IT- und Medienrecht

Entscheidungsgrundlage für die Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung

Aktenzeichen  6 W 1610/21

Datum:
6.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40808
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91a, § 172 Abs. 1 S. 1, § 253 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Klage ist nicht wirksam erhoben, wenn sie an die gegnerische Partei und nicht an deren für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgt ist, der im Klagerubrum angegeben war. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erklärt der Kläger nach Erlass eines Versäumnisurteils auf den Einspruch hin den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt, ist Entscheidungsgrundlage iRd nach § 91a Abs. 1 ZPO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Stand des Verfahrens in dem Zeitpunkt, in dem die übereinstimmende Erledigung wirksam geworden ist, und nicht im Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisurteils. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 HK O 2331/20 2021-10-13 Bes LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts vom 13.10.2021 dahingehend abgeändert, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen hat.
2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Mit Datum vom 24.06.2020 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Unterlassung erhoben. Im Rubrum der Klageschrift waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten angegeben, die Klage wurde jedoch (nur) der Beklagten selbst am 15.07.2020 zugestellt. Das Landgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 14.08.2020 gemäß den Klageanträgen zu Unterlassung verurteilt und in Ziff. II. des Urteilstenors der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Versäumnisurteil wurde der Beklagten am 18.08.2020 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 22.07.2021 hat die Beklagtenpartei gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und dabei unter anderem geltend gemacht, dass die Klage nicht nach § 253 Abs. 1 ZPO wirksam erhoben worden sei, da die Zustellung an die Beklagte selbst und nicht an deren Prozessbevollmächtigte erfolgt sei, die außergerichtlich bereits darauf hingewiesen hätten, dass sie auch für ein gerichtliches Verfahren bestellt seien (Anlagen B 1, B 2). Höchstvorsorglich werde weiterhin die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Schriftsatz vom 24.09.2021 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Eintragung des Klägers in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach dem UKIaG auf eigenen Antrag aufgehoben wurde, und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte hat der Erledigterklärung mit Schriftsatz vom 12.10.2021 zugestimmt und sich gegen eine Kostentragungslast verwahrt.
Mit Beschluss vom 13.10.2021, den Beklagtenvertretern zugestellt am 14.10.2021, hat das Landgericht entschieden, dass die Beklagte gem. § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, mit Ausnahme der durch die Säumnis zu tragenden Kosten, die es dem Kläger auferlegt hat. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagten seien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, das sie in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Diese habe keine erheblichen Einwendungen gegen den Klageanspruch vorgebracht. Dem Kläger hätten die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zugestanden.
Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.10.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte in ihrer Einspruchsschrift vom 22.07.2021 wirksam die Einrede der Verjährung (§§ 11 UWG, 214 BGB) erhoben habe.
Die Beklagte beantragt:
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger hat zu der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Schriftsatz vom 18.11.2021 Stellung genommen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.11.2021 nicht abgeholfen.
Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.11.2021 Stellung genommen.
II.
Die gem. § 91 a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Die Entscheidung des Landgerichts, wonach der Beklagten gem. § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits – mit Ausnahme der durch die Säumnis zu tragenden Kosten – auferlegt werden, berücksichtigt nicht, dass den Klageanträgen bei Fortgang des Verfahrens die Einrede der Verjährung entgegen gestanden hätte. Die Berufung auf die Einrede der Verjährung durch die Beklagte stellt sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
Im Einzelnen:
1. Nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht im Falle der übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen. Maßgeblich ist, wie sich der Rechtsstreit ohne das erledigende Ereignis entwickelt hätte und entschieden worden wäre. Grundsätzlich trifft somit die Partei die Kostenlast insgesamt oder anteilig, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich ganz oder teilweise unterlegen wäre.
2. Im Streitfall ist die Klage infolge der Zustellung an die Beklagte selbst nicht wirksam erhoben worden (§ 253 Abs. 1 ZPO), da die Zustellung gem. § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO an die für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätte erfolgen müssen (vgl. Anlagen B 1, B 2), die klägerseits im Rubrum der Klageschrift angegeben waren (vgl. BGH NJW-RR 2011, 997 Rn. 13). Entsprechendes gilt für die Zustellung des Versäumnisurteils vom 14.08.2020. Eine Heilung gem. § 189 ZPO, die voraussetzt, dass das zuzustellende Schriftstück – der Zugang eines inhaltsgleichen Dokuments (als Fotokopie per Telefax oder per E-Mail) ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht ausreichend (vgl. Senat, Urt. v. 14.9.2017 – 6 U 1864/17, GRUR 2018, 444 Rn. 42) – so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat, ist nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt nicht erfolgt.
3. Vor diesem Hintergrund war der Einspruch der Beklagten vom 22.07.2021 gegen das Versäumnisurteil statthaft (§ 338 ZPO) und zulässig, insbesondere nicht verfristet, da die zweiwöchige Notfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO mangels wirksamer Zustellung des Versäumnisurteils nicht in Lauf gesetzt wurde (BGH NJW-RR 2011, 997 Rn. 17). Damit wurde das Verfahren gem. § 342 ZPO in die Lage vor Erlass des Versäumnisurteils zurückversetzt.
4. Unterstellt, eine wirksame Zustellung der Klage wäre noch bewirkt worden, so wäre der Kläger ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Verfahren voraussichtlich deshalb unterlegen, weil die seitens der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (§§ 11 UWG i.V.m. 214 Abs. 1 BGB) durchgreift. Entscheidungsgrundlage im Rahmen der nach § 91 a Abs. 1 ZPO vorzunehmenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsstreits ist der Stand des Verfahrens im Zeitpunkt, in dem die übereinstimmende Erledigung wirksam geworden ist (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 91 a Rn. 29; Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021, ZPO § 91 a Rn. 22), und nicht – wie das Landgericht zugrunde gelegt hat (vgl. die Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss) – der Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisurteils. Gem. § 11 Abs. 1 UWG verjähren die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG in sechs Monaten. Die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die streitgegenständliche Verletzung datiert nach dem Vorbringen in der Klageschrift vom 27.05.2020, wovon der Kläger am gleichen Tag Kenntnis erlangt hat. Nachdem eine spätere Fortführung des beanstandeten Verhaltens nicht vorgetragen wurde (insbesondere auch nicht nach Erhebung der Verjährungseinrede), ist davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche am 27.11.2020 verjährt sind. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht eingetreten, da die Klage mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam erhoben wurde i.S.v. § 253 Abs. 1 ZPO.
5. Die Berufung auf die Einrede der Verjährung stellt sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Soweit das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss darauf abstellt, dass die Beklagtenseite vorliegend einen „Flüchtigkeitsfehler“ des Gerichts ausgenutzt habe, indem sie nach Zustellung der Klage oder spätestens des Versäumnisurteils nicht darauf hingewiesen habe, dass sie anwaltlich vertreten sei, bestand eine derartige Obliegenheit vorliegend nicht. Insbesondere liegt keine unzulässige Rechtsausübung in Form einer bewussten und allein bezweckten Schädigung der Gegenseite vor (vgl. Rechtsgedanke des § 226 BGB), vielmehr bestand für die Beklagtenseite hier ein eigenes Interesse an der Wahrnehmung ihrer Rechtsverteidigung. Demgegenüber war für die Klägerseite auch ohne einen entsprechenden Hinweis der Beklagtenpartei aus dem Rubrum des Versäumnisurteils erkennbar, dass dort die Prozessbevollmächtigten der Beklagten entgegen den Angaben im Rubrum der Klageschrift nicht angeführt waren. Folglich hätte sie dies gegenüber dem Gericht beanstanden und auf eine wirksame Zustellung i.S.v. § 172 ZPO hinwirken können.
III.
1. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 ZPO nicht vorliegen.


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