Sprache, in denen es heißt: „He shall give consent specifically for each right“ bzw. „consentiments specifiquememt pour chaque droit“ bzw. „consento specifico per ogni di ritto“. Hiernach ergibt sich eine Auslegung im Sinne von „spezifisch für jedes Recht“, das Adverb „spezifisch“ ist dagegen nicht auf die Zustimmung des Berechtigten bezogen (vgl. insoweit auch: Freudenberg, in: BeckOK Urheberrecht, 31. Aufl., 01.05.2021, § 10 VGG, Rn. 24; Gerlach, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 5. Aufl. 2019, § 10 Rn. 1).
Dementsprechend hat nach § 10 Satz 1 VGG die Zustimmung des Berechtigten spezifisch für jedes von der Wahrnehmungsgesellschaft wahrgenommene Recht zu erfolgen.
(ii) Gemäß § 10 S. 2 VGG bedarf die Vereinbarung über jedes von der Wahrnehmungsgesellschaft wahrgenommene Recht der Textform. Die Regelung bezieht sich nach ihrem W1.laut auf die der Wahrnehmung zugrundeliegende Vereinbarung zwischen dem Berechtigten und der Beklagten, mithin dem Wahrnehmungsvertrag, gilt aber nach Sinn und Zweck auch für nachfolgende Erklärungen des Rechtsinhabers über dessen Zustimmung zur Wahrnehmung für jedes einzelne Recht (Heine/Staats, in: Raue/Hegemann, Münchener Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht, 2. Aufl., 2017; § 6 Rn. 36; Freudenberg, in: BeckOK UrhR, 31. Aufl., 01.05.2021, § 10 VGG, Rn. 28; so wohl auch Schulze in Dreyer/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 10 VGG, Rn. 3, der meint die Textform genüge „für die Rechtseinräumung“). Sinn und Zweck von § 10 Satz 2 VGG ist, im Interesse einer effizienteren Organisation der Geschäftsprozesse und der Kosteneinsparung bei der Verwertungsgesellschaft abweichend von der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 UrhG für diese Vereinbarung auf ein Schriftformerfordernis gemäß § 126 BGB zu Gunsten des mit geringeren Anforderungen verbundenen Textformerfordernisses gemäß § 126 b BGB zu verzichten (Freudenberg, in: BeckOK UrhR, 31. Aufl. 01.05.2021, § 10 VGG, Rn. 29 m. Hinw. auf BT-Drs. 18/8268, 10). Es geht mithin nicht darum, eine Einschränkung dahingehend zu treffen, dass eine Zustimmung des Rechtsinhabers für jedes weitere einzelne Recht, das durch die Verwertungsgesellschaft wahrgenommen wird, entbehrlich ist, sondern ausschließlich darum, das an sich nach dem Urheberrecht notwendige Schriftformerfordernis durch ein geringeres Textformerfordernis zu ersetzen.
Eine anderweitige Folgerung lässt sich nicht der VG-Richtlinie entnehmen. Zwar soll gemäß Erwägungsgrund 19, 4. Abs. das in dem Auftrag enthaltene Erfordernis der Zustimmung der Rechtsinhaber zur Wahrnehmung eines jeden Rechts, einer jeden Rechtekategorie bzw. in Bezug auf Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen bei der Erteilung des Wahrnehmungsauftrags den Rechtsinhaber nicht daran hindern, spätere Vorschläge zur Änderung des Auftrags stillschweigend nach geltendem nationalem Recht anzunehmen. Diese Erwägung, die eine stillschweigende Zustimmung ermöglich, bezieht sich aber gerade nicht auf die ursprüngliche und erstmalige Vereinbarung zur Rechteübertragung, sondern nur auf die Änderung einer solchen bereits bestehenden Vereinbarung. Dementsprechend formuliert der Gesetzgeber in seiner Begründung zu § 10 VGG: „Rechtsinhaber sind deswegen auch nicht daran gehindert, spätere Vorschläge zur Änderung des Wahrnehmungsauftrags stillschweigend anzunehmen, soweit dies nach allgemeinen Grundsätzen rechtlich zulässig ist“ (Begr. RegE BT-Drs. 18/7223, 75). Nicht der erstmalige Abschluss des Wahrnehmungsauftrags ist stillschweigend möglich, sondern lediglich spätere Änderungen. Wie bereits ausgeführt ist zentrales Anliegen der VG-Richtlinie, dem Rechteinhaber die Wahlmöglichkeit zu geben, welcher Verwertungsgesellschaft er welches Recht zur Wahrnehmung einräumen möchte. Diese Möglichkeit würde konterkariert und der Rechteinhaber benachteiligt, wenn die Verwertungsgesellschaft quasi durch die Hintertür die von ihnen wahrgenommenen Rechte allein aufgrund einer stillschweigenden Annahme auf weitere Rechte erweitern könnte.
Durch die Satzungsänderung der Beklagten mit Beschluss vom 09.06.2018 wurde der Wahrnehmungsumfang um die Wahrnehmung der Rechte an Sammelwerken von Sprachwerken erweitert. Diese Erweiterung stellt inhaltlich keine bloße Abänderung des bestehenden Wahrnehmungsvertrages dar, der sich lediglich auf Urheber- und Nutzungsrechte an Sprachwerken bezog. Vielmehr sollte durch die Satzungsänderung die Wahrnehmung eines weiteren Rechts auf die Beklagte übertragen werden. Nach § 10 VGG bedarf die Vereinbarung einer derartigen Übertragung der Textform.
(iii) Gemäß § 126 b BGB muss, wenn durch Gesetz Textform vorgeschrieben ist, eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Nach dem W1.laut von § 126 b Satz 2 Nr. 1 BGB setzt der Begriff des dauerhaften Datenträgers eine an den Empfänger persönlich gerichtete Erklärung voraus (Einsele, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, § 126 b, Rn. 5). Die Funktion der Textform besteht darin, den Empfänger der Erklärung über bestimmte Sachverhalte nicht nur im Wege einer flüchtig zugegangenen (mündlichen) Erklärung, sondern durch ein Medium zu informieren, das die Erklärung dauerhaft in Schriftzeichen wiedergeben kann. Der Gesetzgeber sieht die Textform also in den Fällen für ausreichend an, in denen die Informations- und Dokumentationsfunktion im Verhältnis zur Beweisfunktion überwiegt und die Warnfunktion für den Erklärenden keine oder eine untergeordnete Rolle spielt. Die Textform kann indes ihre Funktion – Information und Dokumentation von Erklärungen – nur dann erfüllen, wenn für den Empfänger ersichtlich ist, ob die Erklärung rechtlich bindend sein soll und vollständig ist (Einsele, a.a.O., § 126 b, Rn. 1, 8).
Der „VG W1.REPORT“ (Anlage B 12), mit dem die Vertragspartner der Beklagten von der Satzungsänderung und der Erweiterung der Wahrnehmung auf ein weiteres Recht informiert wurden, erfüllt die Voraussetzungen des § 126 b BGB zweifellos nicht. Die Mitteilung war bereits nicht persönlich an den Empfänger gerichtet. Eine Erklärung des Empfängers erfolgte nicht, sondern es sollte eine stillschweigende Annahme durch die Berechtigten erklärt werden.
(iv) § 10 Satz 2 VGG wurde nicht wirksam durch § 6 Abs. 2 des Wahrnehmungsvertrages abbedungen. Aufgrund der Bedeutung des § 10 Satz 2 VGG für den Schutz des Rechtsinhabers ist diese Vorschrift zwingend. Der Rechteinhaber soll davor geschützt werden, dass die Verwertungsgesellschaft ohne seine Kenntnis Änderungen am Umfang der Rechteeinräumung vornimmt. Dies gilt umso mehr, als dass es sich bei Wahrnehmungsverträgen um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, er die Vertragsbedingungen mithin nicht individuell ausgehandelt hat. § 10 VGG sowie Art. 5 Abs. 7 der VG-Richtlinie dienen dem Schutz des Berechtigten und sollen ihn gerade vor einer Übervorteilung durch Wahrnehmungsgesellschaften schützen. Dieser Zweck würde konterkariert, wenn es den Wahrnehmungsgesellschaften möglich wäre, durch eine Klausel im von ihnen vorgegebenen Wahrnehmungsvertrag die gesetzlichen Vorschriften auszuhebeln.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Zweck des Formzwangs aus der jeweiligen Norm zu ermitteln sei. Wie ausgeführt, ist der Zweck des Formzwangs der vorliegenden Regelung der Schutz des Rechteinhabers. Sinn und Zweck der Einführung des Textformerfordernisses durch den Gesetzgeber war es lediglich, das strengere Schriftformerfordernis zu umgehen. Dass ihm gegenüber ein Textformerfordernis eingeführt wurde spricht weder dafür, dass der Gesetzgeber auf die Notwendigkeit einer für jedes Recht spezifischen Vereinbarung verzichten wollte, noch sollte der Schutz des Rechteinhabers in sonstiger Weise eingeschränkt werden. Es geht bei § 10 VGG daher nicht lediglich darum, einen Informations- und Klarstellungzweck zu erfüllen. Dieser ist zwar auch beabsichtigt, überwiegend ist aber der Zweck, dass der Rechtsinhaber bewusst für jedes Recht seine Zustimmung erteilt und entsprechend sich der Tatsache bewusst wird, dass er insoweit die Wahrnehmung auf die Verwertungsgesellschaft überträgt. Dieser Schutzgedanke verträgt sich nicht mit einer Aushebelung durch Vorschriften wie § 6 Abs. 2 des Wahrnehmungsvertrags der Beklagten.
(2) Die Regelungen des § 3 Abs. 6 und 14 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung vom 09.06.2018, die eine Beteiligung von Herausgebern an den Erlösen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen nach §§ 27, 54 ff UrhG ermöglichen, sind nach § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Die Regelungen verstoßen gegen den Grundgedanken des § 27 UrhG, nach dem die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebenden Nutzungsrechte oder Vergütungsansprüche ausschließlich an Inhaber dieser Rechte oder Ansprüche zu verteilen hat (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 31 – Verlegeranteil). Insoweit war auch für den Klagezeitraum ab dem 09.06.2018 die Ausschüttung von Erlösen aus den §§ 27, 54 ff. UrhG an Herausgeber unzulässig. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch die Ausschüttungen an den Kläger und Zedenten zu niedrig waren.
(a) Der Prüfungsmaßstab der Beklagten bei Sammelbänden in der Sparte „Vervielfältigung von stehendem Text“ gem. § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans 2018 ist nicht geeignet festzustellen, ob es sich bei dem Herausgeber eines Sammelbandes um den Urheber eines Sammelwerks im Sinn des § 4 Abs. 1 UrhG handelt. Die Beteiligung von Herausgebern nach dieser Vorschrift an den Erlösen der Beklagten aus der Wahrnehmung der §§ 54 ff UrhG ist damit wegen Verstoßes gegen die Grundsätze des § 27 VGG gem. § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Die von der Beklagten ihrer Prüfung zugrunde gelegten Kriterien sind auch nach ihrer Änderung des Verteilungsplans mit Wirkung vom 09.06.2018 (Anlage K 2) weiterhin nicht geeignet, um festzustellen, ob es sich bei einem gemeldeten Werk um ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG handelt. Zur Frage der Schutzfähigkeit eines Sammelbands als Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG kann auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden.
Wie bereits dargelegt, bedingt die Mindestanzahl der Texte einer Veröffentlichung, wie die Beklagte sie aufstellt, lediglich die Feststellung, dass eine Sammlung vorliegt. Sie sagt aber noch nichts über die schöpferische Leistung aus. Allein die Erhöhung der Mindestanzahl an Texten von vier auf sechs in der Neufassung des § 3 Abs. 6 des Verteilungsplans führt daher nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beteiligung von Herausgebern an den Ausschüttungen.
Ebenso wenig genügt die Regelung, nach der eine Meldung von Neuauflagen für Herausgeber nach frühestens fünf Jahren möglich ist (Merkblatt für Urheber im wissenschaftlichen Bereich, Fassung November 2018, Anlage K 18). Hier kann erst recht nicht durch einen Blick ins Inhaltsverzeichnis festgestellt werden, ob eine Neuauflage eines Sammelbands im Vergleich zur Vorauflage ein urheberrechtlich selbstständiges neues Sammelwerk eines anderen Urhebers darstellt. Dafür müssten die Auflagen des Sammelbands einander gegenübergestellt und miteinander verglichen werden.
Die Beklagte führt die gestiegene Ablehnungsquote als Nachweis dafür an, dass eine inhaltliche Prüfung der gemeldeten Werke stattfindet. Einen Nachweis für eine inhaltliche Prüfung im Hinblick auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Werke liefert die Ablehnungsquote nicht. Die höhere Ablehnungsquote kann bereits daraus resultieren, dass ab dem Jahr 2019 die Kriterien für Herausgeber angehoben wurden und nur noch solche Werke von der Beklagten angenommen wurden, die sich aus mindestens sechs Textbeiträgen verschiedener Autoren zusammensetzten.
(b) In der Sparte Bibliothekstantieme lässt sich anhand der Kriterien der Beklagten in § 14 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung von 2018 (Anlage K 2) nicht feststellen, ob die Ausschüttungen an originär Berechtigte erfolgten. Insoweit kann auf die bereits erfolgten Ausführungen zu der inhaltsgleichen Regelung in den Verteilungsplänen in den zeitlich früheren Fassungen verwiesen werden.
Damit entspricht § 14 Abs. 4 des Verteilungsplans 2018 nicht den Vorgaben des § 27 UrhG und ist daher gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Insoweit war auch für den Klagezeitraum ab dem 09.06.2018 die Ausschüttung von Erlösen aus dem § 27 UrhG an Herausgeber unzulässig.
(c) Die §§ 3 Abs. 6, 14 Abs. 4 des Verteilungsplans in der Fassung vom 09.06.2018, die ausschließlich eine Berücksichtigung von Herausgebern, nicht dagegen sonstigen Urhebern von Sammelwerken vorsehen, verstoßen gegen § 3 Abs. 1 der Satzung in der Fassung vom 09.06.2018 sowie gegen den gesetzlichen Leitgedanken des § 27 VGG, nach dem die Verwertungsgesellschaft ihre Einnahmen ohne Willkür an die Berechtigten zu verteilen hat (BGH GRUR 2016, 596, Rn. 34). Dass es Urhebern von Sammelwerken, die nicht zugleich Herausgeber waren, nicht möglich ist, ihre Werke der Beklagten zu melden und auch der Verteilungsplan eine Beteiligung von ihnen nicht vorsieht, widerspricht diesem Leitgedanken.
Die Beklagte hat nach eigenem Vortrag nicht die Rechte an Sammelwerken für alle Urheber wahrgenommen, sondern lediglich die Urheberrechte an Sammelwerken von Herausgebern. Dass es Urheber eines Sammelwerks gibt, die nicht zugleich Herausgeber sind, hat der Klägervertreter beispielhaft in der mündlichen Verhandlung demonstriert: Er hat das Buch „Über Walter Benjamin“ vorlegte, das verschiede Texte enthält und somit ein Sammelwerk darstellen kann. Bei dem Buch ist jedoch kein Herausgeber angegeben. Auch ist, wie bereits ausgeführt, nicht zwingend, dass derjenige, der als Herausgeber angegeben wird, auch der Urheber des Sammelwerks ist.
3. Die Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der Beklagten erfolgten im streitgegenständlichen Zeitraum zu Unrecht. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, den auf die Werke des Klägers sowie des Zedenten entfallenden Anteile an den Erlösen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäß §§ 27, 54 UrhG durch Zuwendungen an den FFW zu vermindern.
Die Beklagte hat dem FFW in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt ca. 3,28 Mio. zugewiesen, wobei es sich hierbei um jährliche Zuweisungen in den Jahren 2016, 2017 und 2018 handelt. Da die Ausschüttungen an den FFW zu Unrecht erfolgten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ausschüttungen an den Kläger und Zedenten zu niedrig waren.
a. § 9 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in der Fassung von 2015 bzw. § 10 Abs. 3 in der Fassung von 2016 regeln eine Ausschüttung zur Förderung von wissenschaftlichen Schrifttum und Fachschrifttum (Förderungsausschüttung) aus dem Aufkommen aus der Bibliothekstantieme gem. § 27 UrhG (Anlagen K 3 und B 5). § 10 Abs. 2 der Satzung von 2018 erweitert die Zuwendungen dahingehend, dass ein Förderungsfonds gebildet wird, der nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung Wissenschaft und Forschung fördern soll. Zudem wird festgelegt, dass die jährlichen Zuwendungen erhöht werden und nicht mehr nur aus den Einnahmen für wissenschaftliche Bücher sowie Fach- und Sachbücher aus der Bibliothekstantieme (§ 27 Abs. 2 UrhG), sondern auch aus den Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung (§ 54 UrhG) stammen.
b. Die Zuwendungen der Beklagten an den FFW im streitgegenständlichen Zeitraum waren unwirksam. Die Erlöse der Bibliothekstantieme sowie der Speicher- und Medienvergütung dürfen nach den Vorgaben des § 27 Abs. 1 VGG nicht willkürlich verteilt werden. Dies wird durch die Regelungen der Satzung der Beklagten in den streitgegenständlich relevanten Fassungen, die die Zuwendungen an den Förderungsfonds vorsehen, nicht sichergestellt. Diese sind daher wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Regelungen gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam (aa). Überdies war die Satzungsänderung gem. § 305 c Abs. 1 BGB nichtig (bb). Jedenfalls erfüllen die von der Beklagten geförderten Projekte die gesetzlichen Vorgaben nicht (cc).
aa. Selbst wenn die Satzungsänderung vom 09.06.2018 für den Kläger und Zedenten wirksam geworden wäre, wären die Zahlungen an den FFW aus Erlösen aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff UrhG unberechtigt erfolgt. Als Bestandteil des Wahrnehmungsvertrages sind Satzung und Verteilungspläne allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 27 – Verlegeranteil m.w.N.; BGH, GRUR 2002, 332, 333 – Klausurerfordernis m.w.N.). Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Satzungsregelungen, die eine Auszahlung von Anteilen an den Erlösen aus der Bibliothekstantieme bzw. der Geräte- und Speichermedienvergütung an den FFW vorsehen, sind mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 27 VGG in Bezug auf ein willkürfreies Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten nicht zu vereinbaren.
(1) § 27 Abs. 1 VGG liegt der wesentliche Gedanke zugrunde, dass die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebenden Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche von Urhebern und Inhabern verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte oder Ansprüche zu verteilen hat (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 31 – Verlegeranteil). Hierbei sind die Verwertungsgesellschaften insoweit gebunden, als sie die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche wegen des Vervielfältigens eines Sprachwerkes zum Privatgebrauch oder im Wege der Reprographie (Gerätevergütung) nach dem Unionsrecht kraft Gesetzes unbedingt dem unmittelbar und originär berechtigten W1.autoren zukommen lassen müssen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 43 – Verlegeranteil). Dies ergibt sich zudem aus § 26 Nr. 1 VGG, der eine Verteilung der Einnahmen nur an Berechtigten vorsieht sowie aus §§ 26 Nr. 4, 32 Abs. 2 VGG, die Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen ebenfalls nur für Berechtigte vorsehen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Geräte- und Speichermedienvergütung haben die Mitgliedsstaaten, die sich für die Aufnahme der in Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 der RL 2001/29/EG vorgesehenen möglichen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht entscheiden, die Zahlung des gerechten Ausgleichs an die Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts vorzusehen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 45 – Verlegeranteil; EuGH, GRUR 2013, 1025, Rn. 19 – Amazon/AustroMechana, m.w.N.). Als Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts und unmittelbar und originär Anspruchsberechtigter des im Rahmen der Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchstabe a und b RL 2001/29/EG geschuldeten gerechten Ausgleichs sind kraft Gesetzes allein die in Art. 2 RL 2001/29/EG genannten Urheber und Leistungsschutzberechtigten anzusehen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 46 – Verlegeranteil m.w.N.). Sie müssen die Zahlung des gerechten Ausgleichs zwar nicht unmittelbar erhalten. Es ist zulässig, ihnen einen Teil des dem gerechten Ausgleich dienenden Erlöses mittelbar an zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen auszubezahlen (EuGH GRUR 2013, 1025, Rn. 46 – 55 – Amazon/AustroMechana; BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 46). Sie müssen die Zahlung des gerechten Ausgleichs jedoch unbedingt erhalten (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 46 – Verlegeranteil m. Hinw. auf EuGH, GRUR 2012, 489, Rn. 100 und 108 – Luksan/van der Let). Entscheidend ist nach den Ausführungen des EuGH, dass es einen gerechten Ausgleich dafür geben soll, dass die Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts in diesem Recht beschränkt werden und deswegen einen gerechten Ausgleich für den ihnen entstandenen Schaden erhalten müssen. Dass ein Teil (die Hälfte) des Erlöses dieses Ausgleichs oder dieser Abgabe nicht unmittelbar an die Bezugsberechtigten ausgezahlt wird, ist unschädlich, wenn dieser an zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen gezahlt wird, sofern diese sozialen und kulturellen Einrichtungen tatsächlich den Berechtigten zu Gute kommen und die Funktionsmodalitäten dieser Einrichtungen nicht diskriminierend sind (EuGH, GRUR 2013, 1025, Rn. 47 und 55 – Amazon/AustroMechana).
Auch die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche wegen des Verleihens eines Werkes durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung (Bibliothekstantieme) müssen nach dem Unionsrecht kraft Gesetzes unbedingt den unmittelbar und originär berechtigten Urhebern zukommen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 58 – Verlagsanteil). Die Rechtsprechung des EuGH zur Geräte- und Speichermedienvergütung ist auf die Bibliothekstantieme entsprechend anwendbar (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 60 – Verlagsanteil). § 27 Abs. 2 dient der Umsetzung der Vermiet- und Verleih-Richtlinie (RL 2006/115/EG) (Heerma, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 9). Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Vermiet- und Verleihrichtlinie können die Mitgliedstaaten hinsichtlich des öffentlichen Verleihwesens Ausnahmen vom ausschließlichen Recht des Urhebers vorsehen, sofern zumindest die Urheber eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten. Als Ausgleich dafür, dass der Urheber das Verleihen seines Werkes nicht untersagen kann, gewährt § 27 Abs. 2 UrhG ihm einen direkten Anspruch gegen den Verleiher des Werkstücks (Heerma, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 27 Rn. 9). Es geht hierbei mithin um den wirtschaftlichen Schutz des Urhebers (Freudenberg, in: BeckOK Urheberrecht, Ahlberg/Götting/Lauber-Rönsberg, 31. Auflage, 01.05.2021, § 27 Rn. 3). Der hinter der Regelung des § 27 Abs. 2 UrhG bzw. Art. 4 Abs. 1 der Vermiet- und Verleihrichtlinie stehende Rechtsgedanke entspricht folglich dem des § 54 Abs. 1 UrhG. Hier wie dort wird der Urheber zu einem gewissen Teil des Rechts „beraubt“, in angemessener Weise an sämtlichen Nutzungen seines Werks beteiligt zu werden (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage 2018, § 27 Rn. 1). Für diesen Fall hat der EuGH festgestellt, dass ein gerechter Ausgleich an die Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts zu zahlen ist. Dieser Rechtsgedanke, dass dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts ein unmittelbarer und gerechter Ausgleich dafür zu zahlen ist, dass zu Gunsten der Allgemeinheit in sein Recht eingegriffen wird, ist bei der Bibliothekstantieme ebenso einschlägig wie bei der Geräte- und Speichermedienvergütung.
(2) Die vom Förderungsfonds der Beklagten betriebene Förderung entspricht diesen Voraussetzungen nicht. Zunächst ist festzustellen, dass nach der Satzung der Beklagten der entsprechende Erlösanteil der Berechtigten „zur Förderung von wissenschaftlichen Schrifttum und Fachschrifttum ausgeschüttet (Förderungsausschüttung)“ wurde, vgl. § 9 Abs. 2 (b) der Satzung in der Fassung von 1981 (Anlage K 47) sowie Fassung von 1992 (Anlage K 48) sowie Satzung von 2015 (Anlage K 3, dort § 9 Abs. 3). In § 10 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung in der Fassung von 2018 heißt es sogar, „der Förderungsfonds soll Wissenschaft und Forschung fördern“ (Anlage K 4). Die Satzung selbst enthält mithin keine Begrenzung auf einen bestimmten Satzungszweck, nämlich dergestalt, dass die zurückbehaltenen Erlöse aus der Bibliotheks- und Geräteabgabe ausschließlich eine soziale und kulturellen Einrichtung zu Gunsten der tatsächlichen Berechtigten erhält. Vielmehr regelt die Satzung explizit, dass eine allgemeine Wissenschafts- und Forschungsförderung möglich sein soll. Damit besteht die konkrete Gefahr, dass die Erlöse aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff. UrhG entgegen den Vorgaben des § 27 VGG und der Rechtsprechung des EuGH nicht unmittelbar oder zumindest mittelbar den Berechtigten zu Gute kommen, sondern dass ein Teil hiervon Dritten zur Verfügung gestellt wird. Die in der Satzung vorgesehene allgemeine Forschungs- und Wissenschaftsförderung geht weit über das hinaus, wofür die Verwertungsgesellschaft die Erlöse verwenden darf.
(3) Die erkennende Kammer verkennt nicht, dass nach § 32 Abs. 1 VGG die Verwertungsgesellschaft kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern soll. Dass die von der Beklagten geförderten Werke und Leistungen eine besondere kulturelle Bedeutung haben, hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen. Hinzu kommt, dass der FFW durch die Einnahmen aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche nach §§ 27, 54 ff. UrhG finanziert wird. Hierbei handelt es sich um Zahlungen eines gerechten Ausgleichs als Gegenleistung für die Beschränkung der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der Urheber. Es liegt somit eine „Schadensausgleichszahlung“ vor. Diese darf nach der Rechtsprechung des EuGH nur unmittelbar an die Berechtigten ausgezahlt werden, nicht dagegen für andere Zwecke der (allgemeinen) Kulturförderung eingesetzt werden.
Nach § 32 Abs. 2 VGG soll die Verwertungsgesellschaft überdies Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen für ihre Berechtigten einrichten. Voraussetzung der Förderung durch den FFW ist es aber nicht, Berechtigter zu sein, weshalb die Kriterien der Förderung nach § 32 Abs. 2 VGG durch die Beklagte nicht eingehalten wurden.
bb. Die Erweiterung der jährlichen Zuwendungen an den FFW in § 10 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung von 2018 (Anlage K 4) um Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung zusätzlich zu den Einnahmen aus der Bibliothekstantieme war überdies überraschend und insoweit gem. § 305 c Abs. 1 BGB nichtig. Gem. § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Die Erweiterung der Zuwendungsgrundlagen an den FFW durch Anteile an Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung gem. § 54 UrhG stellt eine solche ungewöhnliche Regelung dar, mit der die Vertragspartner der Beklagten nicht zu rechnen brauchten.
„Überraschend“ ist eine Klausel, mit der der Vertragspartner vernünftigerweise nicht rechnen musste, was durch Auslegung zu ermitteln ist. Ob ein Überrumpelungseffekt besteht, richtet sich generell nach dem zu erwartenden Adressatenkreis (Stadler, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Auflage 2021, § 305 c, Rn. 2). Jahrzehntelang erfolgten Zuwendungen an den FFW nur aus Anteilen aus den Einnahmen der Bibliothekstantieme. Es entsprach daher der Erwartung der Berechtigten, dass diese Einnahmen auch weiterhin die einzige Zuwendungsgrundlage darstellten. Tatsächlich aber wurde mit der Satzungsänderung von 2018 die Grundlage der Zuwendungen um Anteile an der Geräte- und Speichermedienabgabe erweitert. Dies hat zur Folge, dass sich die Höhe der Auszahlungen an die Berechtigten entsprechend verringert, da die ihnen zustehenden Anteile an den Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung zu Gunsten des FFW verringert wurden. Mit einer derartigen Kürzung ihrer Ausschüttungen zu Gunsten eines Dritten, dem noch dazu von Gesetzes wegen keine Ansprüche aus den Einnahmen der Geräte- und Speichermedienvergütung zustehen, konnten und mussten die Berechtigten nicht rechnen. Die Änderung der Satzung stellt sich daher insoweit als überraschend dar. Sie ist gem. § 305 c Abs. 1 BGB nichtig.
Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie aus den in der Satzung nach § 9 Abs. 2 in der Fassung von 1981 vorgesehenen Förderungsausschüttungen in § 10 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung in der Fassung von 2018 ein Förderungsfonds wurde.
cc. Darüber hinaus sind die von der Beklagten im Einzelnen vergebenen Zuschüsse nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar.
Die Vergabe von Druckkostenzuschüssen für noch nicht veröffentlichte Werke geht an Förderungsempfänger, die denklogisch noch nicht Berechtigte der Erlöse aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 UrhG sein müssen, da vor dem geförderten Werk keine Veröffentlichung erfolgt sein muss. Damit handelt es sich bei der Förderung aber nicht um einen gerechten Ausgleich für den Eingriff in die Verwertungsrechte des Betroffenen. Vielmehr ist gerade nicht sichergestellt, dass es sich um eine Förderung handelt, die einem originär Berechtigten unmittelbar zugutekommt.
Im Schreiben des DPMA vom 25.01.2019 (Anlage B 18) wird unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH Austro/Mechana ausgeführt, eine teilweise mittelbare Leistung des gerechten Ausgleichs an Berechtigte über kulturelle Einrichtungen von Verwertungsgesellschaften sei möglich, wenn diese Einrichtungen tatsächlich den Berechtigten zu Gute kommen und deren Funktionsmodalitäten nichtdiskriminierend seien und andere Personen als die Berechtigten von der kulturellen Förderung grundsätzlich nicht profitierten. So könnten bestimmte besonders förderungswürdige Werkarten gezielt gefördert werden. Überdies wird darauf verwiesen, dass nach den Erwägungsgründen 10 und 11 dieser Richtlinie ein Ziel darin besteht, die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren, damit die Anspruchsberechtigten weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein können, und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren. Damit stellt auch das DPMA auf die Berechtigung der Zuwendungsempfänger ab, die bei der Förderung durch den FFW nicht gewährleistet ist. Dem Schreiben des DPMA lässt sich nicht entnehmen, dass eine Förderung von Künstlern bereits zu einem Zeitpunkt vor Entstehung des ersten Werkes einzusetzen hat. Es mag durchaus der Praxis entsprechen, dass im Wissenschaftsbereich Werke mit geringer Auflage typischerweise von Verlagen nur dann veröffentlicht werden, wenn der Autor oder ein Dritter einen Druckkostenzuschuss leistet. Dies berechtigt die Beklagte aber nicht dazu, Gelder an (noch) Nichtberechtigte auszuzahlen, die zwingend den Berechtigten zustehen.
Das Gleiche gilt für die Vergabe von Stipendien im Urheberrecht. Auch hier ergeht die Förderung zu einem Zeitpunkt, bei dem es sich bei der geförderten Person noch nicht notwendigerweise um einen Berechtigten handeln muss; Voraussetzung für das Stipendium ist nicht eine bereits erfolgte Veröffentlichung. Diese Förderung stellt daher keinen unmittelbaren Schadensausgleich dar. Zudem ist im Zeitpunkt der Zuwendung nicht absehbar, ob das Stipendium tatsächlich erfolgreich mit einem zu veröffentlichten Werk abgeschlossen wird. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Stipendien auf das Gebiet des Urheberrechts beschränkt sind. Dies schränkt den Kreis der geförderten Personen zwar möglicherweise im Sinne der Beklagten sinnvoll ein, stellt aber kein zulässiges Kriterium bei einer Förderung dar.
Auch bei der Finanzierung des Übersetzungspreises handelt es sich um eine Förderung, die nach den Teilnahmebedingungen nicht an die Bezugsberechtigten anknüpft. Dass in der Vergangenheit nahezu ausschließlich Werke von Wahrnehmungsberechtigten gefördert wurden (vgl. Schreiben des DPMA vom 25.01.2019, Anlage B 18; ähnlich Schriftsatz der Beklagten vom 23.12.2019, S. 76, Bl. 133) ändert nichts daran, dass dies eben nur nahezu und nicht insgesamt der Fall war und somit die Vergabekriterien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar sind.
Die Literaturausstattung von Lehrstühlen im Bereich des Urheberrechts stellt ebenfalls keine Zuwendung an die Bezugsberechtigten dar. Es geht hierbei um die Förderung des Urheberrechts, nicht um die (mittelbare) Förderung der Bezugsberechtigten.
Beim Heinrich-Hubmann-Preis für Werke zum Urheber- und Verlagsrecht in deutscher Sprache handelt es sich ebenfalls nicht um eine Förderung, die ausschließlich den nach den §§ 27, 54 ff. UrhG Berechtigten zu Gute kommt. Vielmehr wird an eine Bezugsberechtigung nicht angeknüpft. Es handelt sich daher um eine unzulässige allgemeine Förderung.
III.
Die Klage ist im Antrag unter Ziffer 3. überwiegend begründet. Dem Zedenten steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu. Der Kläger hat einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der an Herausgeber erfolgten Ausschüttungen für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 sowie hinsichtlich der Zuwendungen an den FFW im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019, soweit nicht Ausschüttungen betroffen sind, die vor dem 01.01.2017 erfolgt sind. Im Übrigen ist sein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Zuwendungen an den FFW verjährt.
1. Der Auskunftsanspruch des Klägers und des Zedenten folgt aus dem mit der Beklagten aufgrund des jeweiligen Wahrnehmungsvertrages bestehenden Treuhandverhältnisses gem. §§ 675, 666 BGB.
a. Die Wahrnehmungsverträge mit dem Kläger und dem Zedenten verpflichten die Beklagte zur treuhänderischen Wahrnehmung der ihr übertragenen urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Aufgrund des mit der Beklagten bestehenden Treuhandverhältnisses können der Kläger und der Zedent verlangen, dass die Beklagte die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit ausschließlich an die Berechtigten verteilt und zwar in dem Verhältnis, in dem diese Einnahmen auf einer Verwertung der Rechte und Geltendmachung von Ansprüchen der jeweiligen Berechtigten beruhen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 30 – Verlegeranteil). Aus dem Wahrnehmungsvertrag resultiert ebenfalls ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagten über die Höhe der ihnen nach diesen Grundsätzen zustehenden Ausschüttungsanteile. Der Kläger und der Zedent können überdies von der Beklagten Auskunft verlangen, um welche Beträge sich die Ausschüttungen an sie dadurch vermindert haben, dass Anteile an den Einnahmen aus der Geräte- und Speichermedienvergütung und/oder Bibliothekstantieme unberechtigter Weise an Herausgeber und den FFW ausgeschüttet wurden (vgl. BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 103 – Verlegeranteil, m.w.N.; OLG München, GRUR 2014, 272, 279 – Verlegeranteil.). Dieser Auskunftsanspruch ist bezogen auf die Werke zu erfüllen, in Bezug auf die zwischen dem Kläger bzw. Zedenten und der Beklagten ein Wahrnehmungsvertrag besteht, da nur so die Höhe der Beträge im Einzelnen nachvollzogen werden kann. Die Auskunft ist zudem getrennt nach Jahren zu erteilen.
b. Der Kläger und Zedent sind in entschuldbarer Weise über die Höhe der Beträge im Unklaren und die kann Beklagte unschwer Aufklärung geben (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 103 – Verlegeranteil, m.w.N.).
Ausweislich der Abrechnungen der Beklagten (Anlagen K 34, 34a bis f) erhielt der Kläger aus den ihm (kostenfrei) zur Verfügung gestellten Ausschüttungsauskünften keine werkbezogenen Auskünfte. Auch für Nachausschüttungen wurden weder dem Kläger noch dem Zedenten werkbezogene Ausschüttungsauskünfte erteilt oder angeboten (Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.07.2020, S. 85, Bl. 349 d.A.). Zwar bot die Beklagte ab der Hauptausschüttung 2014 werkbezogene Ausschüttungsauskünfte an, wobei zwischen den Parteien strittig ist, ob diese dem Kläger und Zedenten bis zur Hauptausschüttung 2018 zugingen. Jedenfalls ist selbst der Auskunft über die Hauptausschüttung vom 28.06.2019 (Anlagen B 28 und B 29) nicht zu entnehmen, in welcher Höhe konkret Ausschüttungen an Herausgeber und den FFW erfolgten, um die sich anteilmäßig die Ausschüttungen an den Kläger und den Zedenten minderten. Weder der Kläger noch der Zedent sind in der Lage, selbständig die Beträge zu ermitteln, um die sich die Ausschüttungen an sie durch Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung und an den FFW vermindert haben.
Der Beklagten dagegen liegen die entsprechenden Informationen vor. Sie hat nicht vorgetragen, dass ihr die Auskunftserteilung schlechterdings nicht möglich wäre. Eine Verurteilung zur Erteilung der geltend gemachten Auskunft würde nur dann ausscheiden, wenn die der Beklagten obliegende Handlung unmöglich oder wenn diese mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte als Schuldnerin hat die Tatsachen einschließlich der Beweismittel, aus denen sich die Unmöglichkeit der Handlung ergibt, in einer für den Kläger und Gläubiger überprüfbaren und substanziierten Weise darzulegen. Denn dem Gläubiger ist es regelmäßig nicht möglich, Einzelheiten aus der Sphäre des Schuldners darzutun oder nur einen Ansatz für den Nachweis der Möglichkeit der Handlungsvornahme zu finden, wenn der Schuldner nicht alle Umstände darlegt, aus denen sich die Unmöglichkeit ergibt (OLG München, GRUR 2014, 272, 279 – Verlegeranteil m.w.N.).
2. Die Ausschüttungen an Herausgeber erfolgten ohne Berechtigung, ebenso waren die Zuwendungen an der FFW nicht zulässig. Um diese Beträge wurden die auszuschüttende Verteilungssumme, die allen Berechtigten insgesamt zur Verfügung stand, zu Unrecht gemindert. Sie sind daher bei einer Neuberechnung des dem Kläger und dem Zedenten zustehenden Vergütungsanteils der Verteilungssumme wieder hinzuzurechnen (BGH, GRUR 2016, 596, Rn. 104 – Verlegeranteil). Insoweit kommt es nicht darauf an, in welche „Töpfe“ im Einzelnen die Erlöse aus der Wahrnehmung der §§ 27, 54 ff. UrhG bei der Beklagten fließen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die zu Unrecht an Herausgeber gezahlten Ausschüttungen und Zuwendungen an den FFW zu einer Erhöhung der Ausschüttungen des Klägers und des Zedenten führen. Es ist jedenfalls auf Stufe des Auskunftsanspruchs möglich, dem Kläger und dem Zedenten jeweils aufgeschlüsselt nach Werk und Jahr mitzuteilen, um welche Erlösanteile sich die an sie jeweils erfolgten Auszahlungen in Folge der unzulässigen Zahlungen zur Herausgeberbeteiligung und Zuwendungen an den FFW vermindert haben.
3. Die Beklagte ist nicht gem. § 27 VGG oder gem. § 9 Abs. 1 des Verteilungsplans in der Fassung vom 09.06.2018 bzw. entsprechender Regelungen in früheren Fassungen verpflichtet, vor der Auskunftserteilung einen Korrekturverteilungsplan aufzustellen oder einen Verwaltungsratsbeschluss über die Neuverteilung der fehlerhaft ausgeschütteten Erlöse herbeizuführen.
§ 27 VGG verpflichtet die Verwertungsgesellschaft grundsätzlich dazu, einen Verteilungsplan aufzustellen, um ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung der Einnahmen aus den Rechten auszuschließen. Mit der Regelung wird der Schutz der Berechtigten vor willkürlicher Verteilung der Einnahmen bezweckt. Der Verwertungsgesellschaft wird in § 27 VGG beim Aufstellen und Ändern der Regeln eines Verteilungsplans ein außerordentlich weiter Spielraum eingeräumt. Sie ist bei der Verteilung der Einnahmen grundsätzlich innerhalb der vom Willkürverbot gesetzten Grenzen frei (BGH GRUR 2014, 479, Rn. 25 – Verrechnung von Musik in Werbefilmen; BGH GRUR 2016, 606, Rn. 37 – Verlegeranteil).
§ 27 VGG enthält weder nach dem W1.laut noch nach seinem Sinn und Zweck Vorgaben dazu, wie zu verfahren ist, wenn durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird, dass das im Einzelfall durchgeführte Verteilungsverfahren unzulässig war. Aus § 27 VGG ergibt sich nicht zwingend, dass in diesem Fall ein Korrektur-Verteilungsplan aufzustellen wäre.
Auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht zu entnehmen, dass in diesem Fall der betroffene Berechtigte einen Anspruch auf Auskunft und Zahlung erst nach vorheriger Aufstellung eines Korrektur-Verteilungsplanes hat. In seinen einschlägigen Entscheidungen hierzu hat der BGH keinen Korrekturplan verlangt (BGH, GRUR 2016, 596 – Verlegeranteil; BGH, GRUR 2016, 606 – Allgemeine Marktnachfrage). In der Entscheidung „Allgemeine Marktnachfrage“ ist der BGH davon ausgegangen, dass die dortige beklagte Verwertungsgesellschaft ihr gem. § 315 BGB bestehendes Verteilungsermessen fehlerhaft ausgeübt habe, weshalb es bei der allgemeinen Verrechnung der (nicht für unwirksam erklärten) Sparte U verbleibe. Daraus lässt sich schließen, dass der Verteilungsplan im Fall der Unwirksamkeit einer Bestimmung im Übrigen weiterhin Gültigkeit hat. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Verteilung der Erlöse aus den §§ 27, 54 ff UrhG an die Berechtigten ohne Berücksichtigung der erfolgten Abzüge an Herausgeber und den FFW zu erfolgen hat. Dies sollte zu einer unmittelbaren Erhöhung des verfügbaren Aufkommens der verteilungsfähigen Ausschüttungen und einer Erhöhung des dem einzelnen Berechtigten zustehenden Betrages führen.
Die Aufstellung eines Korrektur-Verteilungsplans vor Erteilung der Auskunft würde zudem die Rechte des klagenden Berechtigten konterkarieren. Es wurde festgestellt, dass die Minderung der Ausschüttungen an den Kläger und den Zedenten insoweit unzulässig war, als Ausschüttungen an Herausgeber und den FFW der Beklagten aus Erlösen erfolgten, die auf Werke des Klägers und des Zedenten entfielen. Dem Kläger steht folglich grundsätzlich unmittelbar ein Anspruch auf Auskunft und entsprechend der erteilten Auskunft ein Anspruch auf Zahlungen der Beträge zu, um die sich die an ihn und an den Zedenten erfolgten Zahlungen gemindert haben.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 9 des Verteilungsplans in der Fassung von 2018 bzw. entsprechenden Regelungen in früheren Satzungen. Nach dieser Vorschrift kann der Verwaltungsrat der VG W1. im Fall von Verteilungsfehlern, die eine Vielzahl von Berechtigten betrifft, beschließen, dass die Berechnung der Höhe der sich hieraus ergebenden Ansprüche pauschaliert vorzunehmen ist, Ansprüche aus den laufenden und künftigen Einnahmen befriedigt werden, Rückforderungsansprüche der Beklagten gegen künftige Zahlungsansprüche aufgerechnet werden oder ganz auf Rückforderungsansprüche verzichtet werden kann, wenn eine Rückabwicklung und Neuvornahme der Verteilung nicht oder nur mit wirtschaftlich unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.
Sollte § 9 des Verteilungsplans, wie die Beklagte vorträgt, für den Fall gelten, dass ein Gericht eine Bestimmung des Verteilungsplans für unwirksam erklärt und ein daraus resultierender Zahlungsanspruch des klagenden Berechtigten wegen des Vorrangs eines Verwaltungsbeschlusses ausgeschlossen sein, würde dies eine Benachteiligung des Vertragspartners unter Verletzung des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellen. Die Regelung hätte bei dieser Auslegung zur Folge, dass es einem einzelnen Berechtigten nicht möglich wäre, die Unwirksamkeit einer Klausel festzustellen und die ihm tatsächlich zustehenden Ausschüttungszahlungen zu erhalten, da dies stets von einer nachgeordneten Verwaltungsentscheidung abhängig wäre, auf deren Inhalt er keinen Einfluss hätte. Er wäre dann gezwungen, eine Entscheidung abzuwarten, die er nicht dahingehend beeinflussen kann, wann sie getroffen wird, und gegen die er gegebenenfalls erneut gerichtlich vorgehen müsste. Damit wäre eine effektive rechtliche Überprüfung des Verteilungsplans unerträglich erschwert, der Rechtsschutz der Berechtigten würde ausgehebelt. Eine derartige Regelung wäre mit dem gesetzlichen Leitbild, insbesondere wie es im § 27 VGG zum Ausdruck kommt, nicht zu vereinbaren und deswegen gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
4. Die Klage ist im Hinblick auf die Auskunftsansprüche des Klägers in Bezug auf die Zahlungen an den FFW gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt, soweit die Ausschüttungen an den Kläger vor dem 31.12.2017 erfolgt sind.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31.03.2021 (dort S. 45, Bl. 414 d.A.) die Einrede der Verjährung erhoben.
Die geltend gemachten Auskunftsansprüche verjähren gem. § 195 BGB in drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginn nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Ein längerer Verjährungslauf nach § 199 Abs. 3 BGB ist vorliegend nicht einschlägig. Entgegen dem klägerischen Vortrag kommen Zahlungsansprüche aufgrund deliktischer Handlung wegen des Fehlens einer einschlägigen Rechtsgutsverletzung nicht in Betracht: § 823 BGB schützt nicht das Vermögen. Die Verletzung eines Urheberrechtspersönlichkeitsrechts wurde vom Kläger nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich.
Dem Kläger war zum Zeitpunkt der konkreten Ausschüttungen bekannt, dass die Beklagte die beanstandeten Abzüge für Zahlungen an den FFW vorgenommen hatte. Ansprüche des Klägers auf Auskunft und Zahlung der Beträge, um die sich die bis zum 31.12.2017 erfolgten Ausschüttungen vermindert haben, sind daher gem. § 195 BGB am 31.12.2020 verjährt. Diese Ansprüche wurden erst mit der Klageerweiterung vom 02.03.2021 geltend gemacht. Ihre Verjährung wurden durch Erhebung der Klage am 25.09.2019 nicht gehemmt.
IV.
Die mündliche Verhandlung war nicht gem. § 156 Abs. 1 ZPO wieder zu eröffnen.
Die mündliche Verhandlung dauerte 2 Stunden und 15 Minuten. Beide Parteien und insbesondere die Beklagtenpartei erhielten ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme zur vorläufigen Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer. Hierbei wurden alle rechtlich relevanten Punkte erschöpfend erörtert. Es wäre der Beklagtenpartei unbenommen gewesen, eine Stellungnahmefrist zu beantragen, um weiter auszuführen zu können. Ein solcher Antrag wurde jedoch nicht gestellt. Rechtsausführungen sind darüber hinaus ohne Fristsetzung bis zur Urteilsverkündung zulässig.
Soweit die Beklagtenpartei mit Schriftsatz vom 07.06.2021 (Bl. 547 d.A.) rügt, die Verhandlung sei durch akustische Schwierigkeiten erschwert worden, ist darauf hinzuweisen, dass die erkennende Kammer die Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung nach § 128a ZPO mittels Videokonferenz beschlossen hatte, um Verständigungsschwierigkeiten wegen des Tragens von Masken und den zwingend vorgeschriebenen Lüftungsintervallen zu vermeiden. Dieses Angebot wurde von den Parteien nicht angenommen. Zudem wurde eine mangelnde akustische Verständlichkeit in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt.
Im Übrigen wurden keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine Wiedereröffnung erforderten. Auf die Begründung des Endurteils des BGH in der Sache XI ZR 26/20 vom 27.04.2021 kam es nicht an, so dass auch insofern die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten war. Ohnehin handelt es sich hierbei um Rechtsfragen.
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 S. 1 ZPO.


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