IT- und Medienrecht

Gewährleistungsanspruch des Käufers eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs: Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts

Aktenzeichen  VIII ZR 140/20

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:260122UVIIIZR140.20.0
Normen:
§ 323 Abs 1 BGB
§ 323 Abs 2 Nr 3 BGB
§ 346 Abs 1 BGB
§ 348 BGB
§ 434 Abs 1 S 2 Nr 2 BGB
§ 437 Nr 2 BGB
§ 440 S 1 Alt 3 BGB
Art 3 Nr 10 EGV 715/2007
Art 5 Abs 2 EGV 715/2007
§ 6 EG-FGV
§ 27 EG-FGV
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

Zur Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor der Erklärung des Rücktritts von einem Kaufvertrag bezüglich eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (im Anschluss an Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 21 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Senatsbeschlüsse vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 33; und vom 14. Dezember 2021 – VIII ZR 386/20, unter III 2 c aa, zur Veröffentlichung bestimmt).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 29. April 2020, Az: 17 U 75/18vorgehend LG Bonn, 13. Juni 2018, Az: 9 O 192/17

Tenor

Der Kläger wird, nachdem er die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. April 2020 betreffend die Beklagte zu 2 zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels insoweit für verlustig erklärt (§§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).
Im Übrigen wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – auf die Revision des Klägers das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage auf Zahlung von 21.975 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des erworbenen Fahrzeugs und gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1 darzulegenden Nutzungsentschädigung, sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1 (auf deren Berufung) abgewiesen und die Berufung des Klägers, gerichtet auf die Herabsetzung der durch das Landgericht ermittelten Nutzungsentschädigung, zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 4. Oktober 2014 bei der Beklagten zu 1 ein Gebrauchtfahrzeug Audi A4 Avant 2.0 TDI zum Preis von 21.975 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten zu 2 hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 (Abgasnorm Euro 5) ausgestattet. Dieser wies eine besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung auf, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand hinsichtlich der dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen “Modus 1”, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Im normalen Straßenverkehr hingegen wurde das Fahrzeug im “Modus 0” betrieben, in dem die Abgasrückführung geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel.
2
Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Software als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hatte, entwickelte die Beklagte zu 2 für den Motor ein Software-Update, welches hinsichtlich des Stickoxidausstoßes einen vorschriftsgemäßen Zustand herstellen sollte. Der Kläger ließ das Software-Update nicht aufspielen.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 8. September 2016 focht der Kläger den Kaufvertrag gegenüber der Beklagten zu 1 wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag, wobei er der Beklagten zu 1 eine Frist für die Rückabwicklung des Kaufvertrags setzte. Die Beklagte zu 1 verweigerte die Rücknahme des Fahrzeugs und verwies den Kläger auf das zur Verfügung stehende Software-Update. Sie erklärte zudem einen Verjährungsverzicht bis zum 31. Dezember 2017.
4
Die im Juni 2017 erhobene, bezüglich der Beklagten zu 1 auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des erworbenen Fahrzeugs und gegen Zahlung einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1 sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat vor dem Landgericht überwiegend Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 zur Rückzahlung des Kaufpreises (21.975 €) nebst Zinsen, abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile in Höhe von 6.773,40 €, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten zu 1 festgestellt. Ferner hat es die Beklagte zu 1 verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten – in etwas geringerem Umfang als beantragt – freizustellen.
5
Die Klage gegen die Beklagte zu 2, gerichtet auf die Feststellung der Verpflichtung, dem Kläger Schadensersatz für Schäden, die aus der Manipulation des erworbenen Fahrzeugs resultierten, zu zahlen, sowie auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, hat das Landgericht abgewiesen.
6
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 2 – mit Ausnahme eines Teils der Rechtsanwaltskosten – antragsgemäß verurteilt.
7
Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Berufung des Klägers, mit welcher er den Abzug einer geringeren Nutzungsentschädigung sowie die Freistellung von den Rechtsanwaltskosten in voller Höhe erstrebt hat, hat keinen Erfolg gehabt. Vielmehr hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Beklagten zu 1 die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang abgewiesen.
8
Mit der durch das Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren gegen die Beklagte zu 1 weiter; die gegen die Beklagte zu 2 eingelegte Revision hat er zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

9
Die Revision hat überwiegend Erfolg.
I.
10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
11
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 1 ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 437 Nr. 2, §§ 434, 440, §§ 323, 346 Abs. 1, § 348 BGB nicht zu. Denn er habe der Beklagten zu 1 keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Eine solche sei auch nicht nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB entbehrlich gewesen.
12
Eine Nachbesserung sei für den Kläger nicht bereits deswegen unzumutbar im Sinne des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB, weil er die Befürchtung gehegt habe, das Software-Update sei entweder nicht zur Mangelbeseitigung geeignet oder führe zu Folgemängeln. Denn auch hierfür trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Anhaltspunkte für eine “konkrete und plausible Befürchtung”, das Update führe zu Schäden am Motor beziehungsweise am Fahrzeug, bestünden unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht. Die Begründung des Landgerichts, wonach Fachleute von der Verursachung anderweitiger Mängel durch das Software-Update ausgingen, sei ohne nähere tatsächliche Feststellungen für die Begründung eines Mangelverdachts nicht ausreichend. Insoweit sei auch zu beachten, dass dem Kläger bei Verursachung anderer Mängel durch das Software-Update weitere Gewährleistungsrechte zustünden und er daher nicht rechtlos gestellt werde.
13
Eine Nachfristsetzung sei dem Kläger auch nicht aufgrund einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zu der Beklagten zu 1 unzumutbar gewesen. Zwar sei es für einen Käufer in der Regel unzumutbar, dem arglistig täuschenden Verkäufer eine Nachbesserungsmöglichkeit einzuräumen. Jedoch fehle es vorliegend an Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagten zu 1 als Verkäuferin zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bekannt gewesen sei, dass die Herstellerin ein mangelhaftes Produkt in den Verkehr gebracht hatte. Ein arglistiges Handeln der Herstellerin müsse sich der Verkäufer nicht zurechnen lassen. Auch die Gesamtumstände seien nicht geeignet, das Vertrauen in die Fähigkeit der Nacherfüllung durch die Beklagte zu 1 deswegen zu erschüttern, weil sich diese zur Behebung des Mangels eines von der Beklagten zu 2 entwickelten Software-Updates bedienen müsse. Denn dessen Freigabe sei durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt, so dass für den Kläger kein Anlass für ein generelles Misstrauen gegenüber dem Software-Update bestehe.
14
Da somit ein Anspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe, könne der Kläger von der Beklagten zu 1 auch nicht die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen.
II.
15
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, aus § 434 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (vgl. Art. 229 § 58 EGBGB; im Folgenden: aF), § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 348 BGB sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs (§ 293 BGB) nicht verneint werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann nach den bisher getroffenen Feststellungen eine Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB (Unzumutbarkeit der Nachbesserung) nicht verneint werden.
16
Demgegenüber hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO) einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§ 257 BGB) verneint; ein solcher steht dem Kläger unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt (§ 280 Abs. 2, §§ 286, 288 Abs. 4 BGB, § 280 Abs. 1 BGB, § 439 Abs. 2 BGB) zu, so dass seine Revision insoweit zurückzuweisen ist.
17
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171/1 vom 29. Juni 2007; im Folgenden: VO 715/2007/EG) aufwies, die noch nicht behoben ist, und ihm damit wegen der latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung (§ 5 Abs. 1 FZV) ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF anhaftete (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 23 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 20, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 6 ff.), der zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (vgl. zur Maßgeblichkeit auch dieses Zeitpunkts: Senatsurteil vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 315/18, BGHZ 226, 1 Rn. 43 mwN) noch nicht beseitigt war.
18
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch die Voraussetzungen der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB verneint.
19
a) Ein Rücktritt nach § 437 Nr. 2, §§ 323, 346, 349 BGB setzt neben dem Vorliegen eines Sachmangels im Sinne des § 434 BGB aF zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich weiter voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (vgl. hierzu grundlegend Senatsurteil vom 26. August 2020 – VIII ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 41 bis 47). Ausgehend von den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen, verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine solche Fristsetzung nicht erfolgt.
20
b) Das Berufungsgericht hat im Ansatz noch zutreffend erkannt, dass eine Fristsetzung namentlich dann entbehrlich ist, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung diesem unzumutbar ist (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB). Mit der von ihm gegebenen Begründung kann eine solche Unzumutbarkeit vorliegend jedoch nicht verneint werden.
21
aa) Im Rahmen des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB kommt es auf die “dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung” an. Dies ist hier eine Nachbesserung durch das Aufspielen eines Software-Updates. Denn dem Käufer steht die Art der Nacherfüllung, die er gewählt hat (§ 439 Abs. 1 BGB) und die der Verkäufer nicht zu Recht verweigert hat (§ 275 Abs. 2, 3 BGB, § 439 Abs. 3 BGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung vom 26. November 2001; vgl. Art. 229 § 39EGBGB) zu (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233; Senatsurteile vom 15. November 2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504 Rn. 14; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 40). Der Kläger hat – was vorliegend ausreicht – im Rücktrittsschreiben sein Wahlrecht im Sinne einer Nachbesserung ausgeübt.
22
bb) Für die Beurteilung, ob die Nachbesserung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu zählen neben Art und Ausmaß einer Beeinträchtigung der Interessen des Käufers etwa auch die Zuverlässigkeit des Verkäufers und diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen sowie ein dadurch möglicherweise gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 22; vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 38; vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 23; vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 90, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
23
Die dem Tatrichter hiernach obliegende Beurteilung, ob die Nachbesserung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls für den Käufer unzumutbar ist, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung und kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgeblichen Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt und ob er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsurteile vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 24; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
24
cc) Hiernach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Fristsetzung zur Nachbesserung nicht deshalb als entbehrlich angesehen, weil der Kläger infolge des sittenwidrigen Handelns der Beklagten zu 2 das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Nachbesserung durch die Beklagte zu 1 verloren habe. Entgegen der Ansicht der Revision kann sich der Kläger insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte zu 2 als Herstellerin sei von Anfang an nicht in der Lage gewesen, die Grenzwerte auf legalem Weg einzuhalten und habe deshalb die Motorsteuerungssoftware eingesetzt, was einen fortwährenden Vertrauensverlust des Klägers auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1 als Verkäuferin begründe, die für die von ihr geschuldete Nacherfüllung allein das von der Herstellerin entwickelte Software-Update heranziehen wolle.
25
(1) Das Berufungsgericht hat – von der Revision unangegriffen – ein eigenes arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 nicht festgestellt. Vielmehr trifft (nur) die Beklagte zu 2 der Vorwurf sittenwidrigen, einer “arglistigen Täuschung der Käufer gleichstehenden” Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 23 ff.). Zwar kann die Vertrauensgrundlage zwischen einem Käufer und einem Verkäufer unter Umständen auch dann gestört sein, wenn der Verkäufer sich bei Vertragsabschluss ordnungsgemäß verhalten hat, jedoch der Hersteller des Fahrzeugs dieses mit einer ihm bekannten und verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht hat und der Verkäufer nun allein eine Nachbesserung in Form eines von diesem Hersteller entwickelten Software-Updates anbietet. Dabei kommt es darauf an, ob spätestens bei Erklärung des Rücktritts (zum Zeitpunkt des Vorliegens der Umstände, die eine Fristsetzung entbehrlich machen vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 186) die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so gestört war, dass eine Nacherfüllung (vgl. § 323 Abs. 1 BGB) – vorliegend wie ausgeführt in Form der Nachbesserung – für den Käufer unter Einbeziehung des Herstellers nicht zumutbar war (Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 27, 40).
26
(2) Eine derartige Störung der Vertrauensgrundlage hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Es hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass sich die Beklagte zu 1 ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2 nicht nach § 278 BGB, § 166 BGB analog zurechnen lassen muss (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 29, 37 mwN). Zudem hat es unter Heranziehung der Gesamtumstände, insbesondere der Prüfung und Freigabe des entwickelten Software-Updates durch eine unabhängige Behörde, der Sache nach keine Anhaltspunkte für ein erneutes arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2 und damit weiterer Täuschungshandlungen gesehen, so dass es im Ergebnis zutreffend eine allein auf das frühere arglistige Verhalten der Beklagten zu 2 gestützte Unzumutbarkeit der Nachbesserung verneint hat (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 30; vgl. auch Senatsurteil vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 89 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Insoweit übergangenen Sachvortrag, der Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geben könnte, zeigt die Revision nicht auf.
27
dd) Einer revisionsrechtlichen Nachprüfung anhand des oben genannten Maßstabs hält jedoch die Würdigung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei das Aufspielen des Software-Updates trotz der von ihm behaupteten Ungeeignetheit zur Mängelbeseitigung zumutbar, nicht stand. Für das Eingreifen des Ausnahmetatbestands des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB und damit für das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen ist der Kläger als Käufer, der sekundäre Gewährleistungsrechte geltend macht, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341 Rn. 15 mwN; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 23, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Kläger dieser Darlegungslast nachgekommen. Bei seiner gegenteiligen Würdigung, wonach es ausgehend vom Vorbringen des Klägers an Anhaltspunkten “für eine konkrete und plausible Befürchtung” fehle, dass das Software-Update zur Mangelbeseitigung ungeeignet sei beziehungsweise zu Folgeschäden führe, hat das Berufungsgericht wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen sowie zu hohe Substantiierungsanforderungen gestellt und ist daher im Ergebnis zu Unrecht davon ausgegangen, das Setzen einer Frist sei nicht entbehrlich, weil dem Kläger eine Nachbesserung im Sinne des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB zumutbar sei.
28
Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass mit dem Software-Update aufgrund des hierin enthaltenen Thermofensters – dessen Existenz auch die Beklagte zu 1 nicht in Abrede stellt – aus seiner Sicht erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung in das Fahrzeug implementiert werde. Weiter hat er substantiiert zu Folgeschäden für das Fahrzeug infolge des Aufspielens eines Software-Updates sowie zu einem – unabhängig davon nach seiner Auffassung vorhandenen und durch das Update nicht zu beseitigenden – merkantilen Minderwert des von ihm erworbenen Fahrzeugs vorgetragen. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht nicht hinreichend gewürdigt.
29
Sollte das – nach den rechtsfehlerfreien und unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts – allein als Nachbesserungsmaßnahme im Raum stehende Software-Update zwar die vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung beseitigen, jedoch selbst wiederum aufgrund des sogenannten Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen oder zu anderen Mängeln (höherer Kraftstoffverbrauch, Motorschäden, erhöhter Verschleiß, verminderte Leistung, schlechtere Emissionswerte) führen beziehungsweise dem Fahrzeug ein – auch durch das Software-Update nicht zu behebender – erheblicher merkantiler Minderwert anhaften, wäre es dem Kläger unzumutbar, der Beklagten zu 1 zu dieser Form der Nachbesserung eine Frist (§ 323 Abs. 1 BGB) zu setzen.
30
Denn eine Nachbesserung im Sinne von § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB setzt voraus, dass der vorhandene Mangel hierdurch vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt wird. Das betrifft nicht nur den ursprünglichen Mangel, der bereits bei Übergabe der Sache vorhanden war. Eine ordnungsgemäße Nachbesserung liegt vielmehr nur dann vor, wenn hierdurch auch (nicht zu vernachlässigende) Folgemängel nicht hervorgerufen werden (vgl. Senatsurteile vom 24. Oktober 2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 76; vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 47, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, unter II 2 c aa, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Senatsbeschlüsse vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 33; vom 14. Dezember 2021 – VIII ZR 386/20, unter III 2 c bb, zur Veröffentlichung bestimmt).
31
(1) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei gehalten gewesen, eine Frist zur Nachbesserung zu setzen, ist bereits deshalb unzutreffend, weil es dessen Vorbringen zu einem in dem Software-Update enthaltenen Thermofenster bei der Prüfung der Unzumutbarkeit (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB) nicht beachtet hat.
32
(a) Der Kläger hat – worauf die Revision zutreffend verweist – vorgetragen, in dem Software-Update sei wiederum eine Abschaltvorrichtung in Form eines sogenannten Thermofensters vorhanden. Die Abgasreinigung setze nur bei Außentemperaturen zwischen 10 und 32 Grad Celsius ein. Der Kläger hat seine Ansicht, wonach ein solches Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG darstelle – weswegen das Software-Update nicht als taugliche Nachbesserungsmaßnahme anzusehen sei – umfassend dargelegt und zur Funktionsweise des Updates die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
33
(b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann das Software-Update nicht deshalb als taugliche Nachbesserungsmaßnahme angesehen werden, weil dem Kraftfahrt-Bundesamt die Applikationsrandbedingungen der Thermofenster bei der Antragstellung auf Freigabe des Updates mitgeteilt worden seien, das Kraftfahrt-Bundesamt diese in seinem Freigabebescheid als zulässig angesehen und daher die Gefahr, dass der Betrieb des Fahrzeugs deshalb untersagt würde, nicht bestehe, so dass die Eignung des Software-Updates zur Mangelbeseitigung “jederzeit gegeben” gewesen sei.
34
Ungeachtet dessen, dass ein Thermofenster in dem Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts nicht einmal erwähnt ist, sondern nur pauschal darauf verwiesen wird, dass Abschalteinrichtungen – soweit vorhanden – als zulässig einzustufen seien, vermag der Bescheid nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig und das Fahrzeug im Ergebnis frei von Sachmängeln ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen.
35
Insoweit hat die Revisionserwiderung allerdings zu Recht nicht auf die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts abgestellt. Maßgeblicher Regelungsgegenstand des Bescheids vom 5. September 2016 ist ausschließlich die Freigabe des Updates. Bei den weiteren Ausführungen des Kraftfahrt-Bundesamts, wonach vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig seien, handelt es sich um Begründungselemente, die von dem Regelungsinhalt und damit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts selbst nicht erfasst werden (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19 unter II 2 c dd (1) (a) (bb) (aaa) mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
36
Die zivilrechtliche Beurteilung, ob aufgrund der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung – jedenfalls latent – die Gefahr einer Betriebsuntersagung des Fahrzeugs droht, so dass ihm die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF fehlt, ist demgemäß unabhängig von dem vorgenannten Freigabebescheid vorzunehmen. Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist zudem an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche – wie hier – (zunächst) unterblieben ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, aaO). Sollte das Software-Update – dessen genaue Funktionsweise gegebenenfalls durch Sachverständigengutachten zu klären ist – (wiederum) eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darstellen, die nach Maßgabe der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässig ist, wäre die von der Beklagten angebotene Nachbesserung bereits aus diesem Grund unzureichend (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, unter II 2 c dd (1) (a), zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) und eine Fristsetzung daher entbehrlich (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB).
37
(c) Auf das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen zu einem unzulässigen Eingriff in das On-Board-Diagnosesystem (OBD) kommt es in diesem Zusammenhang mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19 unter II 2 c dd (1) (b) (bb) (aaa), zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
38
(2) Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu durch das Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden sowie zu einem (fortbestehenden) merkantilen Minderwert des Fahrzeugs als unsubstantiiert angesehen, so dass seiner Beurteilung, eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB sei zu verneinen, auch aus diesem Grund eine tragfähige Grundlage fehlt.
39
(a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 2014 – VIII ZR 88/13, NJW 2015, 934 Rn. 43; vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 80/18, BGHZ 224, 302 Rn. 55; vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 20; Beschlüsse vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7; vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 33). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat (BGH, Beschlüsse vom 12. September 2012 – IV ZR 52/14, NJW-RR 2017, 22 Rn. 27; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, aaO). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 2014 – VIII ZR 88/13, aaO; vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 80/18, aaO; vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, aaO; Beschluss vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 15).
40
Dabei ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 385/18, NJW-RR 2020, 615 Rn. 83; Senatsbeschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, aaO Rn. 8; jeweils mwN). Sie darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen insbesondere dann als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat (BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 401/19, NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 mwN). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufgestellt worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. April 2018 – VII ZR 139/17, NJW 2019, 76 Rn. 34; vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 Rn. 37; vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 385/18, aaO; vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 22; jeweils mwN). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt sein können (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 283/99, NJW-RR 2004, 337 unter II 1; Beschlüsse vom 16. April 2015 – IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 13; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, aaO; vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, aaO Rn. 16).
41
(b) Gemessen hieran hat der Kläger ausreichend substantiiert dargelegt, dass nach seiner Auffassung durch das von ihm gewählte und beklagtenseits zur Beseitigung des Sachmangels der unzulässigen Abschalteinrichtung angebotene Software-Update Folgeschäden am Fahrzeug entstünden und zudem auch unabhängig von der Durchführung des Updates ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs verbleibe, weswegen die für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung vorliegend entbehrlich gewesen sei (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB).
42
(aa) Der Kläger hat wiederholt geltend gemacht – und dies durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt -, infolge des Software-Updates steige der Kraftstoffverbrauch, komme es zu einem erhöhten Rußpartikelausstoß mit der Folge eines vorzeitigen Verschleißes des Dieselpartikelfilters und träten Motorschäden auf. Das AGR-Ventil werde während der Fahrt häufiger aktiviert mit der Folge, dass der durch die Verrußung eintretende Verschleiß an den Ventilen erheblich erhöht werde. Zudem müsse bei zahlreichen Modellen der Schwingungsdämpfer für die Einspritzanlage nachgerüstet werden, da sich die Frequenz der Einspritzanlage verändert habe. Auch sei eine verminderte Motorleistung zu verzeichnen.
43
Damit hat der Kläger ausreichend eine von ihm für möglich erachtete, nicht ordnungsgemäße Nachbesserung durch das Software-Update dargetan, aufgrund derer eine vorherige Fristsetzung (§ 323 Abs. 1 BGB) entbehrlich wäre.
44
Auf ein von der Revisionserwiderung dargestelltes fehlendes “Wissensgefälle” im Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1, welche ebenso wenig wie der Kläger die Funktionsweise des Software-Updates kenne, kommt es nicht an. Entscheidend ist, was dem Kläger an Vortrag zumutbar war. Dieser durfte sich als Laie auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Funktionsweise des Software-Updates keine genaue Kenntnis von dessen konkreten (Aus-)Wirkungen haben, weswegen er betreffend die von ihm befürchteten Folgeschäden letztlich auf Vermutungen angewiesen ist und diese naturgemäß nur auf entsprechende Anhaltspunkte stützen kann (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, NJW 2021, 2958 Rn. 85 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; BGH, Beschlüsse vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 11 ff.; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7 ff.; vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 20). Ob Vergleichbares auch für die Beklagte zu 1 gilt, ist für die Darlegungsanforderungen des Klägers unerheblich. Weitere Einzelheiten, etwa zum Umfang einer Verringerung der Fahrzeugleistung, zu einer Erhöhung des Abgasausstoßes oder selbst zu einem Anstieg des Kraftstoffverbrauchs, sind von ihm nicht zu fordern. Diese sind vielmehr im Rahmen der Beweisaufnahme – also im Wege der Einholung des vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachtens – zu klären.
45
(bb) Schließlich führt auch der von der Beklagtenseite wiederholt hervorgehobene Umstand, dass in der von ihr vorgelegten Bescheinigung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 5. September 2016 unter anderem ausgeführt wird, “die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte und COշ-Emissionen wurden in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt” und “die bisherige Motorleistung und das maximale Drehmoment blieben unverändert”, nicht zu erhöhten Substantiierungsanforderungen beim Kläger als Laien, zumal das Kraftfahrt-Bundesamt nicht offengelegt hat, auf welche Weise diese Erkenntnisse konkret gewonnen wurden. Allenfalls führt der Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts dazu, dass die Beklagte zu 1 das Vorbringen des Klägers unter Berufung auf diese Freigabebestätigung substantiiert bestreiten kann (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20, aaO Rn. 87; Senatsbeschluss vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 22).
46
(c) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit einer Nachbesserung nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB das Vorbringen des Klägers, wonach das Software-Update wegen des hiervon unberührt bleibenden merkantilen Minderwerts zu keiner vollständigen Mängelbeseitigung führen könne, nicht berücksichtigt. Der Kläger hat vorgetragen – und dies ebenfalls unter Sachverständigenbeweis gestellt -, das Fahrzeug werde stets mit einem Makel behaftet sein, da es aufgrund seiner Betroffenheit vom sogenannten Abgasskandal einen erheblichen Wertverlust – bei derartigen Fahrzeugen durchschnittlich 26 % – aufweise.
47
(aa) Ob die Eigenschaft eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs – insbesondere wenn es über einen Dieselmotor des Typs EA 189 verfügt – in vergleichbarer Weise wie bei Unfallfahrzeugen, für welche anerkannt ist, dass selbst nach vollständiger und fachgerechter Beseitigung des Unfallschadens noch ein Mangel verbleiben kann (vgl. hierzu Senatsurteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20; vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18, 21; vom 20. Mai 2009 – VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 16), einen (unbehebbaren) Sachmangel darstellt, weil sie ebenfalls einen merkantilen Minderwert zur Folge hat, lässt sich bislang – anders als für die Eigenschaft als Unfallfahrzeug – nicht allgemeingültig und abschließend beantworten (nach einem Sachverständigengutachten in einem konkreten Fall verneinend zuletzt etwa OLG Karlsruhe, NJW-RR 2021, 852 Rn. 37 ff. [zu § 441 BGB]). Denn bislang ist weder geklärt, wie sich die bei den betroffenen Fahrzeugen verbauten Abschalteinrichtungen beziehungsweise die zu ihrer Entfernung vorgenommenen Software-Updates auf das Fahrzeug im Übrigen auswirken, noch – was insoweit entscheidend ist – ob beziehungsweise inwieweit aufgrund dessen bei weiten Teilen des Publikums wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden oder des Risikos höherer Schadensanfälligkeit eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht, der sich in einer entsprechenden Herabsetzung des Verkehrswerts niederschlägt (Senatsbeschlüsse vom 29. September 2021 – VIII ZR 226/19, juris Rn. 25; vom 9. November 2021 – VIII ZR 184/20, juris Rn. 21; vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 280/20, juris Rn. 25).
48
(bb) Vor diesem Hintergrund ist es (jedenfalls derzeit) für einen substantiierten Sachvortrag ausreichend, dass der Kläger behauptet hat, die ungewissen Auswirkungen des Software-Updates sowie das infolge des Abgasskandals allgemein gesunkene Vertrauen in von der Beklagten zu 2 produzierte Dieselfahrzeuge führe dazu, dass allein aufgrund des Makels “vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug” ein Kraftfahrzeug auf dem freien Markt einen Wertverlust erleide.
49
3. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§ 257 BGB) verneint. Zwar kann zur Begründung hierfür nicht darauf abgestellt werden, es bestehe “bereits dem Grunde nach” kein Hauptanspruch, da nach Vorstehendem ein Rückabwicklungsanspruch des Klägers aus § 346 BGB nicht ausgeschlossen werden kann. Die Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), weil eine solche Forderung unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt.
50
a) Die Beklagte zu 1 befand sich bei Abfassung des Rücktrittsschreibens durch den späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug mit der Nacherfüllung, so dass ein Anspruch aus § 280 Abs. 2, §§ 286, 288 Abs. 4 BGB nicht besteht.
51
b) Auch auf § 280 Abs. 1 BGB kann der Kläger einen Anspruch auf Freistellung von den angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht stützen. Denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 die Verletzung ihrer nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehenden Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache zu vertreten hatte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein etwaiges Verschulden des Herstellers ist ihr nicht nach § 278 BGB zuzurechnen (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 75 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
52
c) Schließlich kommt ein Freistellungsanspruch, gestützt auf die Verpflichtung des Verkäufers, im Rahmen einer Nacherfüllung die in § 439 Abs. 2 BGB aufgeführten Kosten zu tragen, nicht in Betracht. Zwar können auch die im Zuge der Durchsetzung eines Nacherfüllungsanspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten unter diese Vorschrift fallen. Jedoch sind die vorliegend für die Abfassung des Rücktrittschreibens vom 8. September 2016 angefallenen Anwaltskosten nicht – wie von der genannten Vorschrift vorausgesetzt – “zum Zwecke der Nacherfüllung” aufgewandt worden. Denn der Kläger hat die Beklagte zu 1 hiermit gerade nicht zur Durchführung der Nacherfüllung aufgefordert, sondern unmittelbar die Anfechtung des Kaufvertrags und (hilfsweise) den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Die Zielrichtung der anwaltlichen Tätigkeit, für deren Kosten der Kläger Freistellung begehrt, bestand damit nicht – wie von § 439 Abs. 2 BGB vorausgesetzt – darin, dem Kläger die Durchsetzung seines Nacherfüllungsanspruchs zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 76 ff. mwN).
III.
53
Nach alledem kann das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist – im Umfang der Aufhebung – zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
54
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der Rücktritt auf Grundlage der derzeitigen Feststellungen auch nicht nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen einer Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Ansicht des Landgerichts zutrifft, wonach der in der unzulässigen Abschalteinrichtung liegende (Ursprungs-)Mangel – ungeachtet der zu seiner Beseitigung aufzuwendenden Kosten – schon deshalb nicht unerheblich sei, weil im Falle seiner Nichtbeseitigung – durch Aufspielen des Software-Updates – die Stilllegung des Fahrzeugs drohe (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 52 [zum Erlöschen der Betriebserlaubnis infolge des Ursprungsmangels]). Jedenfalls steht – wie ausgeführt – derzeit nicht fest, dass sich die unzulässige Abschalteinrichtung durch das Software-Update (mit geringem Kostenaufwand) folgenlos beseitigen ließe, so dass der Rücktritt des Klägers nicht wegen einer – von der Beklagten zu 1 darzulegenden und nachzuweisenden – Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen ist (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20, aaO Rn. 47).
Dr. Fetzer     
      
Dr. Schmidt     
      
Wiegand
      
Dr. Matussek     
      
Dr. Reichelt     
      


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