IT- und Medienrecht

Einstweilige Verfügung gegen Internet-Werbung für E-Zigaretten durch Youtube-Video

Aktenzeichen  4 HK O 8810/20

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2021, 712
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3, § 3a, § 5a Abs. 6, § 8 Abs. 1 u. Abs. 3 Nr. 2, § 12 Abs. 2
TMG § 6
TabakerzG § 19 Abs. 3
ZPO §§ 935, 940

 

Leitsatz

1. Die für die Aufbereitung eines beanstandeten Youtube-Videos in eine gerichtsfeste Dokumentation erforderliche Zeit ist nicht dringlichkeitsschädlich.  (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Youtube-Video, mit dem ohne Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks der Konsum von E-Zigaretten beworben wird, verstößt gegen § 5a Abs. 6 UWG. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beschlussverfügung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.01.2021, Aktenzeichen 4 HK O 8810/20, wird aufrechterhalten.
II. Der Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
und folgenden Beschluss:
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschlussverfügung vom 26.01.2021 ist aufrecht zu erhalten.
1. Ein Verfügungsgrund ist gegeben.
Insbesondere hat der Verfügungskläger nicht in Kenntnis aller erforderlichen Umstände länger als einen Monat zugewartet.
a.) Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Nürnberg (Hinweisbeschluss vom 07.11.2017, Aktenzeichen 3 U 1206/17) ist bereits ein Zuwarten von mehr als einem Monat dringlichkeitsschädlich. Kennt der Verfügungskläger bereits konkrete Umstände, die einen Wettbewerbsverstoß naheliegend erscheinen lassen, ist von ihm zu erwarten, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen mit der gebotenen Zielstrebigkeit ergreift und die Sachlage weiter aufklärt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2014, Aktenzeichen 15 U 61/14, Tz. 22).
Allerdings ist der Verfügungskläger berechtigt, sich vor Anrufung des Gerichts über die Rechtsverletzung aus seiner Sicht heraus Gewissheit zu verschaffen und hat erst dann mit der gebotenen Eile vorzugehen, wenn er nach seiner Einschätzung einen Antrag bei Gericht mit einer vernünftigerweise zu erwartenden Erfolgsaussicht stellen kann (Für den Fall der Beschaffung des Produkts OLG München, Beschluss vom 30.05.1994, Az. 6 W 1300/94).
b.) Dieser Zeitpunkt ist noch nicht erreicht, wenn nach nur kursorischer Prüfung eines Youtube-Videos eine Rechtsverletzung prima facie für vorliegend erachtet wird, denn ohne eine im Zusammenhang dargestellte Dokumentation kann aus dem bloßen Gedächtnis heraus – nach Anschauen und Anhören des gesamten Videos – keine hinreichend verlässliche Entscheidung über das Vorliegen einer Rechtsverletzung getroffen werden.
Der Antragsteller hat weiterhin dargelegt, dass die Dokumentation erst am 21.11.2020 zur Verfügung stand und hat die dafür bestehenden Gründe – Arbeitsrückstau, Abspeicherung in der benötigten Form nach Extrahierung aus der Youtube-Website – dargelegt und auch diesen Vortrag durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht (Schriftsatz vom 22.01.2021, Seite 2).
Der Verfügungsantrag ist am 21.12.2020 per Fax bei Gericht eingegangen. Somit ist die Monatsfrist ab Kenntnis der Verletzung und des Verletzers – 21.11.2020 – noch eingehalten. Die Dokumentation des Inhalts des Videos innerhalb von 16 Tagen entspricht einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang (OLG Bamberg, Urteil vom 22.01.2014, Az. 3 U 191/13).
Daher ist von einer Kenntnis des Verfügungsklägers erst am 21.11.2020 auszugehen, ein grob fahrlässiges Nichtkennen vor diesem Zeitpunkt liegt nicht vor (OLG Bamberg, a.a.O. Rn. 26).
c.) Auf den Ablauf von 10 Tagen zwischen dem Ende der in der Abmahnung gesetzten Frist und dem Einreichen des Verfügungsantrags kommt es nach alledem nicht an.
2. Es besteht auch ein Verfügungsanspruch.
Die Kammer beschränkt sich hier auf eine kurze Darstellung, nach dem der Verfügungsbeklagte de im Schriftsatz vom 19.01.2021 erhobenen Einwendungen im Widerspruch nicht aufrechterhalten hat.
a.) Die Aktivlegitimation ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Mitgliedschaft der auf Seite 5 der Antragsschrift genannten Unternehmen/Vereine wurde glaubhaft gemacht (Mitgliederliste – Anlage A1, Eidesstattliche Versicherung – Anlage A2). Die Zugehörigkeit zu angrenzenden Branchen genügt, somit sind also jedenfalls Verlage und Werbeagenturen sowie Anbieter von Tabakprodukten zu berücksichtigen.
Die Mitgliedschaft des Bündnisses … ist nicht erheblich.
b.) Der Antrag ist hinreichend bestimmt, er bezeichnet die konkrete Verletzungsform.
c.) Der Verfügungsbeklagte hat den … entworfen und fördert durch das angegriffene Video deren Unternehmenszweck sowie seine eigenen kommerziellen Interessen. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass er für den Entwurf und für den Vertrieb des … finanzielle Vorteile erhält.
d.) Das streitgegenständliche Youtube-Video enthält auch Werbung.
Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines … Gewerbes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren … zu fördern, Artikel 2 RL 2006/114/EG. Die einzelnen Äußerungen müssen im Tenor nicht gesondert aufgeführt werden.
e.) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 3a, 5a Abs. 6, 8 Abs. 3 Nr. 2, 12 Abs. 2 UWG, 19 Abs. 3 TabakerzG.
Unlauter handelt, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, § 5a Abs. 6 UWG.
Da die beanstandeten Handlungen des Verfügungsbeklagten objektiv zur Förderung des Wettbewerbs geeignet sind, spricht nach der Rechtsprechung des BGH eine Vermutung für eine entsprechende Absicht des Handelnden, die auch für die im Einstellen des Videos auf Youtube zu sehende unternehmerische Tätigkeit des Verfügungsbeklagten gilt (vergleiche Urteil des OLG Braunschweig, Anlage A10, Seite 11).
Eine Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks aus den Umständen ist nicht gegeben.
Dieses Verhalten des Verfügungsbeklagten ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (OLG Celle, GRUR 2017, 1158).
Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben. Dieses Verbot gilt für die Werbung in Diensten der Informationsgesellschaft entsprechend. § 19 Abs. 2 und Abs. 3 TabakerzG.
Auch hiergegen hat der Verfügungsbeklagte verstoßen.
3. Der Verfügungsbeklagte trägt auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens § 91 ZPO.
Eine gesonderte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich.
Verkündet am 28.04.2021


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