IT- und Medienrecht

Gesamtschuldnerische Haftung für Rundfunkbeitrag

Aktenzeichen  M 6 K 16.1065

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
RBStV RBStV § 2 Abs. 1
RBStV RBStV § 2 Abs. 2
RBStV RBStV § 2 Abs. 3 Satz 1

 

Leitsatz

1 Sofern ein Widerspruchsbescheid einen Widerspruch lediglich zurückweist, liegt hierin weder eine erstmalige Beschwer (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) noch eine zusätzliche selbständige Beschwer (§ 79 Abs. 2 VwGO); eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid ist in diesem Fall unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben einer Wohnung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 45859). Auch § 2 Abs. 3 S. 1 RBStV, wonach mehrere Wohnungsinhaber gesamtschuldnerisch haften, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Parallelentscheidung VG München BeckRS 2017, 106389). (redaktioneller Leitsatz)
2 Das bayerische Zustimmungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegnet auch insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als es in seinem persönlichen Anwendungsbereich in Bayern nicht wahlberechtigte Personen erfasst (ebenso BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist. Der Beklagte ist ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Termin ordnungsgemäß geladen worden, verbunden mit dem Hinweis, dass im Falle des Nichterscheinens eines der Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Die Klage ist mit ihren Hauptanträgen bereits unzulässig, im Hilfsantrag unbegründet und daher insgesamt ohne Erfolg.
Die Klage stellt sich in ihrem Hauptantrag Nr. 1 als isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 dar und ist als solche unzulässig, weil die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 79 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind. Der Widerspruchsbescheid wies den gegen den Bescheide vom 3. Januar 2016 erhobenen Widerspruch lediglich (als zulässig, aber unbegründet) zurück. Darin liegt weder eine erstmalige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, noch eine zusätzliche selbstständige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist auch in ihrem Hauptantrag Nr. 2 unzulässig, weil dieser gegenüber dem Antrag Nr. 1 keine eigene prozessuale Bedeutung hat. Denn bei Aufhebung des Widerspruchsbescheids wäre der Beklagten ohnehin verpflichtet, über den Widerspruch vom 20. Januar 2016 – und damit in der Sache – erneut zu entscheiden. Die Frage, ob für den strittigen Zeitraum ein Beitragsanspruch entstanden ist, wäre dann bei der – erneuten – Prüfung des materiellen Rechts zu prüfen.
Im – wegen der Erfolglosigkeit der Anträge Nrn. 1 und 2 zu prüfenden – Hilfsantrag Nr. 3 ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
Der Festsetzungsbescheid vom 3. Januar 2016 sowie der Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 18. Februar 2016 verwiesen, denen die erkennende Kammer folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend wird hinsichtlich der Argumentation zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – als eines Vertrages zu Lasten Dritter und die dazu geäußerte Rechtsauffassung, der Bayerische Landtag habe diesbezüglich mit seinem Zustimmungsgesetz kein allgemeingültiges Gesetz erlassen können, das in seinem persönlichen Anwendungsbereich auch die Klägerin als in Bayern nicht wahlberechtigte „Dritte“ erfasse, auf die grundlegende Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 verwiesen (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12). Im Übrigen erscheint hier die Argumentation des Bevollmächtigten der Klägerin in sich nicht schlüssig, wenn er einerseits von einem Vertrag ausgeht, der keine Gesetzeskraft habe, er aber andererseits den Rundfunkbeitrag als Steuer ansieht, welche zweifelsfrei nur durch ein Gesetz eingeführt werden könnte.
Weiter ist unter Verweis auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. B.v. 12.1.2017 – 7 B 16.176) zu bemerken, dass der im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber nach Maßgabe des § 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 erhobene Rundfunkbeitrag keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Dies hat nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 29.15 u.a.). Bei dem Rundfunkbeitrag im privaten Bereich handelt es sich um eine nichtsteuerliche und nicht unverhältnismäßige Abgabe, deren Erhebung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist. Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Nach § 10 Abs. 6 Satz 1 RBStV werden Festsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt.
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programmes angemessen Rechnung. Ebenso verstößt die Erhebung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrages nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folgende Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit. Die pauschalierende Regelung ist durch die vom Gesetzgeber in legitimer Weise verfolgten Ziele gerechtfertigt, Ermittlungen in der Privatsphäre möglichst zu vermeiden und den Verwaltungsvollzug in einem Massenverfahren zu erleichtern sowie gegen Umgehungsmöglichkeiten oder Missbrauch abzusichern.
Wie der Bevollmächtigte der Klägerin aus der von ihm genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Januar 2017 (C-344/15) ableiten will, dass es sich beim Beklagten um ein Privatunternehmen handele, weil er mit privaten Rundfunkanbietern im Wettbewerb stehe, erschließt sich nicht. In der zum „Gemeinsamen Mehrwertsteuersystem“ ergangenen Entscheidung geht es um von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübte Tätigkeiten, konkret die Verwaltung und Bereitstellung von Straßenanlagen gegen Zahlung einer Maut. An keiner Stelle der Entscheidung ist ersichtlich, dass der EuGH der Auffassung wäre, eine Einrichtung öffentlichen Rechts würde zu einem Privatunternehmen, wenn sie eine Tätigkeit ausübt, die in einem (potenzielle) Wettbewerb zu der Tätigkeit privater Wirtschaftsteilnehmer steht.
Weiter ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die volljährigen Inhaber einer Wohnung als Gesamtschuldner haften (§ 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV) und damit jeder Wohnungsinhaber die gesamte Leistung bis zur vollständigen Zahlung des geschuldeten Betrages schuldet, unbedenklich ist (BayVGH, B.v. 12.1.2017 – 7 B 16.176 – Rn. 11).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es dem Beklagten unbenommen war, statt der Mutter der Klägerin – die zuvor unter dem Rundfunkgebührenrecht Rundfunkteilnehmerin mit 1 Fernsehgerät war – die Klägerin selbst als Rundfunkbeitragsschuldnerin in Anspruch zu nehmen. Denn ausweislich ihres eigenen Vortrags wohnt sie zusammen mit ihrer Mutter in der gemeinsamen Wohnung. Damit ist sie ebenso Inhaberin einer Wohnung nach § 2 Abs. 1, 2 Satz 1 RBStV wie ihre Mutter. So bedarf es eigentlich nicht mehr der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV, weil die Klägerin dort auch gemeldet ist. Dass der Beklagte die Klägerin zur Zahlung herangezogen hat ist außerdem deswegen nachvollziehbar, weil sich deren Mutter noch mit der Entrichtung von Rundfunkgebühren im Rückstand befand.
Es ist vorliegend auch mitnichten zu einer doppelten Inanspruchnahme zweier Inhaber ein und derselben Wohnung gekommen. Denn aus den Akten des Beklagten ist eindeutig nachvollziehbar, dass das Teilnehmerkonto der Mutter der Klägerin – nach dem Wechsel der Teilnehmernummer – mit Ablauf des 31. Dezember 2012 abgemeldet wurde. Die Mutter der Klägerin wird daher vom Beklagten nicht als Rundfunkbeitragsschuldnerin für die mit der Klägerin gemeinsam bewohnte Wohnung geführt und insoweit auch nicht zur Beitragszahlung herangezogen. Vielmehr wird vom Beklagten allein die Klägerin als ebenfalls Inhaberin der Wohnung zur Entrichtung des Rundfunkbeitrages herangezogen.
Schließlich sei noch angemerkt, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin auch nicht etwa der Befreiungstatbestand nach § 4 Abs. 1 Nr. 5a RBStV einschlägig gewesen war, nachdem die Klägerin zwar angeblich bis einschließlich September 2015 „Ausbildungsförderung“ erhalten hatte (der Festsetzungsbescheid v. 3.1.2016 umfasste den Zeitraum 1.7.2015 – 30.9.2015), sie jedoch zusammen mit ihrer Mutter in einer gemeinsamen Wohnung wohnte und daher das Tatbestandsmerkmal „nicht bei den Eltern wohnende Empfänger“ nicht gegeben war.
Überdies lässt sich den Akten des Beklagten auch nicht entnehmen, dass bei diesem ein dementsprechender Befreiungsantrag der Klägerin eingegangen wäre, der nach der zum 1. Januar 2017 erfolgten Neufassung des § 4 Abs. 4 RBStV eventuell auch rückwirkend – zumindest für einen Teil des Zeitraumes, zu dem Festsetzungsbescheide ergangen sind – Berücksichtigung hätte finden können.
Hinsichtlich der angeblich finanziell prekären Situation der Klägerin und ihrer Mutter wird auf die Möglichkeiten einer Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV hingewiesen.
Nachdem sich die vorliegende Entscheidung der erkennenden Kammer in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet, war eine (weitere) Aussetzung des Verfahrens trotz anhängiger Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag nicht geboten (BayVGH, B.v. 12.1.2017 – 7 B 16.176).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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