IT- und Medienrecht

EEG-Umlage, Gesamtschuld, Bilanzkreisverantwortlicher, stromkostenintensives Unternehmen

Aktenzeichen  32 O 433/19

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46221
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
§ 60 Abs. 1 S. 6 EEG § 60 Abs. 1 S. 6 EEG§ 60a S. 2 EEG § 60a S. 2 EEG§§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32.777,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 10.08.2019 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Bayreuth sachlich (§§ 23, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§§ 12, 17 Abs. 1 S. 1 ZPO) zuständig.
2. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der streitgegenständlichen EEG-Umlage in Höhe von 32.777,50 Euro gegen die Beklagte zu.
Mit der EEG-Umlagesumme für Januar 2018 hat die Beklagte von der Klägerin einen geldwerten Vermögensvorteil erlangt. Diese bewusste und zweckgerichtete Leistung der Klägerin an die Beklagte erfolgte vorliegend ohne rechtlichen Grund.
a) Dass die Klägerin am 21.01.2019 insgesamt 111.832,21 Euro an die Beklagte überwiesen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Zahlung erfolgte unter anderem – wenn auch ausweislich der Anlage K5 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem erklärtem Vorbehalt der Rückforderung – zur Begleichung der Rechnung der Beklagten vom 14.12.2018 (Anlage K3) betreffend die EEG-Umlage für den Stromverbrauch der Härtefallkundin F. U. GmbH für den Monat Januar 2018 in Höhe von 32.777,50 Euro.
b) Diese Zahlung erfolgte vorliegend ohne rechtlichen Grund.
aa) Der streitgegenständlichen Zahlung liegt zunächst kein vertragliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien zugrunde. Insbesondere ergibt sich eine entsprechende Zahlungspflicht nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossene Bilanzkreisvertrag (Anlage K8).
bb) Der Zahlung der Klägerin liegt weiterhin auch kein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien zugrunde. Insbesondere ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 i.V.m. § 60a Satz 2 EEG 2017 keine Leistungspflicht der Klägerin als Bilanzkreisverantwortliche zur Zahlung der EEG-Umlage für die F. U. GmbH als stromkostenintensives Unternehmen i.S.d. §§ 60a Satz 1, 63 ff. EEG 2017.
Aus der Verweisungsvorschrift des § 60a Satz 2 EEG 2017 lässt sich keine gesamtschuldnerische Haftung der Klägerin als Bilanzkreisverantwortliche neben der F. U. GmbH für die von dieser als Härtefallkundin nach § 60a Satz 1 EEG 2017 geschuldete EEG-Umlage ableiten.
(1) Bereits der Wortlaut des § 60a Satz 2 EEG 2017 spricht gegen das Bestehen einer Gesamtschuldnerschaft zwischen stromkostenintensivem Unternehmen und Inhaber eines zugeordneten Abrechnungsbilanzkreises.
Die Verweisungsvorschrift regelt die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des EEG „zur EEG-Umlage für Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf Letztverbraucher, die nach Satz 1 zur Zahlung verpflichtet sind“. Der Verweis enthält damit einen einschränkenden Passus dahingehend, dass die Regelungen zur EEG-Umlage, wie sie sich aus §§ 60, 70, 74, 75 und 76 EEG ergeben, nicht insgesamt entsprechend anwendbar sind, sondern nur die Bestimmungen, die die Elektrizitätsversorgungsunternehmen als EEG-Umlage-Schuldner betreffen, im Verhältnis zwischen Übertragungsnetzbetreiber und den von § 60a Satz 1 EEG umfassten stromkostenintensiven Unternehmen (vgl. Salje, EEG 2017, 8. Aufl. 2018, § 60a EEG, Rn. 4). Durch die Verweisung sind somit keine anderen Rechtssubjekte als Letztverbraucher im Sinne des § 60a Satz 1 EEG 2017 betroffen. Eine entsprechende Anwendung im Verhältnis zwischen Übertragungsnetzbetreiber und Bilanzkreisverantwortlichen ordnet § 60a Satz 2 EEG 2017 seinem eingeschränkten Wortlaut nach gerade nicht an (vgl. LG München, Urteil vom 10.01.2020 – 41 O 424/19, BeckRS 2020, 18760, Rn. 18; nachfolgend: OLG München, Urteil vom 06.08.2020 – 3 U 873/20; NJOZ 2020, 1309, 1311, Rn. 25 f. – nicht rechtskräftig – Az. beim BGH: XIII ZR 8/20).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in § 60a Satz 2 EEG 2017 davon die Rede ist, dass „die Bestimmungen (…) zur EEG-Umlage für Elektrizitätsversorgungsunternehmen“ entsprechend anzuwenden sind und dass dieser Passus gleichzeitig die Überschrift des § 60 EEG 2017 bildet. Der Verweis beschränkt zum einen die entsprechende Anwendung des § 60 EEG 2017 als „Bestimmungen dieses Gesetzes zur EEG-Umlage für Elektrizitätsversorgungsunternehmen“ „auf Letztverbraucher“ im Sinne des § 60a Satz 1 EEG 2017 und statuiert damit gleichzeitig über die entsprechenden Regelungen in § 60 EEG 2017 – insbesondere Abs. 2 und 3 – hinaus auch die entsprechende Anwendung weiterer, an die Zahlungspflicht der Elektrizitätsversorgungsunternehmen als EEG-Umlage-Schuldner anknüpfender Pflichten und Durchsetzungsmittel (z.B. § 74 EEG 2017; vgl. Salje, EEG 2017, a.a.O.).
(2) Auch wenn die Systematik der streitentscheidenden Normen als Auslegungsmittel aus sich heraus bereits wenig geeignet ist, da es sich beim EEG um ein dynamisches Gesetzeswerk handelt, dem es an anderer Stelle durchaus an konsistenter gesetzlicher Systematik fehlt, spricht sie doch vorliegend gerade für die Ansicht der Klägerin.
Das Gesetz trennt klar zwischen den Regelungen des § 60 und des § 60a EEG 2017. Es handelt sich um selbstständige Anspruchsgrundlagen einmal gegenüber Elektrizitätsversorgungsunternehmen und einmal gegenüber stromkostenintensiven Unternehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 gleichsam auch für § 60a EEG 2017 „vor die Klammer“ gezogen worden wäre und damit automatisch auch für § 60a EEG 2017 Geltung beanspruchen würde. Das Gegenteil ergibt sich gerade aus § 60a Satz 2 EEG 2017, der letztlich überflüssig wäre, wenn es sich bei § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 um eine Regelung handeln würde, bei der der Gesetzgeber schon davon ausging, diese werde auch für § 60a EEG 2017 gelten. Insofern hätte es systematisch gerade eines ausdrücklichen Verweises auf die entsprechende Anwendbarkeit auch des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 bedurft (vgl. LG München, a.a.O., Rn. 19).
(3) Die Gesetzeshistorie spricht ebenso gegen eine über § 60a Satz 2 EEG 2017 vermittelte Anwendbarkeit des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 im Verhältnis zwischen Übertragungsnetzbetreiber, Letztverbrauchern im Sinne des § 60a Satz 1 EEG 2017 und Bilanzkreisverantwortlichen.
Sowohl die in § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 normierte gesamtschuldnerische Haftung, als auch die Vorschrift des § 60a EEG 2017 sind im Zuge der Gesetzesnovelle 2017 neu in das Gesetz aufgenommen worden.
Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 eine besondere Fallkonstellation im Blick hatte. Der Gesetzgeber führt in seinen Erwägungen zum EEG 2017 (BT-Drs. 18/8860, S. 238) hierzu wie folgt aus:
„In den vergangenen Jahren war wegen komplexer vertraglicher Strukturen wiederholt unklar, wer Elektrizitätsversorgungsunternehmen und damit Schuldner der EEG-Umlage ist. Dieses Problem tritt insbesondere dann auf, wenn die Person des Bilanzkreisverantwortlichen und des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auseinander fallen. Diese Fallkonstellationen nehmen zu. Für den Übertragungsnetzbetreiber ist in der Folge kaum erkennbar, wer sein Anspruchsgegner ist. Folge sind oft jahrelange Prozesse und entsprechend lange Zeiträume, in denen die EEG-Umlage nicht entrichtet wird. Mit der neuen Regel sollen Anreize gesetzt werden, dass der Bilanzkreisverantwortliche die Fragen der Zahlung der EEG-Umlage mit allen Unternehmen klärt, die Strom über seinen Bilanzkreis liefern. Diese Pflicht kann ein erhebliches wirtschaftliches Risiko auf den Bilanzkreisverantwortlichen überlagern. Dies ist allerdings verhältnismäßig, weil der Bilanzkreisverantwortliche – anders als der Übertragungsnetzbetreiber – alle Personen kennt, denen er Zugang zu seinem Bilanzkreis gewährt und das Risiko über vertragliche Regelungen absichern kann.“
Diese Sonderkonstellation, die den Gesetzgeber zur Einführung von § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 bewogen hat, kann bei der Konstellation des § 60a EEG 2017 nicht eintreten. Denn im Fall des § 60a EEG 2017 ist für die Beklagte als Übertragungsnetzbetreiberin, insbesondere im Hinblick auf die ihr vorliegenden Begrenzungsbescheide des BAFA eindeutig erkennbar, wer Schuldner der EEG-Umlage ist. Umgekehrt sind wiederum dem Bilanzkreisverantwortlichen aber auch nicht in allen Fällen die unter § 60a Satz 1 EEG 2017 fallenden Letztverbraucher, die Strom aus dem ihm zugeordneten Bilanzkreis beziehen, bekannt und mit dem Bilanzkreisverantwortlichen auch vertraglich verbunden (vgl. LG München, a.a.O., Rn. 21). Insbesondere in den typischen Fällen der sog. integrierten Versorgung besteht für den Bilanzkreisverantwortlichen – sofern dieser nicht ausnahmsweise zugleich als Elektrizitätsversorger fungiert – nicht die vom Gesetzgeber dargestellte Möglichkeit, das erhöhte wirtschaftliche Risiko über vertragliche Regelungen mit dem privilegierten Letztverbraucher abzusichern.
Auch wenn, wie die Beklagte zu Recht anführt, zur Lösung des genannten Identifizierungsproblems bereits mit der Gesetzesnovelle 2014 entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen neu in das EEG eingeführt worden waren, namentlich die Einräumung eines gesetzlichen Rechts zur außerordentlichen Kündigung in § 60 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 EEG 2014 / EEG 2017 und – entgegen den insoweit unzutreffenden Ausführungen des OLG München in seinem Urteil vom 06.08.2020, a.a.O., Rn. 22 a.E. – der gesetzlichen Vermutungsregel in § 60 Abs. 1 Satz 2 EEG 2014 / § 60 Abs. 1 Satz 5 EEG 2017, zeigen die oben dargestellten Erwägungen zur Einführung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 gerade, dass der Gesetzgeber hiermit eine Erweiterung und Verschärfung der bereits vorhandenen gesetzgeberischen Maßnahmen erreichen wollte, um den nach wie vor bestehenden Problemen bei der Durchsetzung der EEG-Umlage-Ansprüche, insbesondere bei der Identifizierung des EEG-Umlage-Schuldners entgegenzuwirken. Ein darüber hinaus gehendes gesetzgeberisches Ziel, insbesondere die von der Beklagten vor dem übergeordneten Ziel einer verbesserten Aufkommenswirkung der EEG-Umlage vorgebrachte Halbierung des Ausfallrisikos durch die Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit auf die Vermögensmasse eines weiteren Schuldners, lässt sich der Gesetzesbegründung hingegen nicht entnehmen.
Soweit die Beklagte meint, eine derartige Zielsetzung der Formulierung „Diese Pflicht kann ein erhebliches wirtschaftliches Risiko auf den Bilanzkreisverantwortlichen überlagern“ entnehmen zu können, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber diese Feststellung offensichtlich nur im Zusammenhang mit der Frage getroffen hat, ob diese Risikoverlagerung für die Bilanzkreisverantwortlichen noch verhältnismäßig ist. Denn der Gesetzgeber kommt sogleich zu dem Ergebnis, dass dies „allerdings verhältnismäßig“ sei, „weil der Bilanzkreisverantwortliche – anders als der Übertragungsnetzbetreiber – alle Personen kennt, denen er Zugang zu seinem Bilanzkreis gewährt und das Risiko über vertragliche Regelungen absichern kann.“ Diese Begründung greift jedoch – wie bereits dargelegt – in den meisten Fallkonstellationen des § 60a EEG 2017 gerade nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Erwägungsgründen zu § 60a EEG 2017. Mit der Neueinführung des § 60a EEG 2017 wollte der Gesetzgeber vielmehr einer weiteren Problemkonstellation bei der Durchsetzung der EEG-Umlage entgegentreten. So heißt es in den Erwägungsgründen zu § 60a EEG 2017 (BT-Drs. 18/8860, S. 239):
„Der neu eingefügte § 60a EEG 2016 regelt, dass die Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Umlage direkt von stromkostenintensiven Unternehmen oder Schienenbahnen, deren EEG-Umlage nach der Besonderen Ausgleichsregelung begrenzt sind, verlangen können. Bisher erfolgt dies nach § 60 EEG 2014 über die Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Es ist aber administrativ einfacher, wenn die Übertragungsnetzbetreiber in diesen Fällen direkt mit den Letztverbrauchern abrechnen. Denn sie müssen dabei ohnehin die Begrenzungsentscheidungen des BAFA in der Abrechnung berücksichtigen. Insbesondere in Fällen, in denen ein Letztverbraucher von mehr als einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen beliefert wird, häufig noch an unterschiedlichen begrenzten Abnahmestellen, muss bisher die abzuführende Umlage zwischen den beteiligten Elektrizitätsversorgungsunternehmen abgestimmt werden. Dieser Aufwand entfällt mit der Neuregelung.
Bei der EEG-Umlage für die Eigenversorgung von Unternehmen, deren EEG-Umlage nach der Besonderen Ausgleichsreglung begrenzt ist, sind nach § 61 EEG 2016 in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Nummer 2 AusglMechV ebenfalls die Übertragungsnetzbetreiber zuständig für die Erhebung der EEG-Umlage (nicht die Verteilernetzbetreiber). Mit der neuen Regelung wird also die Erhebung der EEG-Umlage für die Eigenversorgung und den Fremdbezug von Unternehmen in der Besonderen Ausgleichsreglung bei den Übertragungsnetzbetreibern gebündelt.“
Bei § 60a EEG 2017 handelt es sich somit um eine, den administrativen Aufwand reduzierende Ausnahmeregelung zugunsten der Übertragungsnetzbetreiber. Da § 60a EEG 2017 zum Abrechnungsverhältnis zwischen Übertragungsnetzbetreiber und stromkostenintensivem Unternehmen keine spezifischen eigenen Bestimmungen enthält, erfolgt der Verweis in § 60a Satz 2 EEG 2017 (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 25).
Darüber hinaus erwähnt der Gesetzgeber aber an keiner Stelle, dass die Regelung des § 60a Satz 2 EEG 2017 auch beinhaltet, dass § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 Anwendung finden soll. Dies wäre allerdings zu erwarten gewesen, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Absicht verfolgt hätte. Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass mit der Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 eine erhebliche Risikoverschiebung zulasten der Bilanzkreisverantwortlichen verbunden ist. Gleichzeitig passen die Erwägungen, die zur Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 geführt haben, aber – wie bereits dargelegt – nicht auf die von § 60a EEG 2017 erfassten Konstellationen. Es wäre daher zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber bei seinen Erwägungen auch dazu äußert, warum die von ihm selbst bei § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 diagnostizierte erhebliche Risikoverschiebung auch in der Konstellation des § 60 a Satz 2 EEG 2017 gerechtfertigt ist, wenn er die in § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 geregelte Risikoverteilung gerade auch für § 60a EEG 2017 konzipiert hätte (vgl. LG München, a.a.O., Rn. 23; OLG München, a.a.O., Rn. 30).
Zuletzt ist festzustellen, dass der Gesetzgeber trotz der zwischenzeitlich ergangenen, wenn auch noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des OLG München vom 06.08.2020 – 3 U 873/20, auf die auch der V. k. U. e.V. in seiner Stellungnahme vom 28.10.2020 (BT-Auschuss-Drs. 19(9)853) zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des EEG (BT-Drs. 19/23482) hingewiesen hat, mit der Empfehlung, mangels entsprechender Entlastungsmöglichkeiten keine gesamtschuldnerische Haftung der Bilanzkreisverantwortlichen neben privilegierten Unternehmen zu etablieren, keine Veranlassung gesehen hat, mit der Gesetzesnovelle 2021 eine Überarbeitung oder Abänderung des § 60a EEG vorzunehmen.
(4) Auch der Sinn und Zweck der §§ 60 Abs. 1 Satz 6, 60a Satz 2 EEG 2017 spricht nicht zwingend dafür, dass die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 auch in den Fällen des § 60a EEG 2017 gilt.
Es ist nicht erkennbar, dass mit diesen Regelungen eine umfassende Umverteilung des Ausfallrisikos von EEG-Umlagen auf den Bilanzkreisverantwortlichen beabsichtigt ist. Ziel der Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EGG 2017 war und ist es vielmehr, dem Übertragungsnetzbetreiber Klarheit hinsichtlich seines Umlageschuldners zu verschaffen. Nur auf diesen Gesichtspunkt stützt der Gesetzgeber – wie gezeigt – die im Falle des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 vorgenommene Risikoverlagerung (vgl. LG München, a.a.O., Rn. 24).
Soweit die Beklagte vorbringt, § 60a EEG 2017 schaffe aufgrund der Etablierung einer abweichenden Schuldnerstellung eine verbesserte Position der Übertragungsnetzbetreiber, die durch die Ausklammerung des gesamtschuldnerischen Haftungsschutzes aus § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 in widersprüchlicher Art und Weise wieder geschwächt werde, ist erneut auf die klare Trennung der beiden Regelungen im Gesetz als selbständige Anspruchsgrundlagen und die ihnen jeweils zugrunde liegende konkrete Intention des Gesetzgebers zu verweisen.
Beide Regelungen stellen unter Berücksichtigung der jeweiligen Problemkonstellationen für die Übertragungsnetzbetreiber eine administrative Erleichterung bei der Bestimmung ihres jeweiligen EEG-Umlage-Schuldners dar. Die Regelungen greifen auch insofern ineinander, als für den Fall, dass ein Abgrenzungsbescheid des BAFA für einzelne stromkostenintensive Unternehmen aufgehoben werden sollte, der Übertragungsnetzbetreiber also keinen Direktanspruch aus § 60a Satz 1 EEG 2017 mehr gegen diesen Letztverbraucher in der Besonderen Ausgleichsregelung geltend machen kann, § 60 EEG 2017 einschließlich der in Abs. 1 Satz 6 statuierten Gesamtschuldnerschaft wieder direkt zur Anwendung kommt.
Auch wenn das von der Beklagten formulierte übergeordnete Ziel, eine möglichst ungeschmälerte Aufkommenswirkung der EEG-Umlage zu erreichen und Zahlungsausfälle zu Lasten des EEG-Kontos und damit letztlich zu Lasten der Allgemeinheit weitestgehend zu vermeiden, dem Grunde nach durchaus nachvollziehbar ist, lässt sich den Erwägungen des Gesetzgebers zu den streitentscheidenden Normen doch nicht entnehmen, dass eine Erreichung dieses Ziels gerade durch die grundsätzliche Verlagerung des Insolvenzrisikos für EEG-Umlage-Beträge auf die Bilanzkreisverantwortlichen erfolgen soll, was in Anbetracht ihrer Rolle – zumindest in den typischen energiewirtschaftlichen Fallkonstellationen – auch nicht angemessen erscheint.
(5) Zusammenfassend können die Regelungen der §§ 60a Satz 2, 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Beklagten als Übertragungsnetzbetreiberin auch in der Konstellation des § 60a EGG 2017 die Klägerin als Inhaberin des betroffenen Abrechnungsbilanzkreises als Gesamtschuldnerin mit den nach § 60a Satz 1 EEG zur Zahlung verpflichteten Letztverbrauchern für die EEG-Umlage haftet. Wortlaut, Systematik, Gesetzeshistorie und der Wille des Gesetzgebers sprechen gegen eine solche Auslegung.
cc) Zuletzt kommt auch eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 1 Satz 6 EEG 2017 auf § 60a EEG 2017 nicht in Betracht. Das Gericht kann schon nicht erkennen, dass eine planwidrige Regelungslücke bestehen würde, die durch eine Analogie geschlossen werden müsste. Vielmehr ist nach der Gesetzeshistorie davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschlossen hat, dem Übertragungsnetzbetreiber nur in der Konstellation des § 60a EGG 2017 den Inhaber des zugeordneten Abrechnungsbilanzkreises als weiteren Umlageschuldner zu Verfügung zu stellen. Ein anderweitiger Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar (vgl. LG München, a.a.O., Rn. 27). Wie bereits dargelegt, hat sich der Gesetzgeber bislang auch nicht veranlasst gesehen, die Regelungen der §§ 60, 60a EGG 2017 einer nochmaligen Überarbeitung zu unterziehen.
c) Der weiterhin geltend gemachte Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.


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