IT- und Medienrecht

Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags

Aktenzeichen  4 ZB 18.2045

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1223
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 6 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Grundlage und Ausgangspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils für die Berechnung der Höhe der Fremdenverkehrsabgabe ist die Fremdenverkehrsquote.   (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Fremdenverkehrsquote berechnet sich aus dem prozentualen Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 11 K 17.632 2018-08-29 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 349,11 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer Bäckereiverkaufsstellen im Stadtgebiet der Beklagten. Sie wendet sich gegen die Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags 2011 für zwei Verkaufsstellen. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 20. Mai 2016 einen Fremdenverkehrsbeitrag für das genannte Jahr in Höhe von 471,66 Euro festgesetzt, der auf einem steuerbaren Umsatz von 430.000 Euro, einem Vorteilssatz von 35,10% und einem Mindestbeitragssatz von 0,3125% basierte.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage, die vor dem Verwaltungsgericht insoweit Erfolg hatte, als ein höherer Fremdenverkehrsbeitrag als 349,11 Euro festgesetzt worden war. Zur Begründung seines Urteils vom 29. August 2018 führte das Gericht aus, die Klägerin sei fremdenverkehrsbeitragspflichtig, weil sie als Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts für Backwaren unmittelbare und mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen könne. Zur Bestimmung des Vorteils habe die Beklagte den Gewinn und den steuerbaren Umsatz schätzen dürfen, weil die Klägerin trotz mehrmaliger Aufforderung keine Erklärung zu deren Höhe abgegeben habe. Allerdings habe die Beklagte bei der Veranlagung der Klägerin einen unzutreffenden Vorteilssatz zugrunde gelegt. Zwar habe sie als Grundlage für ihre Schätzung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die sogenannte Fremdenverkehrsquote herangezogen und bei der Berechnung eine nicht zu beanstandende Zahl von 3,6 Tagestouristen je Übernachtung angesetzt. Sie habe aber die sich hieraus ergebende Fremdenverkehrsquote fehlerhaft berechnet. Bei der Fremdenverkehrsquote handele es sich um den prozentualen Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage aller Personen im Gemeindegebiet. Die Beklagte habe dagegen lediglich die Aufenthaltstage der Touristen den Aufenthaltstagen der Einheimischen gegenübergestellt. Bei korrekter Berechnung hätte daher die Fremdenverkehrsquote im Gemeindegebiet der Beklagten lediglich 25,98% und nicht, von der Beklagten angenommen, 35,10% betragen. Bei Anwendung dieses Vorteilssatzes ergebe sich ein Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von 349,11 Euro.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der allein auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung, der sich bei sachgerechter Auslegung nur gegen den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils richtet, bleibt in der Sache ohne Erfolg. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne dieser Norm. Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244; jeweils m.w.N.).
Die Klägerin trägt vor, die Fremdenverkehrsquote als Basiswert für die betriebsbezogene Schätzung habe keine Aussagekraft, da die Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen nicht berücksichtigt habe bzw. entsprechende Tatsachen nicht eigenständig ermittelt habe. Für die Klägerin beinhalte der Fremdenverkehr keine erhöhten Verdienstmöglichkeiten, weil sich ihr Warenangebot nicht an Touristen, sondern lediglich an Einheimische richte; den gegenteiligen Nachweis habe die Beklagte nicht geführt. Auch das Verwaltungsgericht habe die Beklagte nicht aufgefordert, entsprechende Erhebungen anzustellen oder bisher nicht vorgetragene Tatsachen nachzuliefern. Eine allgemeine Lebenserfahrung, wonach auch ortsfremde Besucher die ortsüblichen Backwaren kauften, gebe es nicht. Die Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils setze eine Überprüfung der örtlichen Verhältnisse, also der Lage der Verkaufsstellen der Klägerin sowie ihres Warensortiments voraus. Die Fremdenverkehrsquote könne nicht ungeprüft übernommen werden.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu wecken.
a) Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zum Fremdenverkehrsbeitrag ist Art. 6 KAG in Verbindung mit der Satzung der Beklagten über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags (FVBS) vom 25. Oktober 1988. Wie der Senat bereits in mehreren Verfahren betreffend die Klägerin entschieden hat, ist ihr Einzelhandelsgeschäft als Betrieb einzustufen, der gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 KAG, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 FVBS unmittelbare und mittelbare Vorteile aus Geschäften mit Ortsfremden und mit den am Fremdenverkehr unmittelbar beteiligten Kreisen im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung ziehen kann. Der von der Klägerin im Zulassungsvorbringen erneut betonte Umstand, dass ihr Warensortiment keine auf den Fremdenverkehr abgestimmten Produkte enthalte, sondern lediglich der Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung dienen solle, steht der Erhebung des – an die grundsätzlichen Gewinn- und Verdienstmöglichkeiten anknüpfenden – Fremdenverkehrsbeitrags nicht entgegen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und muss von der Beklagten nicht gesondert nachgewiesen werden, dass auch ortsfremde Besucher während ihres Aufenthalts die üblichen Backwaren einkaufen. Auf die Frage, in welchem Umfang die Klägerin aus dem örtlichen Fremdenverkehr tatsächlich Vorteile gewinnt bzw. gewonnen hat, kommt es nicht an (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 20 ff.; B.v. 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 7; B.v. 6.2.2018 – 4 ZB 17.812 – juris Rn. 8).
b) Dass die Beklagte den Vorteilssatz für die Klägerin im Wege der Schätzung ermittelt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. nur BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 24 ff. m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt als Grundlage und Ausgangspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils gerade beim Verkauf von Grundnahrungsmitteln wie Backwaren nur die sogenannte Fremdenverkehrsquote in Betracht. Diese Ermittlungsmethode hat die Beklagte zu Recht als Basiswert für die betriebsbezogene Schätzung zugrunde gelegt. Sie hat sich bei der Bestimmung des Vorteilssatzes gleichsam „eins zu eins“ an der Fremdenverkehrsquote orientiert, ohne davon – wie in früheren Verfahren – nach oben abzuweichen. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behördliche Ermittlungsdefizite moniert, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, welche weiteren Tatsachen die Beklagte hätte berücksichtigen bzw. eigenständig ermitteln sollen, zumal die Klägerin keine diesbezüglichen Unterlagen vorgelegt hat (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2018 – 4 ZB 17.812 – juris Rn. 8). Zu weiteren personal-, zeit- und kostenaufwändigen statistischen Erhebungen ist die Beklagte als die den Fremdenverkehrsbeitrag erhebende Körperschaft nicht verpflichtet (vgl. BayVGH, U.v. 14.1.2016 – 4 B 14.2227 – juris Rn. 35).
c) Schließlich bestehen auch gegen die Berechnungsmethode für die Fremdenverkehrsquote in der erstinstanzlich korrigierten Form sowie die daran anknüpfende Höhe des Vorteilssatzes keine Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat die von der Beklagten fehlerhaft berechnete Fremdenverkehrsquote in zutreffender Weise berichtigt und den entsprechend hohen Vorteilssatz im Wege eigener Schätzung angesetzt, wozu es gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO berechtigt und verpflichtet war (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 29 f.). Die Beklagte hatte zur Ermittlung der Fremdenverkehrsquote die Aufenthaltstage der Touristen den Aufenthaltstagen der Einheimischen gegenübergestellt und so eine Quote von 35,10% errechnet. Bei der Fremdenverkehrsquote handelt es sich jedoch, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, um den prozentualen Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 22, 27; B.v. 7.4.2014 – 4 ZB 13.2098 – juris Rn. 5; vgl. auch Gottschaller in Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand September 2019, Erl. 5 zu Art. 6 KAG). Die Zahl der Aufenthaltstage der Touristen ist daher in Relation zur Gesamtzahl der Aufenthaltstage aller Personen im Gemeindegebiet – also zur Summe von Einwohnern und Touristen – zu setzen und nicht lediglich den Aufenthaltstagen der Einheimischen gegenüberzustellen. Unter Zugrundelegung dieser Formel hat das Verwaltungsgericht zutreffend eine Fremdenverkehrsquote von 25,98% errechnet und – bei Ansatz eines Vorteilssatzes in gleicher Höhe – den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von 349,11 Euro gebilligt.
2. Soweit die Klägerin unter Zuordnung zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fehlende Aufklärungsbemühungen des Verwaltungsgerichts moniert, macht sie in der Sache den Verfahrensfehler mangelnder Sachverhaltsaufklärung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Auch dieser Zulassungsgrund ist jedoch nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche weiteren Ermittlungen sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen. Einen Beweisantrag etwa in Bezug auf die von der Beklagten zugrunde gelegten Zahlen hat die anwaltlich vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Die nunmehr erhobene Rüge unzureichender Sachverhaltsaufklärung ist kein geeignetes Mittel, um das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung zu kompensieren.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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