IT- und Medienrecht

Erforderliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer Hochschulprüfung

Aktenzeichen  M 3 K 16.2910

Datum:
12.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139865
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ASPO § 7 Abs. 4 S. 4
BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 3, Art. 80 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Anrechnung der an einer Partnerhochschule nicht angetretenen bzw. erfolglos abgelegten Prüfungsleistung bedarf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 2016 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 25. April 2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Streitgegenstand ist der Bescheid einer staatlich anerkannten Hochschule, die insbesondere im Bereich des Prüfungswesens als Beliehene hoheitlich tätig wird (vgl. Art. 76 ff. des Bayerischen Hochschulgesetzes – BayHSchG – vom 23. Mai 2006 [GVBl. 2006, S. 245], zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2017 [GVBl. S. 362]). Trägerin der Hochschule ist die „… …“ mit Sitz in … (vgl. Ziff. 3 des Anerkennungsbescheids vom 31. Juli 2014). Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München folgt aus dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2016 und ergibt sich im Übrigen aus § 52 Nr. 3 Satz 1 VwGO.
2. Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 2016 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 25. April 2016 ist rechtswidrig ist und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Beklagte hat im Bescheid vom 14. März 2016 zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin die Modulprüfung „Key Qualifications 3: Intercultural Management + Cultural Area Studies“ zum zweiten Mal wiederholt und nicht bestanden habe und daher infolge des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 80 BayHSchG zwingend zu exmatrikulieren sei. Denn die Beklagte durfte im Prüfungsverhältnis zur Klägerin keine Anrechnung der an der Partnerhochschule nicht angetretenen/ erfolglos abgelegten Prüfungsleistungen vornehmen, ohne hierfür über eine ausreichende gesetzliche Grundlage zu verfügen.
2.1 Die Bewertung von Leistungen in Berufszugangsprüfungen stellt einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 GG dar; dies gilt insbesondere für die Entscheidung über Bestehen und Nichtbestehen (vgl. BVerfG, B.v. 17.04.1991 – 1 BvR 419/81 – juris). Die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer Hochschulprüfung greift dabei in besonders schwerwiegender Weise in die Freiheit der Berufswahl ein, weil sie im Hoheitsgebiet des Landesgesetzgebers ein Immatrikulationshindernis für den entsprechenden Studiengang nach sich zieht (vgl. Art. 46 Nr. 3 BayHSchG); sie bewirkt damit im Ergebnis eine subjektive Beschränkung der Berufswahl (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70 – juris), der ein hohes Gewicht zukommt. Derartige Eingriffe sind nur aufgrund eines Gesetzes zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – juris).
2.2 Vorliegend wurde eine von der Klägerin an der Partnerhochschule im Kurs „Cross Cultural Management“ nicht angetretene Prüfung von der Hochschule als nicht bestandener Erstversuch des Pflichtmoduls „Key Qualifications 3“ gewertet. Über das bloße Nichtbestehen einer Prüfung hinaus, verringerte sich dadurch die der Klägerin nach § 7 Abs. 4 Satz 3 der Allgemeinen Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule vom 2. August 2011 (ASPO) zustehende Anzahl von maximal zwei Wiederholungsprüfungen. Die hierfür erforderliche gesetzliche Grundlage ist dem Gericht indes nicht ersichtlich:
2.2.1 Die Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Hochschulbereich gehört nach Art. 2 Abs. 4 BayHSchG allgemein zu den Aufgaben der Hochschulen, wobei das bayerische Hochschulrecht auch die Durchführung von Studiengängen in Kooperation mit einer ausländischen Hochschule zulässt (Art. 16 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BayHSchG). Dies gilt aufgrund des Verweises in Art. 77 Abs. 2, 2. HS BayHSchG ebenso für staatlich anerkannte, private Hochschulen. Entsprechende Regelungen für dieses Zusammenwirken sind nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG in der Regel durch Vereinbarungen der Hochschulen zu treffen. Durch eine derartige Vereinbarung kann geregelt werden, dass eine der beteiligten Hochschulen bestimmte Aufgaben für die beteiligten Hochschulen und deren Mitglieder erfüllt, insbesondere den übrigen beteiligten Hochschulen und deren Mitgliedern die Mitbenutzung ihrer Einrichtungen gestattet (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG). Führen Hochschulen einen Studiengang, mehrere Studiengänge oder sonstige Studienangebote gemeinsam durch, ist in der Vereinbarung festzulegen, welche der beteiligten Hochschulen die erforderliche Satzung mit Wirkung für und gegen alle beteiligten Hochschulen erlässt (Art. 16 Abs. 2 Satz 3 BayHSchG).
Unbeschadet des Umstands, dass derartige Vereinbarungen zwischen Hochschulen notwendigerweise das sachliche Fundament für die Zusammenarbeit mit ausländischen Hochschulen bilden, bedürfen ihre Regelungen – jedenfalls soweit sie das Prüfungsrechtsverhältnis berühren – einer Umsetzung in entsprechende Ordnungen der Hochschulen, wobei auch eine Verweisungsregelung in einer Prüfungsordnung auf materielle Prüfungsbestimmungen in Kooperationsvereinbarungen von Hochschulen nur in engen Grenzen möglich ist (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 6.10.2016 – 2 LB 5/16 – juris Rn.111 ff.). Nach Art. 61 Abs. 2 BayHSchG werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgenommen, welche die in Art. 61 Abs. 3 BayHSchG genannten Mindestanforderungen zu Prüfungen und Prüfungsverfahren regeln müssen. Auch die Regelung des Art. 16 Abs. 2 Satz 3 BayHSchG verdeutlicht, dass der Regelungsfähigkeit in Hochschulvereinbarungen klare Grenzen gesetzt sind und es im Falle gemeinsamer Studienangebote einer für alle beteiligten Hochschulen verbindlichen Satzungsregelung bedarf.
2.2.2 Die vorgelegten Studien- und Prüfungsordnungen der Hochschule enthalten keine unmittelbare Regelung zu der vorgenommenen (Negativ-)Anrechnung. In Bezug auf das Auslandsstudium regelt § 4 Abs. 6 der Studien – und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Medienmanagement der Hochschule vom 1. Oktober 2013 (PStO) lediglich, dass alle Studierenden des Studiengangs das dritte Fachsemester an einer der Partnerhochschulen im Ausland absolvieren (Satz 1) und dass der Besuch des Auslandssemesters für die Anmeldung zur Bachelorarbeit erforderlich ist (Satz 2). Daneben ist im Studienablaufplan zum streitgegenständlichen Modul „Key Qualifications 3“ – ebenso wie bei dem Modul „Media and Communication Project 1“ – in der 2. Spalte „3. Semester (abroad)“ vermerkt (Bl. 125 d. GA). § 13 Abs. 4 der allgemeinen Prüfungs- und Studienordnung der Hochschule vom 2. August 2011 (ASPO) enthält eine Regelung zur Umrechnung der Gesamtnoten im Rahmen der Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Hochschulen.
2.2.3 Auch § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester, ausgefertigt aufgrund des Beschlusses des Senats der Hochschule Macromedia für angewandte Wissenschaften (University of Applied Siences), vom 11. Juli 2014 sowie 19. Juni 2015 und des Einvernehmens des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 6. Februar 2015, Az. E 3-H646.0-11/128942/14, bzw. deren inhaltsgleiche Vorgängerregelung, auf den die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, stellt keine hinreichende Rechtsgrundlage dar.
Ungeachtet der Tatsache, dass eine von der Klägerin unterschriebene Einverständniserklärung von der Hochschule bislang nicht vorgelegt wurde, entspricht die Regelung nicht den Anforderungen des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatzes. Dieser verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften je nach Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck so zu fassen, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 1.12.2005 – 10 C 4.04 – juris m.w.N.). Prüfungsnormen müssen daher so klar und eindeutig formuliert sein, dass Studierende ihren Inhalt zweifelsfrei feststellen können.
Vorliegend bleibt bereits unklar, was unter einer „Anerkennung“ von erbrachten Prüfungsleistungen „auf äquivalente Prüfungen“ zu verstehen ist (dazu unter Ziff. 2.2.3.1). Darüber hinaus ist – ungeachtet der Frage, ob eine derartige Verweisung überhaupt zulässig wäre (vgl. dazu OVG Lüneburg, U.v. 6.10.2016 – 2 LB 5/16 – juris Rn.111 ff.) – in dem in Bezug genommenen „Learning Agreement“ von „äquivalenten Prüfungen“ keine Rede (dazu unter Ziff. 2.2.3.2).
2.2.3.1 Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach wird dem Wort „Anerkennung“ grundsätzlich eine positive Bedeutung beigemessen im Sinne einer „Bestätigung, Erklärung der Gültigkeit bzw. der Rechtmäßigkeit“ (vgl. Online-Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Anerkennung). Hinzukommt, dass lediglich von „erbrachten“ Prüfungsleistungen die Rede ist, was „nicht erbrachte“ Prüfungsleistungen nicht zwingend einschließt. Selbst unter Einbeziehung der Formulierungen des „Addendums“, in dem von einem „Nachholen“ bzw. einer „Kompensation“ nicht bestandener Kurse die Rede ist, ergibt sich aus § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester für die Studierenden damit nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass die Studierenden mit ihrer Unterschrift einer „Negativanrechnung“ von an der Partnerschule nicht erbrachten Prüfungsleistungen unter Reduzierung der Anzahl ihrer Prüfungsversuche und der weiteren Konsequenz zusätzlicher Äquivalenzleistungen zustimmen.
2.2.3.2 Darüber hinaus enthält die zwischen der Hochschule und der Partnerhochschule unter der Überschrift „Learning Agreement“ getroffene Vereinbarung als solche lediglich eine tabellarische Übersicht des Studienprogramms beider Hochschulen mit Informationen zu den von der Hochschule bzw. Partnerhochschule jeweils angebotenen Kursen unter Angabe zu ECTS und Semesterwochenstunden. Die tabellarische Gegenüberstellung der in den beiden Spalten nebeneinander abgedruckten Kurse lässt zwar auf eine inhaltliche Entsprechung der Kurse schließen, eine ausdrückliche Regelung diesbezüglich enthält das „Learning Agreement“ jedoch nicht. Eine solche Regelung findet sich erst in Ziff. 2 des „Addendums“, wobei mangels entsprechender Unterschriften/ Ausfertigungsvermerke nicht ersichtlich ist, ob auch das „Addendum“ mit der Partnerhochschule vereinbart wurde oder es sich hierbei – wovon wohl auszugehen ist – um eine eigene, von der Hochschule selbst erlassene Regelung handelt. Auf das „Addendum“ wird in § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester indes nicht ausdrücklich Bezug genommen.
Die Regelung des § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester genügt damit nicht den rechtstaatlichen Erfordernissen der Rechtsklarheit und – bestimmtheit.
2.2.4 Ebenso scheidet Art. 63 BayHSchG als Rechtsgrundlage aus, da sich auch diese Vorschrift auf eine (positive) Anrechnung von Kompetenzen bezieht und einen entsprechenden Anrechnungsantrag des/der Studierenden voraussetzt. Über das Antragserfordernis kann sich weder das Landesrecht noch die Hochschule hinwegsetzen (vgl. etwa Karpen in Geis [Hrsg.], Hochschulrecht in Bund und Ländern, Band 1, Stand Nov. 2017, § 20 HRG, Rn. 37). Ob ein solcher (positiver) Anrechnungsantrag i.S.d. Art. 63 BayHSchG auch in einer Zustimmungserklärung nach § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester liegen könnte, kann dahinstehen. Denn nach den obigen Ausführungen lässt sich hieraus jedenfalls keine (Negativ-)Anrech-nung ableiten.
Insgesamt fehlt es für die vorgenommene (Negativ-)Anrechnung zu Lasten der Klägerin damit an einer hinreichend klaren normativen Regelung. Da der Bescheid damit bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben ist, kann dahinstehen, ob die Hochschule noch eine von der Klägerin unterschriebene Einverständniserklärung i.S.d. § 9 der Ordnung zum Pflichtauslandssemester nachreichen könnte. Ebenso kommt es nicht entscheidungserheblich auf die Frage der vorgenommenen Bewertung und die abweichende Formulierung des Anmeldeformulars (Nennung einer sog. „Students’-Initiative-Leistung“) in Bezug auf die zu erbringenden Äquivalenzleistungen an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

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