IT- und Medienrecht

Datenschutzverstoß vor Geltung der DS-GVO, Prüfungsmaßstab einer Eingabe bei der Aufsichtsbehörde, keine Beschwerde i.S.v. Art. 77 DS-GVO

Aktenzeichen  AN 14 K 19.01274

Datum:
22.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32150
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DS-GVO Art. 77, 78
RL 95/46/EG Art. 28 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig (hierzu 1.). Sie ist jedoch nicht begründet (hierzu 2.).
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel einer Verurteilung des Beklagten zum Ergreifen aufsichtlicher Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO bzw. § 38 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 BDSG a.F. statthaft.
aa) Nach Art. 78 DS-GVO hat jede natürliche oder juristische Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde. Gegenstand der Klage, für die nach § 20 Abs. 1 BDSG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, muss also ein „rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde“ sein.
(1) Nach dem Erwägungsgrund 143 (Satz 5) zur DS-GVO ist darunter insbesondere auch die Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden durch die Aufsichtsbehörde zu verstehen (ebenso Mundil in BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.2.2020, Art. 78 DS-GVO, Rn. 5, 7).
Der Beklagte hat vorliegend mit dem Schreiben an die Klägerin vom 31. Mai 2019 ein aufsichtliches Tätigwerden aufgrund von Art. 58 DS-GVO abgelehnt, ausweislich der Überschrift des Schreibens unter Bezugnahme auf Art. 77 DS-GVO. Tatsächlich stellt die „Beschwerde“ der Klägerin vom 29. Dezember 2018 aber keine Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO dar. Denn nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO ist die Beschwerde „unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs“, also neben bereits bestehenden Rechtsbehelfen, eröffnet, wenn die betreffende Person der Ansicht ist, dass die Datenverarbeitung „gegen diese Verordnung“ verstößt. Die Klägerin machte und macht vorliegend aber einen Datenschutzverstoß im März 2016 geltend. Nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (ABl. L 119/1 v. 4.5.2016) aber erst seit dem 25. Mai 2018. Durch das Verhalten des Rechtsanwalts K. konnte dieser also schon deshalb nicht gegen die DS-GVO verstoßen, da diese zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht galt.
Eine Übergangsvorschrift, die die Geltung der DS-GVO auch für Sachverhalte vor diesem Datum anordnet, existiert im deutschen Recht nicht. Eine entsprechende Regelung wäre durchaus möglich gewesen, wie sie beispielsweise das österreichische Recht vorgenommen hat: Dort wurde die Anwendung des neuen Rechts, der DS-GVO, explizit auch für Sachverhalte vor dem Inkrafttreten der DS-GVO angeordnet, wenn die Fälle noch bei den Aufsichtsbehörden liegen (vgl. VGH der Republik Österreich, Beschluss vom 5.6.2020 – VwGO RO 2018/04/0023 – recherchiert über https://rdb.manz.at, zuletzt gefunden am 6.10.2021).
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 2020 hiergegen einwendet, dass das Berufungsurteil in dem Honorarrechtsstreit erst am 6. Juli 2018, und damit zu einem Zeitpunkt, als die DS-GVO schon galt, erging, ändert dies nichts daran, dass eine Verletzung der DS-GVO durch den Rechtsanwalt K. nicht geltend gemacht werden kann: Denn der in der Beschwerde gegenüber der dem Beklagten geltend gemachte Verstoß war die Offenlegung als Unterfall einer Verarbeitung der personenbezogenen Daten (vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bzw. § 3 Abs. 4 BDSG i.d.F. der Bekanntmachung v. 14. Januar 2003 – BGBl I S. 66) durch diesen Rechtsanwalt. Dies erfolgte aber bereits 2016. Dass sich der 2016 nach Auffassung der Klägerin begangene Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen noch länger auswirkte, ist insoweit unbeachtlich.
(2) Da eine Beschwerde i.S.v. Art. 77 Abs. 1 DS-GVO von der Klägerin also nicht erhoben worden war, handelte es sich um eine „Eingabe“ i.S.v. Art. 28 Abs. 4 der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281/31 v. 23.11.1995 – RL 95/46/EG), der vor Inkrafttreten der DS-GVO geltenden europäischen Datenschutzrichtlinie.
Die Entscheidung über die Eingabe stellt aber gleichwohl einen „rechtsverbindlichen Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 DS-GVO dar, so dass dagegen gerichtlicher Rechtsschutz nach der genannten Bestimmung der DS-GVO eröffnet ist.
Was unter einem „rechtsverbindlichen Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 DS-GVO zu verstehen ist, konkretisiert der 143. Erwägungsgrund. Nach dessen Satz 4 ist maßgeblich, dass der Beschluss gegenüber der Betroffenen Person Rechtswirkungen entfaltet. Abgegrenzt wird dies in Satz 6 von rechtlich nicht bindenden Maßnahmen der Aufsichtsbehörden wie von ihr abgegebenen Stellungnahmen und Empfehlungen. Aus der Erwähnung der Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden nach Art. 77 DS-GVO im Satz 5 des 143. Erwägungsgrundes lässt sich ableiten, dass ein „verbindlicher Beschluss“ einer Aufsichtsbehörde nicht nur dann vorliegt, wenn ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG erlassen wird, sondern vielmehr jede rechtliche Auswirkung auf Rechte des Adressaten, auch unterhalb einer Regelung i.S.v. § 35 VwVfG, ausreicht (Mundil in Beck-OK Datenschutzrecht, Stand 1.2.2020, Art. 78 DSGVO, Rn. 5; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 – BeckRS 2019, 30069, Rn. 24).
Mit dem Schreiben 31. Mai 2019 hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er auf die Eingabe der Klägerin keine aufsichtlichen Maßnahmen ergreifen wird. Dies wirkte sich auf die Rechte der Klägerin aus, so dass ein „rechtsverbindlicher Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. DS-GVO vorliegt. Damit ist das Schreiben tauglicher Gegenstand einer Klage nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO i.V.m. § 20 Abs. 1 BDSG.
bb) Die Klägerin hat vorliegend keinen förmlichen Klageantrag gestellt, sondern vielmehr nur ausgeführt, dass sie die „Annahme ihrer Beschwerde“ beantrage.
Nach ihren Ausführungen im gesamten gerichtlichen Verfahren, insbesondere in ihrem Schreiben vom 4. November 2020, in dem sie ausgeführt hat, dass ein datenschutzrechtlicher Verstoß durch den Rechtsanwalt K. vorliege und die zuständige Aufsichtsbehörde diesen zu ahnden habe, lässt sich ihr Klagebegehren sachgerecht (§ 88 VwGO) dahingehend auslegen, dass es ihr um die Aufhebung der „Abschlussmitteilung“ der Beklagten und die Verurteilung der Beklagten zum Ergreifen von Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 58 DS-GVO bzw. § 38 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 BDSG a.F. geht.
Eine konkrete aufsichtliche Maßnahme nach Art. 58 DS-GVO wird von der Klägerin dagegen nicht klageweise geltend gemacht (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 16.3.2020 – AN 14 K 19.00464 – BeckRS 2020, 10429, Rn. 20). Ebenso wenig macht sie geltend, dass ihre Beschwerde bzw. nicht im angemessenen Umfang geprüft und beantwortet wurde i.S.v. Art. 78 Abs. 2 DS-GVO (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 – AN 14 K 18.02503 – BeckRS 2020, 41160, Rn. 33 bis 37).
Bei den in Art. 58 DS-GVO genannten Maßnahmen, insbesondere bei den Abhilfebefugnissen nach Abs. 2, handelt es sich zum Teil um Maßnahmen, die den Charakter eines Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG aufweisen (z.B. die Anweisung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO), daneben aber auch um schlichthoheitliches Handeln (z.B. die Warnung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. a DS-GVO) oder um Maßnahmen, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (Verhängung einer Geldbuße, Art. 58 Abs. 2 Buchst. i i.V.m. Art. 83 DS-GVO). Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, in irgendeiner Weise aufsichtliche Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO zu ergreifen, ergeht daher nicht in der Form eines Verwaltungsaktes. Daher ist auch eine hierauf gerichtete Klage nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, mithin also keine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO (i.V.m. § 20 Abs. 2 BDSG). Statthaft ist daher für das von der Klägerin verfolgte Klageziel die allgemeine Leistungsklage (vgl. die ständige Rechtsprechung der Kammer: U.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 – BeckRS 2019, 30069, Rn. 24; U.v. 7.12.2020 – AN 14 K 18.02503 – BeckRS 2020, 41160, Rn. 22).
Die Klägerin ist auch klagebefugt, da ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten jedenfalls möglich ist (VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 – AN 14 K 18.02503 – BeckRS 2020, 41160, Rn. 25 und 26).
Da es sich um eine allgemeine Leistungsklage handelt war eine Klagefrist auch nicht einzuhalten.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf ein aufsichtliches Tätigwerden gegen den Rechtsanwalt K.
Richtiger Beklagter (passivlegitimiert) ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (U.v. 7.12.2020 – AN 14 K 18.02503 – BeckRS 2020, 41160, Rn. 18; U.v. 8.8.2019 – AN 14 K 19.00272 – BeckRS 2019, 30069, Rn. 28 m.w.N.) wegen § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG das Landesamt für Datenschutzaufsicht selbst und nicht sein Rechtsträger, der Freistaat Bayern.
Vorweg ist festzuhalten, dass die vorliegende Klage ebenso wenig wie die Beschwerde/Eingabe auf die Verletzung von Berufsrecht oder des § 203 StGB gestützt werden kann, da der Beklagte insoweit keine Zuständigkeit besitzt (vgl. Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, DS-GVO Art. 57 Rn. 28). Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin gehen daher, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, an der Sache vorbei und müssen hier nicht weiter gewürdigt werden.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage heranzuziehen ist, grundsätzlich das materielle Recht entscheidend (vgl. nur Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 55 m.w.N.). Die Kammer ging in ihrer bisherigen Rechtsprechung bei allgemeinen Leistungsklagen auf aufsichtliches Tätigwerden der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde generell davon aus, dass der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage der der gerichtlichen Entscheidung ist (VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 – AN 14 K 18.02503 – BeckRS 2020, 41160 Rn. 38), da ein in die Zukunft gerichtetes Handeln begehrt wird (ebenso OVG HH, U.v. 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 – juris LS 1 und Rn. 40). Daran hält die Kammer grundsätzlich fest, konkretisiert dies jedoch für die hier streitgegenständliche Fallgestaltung dahingehend, dass zwar für die Frage, welche Maßnahmen bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 DS-GVO in Frage kommen, die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Dies ändert aber nichts daran, dass damit nicht der von der der DS-GVO selbst materiell-rechtlich vorgegebene zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO verändert werden kann: Ob die DS-GVO anwendbar ist ergibt sich allein aus deren Art. 99 und damit aus den insoweit maßgeblichen materiellen Recht. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der vorliegend von der Klägerin geltend gemachte Datenschutzverstoß nicht nach der DS-GVO zu beurteilen ist.
Denn nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die Datenschutzgrundverordnung erst seit dem 25. Mai 2018. Das mit der Beschwerde/Eingabe beanstandete Verhalten des Rechtsanwalts … erfolgte aber noch im Jahr 2016. Wie bereits oben dargestellt wurde, enthält die DS-GVO keine explizite Regelung zu Sachverhalten, die sich vor Geltung der DS-GVO ereignet haben.
b) Wie ebenfalls bereits dargestellt wurde, stellt die von der Klägerin erhobene „Beschwerde“ tatsächlich keine solche nach Art. 77 DS-GVO, sondern eine „Eingabe“ i.S.v. Art. 28 Abs. 4 der RL 95/46/EG dar. Denn für vor dem 25. Mai 2018 liegende Verstöße gegen die Datenschutzrichtlinie werden Aufsichtsbehörden und Gerichte grundsätzlich nach dem bisherigen Rechtsregime tätig (Hornung/Spiecker in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Art. 99 DS-GVO, Rn. 4).
Daneben wird der Begriff „Beschwerde“ allgemein als weitgehender angesehen, als der der „Eingabe“ (so Mundil in BeckOK Datenschutzrecht, Art. 77 Rn. 15). Dies deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber mit der Einführung der „Beschwerde“ in der DS-GVO eine Verstärkung des Rechtsschutzes gegenüber dem bisherigen Recht beabsichtigt hat.
Zur Eingabe nach dem vor dem Inkrafttreten der DS-GVO geltenden Recht ging die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Eingabe petitionsähnlich war und die gerichtliche Prüfung sich daher darauf beschränkte, ob die Eingabe entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das Ergebnis mitgeteilt worden war (BayVGH, B.v. 23.3.2015 – 10 C 15.165 – BeckRS 2016, 44250; Döhmann in Simitis, BDSG a.F., 8. Auflage 2014, § 21 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 21 Rn. 6; Körffer in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 77 Rn. 5; Will, ZD 2020, 97). Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten bestehe dagegen nicht (Brink in BeckOK Datenschutzrecht, 22. Edition Stand 1.11.2017, § 38 BDSG, Rn. 51).
Aber auch zum neuen Recht vertritt ein nennenswerter Teil der Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Frage des Prüfungsumfangs des Gerichts bei einer Klage gegen eine negative Beschwerdeentscheidung nach Art. 77 DS-GVO die Auffassung, dass die DS-GVO insoweit keine Änderung der Rechtslage herbeigeführt hat (OVG Rh-Pf, U.v. 26.10.2020 – 10 A 10613/20.OVG – BeckRS 2020, 32257, Rn. 28; VGH BW, U.v. 22.1.2020 – 1 S 3001/19, juris Rn. 51; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Loseblattsammlung, Lfg. 10/20, § 40 BDSG, Rn. 5 – ähnlich, eine gerichtliche Pflicht zur Prüfung der Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die Aufsichtsbehörde verneinend Engelbrecht/ZD 2020, 217, 219 f.; im Ergebnis wohl auch Will, ZD 2020, 97, 99).
Soweit in Rechtsprechung und Literatur zum Prüfungsumfang des Gerichts bei einer Klage gegen eine negative Beschwerdeentscheidung nach Art. 77 DS-GVO vertreten wird, dass jedenfalls unter Umständen ein Anspruch des Beschwerdeführers auf aufsichtliches Tätigwerden gegenüber der Aufsichtsbehörde bestehen kann, wird neben dem bereits erwähnten Wortlautargument mit den Erwägungsgründen 11, 142 und 143 der DS-GVO und Art. 57 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO, der den Aufsichtsbehörden für das Beschwerdeverfahren konkrete Aufgaben zuweist, argumentiert (vgl. OVG HH, U.v. 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 – juris Rn. 63 ff.; VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 – BeckRS 2020, 41160, Rn. 39; Will ZD 2020, 97, 98; Halder jurisPR-ITR 14/2021, Anm. 6 zu OVG Rh-Pf, U.v. 26.10.2020 – 10 A 10613/20). Der Erwägungsgrund 142 stellt aber wiederum nur auf die „Rechte nach dieser Verordnung“ ab. Für die vorliegende Fallgestaltung, in der aus den genannten zeitlichen Gründen keine Verletzung der DS-GVO möglich ist, es also gerade nicht um eine Verletzung von „Rechten nach dieser Verordnung“ geht, lässt sich aus diesem Erwägungsgrund daher nichts für die Rechtsauffassung der Klägerin ableiten. Die Sätze 4 und 5 des Erwägungsgrundes 143 nennen zwar nicht ausdrücklich „diese Verordnung“, nach ihrem Sinn und Zweck stellen sie jedoch auf die durch die DS-GVO ab ihrem Geltungsbeginn geschaffene Rechtslage ab und sprechen damit ebenfalls gegen einen Gleichlauf des gerichtlichen Prüfungsumfangs vor und nach dem Geltungsbeginn der DS-GVO. Nach dem Erwägungsgrund 11 erfordert ein wirksamer Schutz von personenbezogenen Daten die Stärkung der Rechte der Betroffenen. Diese Stärkung der Rechte der Betroffenen soll aber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, gerade durch die DS-GVO erfolgen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Stärkung der Rechte der Betroffenen auch für Verstöße vor dem Inkrafttreten der DS-GVO gegen das zu diesem Zeitpunkt maßgebliche materielle Datenschutzrecht gelten soll, lassen sich daraus aber wiederum nicht ableiten.
Ebenso wenig kann Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO für die Begründung eines über das alte Recht hinausgehenden Prüfungsumfangs herangezogen werden. Denn auch diese Bestimmung gilt nur für Beschwerden wegen einer Verletzung der DS-GVO i.S.v. Art. 77 DS-GVO. Dies ist aber wie bereits mehrfach erwähnt hier nicht der Fall.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Inkrafttreten der DS-GVO nach deren Art. 99 eine klare Zäsur zwischen dem alten und dem neuen Recht darstellt. Da der deutsche Gesetzgeber – anders als zum Beispiel der österreichische – keine Übergangsvorschrift erlassen hat, die unter bestimmten Umständen eine Anwendung des neuen Rechts auch auf vor deren Geltung begangene Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften angeordnet hat, unterliegen vor diesem Datum erfolgte Verstöße vollständig dem alten Recht.
Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass sich die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Eingabe der Klägerin vom Beklagten entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das der Klägerin das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt wurde.
c) Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Eingabe der Klägerin entgegengenommen, wie sich aus der Eingangsmitteilung vom 7. Januar 2019 ergibt.
Daneben war die Eingabe sachlich und rechtlich zu prüfen.
Aus den vorgelegten Akten ist zwar nicht erkennbar, dass der Beklagte weitergehende Ermittlungen vorgenommen hat. Angesichts des von der Klägerin vorgelegten, umfangreichen Materials ist aber auch nicht erkennbar, welche Ermittlungen der Beklagte in tatsächlicher Hinsicht noch zur Bearbeitung der Eingabe hätte anstellen müssen. Dass der Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hätte, wird von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Eine umfangreiche rechtliche Prüfung durch den Beklagten ist erfolgt, wie sich aus dem Schreiben an die Klägerin vom 31. Mai 2019 ergibt.
Schließlich wurde mit diesem Schreiben der Klägerin auch das Ergebnis der Prüfung der Aufsichtsbehörde mitgeteilt.
Damit wurde die datenschutzrechtliche Eingabe vom Beklagten ausreichend behandelt. Ein weitergehendes Recht auf eine bestimmte aufsichtliche Maßnahme steht der Klägerin nicht zu.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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