IT- und Medienrecht

Erinnerung gegen Dokumentenpauschale wegen unrichtiger Sachbehandlung – Akteneinsicht

Aktenzeichen  W 3 M 15.1176

Datum:
27.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1, § 28 Abs. 1 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 100 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Eine unrichtige Behandlung der Sache (§ 21 Abs. 1 S. 1 GKG) liegt nur vor, wenn das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und der Verstoß offen zu Tage tritt. Nur ein offensichtlicher schwerer Verfahrensfehler ist ausreichend. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Akteneinsicht ist grundsätzlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts zu nehmen. Die Einsichtnahme bei Gericht ist die Regel, die Versendung die Ausnahme. Werden vom Gericht Kosten für beantragte Kopien geltend gemacht, kann dem deshalb keine unrichtige Sachbehandlung entgegen gehalten werden, weil das Gericht eine Aktenübersendung in die Kanzleiräume abgelehnt hat. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Am 28. August 2015 ließ der Kläger und Erinnerungsführer durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten erheben und Akteneinsicht beantragen „möglichst durch Übersendung der kompletten Akte einschließlich des zu Grunde liegenden Satzungsrechts mit entsprechenden Normaufstellungsunterlagen, möglichst durch Übersendung in unsere Kanzleiräume nach § 100 VwGO“. Dies wurde damit begründet, allein schon aufgrund der Entfernung sei eine Akteneinsicht vor Ort nicht zumutbar.
Am 14. Oktober 2015 verfügte der zuständige Berichterstatter die Gewährung von Akteneinsicht durch Versenden der Akten an das Amtsgericht Weißenburg mit der Bitte, dort dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers in den Amtsräumen Akteneinsicht zu gewähren, die Akten jedoch nicht aus den Amtsräumen herauszugeben.
Das Amtsgericht Weißenburg informierte den Bevollmächtigten des Erinnerungsführers über den Eingang der Akten, woraufhin der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers am 29. Oktober 2015 in der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Weißenburg Akteneinsicht nahm.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 sandte das Amtsgericht Weißenburg die Akten an das Verwaltungsgericht Würzburg zurück mit der Bitte des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers um Fertigung von Kopien gemäß der in Anlage I aufgeführten Blattseiten.
Auf dieser Grundlage fertigte das Verwaltungsgericht Würzburg insgesamt 81 Kopien der in Anlage I angegebenen Seiten der Akten, leitete sie dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers zu und legte eine Kostenrechnung vom 9. November 2014 über 29,65 EUR, gestützt auf § 28 Abs. 1 GKG, KV 9000, bei.
Am 12. November 2015 erhob der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers Erinnerung zum Verwaltungsgericht Würzburg gegen den Kostenansatz für die Kopierkosten und begründete dies damit, auf der Grundlage des Antrages auf Akteneinsicht könne nach § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO dem Bevollmächtigten gestattet werden, die Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume mitzunehmen. Von dieser Ermächtigung habe das Gericht keinen Gebrauch gemacht, eine Ermessensausübung sei nicht erkennbar. Stattdessen sei sachfremd und willkürlich entschieden worden, die Akte an das Amtsgericht Weißenburg zu versenden. Dafür gebe es keine sachliche Rechtfertigung, insbesondere da hier Fachanwälte in Mitten stünden und erkennbar keine Zweifel an der Integrität des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers bestünden. Die Akten hätten an die Kanzleiräume des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers versandt werden können. In diesem Fall hätten die entsprechenden Ablichtungen dort gefertigt werden können. Daher sei die Sachbehandlung durch das Gericht willkürlich und sachfremd, so dass Gebühren nicht zu entrichten seien.
Mit Schreiben vom 16. November 2015 half die Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Einzelrichter zur Entscheidung vor mit der Begründung, der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers habe um die Fertigung von Kopien gebeten, diesem Wunsch sei das Verwaltungsgericht Würzburg nachgekommen. Wer die Erteilung von Kopien beantragt habe, schulde gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG die Dokumentenpauschale.
Hierzu äußerte sich der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers dahingehend, nach § 21 GKG würden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden. Es sei davon auszugehen, dass das Ermessen des Gerichts hinsichtlich der Gewährung von Akteneinsicht in den Kanzleiräumen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden sei.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen des Erinnerungsführers sowie den Inhalt der Gerichtsakte W 3 M 15.1167 und W 3 K 15.804 (neu: W 3 K 16.935) Bezug genommen.
II.
Nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG entscheidet über die Erinnerung das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG gegen den Kostenansatz durch Kostenrechnung statthafte Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 GKG werden für Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Kosten (Gebühren und Auslagen) nach diesem Gesetz erhoben.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG werden die Kosten des ersten Rechtszuges bei dem Gericht, bei dem das Verfahren im ersten Rechtszug anhängig ist oder zuletzt anhängig war, angesetzt. Nach § 19 Abs. 4 GKG werden die Dokumentenpauschale sowie die Auslagen für die Versendung von Akten bei der Stelle angesetzt, bei der sie entstanden sind.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG schuldet die Dokumentenpauschale, wer die Erteilung der Ausfertigungen, Kopien oder Ausdrucke beantragt hat.
Gemäß Nr. 9000 Ziffer 1. des Kostenverzeichnisses (KV) zum Gerichtskostengesetz beträgt die Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Kopien, die auf Antrag angefertigt worden sind, für die ersten 50 Seiten je Seite 0,50 EUR und für jede weitere Seite 0,15 EUR.
Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist die Kostenrechnung des Gerichts vom 9. November 2015 über 29,65 EUR für die Fertigung von 81 Kopien zu Recht erfolgt. Der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers hat die Fertigung dieser Kopien beantragt, so dass ihm gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG die Erteilung dieser Kopien in Rechnung zu stellen ist.
Der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers kann sich auch nicht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG berufen. Hiernach werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Eine unrichtige Behandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, soweit das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und soweit der Verstoß auch offen zu Tage tritt. Es liegt also keineswegs schon stets deshalb eine Unrichtigkeit vor, weil das Gericht irgendeinen Verfahrensfehler begangen hat. Vielmehr ist eine Differenzierung erforderlich: Nur ein offensichtlicher schwerer Verfahrensfehler kann ausreichen, auf keinen Fall aber eine abweichende Beurteilung einer Rechtsfrage (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016 § 21 GKG Rn. 8 – 10 m.w.N.).
Im vorliegenden Falle liegt keine unrichtige Behandlung in diesem Sinne vor; vielmehr hat das Gericht die Akteneinsicht sachgerecht gewährt.
Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 VwGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Nach § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO kann nach dem Ermessen des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters (§ 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO) der nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 6 bevollmächtigten Person die Mitnahme der Akte in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden.
Wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO ergibt, ist die Akteneinsicht grundsätzlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, zu nehmen (Lang in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 30; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 100 Rn. 9). Ein Rechtsanspruch darauf, gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Akte in die Kanzleiräume mitzunehmen, besteht für einen Bevollmächtigten einer Partei nicht. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ist die Einsichtnahme bei Gericht die Regel, die Versendung die Ausnahme (Geiger, a.a.O., § 100 Rn. 12). Im Übrigen ist Ausgangspunkt für die zu treffende Ermessensentscheidung, dass bei der Herausgabe der Akten eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung geboten ist. Zu bedenken ist dabei ein möglicher Verlust der Akten auf dem Postweg sowie die Gefahr, dass Seiten vertauscht und so Sinnzusammenhänge verfälscht werden können. Außerdem unterstehen die vorgelegten Akten nicht der Verfügungsgewalt des Gerichts, sondern sind von diesem nach Abschluss des Verfahrens zurückzugeben. Diese Erwägungen rechtfertigen es in der Regel, die Herausgabe von Akten zu verweigern (vgl. Geiger, a.a.O., § 100 Rn. 12). Etwas anderes gilt dann, wenn die Akteneinsicht in den Räumen des Gerichts unzumutbar ist, etwa wenn der Bevollmächtigte zum Zweck der Akteneinsicht eine weite Anreise vornehmen müsste. In diesem Fall ist eine Aktenversendung ggf. an ein nahe am Geschäftssitz liegendes Gericht in der Regel vorzunehmen (Geiger, a.a.O.). Wegen der deutlich geringeren Gefahr für die Akten ist von der Möglichkeit der Versendung zur Akteneinsicht an ein anderes Gericht großzügiger Gebrauch zu machen als von einer Herausgabe in die Wohnung oder in die Geschäftsräume (Geiger, a.a.O., § 100 Rn. 15).
Auf dieser Grundlage ist es nicht fehlerhaft, dass die Akten nicht an die Geschäftsräume des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers, sondern an das Amtsgericht Weißenburg versandt worden sind. Dies gilt schon deswegen, weil der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers Akteneinsicht „möglichst“ durch Übersendung der kompletten Akte, „möglichst durch Übersendung in unsere Kanzleiräume nach § 100 VwGO“ beantragt hat. Dieser Antrag impliziert, dass der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers auch eine andere Art der Akteneinsicht akzeptiert. Der Vorsitzende der 3. Kammer macht von der Möglichkeit, die Verwaltungsakten im Original in die Kanzleiräume herauszugeben, regelmäßig nur sehr zurückhaltend Gebrauch, insbesondere deshalb, weil bei der Fertigung von Kopien außerhalb des Gerichts nicht auszuschließen ist, dass die Verwaltungsakte „auseinandergenommen wird“ und anschließend nicht mehr in der richtigen Reihenfolge oder unvollständig zusammengesetzt wird. Diese Gefahr kann ausgeschlossen werden, wenn die Kopien durch die Geschäftsstelle des Gerichts erfolgen. So hat der Kammervorsitzende auch im vorliegenden Fall entschieden, zumal eine „Mitnahme“ der Akten ohne Versendung nach § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO aufgrund der weiten Entfernung ohnehin nicht zumutbar gewesen wäre.
Ist der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers mit diesem Vorgehen aber nicht einverstanden, hätte er zumindest um Mitnahme der an das Amtsgericht Weißenburg versandten Akten in seine Geschäftsräume bitten und dies individuell begründen können. Stattdessen hat er die Akte in den Gerichtsräumen eingesehen und die Fertigung von Kopien beantragt, ohne auf die Kostenproblematik hinzuweisen. Im Übrigen wäre auch eine fotographische Ablichtung der Akten durch den Bevollmächtigten des Erinnerungsführers im Amtsgericht Weißenburg in Betracht gekommen; hierauf hätte das Gericht bei entsprechender Kontaktaufnahme hingewiesen.
Auf dieser Grundlage kann von einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht die Rede sein.
Damit ist die Erinnerung zurückzuweisen. Das Erinnerungsverfahren ist gemäß § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gebührenfrei, Kosten werden gemäß § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht erstattet.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben