IT- und Medienrecht

Einstweiliger Rechtsschutz auf Unterlassung einer Meldung über serious GLP non-compliance

Aktenzeichen  AN 14 E 20.01223

Datum:
29.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15415
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2004/9/EG Art. 5 Abs. 2
ChemG § 19b, § 27a Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 1, § 123
Richtlinie 2004/9/EG Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

Für eine rechtmäßige Feststellung einer fälschlichen Behauptung, die Gute Laborpraxis zu befolgen, genügt nicht, pauschal von den Feststellungen bzgl. einer „exemplarisch“ eingesehenen Prüfung auf alle anderen Prüfungen zu schließen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die angekündigte Meldung über „serious GLP non compliance“ bzgl. der im Master Schedule der Antragstellerin zu 2) aufgeführten abgeschlossenen und archivierten Studien “BXAV-G1318 QC-Fin-1, VB4025, VBN01, VBN01-01.002, VBN01-01.004, VBN01-01.003, VBN01-03.001, VBN01-01.005, VBN01-02.002 VBN01-02.003, VBN01-01.006, VB10NEO-001, VBN01-01.007, VBN01-01.008, VBN01-01.009, VBN01-01.010, VBN01-01.011, MGTX03, VBN01-02.007, MGTX06, NL282, NL284 und MGTX02“ zu unterlassen, bevor er sich nicht
a) alle Study Reports und Study Plans bzgl. dieser Studien hat vorlegen lassen und b) den Spaltungs- und Übergabevertrag (§ 126 UmwG) bzw. den Spaltungsplan (§ 136 UmwG) bzgl. der Abspaltung der Antragstellerinnen von der … GmbH hat vorlegen lassen um zu prüfen, ob die dieser erteilte GLP-Bescheinigung nicht auf beide Antragstellerinnen übergegangen ist.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerinnen und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen wollen im Wege einer einstweiligen Anordnung verhindern, dass der Antragsgegner der beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesiedelten GLP-Bundesstelle mitteilt, dass sie in schwerwiegendem Maße gegen die Vorschriften der Guten Laborpraxis (GLP – Good Laboratory Practice) verstoßen haben.
Die Antragstellerinnen erbringen analytische Labordienstleistungen, unter anderem im Bereich der Biotechnologie. Sie sind Rechtsnachfolgerinnen der … GmbH, aus der sie durch Aufspaltung nach dem Umwandlungsgesetz hervorgegangen sind. Letzterer war am 26. April 2018 vom Antragsgegner eine GLP-Bescheinigung (Statement of GLP Compliance) nach § 19b Abs. 1 Chemikaliengesetz (ChemG) für Prüfungen nach Kategorie 9 (Sonstige Prüfungen: DNA-Sequenzierung für Genotypisierungen, und Sicherheitsprüfungen von GVO, Mikroorganismen, Viren, Zellbanken und Zelllinien) erteilt worden.
Nach Angaben der Antragstellerinnen teilte die Antragstellerin zu 2) dem Antragsgegner nach der Aufspaltung mit, dass sie eine aktualisierte GLP-Bescheinigung benötige. Der Antragsgegner forderte daraufhin (wohl) im Juni 2020 umfangreiche Unterlagen an. Mit Email vom 23. Juni 2020 teilte die GLP-Leitstelle Bayern des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) des Antragsgegners den Antragstellerinnen mit, dass die Ausstellung des „Good Laboratory Practice (GLP) Compliance Statement“ im Bericht der durchgeführten Prüfung Nr. MGTX03 aufgrund der vorliegenden Informationen als Vergehen im Sinne von § 27a Abs. 1 ChemG gewertet werde. Es sei eine Meldung über eine „Serious GLP non-compliance“ für alle im Master Schedule aufgeführten abgeschlossenen und archivierten GLP-Studien (im Einzelnen genannt) der Antragstellerin zu 2) an die GLP-Bundesstelle mit der Bitte um Weiterleitung an die OECD beabsichtigt. Weitere Maßnahmen befänden sich noch in der Prüfung, es werde die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 24. Juni 2020, 13 Uhr (ohne Möglichkeit eines Fristaufschubs) gegeben.
Die Bevollmächtigten der Antragstellerinnen antworteten hierauf mit Email vom 24. Juni 2020, 11:43 Uhr. Sie baten um Verlängerung der Stellungnahmefrist bis zum 17. Juli 2020. Die Stellungnahmefrist sei nicht angemessen, eine besondere Dringlichkeit liege nicht vor. Es werde um Konkretisierung gebeten, warum die Prüfung Nr. … dem § 19a ChemG unterliege. Daneben werde um Darlegung gebeten, warum im Hinblick auf die Rechtsnachfolge nach Aufspaltung eine Neubescheinigung und nicht lediglich eine Umschreibung der Bescheinigung nach § 19b ChemG erforderlich sei. Für den Fall, dass die Frist nicht verlängert werde wurde ein Antrag nach § 123 VwGO zum VG Ansbach angekündigt.
Mit Email vom gleichen Tag um 17:26 Uhr bestätigte die Leiterin des Sachgebiets K1, Rechtsangelegenheiten, Vergabestelle des LGL den Eingang der Email und teilte mit, dass davon ausgegangen werde, dass unwahre GLP-Erklärungen nach § 19a ChemG für Prüfungen ausgestellt worden seien, deren Ergebnisse möglicherweise für Zulassungsverfahren herangezogen würden. Die Frist werde nicht verlängert, vor Absendung der (in Vorbereitung befindlichen) Meldung an die GLP-Bundesstelle werde der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen noch gesondert benachrichtigt.
Die Leiterin des Sachgebiets K1 des LGL übersandte am 26. Juni 2020 um 10:36 die Verfahrensakte als PDF-Datei sowie den Master Schedule der Antragstellerin zu 2). Daneben wurde auch der Entwurf der geplanten Meldung an das BfR übersandt. Wenn nicht bis 12 Uhr an diesem Tag mitgeteilt werde, dass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt worden sei, werde diese verschickt. Daneben wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin zu 2) im Master Schedule mehrere durchgeführte und archivierte Prüfungen als GLP-Prüfungen bezeichnet habe. Vom LGL sei exemplarisch die Prüfung MGTX03 (Prüfungs-ID des Sponsors) eingesehen worden. Hier liessen Prüfplan, Prüfbericht (insb. das GLP Compliance Statement des Prüfleiters) und QA-Statement nicht erkennen, dass diese Prüfung nur in Anlehnung an GLP-Bedingungen durchgeführt worden sei und dass die Einrichtung über keine GLP-Bescheinigung verfüge bzw. nicht dem nationalen Überwachungsprogramm unterliege. Vielmehr werde der Eindruck erweckt, insb. durch Fußnote 1 im GLP Compliance Statement, dass es sich dabei um eine reguläre GLP-Prüfung einer überwachten GLP-Prüfeinrichtung handle. Der Sachverhalt sei von den Antragstellerinnen in der Email vom 17. Juni 2020, 8:52 Uhr, eingeräumt worden (wird ausgeführt).
Die Pflicht zur schnellstmöglichen Weitergabe der Meldung an die GLP-Bundesstelle leite sich aus Nr. 4.1 der ChemVwV-GLP i.V.m. dem Handbuch für GLP-Inspektionen Stand Januar 2018, Punkt 2.14 ab. Sie diene der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 der EU-Richtlinie 2004/9/EG. Da unstreitig Prüfungen als GLP-Prüfungen bezeichnet worden seien, obwohl die Prüfeinrichtung nicht über eine GLP-Bescheinigung verfügt habe sei nicht ersichtlich, welches schützenswerte Interesse gegen eine Meldung sprechen könnte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Auftraggeberin Ergebnisse der in Rede stehenden Prüfungen für Zulassungs-, Erlaubnis-, Registrierungs-, Anmelde- oder Mitteilungsverfahren verwenden wolle oder bereits verwendet habe. Insbesondere für die in der Email des Bevollmächtigten der Antragstellerinnen vom 25. Juni 2020 erwähnten Klinischen Prüfungen („bis maximal Phase II“) müsste für die Antragstellung eine präklinische Dokumentation für Prüfpräparate eingereicht werden, die gemäß den Bestimmungen zur GLP durchzuführen sei. Insoweit werde auf die 3. Bekanntmachung zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen vom 10.6.2006, Seiten 11 und 12 verwiesen.
Mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 26. Juni 2020 ließen die Antragstellerinnen den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen. Sie beantragen,
1.Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR zu unterlassen, vor der Gelegenheit zur Stellungnahme durch die Antragsteller eine Meldung über Serious GLP non compliances für alle im Master Schedule aufgeführten abgeschlossenen und archivierten GLP-Studien der Fa. … GmbH (BXAV-G1318 QC-Fin-1, VB4025, VBN01, VBN01-01.002, VBN01-01.004, VBN01-01.003, VBN01-03.001, VBN01-01.005, VBN01-02.002, VBN01-02.003, VBN01-01.006, VB10NEO-001, VBN01-01.007, VBN01-01.008, VBN01-01.009, VBN01-01.010, VBN01-01.011, MGTX03, VBN01-02.007, MGTX06, NL282, NL284, MGTX02) an die GLP-Bundesstelle mit der Bitte um Weiterleitung an die OECD zu versenden oder über ein derartiges Vorhaben Dritte zu informieren.
2.Hilfsweise wird dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben, die gemäß dem Antrag zu 1. beschriebene Meldung, sofern diese bereits erfolgt ist, gegenüber denjenigen Stellen, gegenüber denen sie erfolgt ist, schriftlich zurückzunehmen verbunden mit dem Hinweis, dass die erfolgte Meldung gegenstandslos ist.
Zur Begründung führen sie aus, dass die angekündigte Mitteilung und deren Weiterleitung durch die GLP-Bundesstelle zur Folge hätte, dass GLP-Studien der Antragstellerinnen (auch der Antragstellerin zu 1), die im Besitz einer GLP-Bescheinigung sei), nicht mehr verwertet werden dürften, und zwar rückwirkend. Die Antragstellerinnen würden dann in entsprechenden Verkehrskreisen nicht mehr für analytische Dienstleistungen berücksichtigt. Der Antragsgegner habe keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und greife damit verfassungswidrig in Rechte der Antragstellerinnen ein. Daneben lasse er offen, ob sich die Maßnahme gegen beide oder nur eine Antragstellerin richte. Die Antragstellerinnen führten ihre Analysen im Einklang mit GLP durch, es könne keine Rede von schwerwiegenden Verstößen sein. Die streitgegenständlichen Studien habe zunächst die … GmbH (15 Studien), sodann die Antragstellerin zu 2) (8 Studien) für den jeweils gleichen Kunden durchgeführt. Der Vertrag sei 2010 und damit zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als diese noch keine GLP-Bescheinigung gehabt habe. Demensprechend sei für die fraglichen Studien lediglich als generelles Qualitätskriterium vereinbart worden, dass GLP-Standards eingehalten würden. Es sei jedoch ausdrücklich vereinbart worden, dass diese gerade nicht unter einer behördlichen Bescheinigung erfolge. Im Übrigen sei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen die Einhaltung der GLP bescheinigt worden. Im Nachgang zur Aufspaltung bedürfe es noch einer Aktualisierung der Bescheinigung auf die Antragstellerin zu 2), dies mache aber deren Behauptung, sie halte die GLP-Vorschriften ein, nicht unwahr. § 19a ChemG sei schließlich keine Eingriffsnorm, da nicht ersichtlich sei, dass die vertraglich vereinbarten Studien für behördliche Zulassungen gemäß § 19a ChemG bezweckt seien. Wie sich aus der Präambel des mit dem Auftraggeber der Studien geschlossenen Vertrags ergebe, sei die Antragstellerin zu 2 und deren Rechtsvorgängerin mit Studien im Zusammenhang mit der Entwicklung und Herstellung von Wirkstoffen für die Allergietherapie betraut worden. Bis heute seien diese Allergie-Therapeutika aber lediglich in der klinischen Entwicklung. Das Entwicklungsprojekt befinde sich noch in der sog. klinischen Phase II. Die Analysen seien nach Kenntnis der Antragstellerinnen nicht zum Nachweis einer Stoffprüfung im Rahmen eines Zulassungsverfahrens bestimmt. Dies könne auch noch nicht der Fall sein, da dies den Abschluss der klinischen Entwicklung voraussetze, was noch nicht der Fall sei. Die Antragstellerinnen klärten mit dem Auftraggeber derzeit den Verwendungszweck der einzelnen Studien. § 19a ChemG erfasse nicht analytische Prüfungen für Produktentwicklungen einschließlich für klinische Studien. Die Email vom 24. Juni 2020 zeuge von einem Rechtsirrtum, soweit sie ausführe, dass der Antragsgegner davon ausgehe, dass die GLP-Erklärungen „für Prüfungen ausgestellt wurden, deren Ergebnisse möglicherweise für Zulassungsverfahren herangezogen werden“. § 19a ChemG spreche aber von Prüfungen, die Zulassungen ermöglichen sollen. Die Zweckbestimmung müsse daher feststehen, der Antragsgegner spekuliere hingegen. Es bedürfte daher erst umfangreichen Sachverhaltsfeststellungen zum Verwendungszweck der Studien bevor beurteilt werden könne, ob der Anwendungsbereich des § 19a ChemG eröffnet sei.
Den Antragstellerinnen stehe ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Meldung zu, bis rechtliches Gehör gewährleistet worden sei. Dieser werde im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage geltend gemacht werden. Das rechtliche Gehör sei evident verletzt worden, da eine Fristsetzung von weniger als 24 Stunden in einem komplexen Sachverhalt, der über 10 Jahre zurückgehe, bei einer derart komplexen Rechtslage nicht ausreiche. Die Beanstandung sei nicht hinreichend konkretisiert und beziehe sich auch auf Studien, die die Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen erstellt habe. Dies beträfe auch die Antragstellerin zu 1), die über eine GLP-Bescheinigung verfüge. Der Antragsgegner habe der Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen bescheinigt, dass sie nach GLP-Standards arbeite. Daran habe sich durch die rein umwandlungsrechtliche Aufspaltung nichts geändert. Dass die Antragstellerin zu 2) aus rein administrativen Gründen ein aktuelles Zertifikat benötige ändere nichts an der materiellrechtlichen Richtigkeit der Bescheinigung, die aufgrund der gesetzlichen Rechtsnachfolge andauere.
Der Antragsgegner hat sich gegen den Antrag ausgesprochen. Die Leiterin des Sachgebiets K1, Rechtsangelegenheiten, Vergabestelle, des LGL hat in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden der entscheidenden Kammer des Verwaltungsgerichts am 26. Juni 2020 erklärt, dass sie bereit sei, bis zum Montag, dem 29. Juni 2020 mit der beabsichtigten Mitteilung zu warten, um dem Gericht eine Entscheidung über den Antrag zu ermöglichen. Daneben wurden die Verfahrensakten, der Inhalt der geplanten Mitteilung und das von der Antragstellerin zu 2) vorgelegte Master Schedule vorgelegt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht nach § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 8 VwGO wegen der besonderen Dringlichkeit durch den Vorsitzenden der Kammer.
Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Inmitten des Streits steht Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Inspektion und Überprüfung der Guten Laborpraxis (GLP) (ABl. L 50 vom 20.2.2004, S. 28), wonach ein Mitgliedsstaat, wenn er feststellt, dass eine in seinem Hoheitsgebiet gelegene Prüfeinrichtung zu Unrecht behauptet, die GLP zu befolgen, hierüber unverzüglich die Kommission unterrichtet, welche es den anderen Mitgliedsstaaten mitteilt. Diese Bestimmung berechtigt und verpflichtet allein einen Träger der öffentlichen Gewalt, die dort genannte Mitteilung zu machen und stellt damit eine öffentlich-rechtliche Norm dar (Sonderrechtstheorie). Damit handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO.
Das Verwaltungsgericht Ansbach ist nach § 45 VwGO sachlich und nach § 52 Nr. 5 VwGO örtlich zuständig, da das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit seinen Sitz in Erlangen und damit im Zuständigkeitsbereich des VG Ansbach hat, Art. 5 Abs. 1 GDVG.
Der Antrag der Antragstellerin zu 1) ist bereits unzulässig (hierzu 1.). Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist zulässig (hierzu 2.) und begründet (hierzu 3.).
1. Der Antrag der Antragstellerin zu 1) ist unzulässig, da ihr unter keinem Gesichtspunkt ein Anordnungsanspruch zur Seite stehen kann. Daher fehlt es bereits an der Antragsbefugnis für die begehrte einstweilige Anordnung, § 42 Abs. 2 VwGO analog.
Denn entgegen der Argumentation der Antragstellerinnen hat der Antragsgegner klar zu erkennen gegeben, dass er allein bzgl. der Antragstellerin zu 2) eine Meldung über „serious GLP non compliance“ vornehmen will. So wurde in der Email vom 26. Juni 2020 die geplante Meldung in Form einer Excel-Tabelle an die Antragstellerinnen übersandt. Diese bezieht sich allein auf die Antragstellerin zu 2), denn nur diese wird unter „name and address of test facility/test site“ genannt. Auch unter „nature of the non-compliance“ erscheint nur der Name der Antragstellerin zu 2). Der Name der Antragstellerin zu 1) taucht dagegen in der geplanten Meldung nicht auf. Ebenso wird in der Email der Leiterin des Sachgebiets K1 des Antragsgegners vom 24. Juni 2020, 17:26 Uhr, im Betreff nur die Antragstellerin zu 2) erwähnt. Gleiches gilt für die die geplante Mitteilung an das BfR erstmals ankündigenden Email des LGL vom 23. Juni 2020, 16:34 Uhr (Dr. …*).
2. Dagegen ist der Antrag der Antragstellerin zu 2) zulässig. In der Hauptsache wäre die Klage als allgemeine Leistungsklage auf die Verurteilung des Antragsgegners zur Unterlassung der geplanten Mitteilung gerichtet, so dass nach § 123 Abs. 5 VwGO der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft ist. Die Antragstellerin ist als das Unternehmen, über das die Meldung erfolgen soll, auch antragsbefugt i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO analog. Nachdem die Meldung noch nicht erfolgt ist besteht auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
3. Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist auch begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin zu 2) sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Rechtsgrundlage der geplanten Mitteilung an die GLP-Bundesstelle ist nach Angeben des Antragsgegners Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/9/EG i.V.m. Ziffer 2.14 des Handbuchs „Die Durchführung von GLP-Inspektionen in Deutschland“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (Ausschuss GLP und andere Qualitätssicherungs-Systeme – BLAC-AS GLP) (im Folgenden: Handbuch GLP-Inspektionen), 11. Auflage Januar 2018.
Die Richtlinienbestimmung lautet: „Stellt ein Mitgliedsstaat fest, dass eine in seinem Hoheitsgebiet gelegene Prüfeinrichtung zu Unrecht behauptet, die GLP zu befolgen, so dass die Korrektheit oder Zuverlässigkeit der von ihr durchgeführten Untersuchungen infrage gestellt werden könnte, so unterrichtet er hierüber unverzüglich die Kommission. Die Kommission teilt dies den anderen Mitgliedsstaaten mit“. Die Richtlinie ist soweit erkennbar nicht in nationales Recht umgesetzt worden, richtet sich aber als europäische Richtlinie naturgemäß an die Bundesrepublik Deutschland als einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Sie berechtigt und verpflichtet daher grundsätzlich nur die Mitgliedsstaaten und mittelbar den Antragsgegner. Allerdings führt die Mitteilungspflicht mittelbar zu belastenden Wirkungen für Unternehmen wie die Antragstellerinnen, wie diese nachvollziehbar in der Begründung des vorliegenden Antrags ausgeführt haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es aber grundsätzlich zulässig, dass (nicht umgesetzte) Richtlinienbestimmungen zu faktischen Belastungen von Privaten, die nicht unmittelbar Adressat der Richtlinie sind, führen (vgl. Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV, Rn. 63f. m.w.N.). Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG ist daher nach summarischer Prüfung grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage für die geplante Meldung.
Soweit der Antragsgegner sich daneben noch auf Ziff. 2.14 des Handbuchs GLP-Inspektionen beruft, ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren notwendigen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung jedenfalls zweifelhaft, welche Rechtsnatur diese Bestimmung hat und welche Verbindlichkeit sie beansprucht. Das Handbuch GLP-Inspektionen führt insoweit in seinem Vorwort aus, dass es eine Sammlung von Rechtsgrundlagen und Anregungen aus der Praxis sei. Verbindlich sei aber nur der Wortlaut der jeweiligen Rechtsvorschriften. Ziff. 4.1 der auf der Grundlage des § 19d Abs. 3 ChemG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Verfahren der behördlichen Überwachung der Einhaltung der Grundsätze der Guten Laborpraxis (ChemVwV-GLP) führt in seinem zweiten Halbsatz zwar aus, dass bei der Durchführung der Überwachung die „Konsensdokumente des Bund-Länder-Arbeitskreises Gute Laborpraxis über einen einheitlichen Vollzug in der jeweils geltenden Fassung und die Konsensdokumente der OECD“ Berücksichtigung finden sollten. Ob die Ziff. 2.14 des HandbuchsGLP-Inspektionen aber auf einer dieser Quellen oder anderen verbindlichen Rechtsvorschriften fußt, konnte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend und belastbar festgestellt werden.
Dies konnte im Ergebnis aber auch dahingestellt bleiben, das aufgrund des Vortrags der Antragstellerinnen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und der vom Antragsgegner vorgelegten Verfahrensakte glaubhaft gemacht ist, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer Feststellung nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/9/EG, so wie sie vom Antragsgegner beabsichtigt ist, nicht vorliegen. Der Antragsgegner hat den Sachverhalt, der für eine Mitteilung wie er sie vorhat, nur unzureichend ermittelt.
Dies ergibt sich für alle in der geplanten Mitteilung unter „Number of studies affected?“ genannten Prüfungen – außer der Prüfung „MGTX03“ – schon daraus, dass der Antragsgegner ausweislich der Email der Leiterin des Sachgebiets K1 des LGL vom 26. Juni 2020, 10:36 Uhr, Unterlagen über diese Prüfungen nicht eingesehen hat. Außer der Prüfung „MGTX03“ finden sich auch in der den Antragstellerinnen und dem Gericht übermittelten „Verfahrensakte“ keine Unterlagen zu den übrigen beanstandeten Prüfungen. Dies lässt zusammen mit der Aussage in der genannten Email, das LGL habe „exemplarisch“ die Prüfung MGTX03 eingesehen, nur den Schluss zu, dass der Antragsgegner bzgl. der übrigen beanstandeten Prüfungen den Sachverhalt entgegen dem Untersuchungsgrundsatz nicht ermittelt hat, sondern pauschal von den Feststellungen bzgl. der „exemplarisch“ eingesehenen Prüfung auf alle anderen Prüfungen geschlossen hat. Dieses Vorgehen kann eine rechtmäßige Feststellung einer fälschlichen Behauptung, die GLP zu befolgen, bezüglich dieser Studien aber nicht belastbar begründen.
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Fallgestaltung Anlass für genauere Sachverhaltsermittlungen bestanden hätte. Denn die Antragstellerin zu 2) ist nach deren unwidersprochenen Vortrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus der … GmbH hervorgegangen, die Inhaberin einer vom LGL am 26. April 2018 ausgestellten GLP-Bescheinigung nach § 19b ChemG war. Ob diese GLP-Bescheinigung „nur“, wie die Antragstellerinnen vorgetragen haben, auf die Antragstellerin zu 1) übergegangen ist oder ob sie eventuell auch auf die Antragstellerin zu 2) überging, wäre anhand der der Abspaltung zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Unterlagen (Spaltungs- und Übergabevertrag § 126 UmwG bzw. Spaltungsplan § 136 UmwG) festzustellen gewesen. Daneben hat die Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen, wie die Antragstellerin zu 2) glaubhaft gemacht hat, von den beanstandeten Prüfungen 15 durchgeführt, während die Antragstellerin zu 2) nur 8 davon durchgeführt hat. Wenn einige der beanstandeten Prüfung noch in der Verantwortung der Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen abgeschlossen wurden, die im Besitz einer GLP-Erklärung war, dann ist insoweit nicht erkennbar, worin der Verstoß im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG liegen sollte. Auch insofern wären Ermittlungen erforderlich gewesen, bevor eine rechtmäßige Mitteilung hätte erfolgen können. Dies betrifft auch die Prüfung „MGTX03“, da auch bezüglich dieser Prüfung nicht klar ist, ob die der Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen erteilte GLP-Bescheinigung sich nicht auch auf diese, von der Antragstellerin zu 2) durchgeführte Prüfung erstreckt.
Daneben liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Denn der Antragsgegner beabsichtigt, die geplante Mitteilung am Montag, dem 29. Juni 2020 zu versenden. Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Dringlichkeit besteht damit.
Das Gericht hat bei dem Erlass der einstweiligen Anordnung, sofern Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind, ein weites gestalterisches Ermessen, und ist an die gestellten Anträge nicht gebunden (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 64). Aufgrund der dargestellten Mängel der Sachverhaltsaufklärung war es angezeigt, die Mitteilung an die GLP-Bundesstelle beim BfR davon abhängig zu machen, dass diese Mängel – wie im Tenor des vorliegenden Beschlusses formuliert – behoben und in der Entscheidung über die Mitteilung berücksichtigt werden.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass die vom Antragsteller zur Stellungnahme vor Mitteilung an die GLP-Bundesstelle gesetzte Frist (unterstellt, der Sachverhalt wäre belastbar ermittelt gewesen) zwar knapp, aber wohl ausreichend bemessen war. Angesichts der Pflicht nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/9/EG, „unverzüglich“ die Kommission zu unterrichten, war eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme wie beantragt bis zum 17. Juli 2020 nicht vertretbar und auch nicht geboten.
Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden, da dieser nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut allein für den Fall gestellt worden war, dass die Meldung an die GLP-Bundesstelle bereits erfolgt ist. Da dies nicht der Fall war ist die innerprozessuale Bedingung für den Hilfsantrag nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 VwGO.
Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Höhe des (zwei mal halben) Auffangstreitwerts festzusetzen.


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