IT- und Medienrecht

Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis für eine Jugendhilfeeinrichtung

Aktenzeichen  M 18 K 17.4848

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23859
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 45

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig.
Der Kläger hat das streitgegenständliche Begehren – die Erteilung einer vorläufigen Betriebserlaubnis – bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren M 18 E 17.315 geltend gemacht. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2017 (12 CE …*) wurde dem Antrag im Beschwerdeverfahren stattgegeben und der Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 26. September 2017 eine vorläufige Betriebserlaubnis erteilt.
Der mit vorliegender Klage geltend gemachte Einwand, dass der im Eilverfahren ergangene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Beklagten mangelhaft umgesetzt worden sei, wäre im Rahmen eines Vollstreckungsverfahren geltend zu machen gewesen.
Die Vollstreckung der sofort vollziehbaren einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erfolgt im Falle der Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 172 VwGO (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 82). Unter Beachtung der Vollzugsfrist des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO kann danach die Androhung von Zwangsgeld beantragt werden, wenn die Behörde der ihr im Titel auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt bzw. die Verpflichtung nur unzureichend erfüllt (vgl. Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 172 Rn. 33 f.; Happ/Kraft in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 82, § 172 Rn. 12).
Bereits vor Erteilung der vorläufigen Betriebserlaubnis durch den Beklagten mit Bescheid vom 26. September 2017 ist die einstweilige Anordnung nach Ablauf der einmonatigen Vollzugsfrist gegenstandslos geworden (vgl. OVG Münster, B.v. 24.8.2018 – 9 E 623/18 – juris Rn. 7). Der Antragsteller hätte – ggf. nach Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Änderungs- oder Beschwerdeverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO analog – beim Gericht der Hauptsache erneut den Erlass der einstweiligen Anordnung beantragen können (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 123 Rn. 84). Hingegen ist es systemwidrig, die Umsetzung einer (im Übrigen aufgrund Zeitablaufs bereits gegenstandslos gewordenen) einstweiligen Anordnung in einem Hauptsacheverfahren erzwingen zu wollen. Vorläufige Regelungen sind vielmehr ausschließlich dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorbehalten.
Überdies bestehen erhebliche Zweifel, ob der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 26. September 2017 tatsächlich – wie vom Antragsteller behauptet – die einstweilige Anordnung vom 24. Juli 2017 nur unvollständig umgesetzt hat.
Nach Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt der Aufnahme bestimmter inhaltlicher Parameter in die Betriebserlaubnis, wie beispielsweise zum Umfang des von der Einrichtung vorzuhaltenden Fachpersonals, die Funktion der Festlegung von Mindestvoraussetzungen bzw. Mindeststandards zu. Sie kennzeichnen stets die untere Grenze beispielsweise der Personalausstattung, bei der das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung noch gewährleistet ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2017 – 12 ZB 17.1508 – juris Rn. 27 unter Verweis auf B.v. 19.8.2016 – 12 CE 16.1172 – juris Rn. 34 m.w.N.). So heißt es in der streitgegenständlichen vorläufigen Betriebserlaubnis vom 26. September 2017 dementsprechend in den Gründen unter Punkt 3.2., dass pro Gruppe mindestens 2,41 Planstellen in den heilpädagogischen Wohngruppen und 2,56 Planstellen in den therapeutischen Wohngruppen zu besetzen sind. Diese Festsetzungen des personellen Mindeststandards führen in der Konsequenz jedoch nicht zur Pflicht des Klägers, die Einrichtung auch mit eben diesem Personalschlüssel zu betreiben. Ein Betrieb der Einrichtung gemäß der Konzeption vom 18. August 2016 mit entsprechender Personalausstattung ist damit mit der erteilten vorläufigen Betriebserlaubnis – zumindest theoretisch – möglich. Eine weitergehende Klärung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist hingegen von dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auf eine vorläufige Regelung nicht gedeckt (vgl. BayVGH, 19.8.2016 – 12 CE 16.1172 – juris Rn. 31, 43). Die einstweilige Anordnung zielt auf die vorläufige Abwehr unmittelbar drohender schwerwiegender Nachteile und bewirkt dabei eine abschließende und endgültige Regelung eines vorläufigen Zustandes (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 168). Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes soll dafür sorgen, dass der Träger seine Einrichtung vorerst schon einmal in Betrieb nehmen darf. Für eine abschließende Klärung des anzusetzenden personellen Mindeststandards in der Betriebserlaubnis steht allein das Hauptsacheverfahren in Form der Feststellungsklage zur Verfügung (BayVGH, B. 19.8.2016 – 12 CE 16.1172 – juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 4.10.2017 – 12 ZB 17.1508 – juris Rn. 37).
Unabhängig davon dürfte jedoch der Hinweis des Beklagten in der vorläufigen Betriebserlaubnis, das Kindeswohl in der Einrichtung sei nicht gewährleistet, rechtsstaatlichen Erfordernissen widersprechen. Zweifel der Genehmigungsbehörde an der Rechtmäßigkeit einer rechtskräftigen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz sind abschließend im Hauptsacheverfahren geltend zu machen.
Eine Umstellung der Klage hin zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage oder einer Feststellungsklage hätte vorliegend, ohne dass es darauf mangels ausgesprochener Klageänderung ankommen würde, ebenfalls nicht zum Erfolg geführt.
Ein von der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß – oder auch analog – § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vorausgesetztes erledigendes Ereignis ist vorliegend nicht zu erkennen. Insbesondere wurde zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine Entscheidung in der „Hauptsache“ – im Parallelverfahren M 18 K … zur Erteilung der regulären Betriebserlaubnis – getroffen, die die vorläufige Betriebserlaubnis obsolet gemacht hätte.
Auch eine Feststellungsklage bezüglich der Feststellung eines über dem in der vorläufigen Betriebserlaubnis vom 26. September 2017 festgelegten personellen Mindeststandards wäre vorliegend unzulässig gewesen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs anerkannt, dass im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO – und nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage – die Möglichkeit besteht, die „Festschreibung“ eines bestimmten Mindeststandards überprüfen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2017 – 12 ZB 17.1508 – juris Rn. 37; B.v. 19.8.2016 – 12 CE 16.1172 – juris Rn. 48). Dies gilt jedoch nicht im Zusammenhang mit einer vorläufigen Erlaubnis (s.o.), sondern lediglich in Bezug auf eine endgültige Erlaubnis.
Im Übrigen ist der Kläger entgegen seiner im Schriftsatz vom 15. März 2021 geäußerten Auffassung auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Wie bereits ausgeführt, erlaubt die vorläufige Betriebserlaubnis dem Kläger, die Einrichtung gemäß der vorgelegten Konzeption mit einem von ihm als maßgeblich erachteten höheren Personalschlüssel zu betreiben. Für die Geltendmachung etwaiger finanzieller Schäden steht dem Kläger daneben die Möglichkeit eines Amtshaftungsverfahren nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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