IT- und Medienrecht

Haftung der Audi AG für von Volkswagen produzierte und gelieferte Motoren EA 189

Aktenzeichen  17 U 1476/20

Datum:
21.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17910
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826

 

Leitsatz

1. Zur VW-Abgasskandal-Thematik vgl. grundlegend BGH BeckRS 2020, 10555; vgl. auch BGH BeckRS 2021, 15705; BeckRS 2021, 15709; BeckRS 2021, 15393; BeckRS 2021, 17826; OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 8612 sowie die Aufzählung ähnlich gelagerter VW-Diesel-Fälle bei OLG Naumburg BeckRS 2020, 28579 (dort Ls. 1); OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 42264 (dort Ls. 1); OLG München BeckRS 2020, 25691 (dort Ls. 1); OLG München BeckRS 2020, 27215 (dort Ls. 1); OLG Köln BeckRS 2019, 42328 (dort Ls. 1); OLG Koblenz BeckRS 2020, 14352 (dort Ls. 1), OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7002 (dort Ls. 1), OLG Jena BeckRS 2020, 8618 (dort Ls. 1), OLG Oldenburg BeckRS 2020, 6234 (dort Ls. 1) und KG BeckRS 2019, 29883 (dort Ls. 5). (redaktioneller Leitsatz)
2. Audi haftet – anders als von BGH BeckRS 2021, 6243 angenommen – aufgrund positiven eigenen Wissens für Audi-Fahrzeuge, in die der Motor EA 189 eingebaut wurde, da der vormalige Markenvorstand mit dem Geschäftsbereich Entwicklung von VW ab dem 1.7.2013 Mitglied im Vorstand der Audi AG wurde und es bis zum Herbst 2015 blieb, wobei dessen positive Kenntnis über die Vorgänge und Manipulationen im Zusammenhang mit dem EA 189 aus der Zeit seiner Tätigkeit bei der Konzernmutter unterstellt werden kann. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angesichts der großen Tragweite der Manipulation war dieses Wissen für Audi ab dem 1.7.2013 offenbarungspflichtig im Sinne einer Garantenpflicht, was eine Haftung nach § 826 BGB unter dem Blickwinkel der (nachträglichen unterlassenen) Aufklärungspflicht aufgrund vorangegangenen pflichtwidrigen Tuns (Ingerenz) begründet. (Rn. 26 und 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zur Haftung von Audi für den Motor EA 189 vgl. auch verneinend: BGH BeckRS 2021, 6243; bejahend: OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 47025. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

72 O 2292/18 2020-02-27 Endurteil LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 27.02.2020 (72 O 2292/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.076,06 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs A. TDI mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 56% und die Beklagte 44%.
4. Das Urteil ist jeweils vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.500,00 abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen der Kläger 47% und die Beklagte 53%.
IV. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenpartei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird zugelassen, soweit die Haftung der Beklagten dem Grunde nach vom Senat bejaht wurde.

Gründe

A
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers im Rahmen des sogenannten Dieselskandals hinsichtlich eines in einen A. TDI verbauten Motors des Typs EA 189.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen im Endurteil des LG Ingolstadt vom 27.02.2020 (Bl. 302/317 d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 06.05.2020 (Bl. 321/322 d. A.) mit folgenden Änderungen und Ergänzungen verwiesen.
Die Beklagte unterliegt einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gegenüber der V. AG.
Das Fahrzeug des Klägers wurde erstmalig am 27.08.2012 zugelassen und vom Kläger mit Vertrag vom 19.11.2013 mit einem Km-Stand von 25.350,00 für € 33.480,00 gebraucht gekauft.
Die Klage wurde am 20.12. 2018 anhängig, ihre Zustellung erfolgte am 23.01.2019.
Das LG Ingolstadt verurteilte die Beklagte im Endurteil vom 27.02.2020 zur Zahlung von € 19.955,06 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs und wies im Übrigen die weitergehende Klage ab.
Die Berufung des Klägers nahm dieser mit Schriftsatz vom 26.08.2020 (Bl. 428 d. A.) zurück.
Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung,
das am 27.02.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 72 O 2292/18 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet neu in der Berufungsinstanz, sie habe die EA 189-Motoren von der Konzernmutter V. AG übernommen und ohne eigene Überprüfung in ihre Fahrzeuge eingebaut.
Hinsichtlich des übrigen Vortrags der Parteien im Berufungsrechtsstreit wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Mit Beschluss des Gerichts vom 19.04.2021 wurde beiden Parteien Schriftsatzfrist bis jeweils einschließlich 10.05.2021 gewährt, der Beklagtenseite zu den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021, der Klägerseite zu den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021 sowie zur Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2021.
Am 10.05.2021 ging ein Schriftsatz des Klägervertreters ein, auf den verwiesen wird.
Die Schriftsatzfrist zugunsten der Beklagtenseite wurde auf deren Antrag hin mit Verfügung 06.05.2021 bis einschließlich 14.05.2021 verlängert. An diesem Tag ging ein Schriftsatz der Beklagten ein, auf den verwiesen wird.
B
Die zulässige Berufung (§§ 511, 517, 520 ZPO) der Beklagten hat nur zum geringen Teil Erfolg:
I.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB):
1. Der Einbau eines Motors vom Typ EA 189 mit einer entsprechenden Umschaltlogik in einer Abschaltsoftware, die bei Erkennen des Durchfahrens eines Prüfstandzyklusses in einen anderen Abgasmodus umschaltet, bei dem die NOx-Grenzwerte eingehalten werden, erfüllt grundsätzlich den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung, wenn diese Grenzwerte im normalen „Straßenabgasmodus“ nicht eingehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1079, Randziffer 13).
2. Vorsatz und Sittenwidrigkeit der Schädigung zum Zeitpunkt des Kaufs des Gebrauchtfahrzeugs durch den Kläger waren bei der Beklagten vorhanden, da das Wissen der V. AG als beherrschende Konzernmutter der Beklagten zumindest über die Person U. H. zugerechnet wird (§ 31 BGB):
a) Es kann dahinstehen ob diese Zurechnung bereits über die § 308 Abs. 1 Satz 2, § 308 Abs. 2 Satz 1, § 309 Abs. 1 AktG erfolgt:
Soweit ersichtlich, wird diese Möglichkeit bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erörtert. Auch das Urteil des BGH vom 08.03.2021 (VI ZR 505/19, WM 2021, 751) sagt hierzu nichts.
§§ 308, 309 AktG durchbrechen den Grundsatz, dass jede juristische Person grundsätzlich selbständig handelt und selbst und allein für ihr Handeln (§ 826 BGB) und das ihrer Organe (§ 31 BGB) und Mitarbeiter (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB) verantwortlich ist.
Der Hintergrund der Wissenszurechnung im Rahmen eines Konzerns mit Beherrschungsvertrag ist die Tatsache, dass andernfalls, wie im vorliegenden Fall ersichtlich, die Konzernmutter zur Übernahme des Motors anweisen kann (§ 308 Abs. 1 Satz 1 AktG), ohne dass die Beklagte hierfür im Fall der sittenwidrigen Schädigung haftbar gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, WM 2021, 751, 754, Randziffer 23), sondern sich der Geschädigte erst mühsam im Konzern die Gesellschaft heraussuchen muss, die letztlich für seinen Schaden nach § 826 BGB verantwortlich ist, was mangels Kenntnis des Geschädigten im Regelfall zum Scheitern verurteilt sein dürfte (die Grundsätze der sekundären Darlegungslast würden nämlich in so einem Fall gerade nicht greifen) und damit auf einen Zustand organisierter Verantwortungslosigkeit hinausliefe.
Genau darauf zielt auch der Vortrag der Beklagten insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 14.05.2021 ab, wenn sie dort vorträgt, an der strategischen Entscheidung zum Einbau des EA 189 in ihre Fahrzeuge nicht beteiligt gewesen zu sein, andererseits sich aber auf ihre hinsichtlich dieser ihr „weggenommenen“ Entscheidung auf ihre Unwissenheit und fehlende Wissenszurechnung nach §§ 308, 309 AktG beruft. Grundsätzlich gilt: Jedes Unternehmen ist für seine Produkte (nicht nur) im Rahmen der Gewährleistung verantwortlich. Dabei geht es hier um das Fahrzeug mit Motor EA 189 und nicht, wie man unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags glauben könnte, um einen Motor EA 189 (mit Fahrzeug drumherum). Lässt sich die Beklagte diese Verantwortung abnehmen, delegiert sie diese jedoch nicht (wirksam), die Verantwortung für das Fahrzeug bleibt bei ihr. Dies wird bei der Frage der Garantenpflicht der Beklagten (siehe dazu unten unter Ziffer B I 2 b cc) zu berücksichtigen sein.
Die Beklagte wird dadurch auch nicht unbillig belastet, weil ihr ein entsprechender Ausgleichsanspruch gegen die V. AG zusteht (§ 302 Abs. 1 AktG).
b) Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an. Die Vorstände der Beklagten hatten nämlich im November 2013 bereits ebenfalls entsprechendes positives eigenes Wissen (§ 31 BGB):
aa) Im vorliegenden Fall ergibt sich in Abweichung zu den im Urteil des BGH vom 08.03.2021 (VI ZR 505/19, WM 2021, 751) zugrunde gelegten Tatsachen die Besonderheit, dass U. H. zum 01.07.2013 Mitglied im Vorstand der A. AG (Entwicklungschef) wurde und es bis zum Herbst 2015 blieb. Zuvor war er bei der Konzernmutter (V. AG) seit 01.01.2007 Markenvorstand mit dem Geschäftsbereich Entwicklung gewesen.
bb) Unterstellt man zunächst positive Kenntnis (dazu sogleich unter Ziffer B I 2 b ee) des Herrn H. über die Vorgänge und Manipulationen im Zusammenhang mit dem EA 189 aus der Zeit seiner Tätigkeit bei der Konzernmutter (V. AG), hatte die Beklagte seit dem 01.07.2013 über Herrn H. ebenfalls Kenntnis hiervon (§ 31 BGB).
cc) Dass das Fahrzeug des Klägers bereits erstmalig zugelassen und damit von der Beklagten vor dem 01.07.2013 in Verkehr gebracht worden war, hindert eine Haftung nach § 826 BGB unter dem Blickwinkel der (nachträglichen unterlassenen) Aufklärungspflicht aufgrund vorangegangenen pflichtwidrigen Tuns (Ingerenz) nicht.
Dem Handeln im Sinne eines positiven Tuns steht ein Unterlassen nur gleich, sofern eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Bei den unechten Unterlassungsdelikten muss ein besonderer Rechtsgrund festgestellt werden, wenn jemand ausnahmsweise dafür verantwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat, zum Schutz fremder Rechtsgüter aktiv zu werden. Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, den deliktischen Erfolg abzuwenden, also eine Garantenstellung innehaben. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, genügen nicht. Ob eine solche Garantenstellung besteht, die es rechtfertigt, das Unterlassen der Erfolgsabwendung dem Herbeiführen des Erfolgs gleichzustellen, ist nicht nach abstrakten Maßstäben zu bestimmen. Vielmehr hängt die Entscheidung von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab; dabei bedarf es einer Abwägung der Interessenlage und der Bestimmung des konkreten Verantwortungsbereichs der Beteiligten. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Garantenstellung aus einer rechtlichen Sonderbeziehung hergeleitet werden soll (BGH, Urteil vom 14.10.2014, VI ZR 466/13, WM 2014, 2214, 2216, Randziffer 17; s.a. Urteil vom 27.02.2020, VII ZR 151/18, NJW 2020, 1514, 1519f., Randziffer 49). Alle Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person in besonderer Weise zum Schutz des gefährdeten Rechtsguts aufgerufen ist und dass sich alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person verlassen und verlassen dürfen (BGH, Beschluss vom 08.03.2017, 1 StR 466/16, WM 2017, 1047, 1049, Randziffer 16).
Eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung kann sich nicht nur aus dem Gesetz oder aus vertraglichen Regelungen ergeben, sondern auch aus dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens, insbesondere aus der Verletzung von Verkehrspflichten (BGH, Urteil vom 09.11.2011, I ZR 150/09, GRUR 2012, 304, 308, Randziffer 60).
Betrachtet man jüngere Entscheidungen des BGH zur Frage bestehender Garantenpflicht aus vorangegangenem pflichtwidrigem Tun, wurde eine solche Garantenpflicht bejaht für den Nichtverschluss der Zugangsdaten zu einem eBay-Konto (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2009, I ZR 114/06, WM 2009, 1005, 1006, Randziffer 18), für von vorneherein durch den Host-Provider ermöglichte wettbewerbswidrige Werbeanzeigen auf Internetseiten (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2010, I ZR 155/09, GRUR 2011, 617, 620, Randziffer 45), für das Zulassen des Angebots von gewaltverherrlichenden Medien auf einer Internethandelsplattform für den Plattformbetreiber (hier: eBay; vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007, I ZR 18/04, WM 2007, 1812, 1816, Randziffer 36), für die Ankündigung einer telefonischen Beratung durch einen Steuerhilfeverein ohne Hinweis auf die Notwendigkeit der Mitgliedschaft der zu Beratenden (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2007, I ZR 153/04, GRUR 2008, 186, 188, Randziffer 21) sowie für die Rabattgutscheinwerbung für Glasschadensbehebung zur Reduzierung der Selbstbeteiligung des Geschädigten ohne Zustimmung der jeweiligen Versicherung (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007, I ZR 60/05, GRUR 2008, 530, 532, Randziffer 21).
Im vorliegenden Fall wusste (s. dazu unten unter Ziffer B I 2 b ee) Herr H. aus der Zeit seiner Tätigkeit bei der V. AG als Markenvorstand mit dem Bereich Entwicklung positiv von den Abgasmanipulationen mit Umschaltlogik rund um den EA 189. Dann vermittelte er der Beklagten spätestens ab dem 01.07.2013 als Mitglied in deren Vorstand entsprechendes Wissen (§ 31 BGB). Angesichts der großen Tragweite der Manipulation (jedem Eigentümer/Besitzer eines solchen Fahrzeugs droht[e] grundsätzlich der Widerruf der Zulassung für sein Fahrzeug: vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1080, Randziffer 21) hat der Senat unter Berücksichtigung o.g. Fallbeispiele für die Annahme einer Garantenpflicht aus Ingerenz keine Zweifel, dass dieses Wissen für die Beklagte ab dem 01.07.2013 offenbarungspflichtig im Sinne einer Garantenpflicht war, wobei hier zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte die EA 189-Motoren völlig ungeprüft, also sozusagen an § 377 HGB vorbei sowie unter Außerachtlassung eigener Verkehrssicherungspflichten, übernommen und in ihre Fahrzeuge eingebaut haben will.
Das Urteil des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, WM 2020, 1078) steht im Hinblick auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs als Neufahrzeug vor dem 01.07.2013 nicht entgegen:
Zwar wurde die grundsätzliche strategische Entscheidung zum Einbau des EA 189 in Fahrzeuge der Beklagten zu einem Zeitpunkt weit vor dem 01.07.2013 getroffen, als zumindest über Herrn H. diesbezügliches Wissen bei der Beklagten über § 31 BGB nicht nachweisbar ist.
Dies wird jedoch, wie soeben dargelegt, durch die seit 01.07.2013 bestehende Garantenpflicht der Beklagten mit der Pflicht zur Offenbarung ihres Wissens hierüber als sittenwidrige Schädigung durch Unterlassen ersetzt. Denn für die Frage der Bewertung als sittenwidrige Schädigung ist das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Schadenseintritt beim Geschädigten zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, WM 2021, 652, Leitsatz 2). Hier wäre es für die Beklagte ohne Weiteres möglich gewesen, durch einen entsprechenden öffentlichen Warnhinweis ab dem 01.07.2013 weitere Schädigungen beim Kauf von entsprechenden (auch Gebraucht-) Fahrzeugen zu verhindern, nachdem die Beklagte sich zuvor hinsichtlich des Motors EA 189 nach eigenem Vortrag um nichts gekümmert hatte (abgesehen vom Einbau in ihre Fahrzeuge).
Darüber hinaus hätte die Beklagte durch eine entsprechende rechtzeitige Offenbarung ihr sittenwidriges Verhalten problemlos beseitigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, WM 2021, 652, 654, Randziffern 15 bis 17).
dd) Das Fahrzeug selbst hat der Kläger im November 2013 erworben, also nach dem 01.07.2013.
ee) Die Beklagte trifft für ihr Wissen (§ 31 BGB) sowie dasjenige des Herrn H. im hier vorliegenden Fall die sekundäre Darlegungslast:
Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 04.12.2012, VI ZR 378/11, WM 2013, 306, 308, Randziffer 16; BGH, Urteil vom 18.01.2018, I ZR 150/15, Randziffer 30; Urteil vom 24.01.2019, IX ZR 110/17, WM 2019, 452, 457, Randziffer 46; vgl. a. Urteil vom 08.01.2014, WM 2014, 1143, 1145, Randziffer 17; s.a. Urteil vom 24.10.2014, V ZR 45/13, WM 2015, 230, 232, Randziffer 22; Urteil vom 19.05.2016, III ZR 274/15, WM 2017, 347, 351, Randziffer 40; Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1082, Randziffer 37). Eine sekundäre Darlegungslast besteht aber nicht, soweit für die primär beweisbelastete Partei eine weitere Sachaufklärung möglich und zumutbar ist (BGH, Beschluss vom 05.01.2017, VII ZR 184/14, BauR 2017, 721, 723, Randziffer 19). Begegnet im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu bringen vermag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden. Andernfalls würde in einem solchen Fall, in dem sowohl der darlegungs- und beweisbelasteten Partei als auch der Gegenpartei Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, letztlich die Darlegungslast vollständig umgekehrt und der Gegenpartei – unabhängig von ihren Kenntnissen und Erkenntnismöglichkeiten – auferlegt (BGH, Urteil vom 19.10.2017, III ZR 565/16, WM 2017, 2191, 2193, Randziffer 23). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Es spielt dabei weder eine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz um eine strafrechtliche Norm handelt, noch, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (BGH, Urteil vom 10.02.2015, VI ZR 343/13, WM 2015, 743, 744, Randziffer 11). Das ist jedoch nicht der Fall, wenn beide Parteien Außenstehende sind, mag die eine Partei auch über besseres Fachwissen verfügen, solange sie nicht Einblick in die Verhältnisse im Zusammenhang mit den zu beweisenden Tatsachen hat (BGH, Urteil vom 04.12.2012, VI ZR 378/11, WM 2013, 306, 308, Randziffer 16). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, Urteil vom 03.06.2014, VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797, 2798, Randziffer 20; s.a. Beschluss vom 09.01.2018, II ZB 14/16, WM 2018, 556, 558, Randziffer 41). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 03.06.2014, VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797, 2798, Randziffer 20; s.a. BGH, Urteil vom 22.07.2014, KZR 27/13, NJW 2014, 3089, 3090, Randziffer 17). Dabei obliegt es dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244, 3245, Randziffer 18).
Zumindest Letzterem (Anstellen zumutbarer Nachforschungen) ist die Beklagte angesichts der Tätigkeit des Herrn H. vor dem 01.07.2013 bei der V. AG nicht nachgekommen:
Bereits mit der Klage (Schriftsatz vom 19.12.2018, dort Seite 69) listete der Kläger im Rahmen des Vortrags zur Haftung wegen Fehlverhaltens der Verrichtungsgehilfen bzw. der Vorstände von der Beklagten zu offenbarende Tatsachen auf, die sich allein in ihrem Kenntnisbereich abgespielt haben, also zusammengefasst und ergänzt insbesondere
– wer hat wann in welcher beruflichen Position bei der Beklagten letztverantwortlich veranlasst, dass der Motor des Typs EA 189 samt zugehöriger Software in das Fahrzeug des Klägers eingebaut wurde (irgendwer bei der Beklagten muss dies doch angeordnet haben, auch wenn die strategische Entscheidung hierzu bei der V. AG gefallen sein mag) und welcher Schriftverkehr und welche Gespräche mit welchem Inhalt gingen dem zwischen welchen Personen in welcher jeweiligen Position auch in Bezug zur V. AG voraus (und zwar allgemein für die Serie als auch speziell für das konkrete Fahrzeug),
– welchen Tests hat die Beklagte den Motor vor Einbau in das Fahrzeug des Klägers unterworfen und wer hat in welcher Position bei der Beklagten diese mit welchem Ergebnis durchgeführt (und zwar allgemein für die Serie als auch speziell für das konkrete Fahrzeug) und welche diesbezüglichen Unterredungen bzw. Schriftverkehr fanden innerhalb der Beklagten und im Verhältnis zur V. AG durch welche Personen in welchen jeweiligen Positionen mit welchen Inhalten und Ergebnissen statt,
– inwiefern hat die Beklagte wann durch wen in welcher Position im Rahmen der ihr obliegenden Compliance sowie in Übereinstimmung mit dem Corporate Governance Kodex (möglicherweise galt § 161 AktG in einer zumindest ähnlichen Fassung wie zum 19.11.2013 zu diesem Zeitpunkt bereits) entsprechende, auch nachlaufende Kontrollen hierzu durchgeführt,
– sind im Rahmen dieser Überprüfungen Ungereimtheiten bzw. Unregelmäßigkeiten erkannt worden und wenn ja durch wen in welcher Position mit welchen Folgen, Schriftverkehr und Gesprächen zwischen welchen Personen bei der Beklagten und der V. AG?
Das Argument der Beklagten, der Kläger habe sich nicht in Beweisnot befunden, weil er die Konzernmutter der Beklagten, die V. AG hätte verklagen können, greift nach Ansicht des Senats nicht: Entscheidend ist nicht die Klagemöglichkeit des Klägers gegen die V. AG sondern das hier vorliegende Prozessrechtsverhältnis gegen die Beklagte. Und auch hier befindet sich der Kläger in genau der gleichen Beweisnot wie gegenüber der V. AG.
Der Kläger hat hier konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen hatte, die es naheliegend erscheinen lassen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 04.02.2021, III ZR 7/20, Randziffer 25), dass (zumindest einer der) Vorstände der Beklagten die grundlegende strategische Entscheidung von den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der V. AG verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Billigung getroffen haben (bzw. hat) bzw. jahrelang kannten. Im Schriftsatz vom 13.11.2019 (dort Seiten 8 bis 13 = Bl. 185/190 d. A.; 16 bis 17 = Bl. 193/194 d. A.) hat der Kläger verschiedene Personen, großenteils in der Entwicklungsabteilung der V. AG in den Jahren bis 2011 beschäftigt benannt, die dann nach Wechsel zur Beklagten dort Führungsfunktionen, teilweise auch im Vorstand, einnahmen (die Herren Dr. W., Ha., H., St., W.). Die Personalwechsel zwischen der Beklagten, der P. AG, der V. AG und V.-A. Espaňa S.A. hat die Beklagte auch gar nicht in Abrede gestellt.
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten die übrigen Genannten einmal weglässt, liegt es gerade in Bezug auf die Person des Herrn H., seit 01.07.2013 Vorstand bei der Beklagten, äußerst nahe (bis zum Wechsel zur Beklagten war er als Markenvorstand der V. AG in deren Entwicklungsabteilung tätig), dass dieser bei seinem Wechsel zur Beklagten am 01.07.2013 genau in die Vorgänge im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Vertrieb der Motoren des Typs EA 189 der V. AG eingeweiht war und von der Umschaltlogik für Prüfstandfahrten und der dortigen Verminderung der NOx-Konzentrationen gewusst hat.
Soweit ersichtlich nirgends hat die Beklagte hierzu auch nur ansatzweise Vortrag gehalten, wer u.a. von diesen Herren, insbesondere Herr H., wann etwas in welcher Funktion über Manipulationen des Abgasverhaltens des EA 189 erfahren hat, obwohl sie von den Prozessparteien allein über entsprechende Kenntnisse verfügt bzw. sich diese mühelos beschaffen kann. So hat die Beklagte zwar behauptet aber nirgends auch nur ansatzweise begründet, wieso sie benötigtes Wissen aus ihrem Unternehmen nicht beschaffen kann. Im Gegenteil: Die Beklagte bestreitet das Bestehen einer sekundären Darlegungslast mit der Begründung, dass von ihr letztlich verlangt werde, Informationen preiszugeben, die ihrem Gegner möglicherweise erst zum Prozesssieg verhülfe (Schriftsatz vom 14.01.2020, Seite 17 = Bl. 279 d. A.). Wenn schon die Beklagte dies für möglich hält, der Kläger aber größtenteils hierüber nichts wissen kann, ist das gerade der klassische Fall der sekundären Darlegungslast. Auch die Beklagte ist in ihrem Vortrag zur Wahrheit und Vollständigkeit verpflichtet.
Entsprechender Vortrag findet sich auch nicht in ihrem Schriftsatz vom 04.11.2020 (Bl. 447/493 d. A.) nach entsprechendem Hinweis des Senats zur sekundären Darlegungslast mit Verfügung vom 21.08.2020 (Bl. 425/427 d. A.):
Es kommt nicht darauf an, wo sich die Entwicklung des Motors EA 189 abgespielt hat. Die Beklagte hat, wenn auch als beherrschte Konzerntochter, den Motor, eingebaut in ihren Fahrzeugen, vertrieben und trägt hierfür zivilrechtlich auch außerhalb vertraglicher Mängelhaftung gegenüber ihren Kunden die entsprechende Verantwortung und zunächst nicht die V. AG. Dementsprechend zielen die oben gestellten Fragen auch nicht auf Vorgänge bei der V. AG sondern bei der Beklagten. Und hierfür trägt die Beklagte als allein ihr bekannte Tatsachen die sekundäre Darlegungslast, insbesondere weil Herr H. seit 01.07.2013 Mitglied des Vorstandes der Beklagten war. Dabei kommt es nicht darauf an, dass Herr H. die Anweisung zum Einbau während seiner Tätigkeit bei der V. AG selbst gegeben haben könnte. Allein die positive Kenntnis hiervon reicht aus. Dass dieser aber zuvor in seiner Position als Markenvorstand mit dem Bereich Entwicklung bei der V. AG von der strategischen Entscheidung, den EA 189 (auch) in die Fahrzeuge der Beklagten einzubauen, nichts mitbekommen haben sollte, hält der Senat für so gut wie ausgeschlossen. Hierzu trägt die Beklagte auch gerade nichts vor. Ein positiver Nachweis der Kenntnis des Herrn H. ist im Zivilprozess aber nicht erforderlich, bevor die Annahme sekundärer Darlegungslast greift. Genau diese Konstellation begründet aber die sekundäre Darlegungslast der Beklagten.
Wusste aber Herr H. bei Antritt seines Vorstandsamtes am 01.07.2013 bei der Beklagten über die Vorgänge um den EA 189 Bescheid, war seine weitere Untätigkeit bis zum Kauf des Gebrauchtfahrzeugs durch den Kläger auch sittenwidrig, weil er genau wusste, dass die Konstruktion des Fahrzeugs allein auf Betrug durch die V. AG gegenüber den Käufern abzielte und er dagegen im Bereich der Beklagten ab dem 01.07.2013 nicht einschritt.
Die Beklagte kann deshalb für eine mögliche Haftung nach § 826 BGB die Verantwortung auch nicht bei der Konzernmutter V. AG „abladen“. Insbesondere zur konkreten Kommunikation zwischen ihr und der Konzernmutter V. AG hinsichtlich der Abgassteuerung trägt sie nämlich ebenfalls nichts vor.
Kein Vortrag ist auch zu Ergebnissen bei der Überwachung, „dass die genehmigte Produktion nicht aus dem Serienprozess hinausläuft“, zu vermerken.
Zufrieden geben darf sich nach Auffassung des Senats die Beklagte auch nicht damit, dass „bis heute keine Erkenntnisse dafür vor“lägen, „dass Vorstandsmitglieder der Beklagten vor dem 18. September 2015 Kenntnis von der Umschaltlogik in der Software für den Motorentyp EA189 … gehabt hätten, sodass auch ein vertiefendes Vorgehen nicht angezeigt war.“ Nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH hat die V. AG ihre Kunden vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, sodass dieser Vorwurf gegenüber der Beklagten als beherrschter Konzerntochter alles andere als fern liegt und ein entsprechender Anfangsverdacht eben gerade nicht verneint werden kann, was aber selbst nach Beklagtenvortrag zu vertiefter Überprüfung Anlass gäbe, zumal sie den beruflichen Lebenslauf des Herrn H. kennt. Ansonsten liefe dies auf organisierte Unverantwortlichkeit hinaus: Der Vorstandsvorsitzende wird über die technische Basis der Übereinstimmungserklärungen für Fahrzeuge der Beklagten mehr oder weniger bewusst im Unwissenden gelassen, während die unterhalb der Vorstandsebene Verantwortlichen zwar genaue Kenntnis haben, deren Wissen jedoch (gegebenenfalls entgegen § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zurechenbar sein soll.
Damit einhergehend teilt der Senat die Ausführungen der Beklagten zur nach ihrer Ansicht nicht ausreichenden Wissenszurechnung zumindest nicht vollständig: Ein entsprechend Verantwortlicher (§§ 31, 831 BGB), der weiß, dass das Abgasverhalten des EA 189 durch die Umschaltlogik rechtswidrig manipuliert ist, gegen die weitere Auslieferung der Fahrzeuge (auch durch Weiterverkauf als Gebrauchtfahrzeug) jedoch nichts unternimmt, handelt vorsätzlich und sittenwidrig entsprechend § 826 BGB, wofür die Beklagte einzustehen hat, da sie, soweit § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB betroffen ist, den Entlastungsbeweis für ihre Mitarbeiter nicht angetreten hat, und im Fall des Wissens von Vorstandsmitgliedern ihr dieses Wissen ohne Möglichkeit der Entlastung zugerechnet wird (§ 31 BGB).
Genau zu diesem Wissen, und insbesondere auch, wann denn wer bei der Beklagten dieses Wissen erstmals von wem erlangt hat, hat die Beklagte keinen Vortrag gehalten.
Auch das Urteil des BGH vom 08.03.2021 (VI ZR 505/19, WM 2021, 751) steht nicht entgegen, weil im hier vorliegenden Fall die Beklagte gerade keine Angaben zum Informationsaustausch zwischen der Beklagten und der V. AG, insbesondere, soweit die Person des Herrn H. betroffen ist, gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, WM 2021, 751, 755, Randziffer 30), obwohl dies, wie dargelegt, von ihrer sekundären Darlegungslast umfasst gewesen wäre. Denn das Urteil des BGH vom 08.03.2021 hatte gerade nicht zum Gegenstand, dass nachträglich (aber vor Verkauf des Gebrauchtfahrzeugs an den Kläger) ein (Mit-) Wissender bei der V. AG von der strategischen Entscheidung dort, den EA 189-Motor in Fahrzeuge der Beklagten einzubauen, Vorstand bei der Beklagten wird.
c) Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob und inwieweit Entsprechendes für die Frage der Haftung der Beklagten wegen vorsätzlichen und sittenwidrigen Fehlverhaltens für ihre Verrichtungsgehilfen (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB) gilt. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsste sich diese sehr wohl für das Verhalten sämtlicher Mitarbeiter exkulpieren, die in diesem Zusammenhang entscheidungsberechtigt waren. Eine diesbezügliche Einschränkung ergibt sich innerhalb der Grenzen des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB gerade nicht.
d) Aufgrund des fehlenden Vortrags der Beklagten zu diesen Punkten ist der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe in Person ihrer Vorstandsmitglieder (über Herrn H.) von den Manipulationen zum Zeitpunkt des Kaufs seines Kraftfahrzeugs gewusst, als zugestanden zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15, NJW 2016, 2106, 2110, Randziffer 49; Urteil vom 21.09.2017, I ZR 11/16, NJW 2018, 772, 777, Randziffer 49; Urteil vom 24.01.2019, IX ZR 110/17, WM 2019, 452, 457f., Randziffer 46; s.a. Urteil vom 19.07.2019, V ZR 255/17, WM 2019, 2214, 2221, Randziffer 56; Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1082f., Randziffer 37; Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 367/19, WM 2020, 1640, 1641, Randziffer 16; Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, WM 2020, 1642, 1644, Randziffer 15; Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, WM 2021, 751, 754, Randziffer 27).
3. Die zu vermutende (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, WM 2020, 1078, 1082, 1084f., Randziffer 49) Ursächlichkeit dieser Unterlassung der Beklagten für den Kaufentschluss des Klägers und damit seinen Schadenseintritt ergibt sich schon daraus, dass angesichts des drohenden Widerrufs der Zulassung kaum anzunehmen ist, dass der Kläger in Kenntnis der wahren Umstände das Fahrzeug erworben hätte. Der Kläger, hierzu als Partei vernommen, hat dies so bestätigt. Auch wenn hier offen bleiben kann, ob der Senat von der Richtigkeit der weiteren Angaben des Klägers dahingehend überzeugt ist, er habe das Fahrzeug auch unter Umweltaspekten ausgesucht, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger 2013 das Fahrzeug auch in Kenntnis eines drohenden Widerrufs der Zulassung wegen der Abgasmanipulation erworben hätte. Der Senat ist hiervon aufgrund eigener Einvernahme des Klägers überzeugt.
4. Verjährungsfragen stellen sich hier nicht, da der Kläger den Rechtsstreit noch 2018 anhängig gemacht hat, wodurch der Ablauf der Verjährungsfrist rechtzeitig gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB; § 167 ZPO).
II.
Der ersatzfähige Schaden des Klägers beträgt € 15.076,06.
1. In ständiger Rechtsprechung legt der Senat eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung der vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeuge von 250.000 km zugrunde, solange nicht spezielle Einzeltatsachen den Schluss auf eine größere oder geringere Laufleistung zulassen, was hier nicht ersichtlich ist.
2. Den aktuellen Km-Stand des Fahrzeugs zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat schätzt (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) der Senat auf 148.840 km. Der Kläger hat dies in seiner Parteivernehmung so bekundet. Zwar bleibt hier ein gewisses Maß der Unsicherheit. Andererseits wäre die Richtigkeit ohne weiteres kontrollierbar und die Nutzungsentschädigung muss bei tatsächlicher Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte als nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretene Tatsache neu berechnet werden, sodass ein Interesse des Klägers an einer falschen Angabe gering ist. Deshalb ist der Senat von der Richtigkeit der Angabe des Klägers überzeugt.
3. Nach dem Grundsatz linearer Abnutzung (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, WM 2020, 1642, 1646, Randziffer 35) errechnet sich der Nutzungsabzug damit wie folgt:
„Km-Stand bei Kauf: 25.350 Km-Stand zum Schluss mündlicher Verhandlung: 148.840 gefahrene Km: 148.840 – 25.350 = 123.490 durchschnittliche Restkilometer ab Kauf: 250.000 – 25.350 = 224.650.“
Nutzungsersatz: € 33.480 x 123.490 / 224.650 = € 18.403,94.
erlittener Schaden: € 33.480 – € 18.403,94 = € 15.076,06.
4. Die Zinsen sind seit Rechtshängigkeit + 1 Tag (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2009, VIII ZR 286/07, VersR 2010, 249, 253, Randziffer 39; Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15, NJW 2016, 78, 87, Randziffer 101; Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 562/15, WM 2017, 1643, 1652, Randziffer 103; Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 443/16, WM 2017, 2248, 2251, Randziffer 27; Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 555/16, WM 2017, 2259, 2260, Randziffer 21; Urteil vom 25.09.2019, IV ZR 99/18, WM 2019, 2015, 2017, Randziffer 35), also ab dem 24.01.2019, geschuldet.
C
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative ZPO, wobei die Verteilung für die Berufungsinstanz durch Gesamtkostenvergleich ermittelt wurde.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen und dieses Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO.
Da die Beurteilung eines Verhaltens als sittenwidrig als Rechtsfrage der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, WM 2021, 652, 654, Randziffer 14), ist es nicht ausgeschlossen, dass die Bewertung des Verhaltens der Beklagten durch den BGH als sittenwidrig zu einem anderen Ergebnis als beim entscheidenden Senat des OLG München führt, weshalb die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 08.03.2021 (VI ZR 505/19, WM 2021, 751, 755, Randziffer 30) ebenso zu bejahen ist wie die (Gefahr einer) Divergenz (§ 542 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 2. Alternative ZPO) zu dieser Entscheidung.
Die Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage der Haftung des Schädigers dem Grunde nach ist, da Letztere grundurteilsfähig wäre, wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2013, V ZR 113/12, NJW 2013, 1948, 1948, Randziffer 11).


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