Aktenzeichen W 3 K 18.539
RBStV § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 5 S. 1, § 14 Abs. 9
Leitsatz
1. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist – vorbehaltlich des Anspruchs auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für weitere Wohnungen derjenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nachkommen – sowohl mit der Bayerischen Verfassung als auch mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt nicht gegen europäisches Recht. (Rn. 22 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gesetzliche Vermutung, dass Inhaber einer Wohnung die Person ist, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist, kann nicht durch die bloße Behauptung widerlegt werden, man wohne eigentlich gar nicht in der betreffenden Wohnung. (Rn. 51 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Streitgegenstand sind – allein – der Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 1. Mai 2015 für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Januar 2015, der Rundfunkbeitragsbescheid vom 4. März 2016 für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016 sowie der Rundfunkbeitragsbescheid vom 3. Juni 2016 für den Zeitraum vom 1. Februar 2016 bis 30. April 2016 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018.
Das Gericht durfte auch in Abwesenheit eines Vertreters des Beklagten verhandeln und entscheiden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Beklagte ist mit Empfangsbekenntnis vom 20. Dezember 2019 ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Zudem hat der Beklagtenbevollmächtigte mit Schreiben vom 23. Januar 2020 mitgeteilt, zur mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2020 nicht zu erscheinen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258). Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist für jede Wohnung von ihrem Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
Der Bescheid beruht auf einer wirksamen und verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage. Das Verwaltungsgericht Würzburg geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – vorbehaltlich des Anspruchs auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für weitere Wohnungen derjenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nachkommen – sowohl mit der Bayerischen Verfassung als auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist und nicht gegen europäisches Recht verstößt. Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich um eine nicht steuerliche und nicht unverhältnismäßige Abgabe, deren Erhebung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist.
Die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Zustimmungsgesetzes zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vermögen an dieser Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit Entscheidung vom 15. Mai 2014 (Az.: Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12- juris) über erhobene Popularklagen entschieden und dabei folgende Leitsätze aufgestellt:
„1. Die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich für Betriebsstätten (§ 5 Abs. 1 RBStV) sowie für Kraftfahrzeuge (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV) sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.
2. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Sie ist sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern wird als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben.
3. Dem Charakter einer Vorzugslast steht nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen.“
Diese Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist für die Gerichte in Bayern bindend (vgl. Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG).
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat insbesondere festgestellt, dass die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 101 BV nicht verletzt wird (a.a.O., Rn. 66 bis 100) und dass die Beitragspflicht für Inhaber von Wohnungen nach § 2 Abs. 1 RBStV auch mit dem Gleichheitssatz nach Art. 118 BV in Einklang steht (a.a.O., Rn. 101 bis 131). Diese Ausführungen sind auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG übertragbar (so auch: VG Regensburg, U.v. 11.2.2015 -RO 3 K 15.60 – juris, Rn. 25, 35).
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung von einer Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages aus (vgl. B.v. 21.8.2018 – 7 BV 18.7 (zum Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich); B.v. 20.6.2017 – 7 B 15.2547/7 B 15.2557; B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60; U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.707 – alle juris). Er stellte im Urteil vom 19. Juni 2015 folgenden Leitsatz auf:
„Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung (§ 2 Abs. 1 RBStV), unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt. Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche und in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallende Abgabe (Beitrag). Grundsätzlich ist jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an dessen Finanzierung zu beteiligen, weil das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund des gesetzlichen Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten innerhalb der Gesellschaft jedem Einzelnen zugutekommt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, dass dem einzelnen Wohnungsinhaber zur Vermeidung der Beitragspflicht der Nachweis erlaubt wird, in dem durch seine Wohnung erfassten Haushalt werde das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht empfangen. Insbesondere muss der Gesetzgeber nicht an der für die frühere Rundfunkgebühr maßgeblichen Unterscheidung festhalten, ob ein Empfangsgerät bereitgehalten wird oder nicht. Das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist auch dann als „Gegenleistung“ in Bezug auf die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags anzuerkennen, wenn Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms nicht jedermanns Zustimmung finden. Die Bestimmungen über die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich enthalten weder unmittelbar noch mittelbar nachteilige Ungleichbehandlungen, die an eine Behinderung anknüpfen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Der im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehene Meldeabgleich (§ 14 Abs. 9 RBStV) verstößt nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).
Das Verwaltungsgericht schließt sich diesen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an und macht sie sich zu Eigen.
Für die Vereinbarkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags mit dem Grundgesetz sowie mit dem europäischen Recht wird auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 (6 C 6/15 – NVwZ 2016, 1081) Bezug genommen, in dem folgende Leitsätze aufgestellt worden sind:
„1. Der Rundfunkbeitrag ist eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt.
2. Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung.
3. Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind.
4. Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren.
5. Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
6. Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben.“
Das Bundesverwaltungsgericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausschließt, dass die Landesparlamente die Finanzausstattung auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung der Landesregierungen oder nach ihrem Ermessen in den Landeshaushalten festlegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss ein unabhängiges, außerhalb der Staatsorganisation stehendes Gremium über den voraussichtlichen Finanzbedarf der Rundfunkanstalten entscheiden, wobei es deren Programmfreiheit zu beachten hat. Die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) prüft die finanziellen Vorstellungen der Rundfunkanstalten daraufhin nach, ob sie sich im Rahmen des Rundfunkauftrags halten, d.h. in Zusammenhang mit der Herstellung und Verbreitung der Programme stehen, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und diejenige der öffentlichen Haushalte berücksichtigen (BVerwG, a.a.O. Rn. 23). Darüber hinaus stellt das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil fest, dass die Festlegung der rundfunkbeitragsfähigen Kosten die Zweckbindung des Rundfunkbeitrages beachtet, dass die Rundfunkbeitragspflicht mit dem Grundrecht der Informationsfreiheit vereinbar ist und dass ihre Einführung nicht der Genehmigung der Kommission der Europäischen Union bedurfte (BVerwG, a.a.O. Rn. 51). Das Gericht schließt sich auch diesen Ausführungen an.
Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls über die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich entschieden. Im Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – NVwZ 2018, 1293 – hat das Bundesverfassungsgericht folgende Leitsätze aufgestellt:
1. „Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr – potentiell – einen Nutzen haben (Rn.55).
Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgeglichene Vorteil liegt in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können (Rn.59).
2. Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann und soweit dessen Nutzung realistischerweise möglich erscheint (Rn.60).
3. Die Landesgesetzgeber durften die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme anknüpfen, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen. Auf das Vorhandensein von Empfangsgeräten oder einen Nutzungswillen kommt es nicht an. (Rn.87) (Rn.89)
4. Ein Beitragsschuldner darf zur Abschöpfung desselben Vorteils nicht mehrfach herangezogen werden (Rn.70).
Inhaber mehrerer Wohnungen dürfen für die Möglichkeit privater Rundfunknutzung nicht mit insgesamt mehr als einem vollen Rundfunkbeitrag belastet werden. (Rn.107)“
Das Gericht schließt sich auch diesen Ausführungen an.
Auch der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. Dezember 2018 entschieden, dass der deutsche Rundfunkbeitrag mit dem Unionsrecht vereinbar ist (EuGH, U.v. 13.12.2018 – Südwestrundfunk, C 492/17 – BeckRS 218, 31908). Auch diese Ausführungen macht sich das Gericht zu Eigen.
Der Rundfunkstaatsvertrag ist im Ergebnis daher taugliche Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide.
Auch die Bescheide selbst sind nicht zu beanstanden.
Der Bayerische Rundfunk ist nach § 10 Abs. 5 RBStV als Anstalt des öffentlichen Rechts berechtigt, rückständige Beiträge festzusetzen. In diesem Zusammenhang erlässt der Beklagte Verwaltungsakte (vgl. VGH BW, U.v. 4.11.2016 – 2 S 548/16 – juris Rn. 24 ff.). Zum Erlass entsprechender Verwaltungsakte bedient sich die Landesrundfunkanstalt des Beitragsservices als Verwaltungsgemeinschaft. Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebenen Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Hierauf basiert § 2 der bei Erlass der Festsetzungsbescheide geltenden Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 19. Dezember 2012 (Staatsanzeiger Nr. 51 bis 52/2012) und der bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 5. Dezember 2016 (Staatsanzeiger Nr. 51 bis 52/2016). Bei dieser gemeinsamen Stelle handelt es sich um den ARD ZDF Deutschlandradio-Beitragsservice mit Sitz in Köln.
Entgegen der vom Kläger vorgetragenen Auffassung hat der Beklagte beim Erlass der angegriffenen Bescheide den Rechtsgedanken des Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG ordnungsgemäß angewendet. Nach dieser Vorschrift kann bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, abweichend von Abs. 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen.
Damit erweisen sich die angegriffenen Bescheide als formell rechtmäßig.
Auch materiell sind die Bescheide nicht zu beanstanden.
Der Kläger ist im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 1 RBStV als Inhaber einer Wohnung rundfunkbeitragspflichtig.
Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die (Nr. 1) dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder (Nr. 2) im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Mehrere Beitragsschuldner haften als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV beginnt die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat. Dies bedeutet, dass die Rundfunkbeitragspflicht kraft Gesetzes entsteht. Die vom Bayerischen Rundfunk erlassenen Rundfunkbeitragsbescheide haben lediglich den Zweck, eine Grundlage für eine möglicherweise notwendige Vollstreckung der Ansprüche zu schaffen.
Die Pflicht des Klägers zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags wurde für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV begründet.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV wird vermutet, dass der Kläger Inhaber einer Wohnung ist. Nach den Akten des Beklagten war der Kläger nach Datensatz des Einwohnermeldeamtes seit 18. Juni 2001 bis 15. April 2016, mithin im streitgegenständlichen Zeitraum, in der …-straße … in G. gemeldet.
Der Kläger hat diese Vermutung auch nicht erfolgreich widerlegt. Die vorgetragene Kündigung der Wohnung im September 2012 ändert nichts an der Inhaberschaft, wenn die Wohnung nicht aufgegeben wurde. Auch der Vortrag, dass es eine reine „Meldeanschrift“ sei, ändert hieran nichts.
Die Wohnung im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinn ist jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV). Dies setzt nicht voraus, dass sich diese Person ständig, überwiegend oder auch nur regelmäßig in der Wohnung aufhält (vgl. Göhmann/ Schneider/ Siekmann in: Binder/Vesting (Hrsg.), Beck‘scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 RBStV Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Auch eine gelegentliche oder seltene Wohnnutzung ist ein Bewohnen im Sinne der Vorschrift. Eine Wohnung wird im Ergebnis immer schon dann im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV von einer Person selbst bewohnt, wenn diese die Wohnung jederzeit zum tatsächlichen Wohnen nutzen kann, weil sie die hierfür erforderliche Verfügungsgewalt über die Wohnung innehat (BVerwG, U. v. 9.12.19 – 6 C 20/18 – juris).
Auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist es nach der gesetzlichen Definition ausreichend, dass die ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist (BayVGH, Beschluss vom 18. 2.2015 – 7 CS 15.103 – juris, Rn. 10 f.). Auf die tatsächliche Nutzung und damit auch auf ein tatsächliches Bewohnen der betreffenden Raumeinheit kommt es nicht an (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 14, Begründung zu § 3 RBStV). Solange der Betroffene seine Wohnung noch selbst – wenn auch nur für Lagerzwecke – nutzt, liegt es nahe, ihn als Inhaber der Wohnung, der die Wohnung „selbst bewohnt“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV), anzusehen. Denn dem Willen des Gesetzgebers entspricht es, den auf die Wohnung bezogenen Rundfunkbeitrag einfach und praktikabel auszugestalten und die Privatsphäre zu schützen. Ermittlungen „hinter der Wohnungstür“ sollen nicht mehr erforderlich sein, weil es auf Art und Umfang der Nutzung der Wohnung regelmäßig nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 13 f., Begründung zu § 2 und § 3 RBStV).
Die gesetzliche Vermutung kann danach nicht durch die bloße Behauptung widerlegt werden, man wohne eigentlich gar nicht in der betreffenden Wohnung. Es wäre nämlich treuwidrig, einerseits der Meldebehörde mitzuteilen, die betreffende Wohnung zu bewohnen bzw. gezogen zu haben, andererseits auch aber gegenüber der Rundfunkanstalt zu behaupten, tatsächlich wohne man dort nicht (Göhmann/ Schneider/ Siekmann a.a.O., § 2 RBStV Rn. 21 f.; VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 03.07.2017 – B 3 K 16.837 – juris).
Auch dem Vortrag des Klägers, dass der Eigentümer keine Ver- und Entsorgungsunternehmen bezahlt habe und das Haus zwangsversteigert worden sei, lässt sich nicht entnehmen, dass die Wohnung nicht zum Wohnen oder Schlafen geeignet gewesen wäre. Ein Nachweis ist insofern nicht geführt.
Die Beitragspflicht endete im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht durch eine Abmeldung nach § 7 Abs. 2 RBStV. Die Beitragspflicht endet mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung endet, jedoch nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist.
Die Ummeldung nach A. erfolgte melderechtlich am 15. April 2016. Eine Anzeige des Endes der Beitragspflicht erfolgte im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten nicht. Das Innehaben der Wohnung in G. wird daher auf Grundlage der Mitteilung des Einwohnermeldeamtes vermutet und war frühestens zum 30. April 2016 beendet.
Die Beitragspflicht des Klägers entfällt auch nicht dadurch, dass ein anderer Beitragsschuldner den Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 3 RBStV i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 AO mit befreiender Wirkung für den Kläger bewirkt hätte. Jeder Inhaber einer Wohnung schuldet die gesamte Leistung bis zur vollständigen Zahlung des geschuldeten Betrags (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 30.7.2015 – 7 B 15.614, Rn. 27 – juris; VG Augsburg, GB v. 31.8.16 – Au 7 K 16.813 – juris). Wenn ein anderer Beitragsschuldner für die gleiche Wohnung gezahlt hat, entfällt die Beitragspflicht. Der Beklagte müsste dann abhelfen und den Rechtsstreit für erledigt erklären.
Es ist nicht vorgetragen und aus den Akten nicht ersichtlich, dass die Ehefrau des Klägers, Frau B., den Rundfunkbeitrag für die Wohnung in G. im streitgegenständlichen Zeitraum mit befreiender Wirkung gezahlt hätte. Auch wenn die Abmeldung des Beitragskontos von Frau B. rückwirkend zum 1. Januar 2013 einseitig durch den Beklagten erfolgte, ändert dies nichts daran, dass der Kläger – neben Frau B. – Beitragsschuldner bleibt. Es hätte den Eheleuten im Übrigen freigestanden, die Rundfunkbeiträge bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren jeweils mit befreiender Wirkung für den anderen zu zahlen.
Der Kläger ist für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. April 2016 auch weder nach § 4 RBStV noch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der Beitragspflicht befreit.
Das Bundesverfassungsgericht hat zum Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für weitere Wohnungen tenoriert (U. v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris):
1. Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 ) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist.
3. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.“
Das Bundesverfassungsgericht führt in den Entscheidungsgründen hierzu aus, dass dieselbe Person für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden darf (Rn. 106). Personen, die nachweislich als Inhaber ihrer Erstwohnung ihrer Beitragspflicht nachkommen, sind auf Antrag von der Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien (Rn. 155).
Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger als Inhaber einer Wohnung nachweislich seiner Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 RBStV nachgekommen ist. Ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ist indes auch nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 23.9.19 – OVG 11 N102.17 – juris).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt auch ein Befreiungsanspruch die Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheids unberührt. Das Bundesverwaltungsgericht hat insofern zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge ausgeführt (Urt. v. 30.10.2019 – Az. 6 C 10/18 – juris – zu § 4 RBStV):
„Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei Rundfunkbeitragsbescheiden sind Beginn und Ende der Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV (vgl. bereits zum früheren Recht: BVerwG, Urteile vom 28. April 2010 – 6 C 6.09 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 54 und vom 17. August 2011 – 6 C 15.10 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 61). (…) Der Beklagte hat Änderungen der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Befreiungen von der Rundfunkbeitragspflicht, die auf Antrag des Beitragsschuldners nach Erlass des Festsetzungsbescheides und vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens erteilt werden (Rn. 10).
Unerheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung ist, ob der Klägerin nach der letzten Verwaltungsentscheidung über die Festsetzung ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuerkannt wird. Erstreckt sich in diesem Fall die Befreiung rückwirkend ganz oder teilweise auf den Zeitraum des Beitragsfestsetzungsbescheides, wird die ursprünglich rechtmäßige Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge unrichtig, weil eine Befreiung die Beitragspflicht für den von ihr erfassten Zeitraum entfallen lässt. Der Festsetzungsbescheid wird in diesem Fall im Umfang der zeitlichen Übereinstimmung von Festsetzung und Befreiung rechtswidrig, so dass er insoweit von der Rundfunkanstalt aufzuheben ist (s. dazu BVerwG, Urteile vom 22. September 1993 – 2 C 34.91 – Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 78 und vom 28. Juni 2012 – 2 C 13.11 – BVerwGE 143, 230 Rn. 15 jeweils m.w.N. sowie Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 53 f. m.w.N.). (Rn. 13)“
Insofern ist auch der Vortrag des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, er habe in einer (weiteren) Wohnung in der …-straße … in A. gewohnt und die Beiträge für diese Wohnung habe der Vater des Klägers gezahlt, im vorliegenden Verfahren unerheblich.
Damit erweist sich die Festsetzung kraft Gesetzes entstandener rückständiger Rundfunkbeitragsforderungen durch den angegriffenen Bescheid (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV) als rechtmäßig.
Auch die vom Beklagten festgesetzten Säumniszuschläge sind nicht zu beanstanden. In § 11 Abs. 1 Satz 1 der Rundfunkbeitragssatzung ist festgelegt, dass ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig wird, wenn die geschuldeten Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Rundfunkbeitragssatzung wird der Säumniszuschlag zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Auf die Fälligkeit des Rundfunkbeitrags ist der Kläger ordnungsgemäß hingewiesen worden. Somit sind die Säumniszuschläge zu Recht erhoben worden.
Damit erweist sich die Klage gegen die Bescheide vom 1. Mai 2015, 4. März 2016 und 3. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2018 als unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und umfasst sämtliche außergerichtlichen Kosten, welche beiden Parteien entstanden sind, sowie die Gerichtskosten. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.