IT- und Medienrecht

Fahrzeug, Ermessen, Berufung, Anspruch, Halter, Nebenforderung, Zulassung, Entfernung, Verfahren, Klage, Parkplatz, Schuldnerverzug, Auftragnehmer, Vermieter, billigem Ermessen, Zulassung der Berufung, ohne Auftrag

Aktenzeichen  171 C 2212/19

Datum:
18.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 61323
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 293,00 € bestimmt.

Gründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klägerin betreibt gewerblich ein Abschleppunternehmen. Die Frau A. G. (Zedentin) wohnt in dem Anwesen H. straße 11 in P. bei M.. Dem Anwesen zugeordnet sind Privatparkplätze, die mit entsprechenden Nummern versehen sind. Weiterhin ist der Parkplatz mit einer Beschilderung versehen, die auf ein Privatgrundstück und auf den Umstand, daß unberechtigt abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt würden, hinweist. Die Zedentin ist die Mieterin eines dieser privaten Abstellplätze. In welchem konkreten Zustand sich dieses Schild zum Vorfallszeitpunkt befand und insbesondere ob es wahrnehmbar war oder nicht, ist zwischen den Parteien umstritten. Die beklagte Partei behauptet insoweit, das Schild sei so verbogen gewesen, daß man die Aufschrift nicht mehr habe wahrnehmen können. Die Klagepartei bestreitet dies. Ob und auf welche Weise die Zedentin den Parkplatz zum Vorfallszeitpunkt-habe nutzen wollen, ist zwischen den Parteien umstritten. Die beklagte Partei behauptet, die Zedentin habe den Parkplatz an diesem Abend gar nicht benötigt; sie sei zu Hause gewesen und der PKW sei nicht auf dem Stellplatz geparkt gewesen. Die Klagepartei behauptet, die Zedentin habe selbstverständlich den Parkplatz nutzen wollen und habe dies nach Abschluss des Abschleppvorgangs auch wieder getan. Sie sei im Besitze eines PKW gewesen.
Der Beklagte ist Halter des Fahrzeugs des Herstellers Fiat vom Typ 500 mit dem amtlichen Kennz … . In den Abendstunden des 29.05.2018 wurde sein Fahrzeug auf dem der Zedentin zugewiesenen Parkplatz abgestellt. Gegen 21:45 Uhr fiel dieser Umstand der Zedentin auf. Diese beauftragte schriftlich die Klägerin mit der Entfernung des Fahrzeugs. Wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Auftrag vom 29.05.2018 (Anlage K2) verwiesen. Unter Ziffer 3. ist geregelt, daß der Auftraggeber an den Auftragnehmer seinen Anspruch auf Kostenersatz gegenüber dem Besitzstörer abtrete. Die Klägerin nahm den Auftrag entgegen und entsandte ein Abschleppfahrzeug zu der Anschrift der Zedentin. Bei Eintreffen des Abschleppers war das Fahrzeug des Beklagten nicht mehr vorhanden.
Für ihre Leistungen stellte die Klägerin dem Beklagten mit Rechnung vom 07.06.2018 den Betrag von 293,90 Euro in Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K3 verwiesen. Der Beklagte beglich diese Rechnung nicht. Mit Schreiben vom 05.07.2018 (Anlage K5) mahnte die Klägerin die Zahlung an und verlangte Ausgleich der Rechnung bis zum 16.07.2018.
Die Klagepartei argumentiert, daß die Zedentin einen Anspruch gegen den Beklagten auf Kostenersatz habe. Dieser Anspruch lasse sich zum einen auf §§ 823 Abs. 2, 858, 859 BGB stützen. § 859 BGB gebe der Besitzerin ein Selbsthilferecht, ohne daß es der Prüfung des Bedarfs oder eines konkreten Nutzungswillens bedürfe. Zum anderen entspreche die Entfernung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs auch dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeugshalters. Die Zedentin habe daher auch einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Beklagten aus § 683 BGB.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 293,90 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 05.07.2018 sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 45,95 Euro an sie zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt
die Abweisung der Klage.
Die von der Zedentin ergriffene Maßnahme sei wirtschaftlich nicht vernünftig gewesen. Da sie den Parkplatz gar nicht habe nutzen wollen, hätte sie jedenfalls bis zum nächsten Morgen warten können und sollen.
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
Zunächst hat das Gericht im Rahmen der Verfügung vom den folgenden rechtlichen Hinweis gegeben:
„Das Gericht darf den Parteien zu deren besseren Orientierung seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage darlegen:
Das Gericht tendiert dazu, von einer rechtlichen Verantwortlichkeit des Beklagten dem Grunde nach auszugehen. Die Klagepartei verweist zutreffend darauf, daß – ungeachtet der Beschilderung – bereits die mit Sicherheit wahrnehmbaren Umstände, nämlich nummerierte Parkplätze vor einem Wohnhaus in einem Wohngebiet, deutlich darauf hingewiesen haben, daß es sich nicht um öffentlich verfügbaren Parkraum handelte. Das von der beklagten Partei vorgelegte Bildmaterial lässt zudem erkennen, daß die Beschilderung grundsätzlich wahrnehmbar, wenn auch aufgrund der Verbiegung mit Schwierigkeiten.
Ob die geltend gemachte Hauptforderung in der Höhe begründet ist, das kann der zuständige Richter mangels ausreichender Sachkenntnis nicht abschließend beurteilen. Insoweit wird schlußendlich ein Sachverständigengutachten erforderlich werden.
Das Gericht hat allerdings über den Anbieter „g. m.“ die ungefähre Fahrtzeit zwischen dem Geschäftssitz der Klägerin und dem streitgegenständlichen Parkplatz ermittelt. Diese wird bei üblicher Verkehrslage mit 10 Minuten berechnet.
Zur Nebenforderung: Die tatsächlichen Anknüpfungstatsachen, die einen Schuldnerverzug auf Seiten des Beklagten begründen können, sind weder ausreichend dargelegt noch anderweitig ersichtlich.
Zur Vermeidung einer umfangreichen und kostenintensiven Beweisaufnahme, insbesondere durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, unterbreitet das Gericht den folgenden konkreten Vergleichsvorschlag: (…)“.
Im Rahmen der Verfügung vom 20.05.2019 hat das Gericht den folgenden Hinweis erteilt:
„Das Gericht darf den Parteien zu deren besseren Orientierung seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage darlegen:
Das Gericht tendiert nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage dazu, sich der Sichtweise der beklagten Partei anzuschließen und die Klage als unbegründet anzusehen.
Das Gericht geht zwar weiterhin davon aus, daß – wie bereits in dem rechtlichen Hinweis aus der Verfügung vom 09.04.2019 ausgeführt – der Beklagte vorliegend einen Rechtsverstoß zu vertreten hat. Das führt aber nicht zwingend dazu, daß der Beklagte auch für die hier von der Zedentin in Auftrag gegebene Maßnahme haften muss.
Nach dem Sachvortrag der Klagepartei ist die Zedentin die Mieterin des streitgegenständlichen Parkplatzes und gerade nicht die Eigentümerin. Sie hat daher gerade kein absolutes Recht an dem Objekt, sondern einen von dem Eigentümer abgeleitetes und maßgeblich dem Vertragspartner gegenüber wirksamen Anspruch auf den Gebrauch der Sache (vgl. § 535 BGB).
Die beklagte Partei hat insoweit – bereits im Schriftsatz vom 28.02.2019 – vorgetragen, daß die Zedentin den Parkplatz zu der fraglichen Zeit gar nicht benötigt habe. Diesem Sachvortrag ist die Klagepartei nicht entgegengetreten. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, daß und auf welche konkrete Weise die Zedentin zur fraglichen Zeit von dem Parkplatz habe Gebrauch machen wollen.
Vor diesem Hintergrund erachtet das Gericht den Einwand der beklagten Partei, die Zedentin habe vor Beauftragung eines Abschleppunternehmens warten müssen, da sie von dem Parkplatz ja keinen Gebrauch machen habe wollen, für überzeugend. Diese Frage mag anders zu beurteilen sein, wenn es sich bei der Zedentin um die Eigentümerin gehandelt hätte. Aber darüber muss das Gericht vorliegend nicht entscheiden.
Welche Leistungen die Klägerin gegenüber der Zedentin als ihrer Auftraggeberin in Rechnung stellen kann, diese Frage muss das Gericht ebenfalls nicht beantworten. Insofern gilt der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse.
Das Gericht kann daher den Parteien, insbesondere der Klagepartei, ein weiteres Mal nur empfehlen, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 09.04.2019 zu akzeptieren.
Auf Antrag wird das Gericht ggf. trotz des geringen Streitwertes das Rechtsmittel der Berufung zulassen, da es sich vorliegend um eine Grundsatzfrage handelt, inwiefern die Rechtsstellung eines Mieters und eines Eigentümers differenziert zu bewerten sind.“
Das Gericht ist weiterhin von der inhaltlichen Zutreffenheit seines Hinweises überzeugt und hält an diesem fest. Daran können auch die Ausführungen der Klagepartei aus dem Schriftsatz vom 23.05.2019 nichts ändern. Die Klagepartei verweist auf die beiden Urteile des BGH vom 04.07.2014 (V ZR 229/13) und vom 11.03.2016 (V ZR 102/15). Der zuständige Richter hat beide Entscheidungen entsprechend analysiert. Die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich in einem zentralen Punkt von dem hiesigen Sachverhalt. Bei den Fällen, die der BGH zu beurteilen hatte, ging es um Kundenparkplätze eines Supermarktes und eines Fitnessstudios zu Geschäftszeiten. In diesen Konstellationen muss selbstverständlich von einem Nutzungswillen des Berechtigten ausgegangen werden, da es sich um Parkplätze handelt, die ein Gewerbetreibender seinen (potenziellen) Kunden zur Verfügung stellep will.
Vorliegend ist das Gericht aber nicht überzeugt davon, daß die Zedentin den Stellplatz tatsächlich konkret nutzen wollte. Der Sachvortrag der Klagepartei ist schlußendlich derart substanzarm und unsubstantiiert, daß er als prozessual unbeachtlich einzustufen ist. Die gesamte Genese des Verfahrens spricht gegen einen konkreten Nutzungswillen der Zedentin. In der Anspruchsbegründung vom 21.02.2019 steht geschrieben: „Die Parkplatzberechtigte (…) bemerkte dies abends um circa 21:45 Uhr und beauftragte die Klägerin das Fahrzeug zu entfernen.“ Hätte die Zedentin den Parkplatz tatsächlich nutzen wollen, dann sähe der Sachvortrag wahrscheinlich etwas anders aus, eher in der Art: „Als die Zedentin mit ihrem KFZ nach Hause kam und parken wollte, bemerkte sie (…).“ Das Gericht räumt gerne ein, daß es sich zunächst nur um ein schwaches Indiz handelt. Mit Schriftsatz vom 28.02.2019 hat die beklagte Partei dann aber ganz konkret vorgetragen, daß die Zedentin den Parkplatz gar nicht habe nutzen wollen. Mit Schriftsat vom 11.03.2019 entgegnete die Klagepartei lediglich, daß die Zedentin den Parkplatz angemietet habe und daher berechtigt sei. Ein konkreter Nutzungswille wird nicht erwähnt. Erst auf den Hinweis des Gerichts vom 20.05.2019 hin behauptet die Klagepartei nun pauschal und substanzarm, daß die Zedentin „selbstverständlich“ den Parkplatz habe nutzen wollen. Das Gericht kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluß, daß die Klagepartei ihrer Behauptungslast nicht gerecht geworden ist. Das Gericht geht daher davon aus, daß die Zedentin den Parkplatz nicht konkret zum Vorfallszeitpunkt nutzen wollte.
Wie bereits ausgeführt ist die Zedentin lediglich Mieterin des Abstellplatzes. Sie verfügt gegenüber dem Vermieter über das Recht, den Gegenstand entsprechend zu nutzen. Mangels Nutzungswillen zum Vorfallszeitpunkt erachtet das Gericht das Vorgehen der Zedentin als wirtschaftlich unvernünftig und unverhältnismäßig. Eine Entfernung des Fahrzeugs des Beklagten war daher zum konkreten Zeitpunkt auf Veranlassung der Zedentin hin nicht gerechtfertigt.
Entsprechend kann auch die Klägerin nicht erfolgreich aus abgeleitetem Recht gegen den Beklagten vorgehen. Das bedeutet aber nicht, daß der Zedentin keine Ansprüche gegenüber dem Beklagten zustehen. Ansprüche sind durchaus gegeben, nämlich solche wegen Ungerechtfertigter Bereicherung in Form einer Eingriffskondiktion. Der Beklagte hat in die Rechtsposition der Zedentin eingegriffen und schuldet nach § 818 Abs. 2 BGB entsprechend Nutzungsersatz. Dieser Anspruch richtet sich aber nicht auf den Kostenersatz für eine fehlgeschlagene Entfernung des Fahrzeugs, sondern vielmehr auf Zahlung eines angemessenen Mietzinses für die Nutzung der der Zedentin zugewiesenen Parkfläche. Dieser Anspruch ist indessen nicht geltend gemacht.
Die geltend gemachten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung und waren ebenfalls abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Der Streitwert wird auf Grundlage von § 3 ZPO festgesetzt.
Die Zulassung der Berufung erfolgte gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben