IT- und Medienrecht

Fehlende Klagebefugnis für Klage gegen Waldbewirtschaftungsmaßnahme

Aktenzeichen  M 25 K 16.1642

Datum:
28.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15015
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß allein gegen objektives Recht löst den allgemeinen öffentlich rechtlichen Unterlassungsanspruch nicht aus. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 64 Abs. 2 BNatSchG und § 2 Abs. 1 UmwRG gelten nur für anerkannte Verbände und führen nicht zur Anerkennung der Popularklage. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein System der Popularklage, in dem jedermann jegliche umweltbezogene Handlungen anfechten kann, muss nicht eingeführt werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist unzulässig.
1.1. Das Klagebegehren ist als allgemeine Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage auszulegen (§ 88 VwGO). Der Kläger begehrt durch seine Anträge vom … April 2016 und vom … Juni 2016 die Verurteilung der Beklagten dahingehend, „sozialschädliche Verhaltensweisen im Rahmen der Waldbewirtschaftung“ in genauer bezeichneten Bereichen des M-tals zu unterlassen und „jegliche Beeinträchtigung und Zerstörung von geschützten Kalktuffquellen bei Waldbewirtschaftungsmaßnahmen in den Stadtwäldern im M-tal und Taubenberg“ zu unterlassen.
1.2. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist zu seinen Gunsten lediglich als Klage, nicht als Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auszulegen, obwohl der Kläger an verschiedenen Stellen, wie etwa im Schriftsatz vom … Juli 2016 und vom … Juli 2016, die Begriffe „Anordnungsanspruch“ und „Anordnungsgrund“ und damit die Terminologie des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO gebraucht. Der Kläger spricht im Übrigen durchweg von einer Klage und macht nicht deutlich, dass ihm eine Entscheidung zur Verhinderung der Vereitelung subjektiver Rechte in zeitlicher Hinsicht besonders dringlich erscheint und nennt keinerlei Hinweise auf unmittelbar anstehende einschlägige Waldbewirtschaftungsmaßnahmen.
1.3. Die Unterlassungsklage ist jedoch mangels Klagebefugnis unzulässig.
Das Erfordernis einer Klagebefugnis bei einer Leistungs- oder Unterlassungsklageergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO, in dem ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck kommt (BVerwG, U.v. …2013 – 7C 2112 – juris – Rn. 18). Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Möglichkeit besteht, dass der Kläger durch das künftige Handeln der Beklagten in seinen subjektiven Rechten verletzt werden könnte.
Der Kläger beruft sich auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch. Die Existenz eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruches ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und wird – mangels spezialgesetzlicher Regelungen – entweder aus den Grundrechten als Abwehrrechten, einer Gesamtanalogie zu den §§ 12, 861 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB oder dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, abgeleitet. Voraussetzung des Anspruchs ist aber eine unmittelbar bevorstehende oder andauernde Beeinträchtigung eines subjektiven öffentlichen Rechts durch eine nicht zu duldende hoheitliche Maßnahme. Ein Verstoß allein gegen objektives Recht – wofür hier im Übrigen keine Anhaltspunkte bestehen – löst den allgemeinen öffentlich rechtlichen Unterlassungsanspruch nicht aus.
Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, in welchen subjektiven Rechtspositionen der Kläger durch die Waldbewirtschaftungsmaßnahmen verletzt sein soll. Weder im Bayerischen Naturschutzgesetz (BayNatSchG) noch im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) oder im Bayerischen Waldgesetz (BayWaldG) sind Normen ersichtlich, die dem Kläger in der zur Entscheidung stehenden Konstellation subjektive Rechte verleihen würden. Auch die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom … Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom …7.1992) enthält keine unmittelbar anwendbare, subjektive Rechte verleihende Bestimmung. Aus dem Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG kann sich von vornherein keine Klagebefugnis ergeben, da diese Vorschrift nur Rechtfertigungsfunktion mit Blick auf Handlungen, die zur Rettung der verfassungsmäßigen Ordnung unternommen werden, hat und nicht zum Zuge kommt, solange andere Abhilfe – etwa in Form der Beschreitung des Verwaltungsrechtswegs – möglich ist (vgl. Grzeszick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: September 2016, Art. 20 IX Rn. 26, 23).
Auch die Öffnungsklausel des § 42 Abs. 2, 1. Halbs. VwGO, die ausnahmsweise eine Klagebefugnis ohne Betroffenheit in eigenen Rechten gewährt (dazu etwa BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 7C 21/12 – juris Rn. 26), greift nicht ein, da keine gesetzliche Bestimmung ersichtlich ist, die dem Kläger ein Klagerecht einräumt. Insbesondere ermöglichen es die § 64 Abs. 2 BNatSchG und § 2 Abs. 1 UmwRG – unabhängig von ihrer Anwendbarkeit im Einzelfall – nur anerkannten Verbänden, als Sachwalter umweltrechtlicher Belange zu klagen. Sie führen gerade nicht zu einer Anerkennung der Popularklage im umweltrechtlichen Bereich. Auch Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus – der im Übrigen nicht unmittelbar anwendbar ist – oder das Unionsrecht gebieten es lediglich, effektiven Rechtsschutz im Bereich des Umweltrechts zur Verfügung zu stellen. Das erfordert eine reale Klagemöglichkeit für Umweltverbände im Wege der Verbandsklage (EuGH, U.v. 8.3.2011, C-240/09 – juris – Rn. 52). Ein System der Popularklage, in dem jedermann jegliche umweltbezogene Handlungen anfechten kann, muss aber nicht eingeführt werden (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 7 C 21/12 – juris – Rn. 34). Im Übrigen wird auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom … Dezember 2018 im Prozesskostenhilfeverfahren verwiesen.
2. Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgewiesen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 ff. ZPO.


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