IT- und Medienrecht

Erfindung, Patentanmeldung, Abtretung, Eintragung, Prothese, Patent, Streitpatent, Offenbarung, Vorrichtung, Technik, Trennung, Anmeldung, Anspruch, Behandlung, Stand der Technik, technische Lehre, Rechtsprechung des BGH

Aktenzeichen  21 O 19141/14

Datum:
16.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164767
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Mitberechtigung an der Europäischen Patentanmeldung EP 2 566 416 (Anmeldenummer: EP Nr. 11 777 065.1) einzuräumen und gegenüber dem Europäischen Patentamt in eine Änderung der Inhaberschaft der Anmeldung EP 2 566 416 einzuwilligen, dass die Klägerin Mitinhaberin der Anmeldung ist.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 1.000.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur im Hilfsantrag begründet.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zwar kein Anspruch auf Vollvindikation, jedoch ein Anspruch aus Art II § 5 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EPÜ auf Einräumung einer Mitberechtigung an der Europäischen Patentanmeldung EP 2 566 416 sowie auf Einwilligung in die Änderung gegenüber dem Europäischen Patentamt dergestalt zu, dass die Klägerin Mitinhaberin der Anmeldung wird.
1. Die Klägerin ist für den Anspruch aktivlegitimiert, da sie geltend macht, nach dem anwendbaren Recht des US-Bundesstaates Massachusetts materiellrechtliche Inhaberin der Erfindungen ihrer Mitarbeiter Dr. A2. Q. und B. R. (Anlagen HE 8 und HE9) zu sein. Die Passivlegitimation der Beklagten folgt aus der Übertragung durch die Muttergesellschaft (Anlage HE16) und aus ihrer Eintragung als Inhaberin der Streitanmeldung (Anlage HE2).
2. Ein Anspruch auf Vollübertragung der Streitanmeldung setzt voraus, dass die Klägerin vor dem Prioritätszeitpunkt im Besitz der fertigen Erfindung war, diese der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin mitgeteilt wurde und dass zwischen der Erfindung und der Streitanmeldung Wesensgleichheit besteht.
a) Der Gegenstand der Streitanmeldung EP 2 566 416, die auf der PCT-Veröffentlichung WO 2011/137531 A1 (Anlage HE1/1a) beruht, betrifft die Behandlung einer Herzklappeninsuffizienz, insbesondere der Mitralklappeninsuffizienz, mittels Mitralklappenprothesen und Transkathetermethoden, nach denen die Prothesen eingesetzt werden.
(1) Maßgeblicher Durchschnittsfachmann, aus dessen Sicht der Gegenstand der Streitanmeldung ebenso wie derjenige der klägerischen Erfindung sowie die Wesensgleichheit zu beurteilen sind, ist nach Auffassung der Kammer im Anschluss an die klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 01.04.2016 (Bl. 309 d.A.) ein Team aus einem Ingenieur mit einem Hochschulabschluss in Maschinenbau oder Biotechnologie und Erfahrung in der Entwicklung von Medizinprodukten und einem Herzchirurgen mit mehrjähriger Erfahrung bei der Behandlung von Krankheitszuständen, die mit einer beeinträchtigten Funktion der Herzklappen einhergehen.
(2) Im Stand der Technik waren zur Behandlung von Mitralklappendysfunktionen Transkatheter-Mitralklappenprothesen bekannt, die einen Federring, eine Vielzahl von Segelmembranen und eine Vielzahl von in Gewebe eingreifenden Positionierelementen aufwiesen, die in Bezug auf den Ring beweglich montiert und dimensioniert waren, um die anatomische Struktur des Herzklappenrings, der Segel und/oder der Herzwand zu greifen (WO 2008/103722, Teilziffer [0006] der Streitanmeldung). Weiter waren Prothesen bekannt, die einen Stent oder äußeren Stützrahmen mit einem aufgeweiteten oberen Ende und einem sich verengenden Abschnitt aufwiesen, um sich der Kontur der nativen Mitralklappe anzupassen. Der Aufbau war ausgeführt, um radial nach außen und in Kontakt mit dem nativen Herzgewebe zu expandieren, um eine Presspassung zu erzeugen, und schloss weiter Zugelemente ein, die als prothetische chordae tendineae dienten (WO 2009/134701 Teilziffer [0007] der Streitanmeldung). Zudem waren prothetische Mitralklappenaufbauten bekannt, die eine Klauenstruktur zum Anbringen der Prothese am Herzen verwendeten (US 2007/0016286) oder die auf die Anwendung axialer anstatt radialer Klammerkräfte angewiesen waren, um die Positionierung und Verankerung der Prothese zu ermöglichen (Teilziffer [0008] der Streitanmeldung).
(3) Davon ausgehend ist es die Aufgabe der streitanmeldungsgemäßen Erfindung, eine Mitralklappenprothese zur Verfügung zu stellen, die einen Stent mit einem atrialen Schürzenbereich niedrigen Profils und Querschnitts, einen annularen Bereich mit Anpassung an den nativen Mitralannulus sowie einen ventrikulären Schürzenbereich aufweist, der die Klappensegel verdrängt, wobei die Anker entlang der Längsachse asymmetrisch sein können, um eine enge Anpassung an die asymmetrischen Strukturen des typischen nativen Mitralklappenapparates zu ermöglichen (Teilziffer [0012] der Streitanmeldung).
(4) Gegenstand der streitanmeldungsgemäßen Erfindung ist daher eine katheterisierbare Mitralklappenprothese mit einer Geometrie, die einen atrialen Schürzenbereich niedrigen Profils bzw. Querschnitts, einen annularen Bereich, der dimensioniert ist, um sich im Allgemeinen einem nativen Mitralklappenannulus anzupassen, sowie einen ventrikulären Schürzenbereich aufweist, der die nativen Mitralklappensegel verlagert bzw. verdrängt und eine Vielzahl von Segelverbindungen umfasst, die sich in den subannularen ventrikulären Raum erstrecken und eingerichtet sind, die Effizienz der prothetischen Klappenstruktur und die Lastverteilung auf deren Segeln zu optimieren. Weiter bilden den Gegenstand der Erfindung solche Ausführungsformen, die entlang ihrer Längsachse bestehend aus der atrialen Schürzenregion, dem annularen Bereich und/oder der ventrikulären Schürze asymmetrisch sind und unterschiedliche anteriore und posteriore Ausgestaltungen haben, um eine enge Anpassung an die asymmetrischen Konturen und Merkmale des typischen nativen Mitralklappenapparates zu gewährleisten (Teilziffer [0012] der Streitanmeldung).
Um die Effizienz der Prothesenklappe und die Lastverteilung auf den prothetischen Segeln zu optimieren, erstrecken sich die Kommissuren bzw. Verbindungen im Allgemeinen axial auf auskragende Weise stromabwärts in den subannularen Raum und sind imstande, sich radial und lateral entlang ihrer axialen Länge zu verbiegen, um die mit dem Blutfluss durch die prothetische Klappenstruktur zusammenhängenden Kräfte zu verteilen (Teilziffer [0014] der Streitanmeldung). Um die Effizienz der Lastverteilung weiter zu optimieren, können die Verbindungen der Prothese auch bei unterschiedlichen Punkten oder Zonen entlang ihrer axialen Länge gezielt flexibel ausgeführt sein, beispielsweise durch Hinzufügen oder Wegnehmen verstärkender Streben oder durch eine Änderung der Dicke der Verbindungen in ausgewählten Bereichen (Teilziffer [0014] der Streitanmeldung).
Im eingesetzten Zustand erstreckt sich der atriale Schürzenbereich der Prothese im Allgemeinen radial nach außen, um flach an der atrialen Fläche des nativen Mitralklappenannulus anzuliegen, um diesen zu bedecken und um die Mitralklappenprothese an zumindest einem Abschnitt der angrenzenden atrialen Fläche des Herzens zu verankern, wobei der atriale Schürzenbereich zur Thromboseprävention einen niedrigen axialen Querschnitt aufweist und atriale Widerhaken oder Zinken zur Verankerung an der atrialen Herzfläche umfassen kann (Teilziffer [0016] der Streitanmeldung).
Der annulare Bereich ist dimensioniert, um sich im Allgemeinen beim Einsetzen an einen nativen Mitralklappenannulus anzupassen und sich an diesem zu verankern, wobei er D-förmig sein kann, um eine Anpassung an die Konturen einer typischen nativen Mitralklappe zu ermöglichen (Teilziffer [0017] der Streitanmeldung).
Der ventrikuläre Schürzenbereich expandiert beim Einsetzen in den ventrikulären Raum radial nach außen, um die natürlichen Mitralklappensegel und die chordae tendineae in einem ausreichenden Maß zur Seite zu drücken, wobei er auch ventrikuläre Segelwiderhaken oder -zinken umfassen kann, um die eingesetzte Prothese weiter zu verankern. Dabei kann der ventrikuläre Schürzenbereich asymmetrisch sein und seine Zinken können zwei trigonale Verankerungslaschen umfassen, die in dem anterioren Aspekt des ventrikulären Schürzenbereichs zum Verankern an den trigona fibrosa auf jeder Seite des anterioren Segels angeordnet sind, und eine posteriore ventrikuläre Verankerungslasche, die in dem posterioren Aspekt des ventrikulären Schürzenbereichs zum Verankern über dem posterioren Segel der nativen Mitralklappe angeordnet ist (Teilziffer [0018] der Streitanmeldung).
Die kombinierte Drei-Zonen-Verankerung der Prothese gegen die atriale Fläche, den nativen Klappenannulus und die verlagerten nativen Segel im ventrikulären Raum beugt einem Migrieren oder Entfernen der Prothese vor, verringert den Verankerungsdruck, der in einer beliebigen der genannten Verankerungszonen im Vergleich zu einer nur in einer Zone verankerten Prothese aufgebracht werden muss, und reduziert insbesondere die jeweilige radiale Kraft (Teilziffer [0020] der Streitanmeldung).
Maßgeblich den Gegenstand der Erfindung bestimmt im Ergebnis die Erkenntnis, dass zum einen eine Drei-Zonen-Verankerung der Prothese an der atrialen Fläche, am Annulus sowie im ventrikulären Raum eine sichere Verankerung bei gleichzeitiger Reduktion des Verankerungsdrucks in jeder einzelnen Zone gewährleistet und dass sich zum anderen die Effizienz der Verankerung und Lastverteilung erhöhen lässt, wenn die Prothese entlang ihrer Längsachse asymmetrisch ist und unterschiedliche anteriore und posteriore Ausgestaltungen aufweist, um sich den asymmetrischen Konturen des nativen Mitralklappenapparates möglichst eng anzupassen.
(5) Der herangezogene Anspruch 1 der Streitanmeldung EP 2 566 416 in der im europäi schen Erteilungsverfahren eingereichten Anspruchsfassung (Anlage HE6/6a) lässt sich im Sinne einer Merkmalsanalyse wie folgt aufgliedern:
1. Eine prothetische Herzklappe mit einem Anker und mehreren prothetischen Klappensegeln
2. Der Anker hat
a. eine zusammengefaltete Konfiguration zum Einführen in das Herz
b. eine ausgedehnte Konfiguration zum Verankern der prothetischen Herzklappe im Herzen eines Patienten
3. Der Anker hat
a. eine atriale Schürze,
b. einen annularen Bereich und c. eine ventrikuläre Schürze
4. Jedes der prothetischen Klappensegel hat
a. ein erstes Ende, das mit dem Anker gekoppelt ist, und b. ein freies Ende, das dem ersten Ende gegenüberliegt
5. Die prothetische Herzklappe hat
a. eine offene Konfiguration, in der die freien Enden der prothetischen Klappensegel voneinander beabstandet sind, um einen antegraden Blutfluss an den Klappensegeln vorbei zuzulassen,
b. eine geschlossene Konfiguration, in welcher die freien Enden der prothetischen Klappensegel miteinander im Eingriff sind und einen retrograden Blutfluss im Wesentlichen verhindern.
Nach Unteranspruch 9 weist die ventrikuläre Schürze eine trigonale Verankerungslasche auf, die an einem anterioren Abschnitt der ventrikulären Schürze angeordnet ist, wobei die trigonale Verankerungslasche angepasst ist, an einem ersten fibrösen Trigon auf einer ersten Seite eines anterioren Segels der Mitralklappe des Patienten verankert zu sein, so dass das anteriore Segel und angrenzende chordae tendineae zwischen der trigonalen Verankerungslasche und einer anterioren Fläche der Verankerung aufgenommen werden.
Nach Unteranspruch 10 weist die ventrikuläre Schürze ferner eine zweite trigonale Verankerungslasche auf, die an dem anterioren Abschnitt der ventrikulären Schürze angeordnet ist, wobei die zweite trigonale Verankerungslasche angepasst ist, an einem dem ersten fibrösen Trigon gegenüberliegenden zweiten fibrösen Trigon verankert zu sein, so dass das anteriore Segel und angrenzende chordae tendineae zwischen der zweiten trigonalen Verankerungslasche und der anterioren Fläche der Verankerung aufgenommen werden.
Nach Unteranspruch 11 weist die ventrikuläre Schürze ferner eine posteriore ventrikuläre Verankerungslasche auf, die an einem posterioren Abschnitt der ventrikulären Schürze angeordnet ist, und wobei die posteriore ventrikuläre Verankerungslasche angepasst ist, über einem posterioren Segel der Mitralklappe des Patienten verankert zu sein, so dass die posteriore ventrikuläre Verankerungslasche zwischen dem posterioren Segel und einer ventrikulären Herzwand des Patienten sitzt.
b) Wiederum aus der Sicht des oben definierten Durchschnittsfachmanns ist zu beurteilen, ob die Klägerin vor dem Erstkontakt mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin im vollständigen Erfindungsbesitz war, ob sie also eine fertige Erfindung besaß. Maßgeblich ist insoweit, ob der Klägerin die der Erfindung zugrunde liegende, technisch ausführbare Lehre bekannt war, der Durchschnittsfachmann also nach den Angaben des Erfinders mit Erfolg arbeiten konnte, ohne hierbei selbst eigene erfinderische, d.h. das Wissen und Können des Durchschnittsfachmanns übersteigende Überlegungen oder über das zumutbare Maß hinausgehende Versuche anstellen zu müssen (BGH GRUR 1971, 210, 212 – Wildbissverhinderung).
Die fertige klägerische Erfindung soll nach dem Klagevortrag in den von den Erfindern Dr. Q. und R. im Rahmen umfangreicher Versuche (vgl. beispielhaft die Seiten 17 bis 21 der Klageschrift (Bl. 17/21 d.A.) und die Seiten 3 bis 19 der Replik (Bl. 103/119 d.A.) entwickelten Prototypen Rev. B bis E verkörpert sein.
Der Gegenstand der klägerischen Erfindung umfasste danach eine Klappenprothese für die Verankerung im Bereich der natürlichen Mitralklappe, wobei diese Verankerung folgendermaßen erfolgte:
Im Bereich des atrialen Endes der Prothese waren sämtliche Prototypen der Klägerin mit Hilfe von Befestigungsmitteln im Atrium verankert, nämlich bei der Version Rev. B zunächst noch mittels einer von der Klägerin so genannten atrialen Schulter, in den Versionen Rev. C bis E dann mit Hilfe von V-förmigen Ankern, wie sie bereits aus den Abbildungen auf Seite 18 (Bl. 18 d.A.) der Klageschrift sowie auf Seite 7 der Replik (Bl. 7 der Replik) ersichtlich sind. Bei der Version Rev. D wurde der Durchmesser des atrialen Bereichs gegenüber dem Durchmesser des ventrikulären Bereichs vermindert, als Verankerungszone aber beibehalten (vgl. Seite 13 f. der Replik, Bl. 113 f. d.A.).
Weiter sollten die klägerische Prothesen im Bereich des natürlichen Klappenannulus dadurch verankert werden, dass sie einen zylindrischen annularen Bereich vorsahen, wobei im implantierten Zustand ein friktionaler Kontakt zwischen diesem annularen Bereich des Rahmens und dem natürlichen Klappenannulus hergestellt wurde (vgl. Seite 12 des Schriftsatzes vom 09.09.2015, Bl. 216 d.A.).
Zudem sahen die Prototypen der Klägerin ventrikuläre Verankerungsfortsätze vor, die ab der Version Rev. C deutlich stärker ausgeprägt sind und bei denen sich im Laufe der Entwicklung die Frage der Ummantelung stellte, die letztlich in einem Einschneiden der Abdeckung mündete, damit sie zwischen die chordae tendineae hindurchgreifen und hinter die natürlichen Klappensegel positioniert werden konnten (vgl. Seiten 7 bis 11 der Replik, Bl. 107/111 d.A. sowie das Video gemäß Anlage HE19).
Im Ergebnis war damit die in den Prototypen bis einschließlich Rev. E verkörperte fertige Erfindung der Klägerin dadurch gekennzeichnet, dass eine Drei-ZonenVerankerung der Prothese im atrialen Bereich durch atriale Anker, am Annulus durch einen zylindrischen Bereich mit friktionalem Kontakt sowie im ventrikulären Raum durch ventrikuläre Verankerungsfortsätze erfolgt ist.
c) Die Erfindung der Klägerin ist aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns mit der Erfindung der Streitanmeldung nicht wesensgleich, da die Klägerin im Hinblick auf asymmetrische und unterschiedliche anteriore und posteriore Ausgestaltungen entlang der Längsachse der Prothese, die dazu dienten, sich den asymmetrischen Konturen des nativen Mitralklappenapparates möglichst eng anzupassen, nicht im Erfindungsbesitz war, obwohl diese gleichfalls Gegenstand der Streitpatentanmeldung sind.
Sämtliche Ausführungsformen der klägerischen Erfindung, wie sie in den Prototypen bis einschließlich Rev. E verkörpert waren, waren entlang ihrer gesamten mittleren Längsachse rotationssymmetrisch aufgebaut. Die klägerische Erfindung hatte nicht zum Gegenstand, entlang der Längsachse asymmetrische Gestaltungen zu wählen, um der Erkenntnis Rechnung zu tragen, dass über eine Drei-Zonen-Verankerung hinaus eine effizientere Verankerung und Lastverteilung erreicht werden kann, indem man bei der Ausgestaltung einzelner Elemente der asymmetrischen Natur des nativen Mitralklappenapparates folgt.
Demgegenüber gehört es – wie oben erörtert – gerade zum Gegenstand der streitanmeldungsgemäßen Erfindung, dieser asymmetrischen Form des nativen Mitralklappenapparates dadurch weiter entgegenzukommen, dass Verankerungselemente entlang der Längsachse der Prothese asymmetrisch ausgestaltet werden und unterschiedliche anteriore und posteriore Ausgestaltungen aufweisen, um sich weiter den asymmetrischen Konturen der natürlichen Mitralklappe anzupassen. Ausdruck dieser zum Gegenstand der streitanmeldungsgemäßen Erfindung gehörenden technischen Lehre ist auch die in den Ausführungsbeispielen gemäß den Unteransprüchen 9 bis 11 und den Figuren 8A und 9A dargestellten anterioren und posterioren Verankerungslaschen, die gerade diese Asymmetrie wählen und von denen sich die anterioren auf den trigona fibrosa abstützen sollen.
Auf die von den Parteien etwas überstrapazierte Frage, ob auch die klägerischen ventrikulären Verankerungsfortsätze aufgrund ihrer Anzahl unabhängig von der Position beim Einsetzen zwangsläufig auf beiden trigona fibrosa zu liegen kommen, kommt es nach Auffassung der Kammer nicht an, da sich der Gegenstand der Streitanmeldung nicht auf dieses Erfassen der trigona fibrosa reduzieren lässt, sondern die technische Lehre allgemeiner darauf gerichtet ist, durch asymmetrische Verankerungselemente mit anterioren und posterioren Ausgestaltungen die asymmetrischen Konturen des natürlichen Mitralklappenapparates nachzuarbeiten und dadurch die Verankerung und Lastverteilung zu verbessern.
Zu einer asymmetrischen Ausgestaltung der ventrikulären Verankerungsfortsätze samt der Differenzierung zwischen anterioren und posterioren Ausgestaltungen wäre der Durchschnittsfachmann nicht ohne eigene erfinderische Bemühungen gelangt, da es hierzu der zusätzlichen Erkenntnis bedurft hätte, nicht nur eine Verteilung der Last durch mehrere Zonen zu erreichen, sondern vielmehr die Last gezielt auf die asymmetrischen Konturen des Mitralklappenapparates zu verteilen.
3. Die Klägerin kann von der Beklagten jedoch die Einräumung einer Mitberechtigung an der Streitanmeldung verlangen, da wesentliche Beiträge, die in den Prototypen bis einschließlich Rev. E verkörpert waren und der Beklagtenseite daher zur Kenntnis gebracht wurden, Gegenstand der Streitanmeldung geworden sind.
a) Auch wenn das EPÜ keine ausdrückliche Regelung in Bezug auf Miterfinder enthält, ist allgemein anerkannt, dass Miterfindern die gleiche Rechtsposition wie dem (einzelnen) Erfinder zukommt. Miterfinder ist jeder, der einen schöpferischen Beitrag zu der Erfindung geleistet hat.
Die Schutzfähigkeit der betreffenden Erfindung gehört nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen, da streitgegenständlich allein die besseren Rechte am Gegenstand der Erfindung sind, nicht hingegen die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Patent erteilt werden kann.
Bei der Frage, wer (Mit-)Erfinder ist, geht es – losgelöst von der patentrechtlichen Bewertung des Gegenstands der Erfindung – darum, wem ein Recht an diesem Gegenstand zusteht (BGH GRUR 2011, 903, Tz. 13 – Atemgasdrucksteuerung). Der für die Zuerkennung des Mit-Erfinderstatus erforderliche Beitrag braucht nicht selbstständig erfinderisch zu sein und für sich allein betrachtet alle Voraussetzungen einer patentfähigen Erfindung zu erfüllen (BGH GRUR 2004, 500 – Verkranzungsverfahren).
Die Anerkennung als Miterfinder kann auch nicht mit der Begründung versagt werden, der geleistete Beitrag betreffe „nicht den springenden Punkt“ der Erfindung (BGH GRUR 2001, 226 f. – Rollenantriebseinheit I). Vielmehr reichen nur solche Beiträge nicht aus, um als (Mit-)Erfinder anerkannt zu werden, die den Gesamterfolg (gar) nicht beeinflusst haben und deshalb für die Lösung unwesentlich sind oder die nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen wurden (BGH Mitt. 2013, 551 Tz. 8).
Nach der Rechtsprechung des BGH darf nicht allein der Gegenstand der Patentansprüche zum Maßstab für eine die Mitberechtigung begründende Beteiligung genommen werden, sondern es ist die gesamte in dem Patent beschriebene Erfindung und deren Zustandekommen in den Blick zu nehmen und zu prüfen, mit welcher Leistung der Einzelne zu der in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Erfindung beigetragen hat (BGH GRUR 1979, 541 – Biedermeiermanschetten). Es sind nicht die einzelnen Merkmale des Patentanspruchs darauf hin zu untersuchen, ob sie für sich genommen im Stand der Technik bekannt sind, und sie bejahendenfalls für einen schöpferischen Beitrag eines Miterfinders auszuschließen sind, sondern entscheidend sind die technische Lehre in ihrer Gesamtheit und die Beiträge, die die einzelnen Erfinder zum Zustandekommen der Lehre geleistet haben (vgl. BGH GRUR 2011, 903, Tz. 16, 21 – Atemgasdrucksteuerung, vgl. insgesamt OLG München BeckRS 2014, 20360, Seite 41 f. – Röntgenopakes Dentalmaterial)
b) Der relevante schöpferische Beitrag der Klägerin, der in den mitgeteilten Prototypen bis Rev. E verkörpert war, bestand darin, dass sie eine Verankerung der Mitralklappenprothese in drei Verankerungszonen vorsah, nämlich im atrialen Bereich vermittels der Vförmigen Anker ab Rev. D, im annularen Bereich vermittels eines friktionalen Kontaktes zum zylindrischen Rahmen sowie im Ventrikel vermittels der ventrikulären Verankerungsfortsätze, die durch die chordae tendineae hindurchgreifen und hinter den natürlichen Klappensegeln positioniert werden konnten.
Wie oben unter 2. a) (4) dargestellt, gehört es ebenfalls zum Gegenstand der streitanmeldungsgemäßen Erfindung, eine sichere Drei-Zonen-Verankerung der Prothese an der atrialen Fläche, am Annulus sowie im ventrikulären Raum vorzusehen, durch die der Verankerungsdruck in jeder einzelnen Zone im Vergleich zu Prothesen erheblich reduziert wird, die in nur einer Zone verankert sind und bei denen ein entsprechend höherer Verankerungsdruck aufgebracht werden muss.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt der Angabe in der Klageschrift. Die eigene Wertangabe des Klägers zu Beginn des Verfahrens stellt in der Regel ein gewichtiges Indiz für die zutreffende Bewertung dar (OLG München, WRP 2008, 972, 976 – Jackpot-Werbung; BGH GRUR 1986, 93, 94 – Berufungssumme), weil in diesem Verfahrensstadium, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, erfahrungsgemäß Angaben von größerer Objektivität erwartet werden dürfen als zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kostentragungspflicht mit erheblicher Sicherheit vorauszusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – X ZR 125/06, juris). Dies gilt nur dann nicht, wenn sich die Wertangaben des Klägers nicht in objektiv vertretbaren Grenzen gehalten haben (OLG München, WRP 2008, 972, 976 – Jackpot-Werbung). Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich, von der Angabe der Klägerin in der Klageschrift abzugehen, da ihre dortigen Angaben im Hinblick auf eine medizintechnische Erfindung zwar moderat, aber dennoch nicht völlig unrealistisch erscheinen.


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