IT- und Medienrecht

Gründung einer öffentlich-rechtlichen nicht rechtsfähigen Stiftung in Bayern

Aktenzeichen  6 K 1417/19

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbStB – 2022, 12
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4
AO § 60a Abs. 1,§ 162
FGO § 46 Abs. 1
GG Art. 87 Abs. 3
BayGO Art. 84, Art. 85

 

Leitsatz

Öffentlich-rechtliche Stiftungen sind nicht körperschaftsteuerpflichtig.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Mit notarieller Urkunde vom … 1989 überließ Frau … der Klägerin, einer Gemeinde, Grundstücke. Bei der notariellen Beurkundung wurde die Klägerin durch ihren Kämmerer vertreten, der die Urkunde mit der Überschrift „Zweckzuwendung und Stiftung“ neben der Stifterin unterzeichnete. Unter Punkt IX der Urkunde wird folgendes ausgeführt:
„Rechtsgrund der Überlassung
Es ist der Wille der Übergeberin, dass der Ertrag der vertragsgegenständlichen Grundstücke alten und mittellosen Bürgern der Klägerin … zugutekommt, wobei es im Ermessen der nach der Gemeindeordnung zuständigen Gremien der Klägerin stehen soll, wem Erträgnisse im Einzelnen zufließen sollen.
Demgemäß wendet … die Grundstücke der Gemeinde … als nicht rechtsfähige Stiftung gemäß Art. 84 Gemeindeordnung zu.
Für diese nicht rechtsfähige Stiftung soll folgende Satzung gelten:
1. die Stiftung führt den Namen
„… Stiftung“.
2. Zweck der Stiftung ist es, alten und mittellosen Bürgern der Klägerin … aus den Erträgen des Stiftungsvermögens eine Unterstützung zu gewähren, die nach Ermessen der nach der Gemeindeordnung zuständigen Gremien gewährt und verteilt wird. Gedacht ist sowohl an einmalige Zuwendungen in besonderen Notfällen, als auch an Dauerleistungen.“
Als Gegenleistung für die Übertragung behielt sich die Übergeberin eine wertgesicherte monatliche Rente in Höhe von … DM, für den Fall einer Heimunterbringung der Übergeberin die Übernahme von Heimkosten statt der Rente sowie nach dem Tod der Übergeberin die Übernahme von Grabunterhaltskosten aus den Erträgen des Stiftungsvermögens vor. Die am … geborene Stifterin verstarb im Jahr .-.-.
Mit Beschluss des Gemeinderates der Klägerin vom … 1989 wurde diese Schenkung wie folgt angenommen:
„1.
Die Schenkung von… wird unter Beachtung der damit verbundenen Auflagen angenommen.
2.
Es wird hiermit eine nichtrechtsfähige Stiftung gemäß Artikel 84 Gemeindeordnung gegründet, die den Namen … Stiftung erhält.
3.
Zweck der Stiftung ist es, alten und mittellosen Bürgern der Klägerin … aus den Erträgen des Stiftungsvermögens zu unterstützen. Diese Hilfen sind nach Ermessen der nach der Gemeindeordnung zuständigen Gremien zu gewähren und zu verteilen. Dabei kann es sich sowohl um einmalige Zuwendungen in besonderen Notfällen, als auch um Dauerleistungen handeln.
4.
Das Vermögen aus der Schenkung nach Ziffer 1 ist in die nach Ziffer 2 gegründete Stiftung einzubringen.“
Eine Stiftungsatzung wurde erst am 2018 mit rückwirkendem Inkrafttreten zum …1989 durch den Gemeinderat der Klägerin beschlossen.
Die Klägerin zeigte weder die Gründung der Stiftung beim beklagten Finanzamt (FA) an, noch gab sie für die Stiftung Steuererklärungen ab. Im Zuge einer bei der Klägerin durchgeführten steuerlichen Außenprüfung durch einen Betriebsprüfer des FA wurde der Prüfer auf die Existenz der Stiftung aufmerksam. Das FA beurteilte die Stiftung als eine solche des privaten Rechts und forderte die Klägerin mit Schreiben vom … 2018 auf, unter anderem eine Körperschaftsteuererklärung 2011 einzureichen. Daraufhin entgegnete die Klägerin im Wesentlichen, dass sie unverändert der Auffassung sei, dass die Stiftung eine nichtrechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts sei und daher keine Steuererklärung einzureichen sei.
Das FA schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen für 2011 mit Bescheid vom … gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Körperschaftsteuer unter Zugrundelegung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von … € auf … € fest.
Nachdem das FA bis zum … über den Einspruch vom … noch nicht entschieden hatte, erhob die Klägerin die Untätigkeitsklage. Das FA hielt die Untätigkeitsklage für zulässig und wies mit der Einspruchsentscheidung vom … den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Mit gerichtlichem Hinweis wies der Vorsitzende darauf hin, dass das FA bisher einen negativen Feststellungsbescheid noch nicht erlassen hat. Er regte mit diesem Hinweis den Erlass des fehlenden Grundlagenbescheides und eine Sprungklage an. Das FA lehnte mit Bescheid vom … eine gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO ab. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Sprungklage. Das FA stimmte dieser Sprungklage zu.
Die Klägerin begründet ihre Klage wie folgt:
– Bei der Klägerin handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Stiftung. Diese sei, da sie kein Betrieb gewerblicher Art der Klägerin sei, nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Körperschaft-steuergesetz (KStG) nicht körperschaftsteuerpflichtig. Auch bestehe kein Betrieb gewerblicher Art (BgA) im Sinne des § 4 KStG, da die Klägerin lediglich Einnahmen aus vermögensverwaltender Tätigkeit und Land- und Forstwirtschaft erziele.
– In Bayern sei die Möglichkeit eine nicht rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts zu gründen nicht ausgeschlossen. Die Regelungen des bayerischen Stiftungsgesetzes seien nicht abschließend. Als Grundlage für das Rechtsverhältnis zwischen Stifter und Stiftungsträger kämen vielmehr auch im Falle nichtrechtsfähiger Stiftungen des öffentlichen Rechts sowohl privat- als auch öffentlich-rechtliche Verträge in Betracht. Der Rechtscharakter eine Stiftung sei nicht ausschließlich nach dem Stiftungsakt zu beurteilen. So könne mit Annahme einer privatrechtlichen Zuwendung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt eine Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet werden.
– Nach analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 3 des bayerischen Stiftungsgesetzes sei eine Stiftung öffentlich-rechtlich, wenn sie ausschließlich öffentliche Zwecke verfolge und mit einer Gemeinde in einem organischen Zusammenhang stehe, der die Stiftung selbst zu einer öffentlichen Einrichtung mache. Auf die Rechtsform des Stiftungsaktes komme es nicht an.
– Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Stiftungsgeschäft, -zweck und -verwaltung ergebe sich, dass die Stiftung öffentlich-rechtlich und nicht körperschaftsteuerpflichtig sei. Insbesondere der Gemeinderatsbeschluss vom …1989 sei ein öffentlich-rechtlicher Stiftungsakt gewesen. Da ein Gemeinderat immer öffentlich-rechtlich handele liege ein Akt der öffentlichen Gewalt – hier der kommunalen Verwaltung – vor. Mit dem Gemeinderatsbeschluss habe die Klägerin die Stiftung gegründet. Erst mit dem Beschluss sei die Stiftung entstanden und nicht mit dem zivilrechtlichen Notarvertrag. Zudem sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Gesamtabwägung geboten, die die öffentlich-rechtliche Natur der Stiftung ergäbe. Das bayerische Stiftungsgesetz sei auch keine abschließende Regelung, die nichtrechtsfähige Stiftungen öffentlich-rechtlicher Natur ausschließe.
– Da die Klägerin bereits nach § 1 KStG nicht körperschaftsteuerpflichtig sei, komme es auf die Steuerbefreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht an. Einen Antrag nach § 60 AO habe es daher nicht bedurft.
– Der dem aktuellen Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt weiche entscheidend von dem Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 28. Dezember 1984 VF 10 – VIII – 81 ab. Die Grundsätze dieses Urteils seien auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar. Anders als im entschiedenen Fall sei die Gründung der streitgegen-ständlichen Stiftung nicht durch ein privatrechtliches, sondern durch ein öffentlich-rechtliches Stiftungsgeschäft erfolgt. Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtscharakters der Stiftung als solcher sowie deren Verwaltung sei allein der Wille desjenigen, der die Stiftung begründet. Hier sei die Stiftung ausschließlich durch die Klägerin in ihrer öffentlich-rechtlichen Funktion gegründet worden.
Mit Beschluss vom wurden die Klagen 6 K 1417/19 und 6 K 2529/20 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II.
1. Die Untätigkeitsklage ist zulässig. Die Klägerin hat die Klage mehr als 6 Monate nach Einlegung des Einspruchs erhoben. Damit war die „angemessene Frist“ gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch nach dem Vortrag des FA überschritten. Die Sprungklage ist zulässig, das FA hat ihr gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO fristgerecht zugestimmt. 
2. Die Klagen sind unbegründet.  
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sind nichtrechtsfähige Stiftungen des privaten Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sich ihre Geschäftsleitung oder ihr Sitz im Inland befindet. Öffentlich-rechtliche Stiftungen hingegen sind nicht körperschaftsteuerpflichtig. Die Klägerin verwaltet als Treuhänderin eine nicht rechtsfähige fiduziarische Stiftung des privaten Rechts (vgl. zum Begriff der fiduziarischen Stiftung: BFH-Urteil vom 16. November 2011 I R 31/10, BFH/NV 2012, 786 Rz. 32). 
a) Eine Stiftung ist als Stiftung des privaten Rechts anzusehen, wenn sich ihre Organisationsform ebenso auf das Privatrecht gründet wie bei den in § 1 Nr. 1 bis 4 KStG bezeichneten Körperschaften. In einem solchem Fall steht der Zuordnung zum privaten Recht nicht entgegen, dass Träger des Stiftungsvermögens eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist. Die Rechtsqualität der Stiftung richtet sich nicht nach der Zuständigkeit des Trägers zum Bereich der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Körperschaften, sondern nach der Rechtsform seiner Entstehung und dem Stiftungszweck (vgl. Urteil des BFH vom 24. März 1993 I R 27/92, BStBl II 1993, 637 unter II. B 1.b, vom 29. Januar 2003 I R 106/00, BFH/NV 2003, 868 unter II.2.b und vom 11. Februar 2015 X R 36/11, BStBl II 2015, 545, Rz. 47). 
Im Streitfall wurde die Stiftung durch einen privatrechtlichen notariellen Vertrag gegründet. Rechtsgrundlage für die Gründung war das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das nur das Handeln von Privatpersonen auf privatrechtlicher Grundlage regelt. Mit dem notariellen Vertrag ist die Stiftung im Jahr 1989 entstanden. Im Gegensatz zur Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung handelt es sich bei dem Stiftungsgeschäft der nicht rechtsfähigen Stiftung nicht um einen einseitigen Akt des Stifters, sondern um einen gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Stifter und einem Dritten – der Klägerin – als Rechtsträger der nicht rechtsfähigen Stiftung. 
Durch die notarielle Urkunde vom …..1989 hat die Stifterin der Klägerin die Vermögenswerte zugewandt mit der Auflage, die Erträge für einen bestimmten Zweck zu verwenden. Das Stiftungsvermögen bildet nach dem Eigentumsübergang eine (Sonder-)Vermögensmasse der Klägerin, die mit einer bestimmten Zweckbestimmung wirtschaftlich verselbstständigt ist. Die Klägerin hat die zugewendeten Vermögenswerte durch Mitwirkung beim Abschluss des Notarvertrags durch ihren Kämmerer und mit dem Genehmigungsbeschluss des Gemeinderates vom ….1989 auf zivilrechtlicher Grundlage entgegengenommen und sich verpflichtet, das Stiftungsvermögen gemäß der vertraglichen Verpflichtung nach Maßgabe des Art. 84 der bayerischen Gemeindeordnung zu verwalten. Der Umstand, dass die Klägerin eine Gemeinde ist, führt nicht dazu, einen zivilrechtlichen Vertrag als Hoheitsakt anzusehen (vgl. zur Beteiligung des Gemeinderats z.B. Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 28. Dezember 1984 Vf. 10-VII-81, Rz. 137, juris). 
b) Es gibt keine Rechtsnorm, die die Gründung einer öffentlich-rechtlichen nicht rechtsfähigen Stiftung in Bayern ermöglicht.
aa) Bundesrechtliche Regelungen können nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Stiftung führen.  
Im Grundgesetz (GG) werden Stiftungen nicht ausdrücklich erwähnt. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG lässt für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, die Errichtung von Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz zu. Sieht man Stiftungen als Untergruppe von „Anstalten“ an, können auch Stiftungen durch Bundesgesetz errichtet werden. Ein solches Bundesgesetz liegt nicht vor. Es verbleibt damit bei der Zuständigkeit der Länder (vgl. Art. 30 und 70 Abs. 1 GG).
bb) Das bayerische Landesrecht lässt nur die Errichtung von rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts und des öffentlichen Rechts zu. Die Gründung von nicht rechtsfähigen Stiftungen sieht das bayerische Stiftungsgesetz dagegen nicht vor. 
aaa) Art. 1 des bayerischen Stiftungsgesetzes (BayStG) galt im Jahr 1989 in folgender Fassung: 
„(1) Stiftungen im Sinn dieses Gesetzes sind die rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts und des öffentlichen Rechts. 
(2) Stiftungen des öffentlichen Rechts im Sinn dieses Gesetzes sind Stiftungen, die ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgen und mit dem Staat, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts in einem organischen Zusammenhang stehen, der die Stiftung selbst zu einer öffentlichen Einrichtung macht. 
(3) Öffentliche Stiftungen im Sinn dieses Gesetzes sind die rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die nicht ausschließlich private Zwecke verfolgen, und die rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts. Als öffentliche Zwecke gelten die der Religion, der Wissenschaft, der Forschung, der Bildung, dem Unterricht, der Erziehung, der Kunst, der Denkmalpflege, dem Heimatschutz, dem Sport, der Wohltätigkeit oder sonst dem Gemeinwohl dienenden Zwecke.“ 
Art. 4 BayStG (Fassung für 1989) lautet: 
„(1) Eine Stiftung des öffentlichen Rechts entsteht durch Stiftungsakt und die Genehmigung in entsprechender Anwendung der §§ 80 bis 84 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und aufgrund der Art. 5 und Art. 6 dieses Gesetzes. Die Genehmigung entfällt, wenn eine Stiftung durch Gesetz oder unter Mitwirkung der zuständigen Genehmigungsbehörde errichtet wird. 
(2) Eine Stiftung des öffentlichen Rechts ist im Stiftungsakt und, soweit eine Genehmigung erforderlich ist, in der Genehmigungsentschließung ausdrücklich als Stiftung des öffentlichen Rechts zu erklären.“ 
bbb) Aus dieser Fassung des bayerischen Stiftungsgesetzes – die im hier maßgeblichen Zusammenhang mit allen früheren und späteren Fassungen übereinstimmt –  ergibt sich, dass nach bayerischem Landesrecht nur rechtsfähige Stiftungen gegründet werden können. Die Regelungen des bayerischen Stiftungsgesetzes sind abschließend. 
Die Gesetzesmotive sind eindeutig und lassen eine analoge Anwendung des bayerischen Stiftungsgesetzes auf nicht rechtsfähige fiduziarische Stiftungen, die auf der Basis von vorrangigem Bundesrecht – dem BGB – entstanden sind, nicht zu (vgl. Drucksache Nr. 2/5560 des Bayerischen Landtags vom 21. Mai 1954, Beilage 5560, insbesondere Seiten 9 und 10). Die Regelung, dass nach bayerischem Landesrecht nur rechtfähige Stiftungen gegründet werden können, wurde erstmals im Jahr 1954 Gesetz. Die Neuordnung des Stiftungsrechts nach dem zweiten Weltkrieg führte zum ersten Mal dazu, dass das Recht öffentlich-rechtlicher Stiftungen gesetzlich geregelt wurde. Der Gesetzgeber beabsichtigte die Schaffung eines Gesetzes, aus dem die gesamte Regelung des Stiftungswesens, und zwar für alle Bereiche, zu ersehen ist. Dabei ging der Gesetzgeber ausdrücklich davon aus, dass er nicht rechtsfähige Stiftungen vom Anwendungsbereich des Landesrechts ausschließt und hielt es für ausreichend darauf hinzuweisen, dass nicht rechtsfähige Stiftungen den Regeln des Schuld- oder Erbrechts unterliegen. Die Regeln des Schuld- oder Erbrechts des BGB aber sind ausschließlich privatrechtlicher Natur und zudem Bundesrecht. 
ccc) Die im Jahr 1972 in die bayerische Gemeindeordnung (BayGO) eingefügten Art. 84 und 85 haben an dieser Rechtslage nichts geändert.  
Auch hier sind die Motive des bayerischen Gesetzgebers klar und eindeutig (vgl. Drucksache des bayerischen Landtags vom 7. Oktober 1972 7/3103, Seite 38). Danach hat der bayerische Gesetzgeber keine Regelung getroffen, die das bayerische Stiftungsrecht ändert oder ergänzt. Vielmehr wird in der bayerischen Gemeindeordnung ausschließlich geregelt, wie die Gemeinden nicht rechtsfähige fiduziarische Stiftungen zu verwalten haben. Die Landtagsdrucksache stellt ausdrücklich dar, dass Art. 84 BayGO die Verwaltung von Stiftungen regelt, die durch privatrechtliches Rechtsgeschäft unter Lebenden (Schenkung unter Auflage; Treuhandvertrag) oder durch Verfügungen von Todes wegen entstanden sind. Auch bei der in Art. 85 BayGO geregelten Frage, ob und wann eine Änderung des Verwendungszwecks und eine Aufhebung der Zweckbestimmung zulässig sind, wird dargelegt, dass der Stifterwille ausschlaggebend ist und die zivilrechtlichen Grundsätze für Treuhandgeschäfte zu beachten sind (vgl. hierzu VG Ansbach, Urteil vom 16. April 2018 AN 4 K 17.02330, juris). 
c) Das FA hat zutreffend eine gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO für das Streitjahr 2011 abgelehnt. 
aa) Die Satzung muss gemäß § 60 Abs. 2 AO den vorgeschriebenen Erfordernissen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift während des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums entsprechen. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut und Wortsinn des Gesetzestextes ist nicht möglich. Eine Satzung, die diesen Anforderungen entspricht, lag im Streitjahr nicht vor. Sie existiert erst durch den Erlass der Stiftungsatzung mit Beschluss des Gemeinderates der Klägerin vom …. 2018. 
Die Voraussetzung einer Satzung im Veranlagungszeitraum des Streitjahres ist auch nicht rückwirkend erfüllt. Der nach § 60 Abs. 2 AO steuererhebliche Sachverhalt muss während des ganzen Veranlagungszeitraums gegeben sein. Damit wirkt sich die Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts (erstmaliger Erlass der Satzung) nicht in der Vergangenheit in einer Weise aus, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. Urteil des BFH vom 6. Juni 2019 V R 50/17, BFH/NV 2019, 1372, m.w.N.). 
bb) Die Bestimmungen der notariellen Urkunde von … 1989 in Verbindung mit dem Beschluss des Gemeinderates der Klägerin von …. 1989 genügen nicht den Anforderungen des § 60 Abs. 1 AO in der für das Streitjahr gültigen Fassung. 
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind (formelle Satzungsmäßigkeit). Somit ist in der Satzung nicht nur zu regeln, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt und dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht, sondern auch, dass dieser Zweck ausschließlich (und unmittelbar) verfolgt wird. Ausschließlichkeit liegt nach § 56 AO vor, wenn die Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt.  
Mit der notariellen Urkunde und dem Gemeinderatsbeschluss ist lediglich geregelt, dass es Zweck der Stiftung ist, alte und mittellose Bürger der Klägerin zu unterstützen. Damit ergibt sich aus dieser Satzungsbestimmung keine ausschließliche Förderung.  
Ein Hinweis, wonach die Stiftung ihre Mittel ausschließlich nach Maßgabe der §§ 55 bis 57 AO verwende, fehlt in den Dokumenten. Auch im Auslegungswege ist nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen, dass sie ausschließlich alte und mittellose Bürgern der Klägerin unterstützen soll. Soweit nicht zweifelsfrei erkennbar ist, dass der Steuerpflichtige ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt, gehen etwaige Unklarheiten zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft (vgl. Beschluss des BFH vom 7. Februar 2018 V B 119/17, BFH/NV 2018, 544).
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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