IT- und Medienrecht

Fax-Sendebericht stellt allein keinen (Anscheins-)Beweis für den Zugang eines Schriftstücks dar – Indiz für den Zugang

Aktenzeichen  S 11 AS 1200/17

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145953
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 88 Abs. 1 u. Abs. 2

 

Leitsatz

Ein Fax Sendebericht begründet eine sekundäre Darlegungslast des Empfängers, der den Zugang des Fax bestreitet. (Rn. 21)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch (Aktenzeichen des Bevollmächtigten:) der Kläger vom 7. Juli 2017 gegen den Bescheid vom 20. Juni 2017 zu entscheiden und bis 31. Januar 2018 dem Bevollmächtigten der Klägerin die Entscheidung hierüber bekannt zu geben.
II. Der Beklagte erstattet den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist die Untätigkeit des Beklagten auf den Widerspruch der Kläger vom 07.07.2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.06.2017.
1. Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn über einen Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden worden ist. Die Kammer ist nach Würdigung des Ergebnisses der Hauptverhandlung und des Akteninhalts überzeugt davon, dass entgegen des Vortrags des Beklagten eine Untätigkeit vorliegt und die Sperrfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen ist.
Eine behördliche Entscheidung durch Bescheid über den vom Klägerbevollmächtigten behaupteten Widerspruch vom 07.07.2017 gegen den Bescheid vom 20.06.2017 liegt unstreitig nicht vor. Eine Weigerung, über einen Antrag oder einen Widerspruch zu entscheiden – wie hier – ist keine sachliche Entscheidung (BSGE 72, 118, 120; 75, 262, 267; Kopp/Schenke § 75 Rn. 6; vgl. aber zum Untätigkeitseinspruch gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 AO: BFH 3.8.05, I R 74/02, BFH/NV 06, 19, und hierzu BVerfG 16.01.2007, 1 BvR 2412/05, HFR 07, 1023).
Ausgehend von einem Zugang des Faxes des Bevollmächtigten am 07.07.2017 beim Beklagten ist die Sperrfrist am 07.10.2017 (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG) abgelaufen. Sofern eine Anwendbarkeit des § 64 Abs. 3 SGG im Zusammenhang mit dem Ablauf der Sperrfrist bei der Untätigkeitsklage bejaht würde, erfolgte der Fristablauf am 09.10.2017 um 24.00 Uhr. Diese Frage kann vorliegend offen bleiben, da die Untätigkeitsklage erst am 17.10.2017 erhoben wurde, zu diesem Zeitpunkt war die Sperrfrist auf jeden Fall abgelaufen.
Streitig ist vorliegend in erster Linie, ob und wann der Widerspruch des Bevollmächtigten dem Beklagten zugegangen ist.
Ausweislich des Sendeberichts des Bevollmächtigten vom 07.07.2017 zufolge wurde das Fax von dem Anschluss mit der Nummer 0821/54396692 um 18.27 Uhr an die Nummer 24135220 gesendet, die Übertragung der zwei Seiten dauerte 54 Sekunden, der Sendebericht ist mit einem „OK“ Vermerk versehen.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG) bzw. der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen ist sich das Gericht darüber im Klaren, dass ein Sendebericht allein keinen (Anscheins-)Beweis für den Zugang eines Schriftstücks darstellt und somit allenfalls ein Indiz für den Zugang ist. Mit Vorlage des Sendeberichts allein genügt der Bevollmächtigte seiner Beweislast daher nicht. Maßgeblich ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Speicherung der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät des Empfängers (in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 07.12.1994, VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665, Juris Rn. 22; BGHZ 167, 214 ff.).
Andererseits belegt der Sendebericht mit „OK“ Vermerk die Herstellung einer Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät (BGH, Urteil vom 06.07.2017, IX ZB 73/16, Rn. 11, OLG Koblenz, Beschluss vom 04.07.2013, Az. 3 W 298/13). In der zivilgerichtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung resultiert aus der Vorlage eines Sendeberichts des Absenders mit einem „OK“ Vermerk eine sog. sekundäre Darlegungslast des Empfängers (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.), d.h. der Empfänger hat insbesondere das Fax-Empfangsjournal vorzulegen, um darzulegen, dass er entweder zu diesem Zeitpunkt kein Telefax oder ggf. ein Schreiben mit anderem Inhalt von dem Sender des Fax-Schreibens erhalten hat (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.). In diesem Zusammenhang darf auch auf den Beschluss des BayLSG, Beschluss vom 17.02.2017 – L 16 AS 859/16 B ER -, Rn. 23, verwiesen werden, wo es heißt:
„b) Zwar erbringt ein Faxsendeprotokoll nicht bereits den vollen Beweis für den Zugang des Beschlusses, für den es nicht auf den Ausdruck des Faxes, sondern allein auf den vollständigen Empfang (d.h. die Speicherung) der gesendeten technischen Signale im Telefaxgerät ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.2006, IV ZB 20/05). Ein Sendebericht über eine ordnungsgemäß abgelaufene Übertragung indiziert aber jedenfalls einen Zugang beim empfangenden Faxgerät. Bei einem Faxsendebericht, der eine vollständige Übertragung bestätigt, kann generell davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Geräts angekommen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008, 12 U 65/08). Vorliegend gibt es für eine Störung des empfangenden Faxgerätes keinerlei Hinweis. Der Bf hat diesbezüglich auch im Rahmen der Anhörung nichts vorgetragen und beispielsweise die technischen Aufzeichnungen des Empfangsgerätes über die empfangenen Sendungen vorgelegt. Daraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Beschluss des SG dem empfangenden Faxgerät zugegangen ist.“
Der Beklagte hat im Rahmen der Klagebegründung lediglich vorgetragen, dass dem Bevollmächtigten mit Fax vom 18.04.2017, welches der Klagereplik des Beklagten nicht beigefügt wurde, mitgeteilt worden sei, dass der Faxanschluss „…20“ bis „auf Weiteres“ nicht zu erreichen sei und er aufgefordert worden sei, Faxe an andere Anschlüsse zu senden.
Ob und inwieweit es in der Vergangenheit tatsächlich technische Störungen im Zusammenhang mit der Faxnummer 24135220 gab, kann das Gericht vorliegend nicht beurteilen und muss dieses auch nicht, da allein streitgegenständlich ist, ob und wann der Widerspruch vom 07.07.2017 beim Beklagten zugegangen ist.
Ausweislich des Empfangsjournals des Beklagten, welches dem Gericht nach zweimaliger Anforderung von Seiten des Beklagten übermittelt wurde, ergibt sich für die Kammer zweifellos, dass der Widerspruch vom 07.07.2017 vollständig bei dem Beklagten eingegangen ist. Ausweislich dieses Faxjournals wurden zwei Seiten empfangen, als Ergebnis ist „Korrekt“ vermerkt. Ferner ergibt sich eine Übertragungszeit, welcher der des Sendeberichts des Bevollmächtigten im Wesentlichen entspricht (Sendegerät des Bevollmächtigten 54 Sekunden und Empfangsgerät des Beklagten 56 Sekunden). Zwar besteht eine kleine Divergenz von zwei Minuten beim Sende- und Empfangsgerät, was die Uhrzeit der Sendung angeht (18.25 Empfangsgerät und 18.27 Uhr Sendegerät). Diese lässt sich jedoch damit erklären, dass an dem Sende- und Empfangsgerät offensichtlich zwei unterschiedliche Uhrzeiten eingestellt wurden. Hierfür spricht vor allem, dass die am selben Tage vorhergehenden und die nachfolgenden Faxe des Bevollmächtigten, die Gegenstand weiterer gerichtlicher Verfahren im Zusammenhang mit Untätigkeit sind bzw. waren, ebenfalls diese Divergenz von zwei Minuten aufweisen.
Festzuhalten ist daher, dass es für eine Störung des Faxgerätes des Beklagten keine Anhaltspunkte gibt und eine solche von Seiten des Beklagten auch nicht dargelegt wurde und somit aufgrund des Sendeberichts und des Empfangsjournals des Beklagten von einer vollständigen Übermittlung der Daten ausgegangen werden muss.
Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass ein Zugang des streitgegenständlichen Widerspruchs am 07.07.2017 erfolgt ist, mit der Konsequenz, dass die Sperrfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen ist.
Soweit der Beklagte vorträgt, dass der Bevollmächtigte vorab beim Beklagten hätte nachfragen müssen, ob das Fax eingegangen ist, ist dieser Einwand insofern irrelevant, als eine Sachstandsanfrage an die Behörde keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Untätigkeitsklage darstellt (LSG Nordrhein-Westfalen BeckRS 2013, 66656; BeckOK SozR/Hintz SGG § 88 Rn. 2-5a.).
In diesem Zusammenhang erlaubt sich das Gericht auch auf den Beschluss des BGH, vom 01.03.2016 – VIII ZB 57/15 -, Rn. 18, hinzuweisen:
„(..) Trägt der Sendebericht den Vermerk „OK“, kann es einem am Verfahren Beteiligten nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn es bei dem elektronischen Übertragungsvorgang dennoch zu – nicht aus dem Sendeprotokoll ersichtlichen – Fehlern kommt (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2006 – XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 15 mwN; vom 11. Dezember 2013 – XII ZB 229/13, a.a.O. Rn. 6; vom 14. Oktober 2010 – V ZB 112/10, a.a.O. Rn. 8). Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem „OK“-Vermerk versehenen Sendeberichts den Empfänger nicht erreicht, ist so gering, dass sich der Rechtsanwalt auf den „OK“-Vermerk verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 28. März 2001 – XII ZB 100/00, a.a.O. unter II 2; vom 11. Dezember 2013 – XII ZB 229/13, a.a.O.). Bestätigt das Sendeprotokoll des verwendeten Telefaxgerätes durch den Vermerk „OK“, gibt es für den Absender regelmäßig keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass die Übermittlung dennoch fehlgeschlagen sein könnte, noch hat er Anlass, sich beim Berufungsgericht über den Eingang des Telefaxes zu erkundigen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – V ZB 112/10, a.a.O m.w.N).“
An dieser zutreffenden Beurteilung des BGH vermag nach Auffassung des Gerichts auch das behauptete Fax des Beklagten vom 18.04.2017 nichts zu ändern. Selbst wenn der Beklagte am 18.04.2017 ein Fax an den Bevollmächtigten versandt haben sollte und selbst wenn es im April 2017 (oder sogar vorher) technische Probleme gegeben haben sollte, waren diese dem Beklagten offensichtlich bekannt, ansonsten hätte der Beklagte nicht ein entsprechendes Fax verfasst. Unabhängig davon, ob dieses Problem nur bei dem Bevollmächtigten bestanden haben sollte oder nicht, müsste es einer Behörde nach Auffassung der Kammer jedoch möglich sein, innerhalb eines Vierteljahres etwaige technische Probleme mit einem Fax-Gerät in den Griff zu bekommen, insbesondere wenn die entsprechende Faxnummer noch auf den Briefköpfen der Beklagten verwendet und das entsprechende Gerät nicht vom Netz genommen wird. Der Vertreter des Beklagten hat insoweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass insoweit ein „gewisses Verschulden“ von Seiten des Beklagten vorliege.
Daher kann es dem Bevollmächtigten nicht vorgeworfen werden, wenn dieser offensichtlich davon ausging, dass das behauptete Fax vom 18.04.2017 nicht mehr relevant war, zumal – wie sich im vorliegenden Fall zeigt – ein Zugang offensichtlich gewährleistet ist.
Die Untätigkeitsklage ist daher zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet, da der Beklagte ohne zureichenden Grund nicht über den Widerspruch entschieden hat. Ein sachlicher Grund für die Untätigkeit des Beklagten wurde vom Beklagten nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
Der Klage war daher vollumfänglich stattzugeben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens, nachdem der Bevollmächtigte im vollen Umfang obsiegt hat.
Eine Korrektur des Erfolgsprinzips durch Veranlassungsprinzip ist vorliegend nicht geboten.
Zum einen ist der Beklagte trotz umfassender Darlegung der Rechtslage durch das Gericht nicht bereit, eine Verbescheidung des Widerspruchs herbeizuführen und die Untätigkeit somit zu beenden. Zum anderen kann nach Auffassung der Kammer eine etwaige Veranlassung der Untätigkeitsklage von Seiten des Bevollmächtigten auch nicht daraus abgeleitet werden, dass dieser sich vor Erhebung der Klage nicht nach dem Zugang des Widerspruchs erkundigt hat. Eine derartige Anfrage beim Beklagten vor Erhebung der Untätigkeitsklage ist nicht erforderlich. Diesbezüglich darf auf die gerichtlichen Ausführungen und bereits zitierten Beschluss des BGH, Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZB 57/15 -, Rn. 18, verwiesen werden. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass vorliegend eine Sachstandsfrage ohnehin sinnlos gewesen wäre, da der Beklagte – wie das Ergebnis der mündlichen Verhandlung gezeigt hat – ohnehin nicht gewillt ist bzw. war, über den Widerspruch zu entscheiden. Eine Reduzierung der Kostenquote unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung ist auch unter diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.


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