IT- und Medienrecht

Erfolglose Inanspruchnahme eines als Zahlungsdienstleister für Online-Glücksspielanbieter tätigen Kreditinstituts auf Erstattung verlorener Spieleinsätze

Aktenzeichen  10 O 8632/19

Datum:
22.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29326
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 675f Abs. 2 S. 1, § 675o Abs. 2, § 812 Abs. 1 S. 1, § 817 S. 2
GlüStV § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 3 Nr. 4
StGB § 285

 

Leitsatz

Ein Kreditinstitut, das als Zahlungsdienstleister für Anbieter von Online-Glücksspielen fungiert, ist nicht verpflichtet, an die Anbieter gerichtete Zahlungsaufträge von Privatkunden darauf hin zu überprüfen, ob ihnen eine Teilnahme an verbotenem Glücksspiel zugrunde liegt.    (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 62.947,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
B.
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung von 62.947,00 €.
1. Vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner Spieleinsätze aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Zwischen den Parteien ist ein Zahlungsdiensterahmenvertrag gemäß § 675f Abs. 2 Satz 1 BGB durch eine erfolgreiche Registrierung zustande gekommen. Die Beklagte hat die ihr aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag obliegenden Pflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB nicht verletzt. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Eine Verletzung solcher Rücksichtspflichten folgt hier weder aus dem Abschluss der Kooperationsvereinbarungen mit den entsprechenden Online-Casinos (a.) noch aus der Ausführung der konkreten Zahlungsaufträge des Klägers (b.). Auch ist es nicht Aufgabe der Beklagten, den Kläger vor der Teilnahme an ggf. verbotenem Glücksspiel zu bewahren (c.).
a. Allein der Umstand, dass die Beklagte mit dem Betreiber der Internetseite eine Ver tragsbeziehung einging, verletzt keine vertragliche Rücksichtspflicht im Verhältnis zum Kläger. Dies folgt schon aus dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse.
b. Auch in der Ausführung der Zahlungsaufträge des Klägers liegt keine Pflichtverletzung der Beklagten. Der Kläger hat die Zahlungen durch Eingabe seiner -Kundendaten auf der Internetseite der Glücksspielanbieterin selbst veranlasst und autorisiert, so dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrages verpflichtet war, die jeweiligen Transaktionen gemäß §§ 675f Abs. 2 S. 1, 675 o Abs. 2 BGB entsprechend den Anweisungen des Klägers auszuführen. Die Beklagte konnte die Ausführungen der Zahlungen auch nicht gemäß § 675o Abs. 2 BGB verweigern. § 675o Abs. 2 BGB gibt zwar der Beklagten ein Recht, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen (BeckOK/BGB/Schmalenbach, 51. Ed. 1.8.2019, BGB § 675o Rn. 11). Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beklagte von diesem Recht unter Verletzung von § 241 Abs. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht hat. Denn grundsätzlich ist der Zahlungsdienstleister aus dem Rahmenvertrag zur Ausführung von Zahlungsaufträgen verpflichtet, § 675f Abs. 2 S. 1 BGB. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn offensichtlich ist, dass das Vertragsunternehmen den Zahlungsdienstleister rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt. Dies liegt aber nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt, also wenn offensichtlich ist, dass ihm eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Nutzer nicht zusteht. Dies ist unter den hier gegeben Umständen nicht der Fall. Dagegen spricht nämlich bereits der Umstand, dass die Zahlung aufgrund einer Anweisung des Klägers erfolgte.
Darüber hinaus war die Beklagte nicht dazu verpflichtet, den Zahlungsvorgang des Klägers zu überprüfen oder zu überwachen. Irgendwie geartete Schutzpflichten gegenüber Kunden bestehen demnach erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz Verdacht schöpfen muss (BGH, XI ZR 56/07). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr war eine Überprüfung für die Beklagte zum Zeitpunkt der Ausführung der Zahlungsaufträge, auf den es alleine ankommt, unmöglich zu prüfen, ob die jeweiligen vom Kläger in der Folgezeit wahrgenommenen Spiele tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellen. An welchem konkreten Spiel, wann und wo der Kläger teilnimmt, bestimmt alleine der Kläger selbst. Für die Prüfung des Vorliegens eines unerlaubten Glückspiels im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV fehlt der Beklagten jeglicher Einblick. Auch wurden der Beklagten diesbezügliche unerlaubte Glücksspielangebote nicht vorher gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV von der Glücksspielaufsicht bekanntgemacht und Zahlungen und Auszahlungen nicht untersagt.
c. Es ist letztlich nicht Aufgabe der Beklagten, den Kläger vor möglicherweise illegalen Zahlungsvorgängen zu schützen und ihn davon abzuhalten. Vielmehr darf grundsätzlich jeder Vertragspartner – mithin auch die Beklagte – darauf vertrauen, dass der andere Teil sich rechtstreu verhält. Eine Schutzpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB richtet sich immer nach dem Inhalt und der Art des Schuldverhältnisses. Soweit es um die Aufklärung des anderen Vertragsteils geht, sind auch der Erfahrungs- und Wissensabstand zwischen den Parteien zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt war vorliegend eindeutig ein Wissensvorsprung des Klägers insoweit gegeben, als alleine er bestimmt, an welchem konkreten Spiel, wann und wo er teilnimmt, der Beklagten dagegen zum Zeitpunkt ihrer Ausführung der einzelnen Zahlungsaufträge jeglicher Einblick für die Prüfung des Vorliegens eines unerlaubten Glückspiels im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV fehlte. Eine dementsprechende Prüfungs- oder Warnpflicht ist nicht gegeben. Vielmehr trägt die Verantwortlichkeit für sein strafbares Verhalten der Kläger selbst.
2. Es besteht auch kein Anspruch aus Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist derjenige, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet. Der Kläger hat nicht dargelegt und bewiesen, dass die Beklagte etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat. Das Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger ist geregelt durch den Zahlungsdiensterahmenvertrag. Dieser Vertrag nicht nichtig gemäß § 134 BGB, da dieser als solcher gegen kein gesetzliches Verbot verstößt. Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein solches Verbotsgesetz liegt nicht vor. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Die Voraussetzungen der Mitwirkung an Zahlungen am unerlaubtem Glücksspiel liegen jedoch vorliegend nicht vor. Die Beklagte hat Zahlungen getätigt. Es ist allerdings nicht Aufgabe der Beklagten, die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen (vgl. für Kreditkartenunternehmen: BGH XI ZR 96/11). Nach § 9 Abs. 1 S. 1, S. 3 Nr. 4 GlüStV ist dies vielmehr Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Sie hat gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 GlüStV die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 GlüStV kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV kann sie insbesondere den am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere den Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen. Eine derartige vorherige Bekanntgabe der Glücksspielaufsicht an die Beklagte hat der Kläger nicht dargelegt.
Auch die Autorisierungen sind aus den vorstehenden Erwägungen nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV. Die Nichtigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV. Zwar stellt die Erweiterung in § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV klar, dass auch die Mitwirkung an Zahlungen in Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Durch diese Regelung soll jedoch nicht in den zwischen dem Spieler, hier dem Kläger, und der Beklagten bestehenden Zahlungsverkehr eingegriffen werden. Vielmehr ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 dient – so die Motive – der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschließlich E-Geld-Institute (Nr. 4) im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich – insbesondere wegen eines Auslandsbezuges – in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen zum GlüStV, Stand: 7. Dezember 2011, S. 32; OLG München Verfügung v. 6.2.2019 – 19 U 793/18). Dass die Beklagte vor Begleichung der entstandenen Forderungen einen derartigen Hinweis durch die Glücksspielaufsicht erhalten hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ungeachtet dessen, stünde einem etwaigen Rückforderungsanspruch des Klägers nach seinem eigenen Vortrag die Regelung des § 817 BGB entgegen, wonach bei beiderseitigem Gesetzesverstoß die Rückforderung ausgeschlossen ist: Unterstellt, der Zahlungsdiensterahmenvertrag wäre wegen Verstoßes gegen § 4 GlüStV nichtig, würde den Kläger dieser Verstoß gleichermaßen treffen. Denn den Vortrag des Klägers unterstellt, wäre seine Teilnahme an öffentlichem Glücksspiel gemäß § 285 StGB unter Strafe gestellt.
3. Weitere Ansprüche, insbesondere solche aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 i.V.m den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages scheitern aus den vorstehenden Erwägungen ebenfalls. Der Beklagten ist keine schuldhafte Rechtsgutsverletzung zum Nachteil des Klägers vorzuwerfen.
II.
Die Nebenforderung teilt das Schicksal des Hauptanspruchs.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.
§ 708 Nr. 11, 2. Alt. ZPO ist hier nicht anwendbar, da die isolierte Kostenvollstreckung € 1.500 überschreitet.


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