IT- und Medienrecht

Heranziehung zu Beitrag zur Verbesserung der Wasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  AN 1 K 15.01391

Datum:
18.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1
VES-WAS § 6

 

Leitsatz

Zum Zeitpunkt des Entstehens eines Verbesserungsbeitrags auf der Grundlage einer Verbesserungsbeitragssatzung mit Benutzbarkeit der verbesserten Einrichtung (Art. 5 Abs. 5 S. 2 KAG) muss ein Einrichtungsträger nicht nur über eine wirksame Verbesserungsbeitragssatzung, sondern gleichzeitig auch über eine Herstellungsbeitragssatzung mit neu kalkulierten Beitragssätzen (für Neuanschließer) verfügen (wie VGH München BeckRS 2003, 11846). (redaktioneller Leitsatz)
Zwar steht es dem Betreiber einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage offen, die Investitionskosten für Sachanlagen über Gebühren oder über Beiträge oder gemischt über Gebühren und Beiträge zu finanzieren, ihm ist es dabei aber aus Gründen der Gleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern nicht erlaubt, die Sachanlagen über einen Zeitraum von 10 Jahren über Gebühren zu finanzieren und die Gesamtkosten nach dieser Zeit einer neuen Beitragskalkulation zugrunde zu legen, um damit einen Wechsel von der Gebühren- zur Beitragsfinanzierung zu erreichen. (redaktioneller Leitsatz)
Die Rechtsprechung des VGH München zur Hinnehmbarkeit einer unbewussten Überdeckung bis zu einer Grenze von 12% (vgl. VGH München BeckRS 1998, 18498) kann nicht entsprechend für den Fall einer Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern herangezogen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Verbesserungsbeitragsbescheide des Beklagten vom 26. Februar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 10. August 2015 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.800 EUR vorläufig vollstreckbar.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Verbesserungsbeitragsbescheide des Beklagten vom 26. Februar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 10. August 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Bescheide finden in Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und in den
Bestimmungen der Beitragssatzung des Beklagten für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung (VES-WAS) vom 19. März 2015 keine Rechtsgrundlage.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Wasserversorgungseinrichtungen. Der Beklagte betreibt eine derartige Einrichtung für sein Versorgungsgebiet (§ 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungsanlage – Wasserabgabesatzung – WAS – vom 18.12.2001).
Der Beklagte hat von der ihm durch Art. 5 Abs. 1 KAG i. V. m. Art. 22 Abs. 2 des Gesetzes über die Kommunale Zusammenarbeit – KommZG – eingeräumten Ermächtigung durch den Erlass der VES-WAS vom 19. März 2015, rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 2013, Gebrauch gemacht.
Zwar bestehen gegen das formell-ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung keine Bedenken. Jedoch bietet die VES-WAS des Beklagten vom 19. März 2015 in materiell-rechtlicher Hinsicht den streitgegenständlichen Verbesserungsbeitragsbescheiden keine gültige Rechtsgrundlage. Denn diese Satzung erweist sich bereits deshalb als nichtig, weil die gleichzeitig erlassene Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung – BGS-WAS – des Beklagten vom 19. März 2015, ebenfalls rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 2013, nichtig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U. v. 27.2.2003, 23 B 02.1032) muss zum Zeitpunkt des Entstehens eines Verbesserungsbeitrags auf der Grundlage einer Verbesserungsbeitragssatzung mit Benutzbarkeit der verbesserten Einrichtung (Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG) ein Einrichtungsträger nicht nur über eine wirksame Verbesserungsbeitragssatzung, sondern gleichzeitig auch über eine Herstellungsbeitragssatzung mit neu kalkulierten Beitragssätzen (für Neuanschließer) verfügen. An einer solchen wirksamen Herstellungsbeitragssatzung des Beklagten fehlt es hier.
Denn die BGS-WAS des Beklagten vom 19. März 2015 ist im Beitragsteil nichtig, weil sich die veranschlagten Beitragssätze nicht in rechtlich zulässiger Form aus der Globalkalkulation ergeben. So erweist sich die Berechnung der Herstellungsbeiträge in der BGS-WAS vom 19. März 2015 (für Neuanschließer) schon deshalb als fehlerhaft, weil die Summe des für die Berechnung zugrunde gelegten Herstellungsaufwands in rechtlich unzulässiger Weise ermittelt wurde. Denn die Investitionskosten für die in den Jahren von 2001 bis 2010 angefallenen Sachanlagen in Höhe von insgesamt 1.367.802,65 EUR (vgl. Ziff. I.1.3 der in der mündlichen Verhandlung vom 3.5.2016 vorgelegten Anlage 1 zur Globalberechnung vom 28.2.2015, Bl. 57 der Gerichtsakte) durften jedenfalls nicht in vollem Umfang in die Summe der Herstellungskosten einbezogen werden.
Zwar steht es dem Betreiber einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage, wie hier dem Beklagten, offen, die Investitionskosten für derartige Sachanlagen über Gebühren oder über Beiträge oder gemischt über Gebühren und Beiträge zu finanzieren (vgl. Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Ziff. 4.1.3.1.; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IV Frage 3.; Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Rn. 1.3 zu Art. 5 KAG; BayVGH B. v. 17.9.1993, 23 CS 92.655).
Dem Beklagten ist es dabei jedoch aus Gründen der Gleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern nicht erlaubt, die fraglichen Sachanlagen über einen Zeitraum von 10 Jahren über Gebühren zu finanzieren und die Gesamtkosten nach dieser Zeit einer neuen Beitragskalkulation zugrunde zu legen, um damit einen Wechsel von der Gebühren- zur Beitragsfinanzierung zu erreichen.
Trotz der insoweit widersprüchlichen und teilweise schwer nachzuvollziehenden Angaben des Beklagten zur Kalkulation der Gesamtkosten geht die Kammer davon aus, dass zumindest bei den vom Beklagten in den Jahren bis 2010 getätigten Sachanlagen zunächst eine Gebührenfinanzierung erfolgt ist. Maßgeblich sind hierfür insbesondere die Angaben der Bevollmächtigten des Beklagten aus ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2016, aber auch der Hinweis, dass keine Anpassung der Beiträge stattgefunden habe, vielmehr die „Anschaffungs- und Herstellungskosten in die kalkulatorischen Kosten = Gebühren eingeflossen“ seien. (vgl. Anlage B4 zum Schriftsatz vom 14.7.2016, Bl. 77 der Gerichtsakte).
Selbst wenn man von der Möglichkeit des Wechsels der Gebührenfinanzierung der genannten Sachanlagen zur Beitragsfinanzierung ausginge, durfte jedenfalls der Sachanlagenwert nicht ungeschmälert in der Summe der Herstellungskosten einfließen und damit der Berechnung der BGS-WAS zugrunde gelegt werden. Denn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BGS-WAS vom 19. März 2015 bestand dieser Wert schon nicht mehr fort, da bereits zum Teil eine Gegenfinanzierung über Gebühren erfolgt war, was sich auch in den um die Abschreibungen reduzierten Buchwerten der Sachanlagen widerspiegelt.
Damit kam es auch nicht mehr auf die Frage an, ob die Gebührenkalkulation nach Inkrafttreten der neuen BGS-WAS insofern angepasst wurde, dass jetzt keine Finanzierung der Sachanlagen durch Gebühren mehr erfolgt.
Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Hinnehmbarkeit einer unbewussten Überdeckung bis zu einer Grenze von 12% (vgl. BayVGH, U. v.10.11.1998, 23 B 97.439) ergibt sich nichts anderes. Vorliegend spricht nämlich einiges dafür, dass keine kalkulatorische Überdeckung der Gesamteinrichtung erfolgte, sondern sogar eine Unterdeckung vorliegen könnte. Hingegen kann diese Rechtsprechung nicht entsprechend für den Fall einer Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern herangezogen werden. Darüber hinaus wäre hier keinesfalls von einer unbewussten Einstellung in die Kalkulation auszugehen, nachdem der Beklagte den Finanzierungswechsel von Gebühren- zu Beitragseinnahmen bewusst vorgenommen und damit auch bewusst nur die Neuanschließer mit Beiträgen belastet und die fraglichen Investitionskosten aus den Jahren 2001 bis 2010 in Höhe von immerhin 1.367.802,65 EUR nicht auch zumindest teilweise über Verbesserungsbeiträge auch auf die Altanschließer umgelegt hat.
Eine Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Altanschließer über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren durch eventuell höhere Gebühren möglicherweise für eine den Neuanschließern vergleichbare Gegenfinanzierung der Investitionskosten gesorgt haben. Denn wie vom Ersteller der Globalkalkulation vom 28. Februar 2015 (Bl. 57 der Gerichtsakte), … in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2016 vorgetragen wurde, erfolgt eine Kalkulation der Gebührenelemente für Investitionen über einen Zeitraum von ca. 50 Jahren, weshalb auch nicht von einer auch nur annähernden Gleichbelastung von (zu Gebühren herangezogenen) Altanschließern und (mit Beiträgen belasteten) Neuanschließern ausgegangen werden kann.
Infolge der oben dargelegten Nichtigkeit des der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzungswerks kam es entscheidungserheblich nicht mehr darauf an, ob die mit Bescheid für das Grundstück FlNr. … abgerechnete Geschoßfläche der Lagerhalle zu einem Verbesserungsbeitrag herangezogen werden konnte.
Insoweit dürfte sich aber zum einen aus der Anlage zum Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts … vom 20. September 1996, in der die Zahl der in der Lagerhalle Beschäftigten auf 8 bis 10 männliche Personen und die Art der gewerblichen Tätigkeit auf die „Auslagerung, Sortierung und Demontage von Kunststoffteilen“ festgelegt wurde, ergeben, dass die Halle zum längeren Aufenthalt von Personen dient und bei typisierender Betrachtungsweise nach objektiven Gesichtspunkten einen Anschlussbedarf und damit eine Beitragspflicht auslöst, auch wenn die Halle keinen tatsächlichen Anschluss an die Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten besitzt (vgl. BayVGH, U. v. 4.8.2010, 20 B 09.2830; B. v. 10.1.2012, 20 ZB 11.2816). Darüber hinaus hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2016 erstmals vorgetragen, dass diese Auffassung jedenfalls nunmehr zutreffend sei, da sie beabsichtige, Teile der Produktion in die hier relevante Betriebshalle zu verlagern.
Nach alledem war daher der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es der Klägerin nach ihren persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Beistand alleine zu betreiben (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Auflage, Rn. 13 zu § 162).
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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