IT- und Medienrecht

Identifizierende Bildberichterstattung über Verwaltungsgerichtsverfahren

Aktenzeichen  9 O 8184/17

Datum:
16.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2018, 50517
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 194, § 823 Abs. 1, § 1004
KUG § 22 Satz 1, § 23 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
ZPO § 256

 

Leitsatz

1. Die identifizierende Bildberichterstattung über ein Verwaltungsgerichtsverfahren, welches die rechtswidrige Vermietung von Wohnraum an Medizintouristen zum Gegenstand hat, ist unzulässig; zwar ist das Thema von herausgehobenem gesellschaftlichen Interesse, betrifft aber nicht etwa die Verurteilung von Straftaten, sondern lediglich ein Verwaltungsgerichtsverfahren gegen die Vermieter – bei dieser Sachlage überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht.  (Rn. 50 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht bei dieser Sachlage allerdings nicht, weil durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, diese Verletzung jedoch nicht als so schwerwiegend anzusehen ist, dass sie zu einem befriedigenden Ausgleich eine Geldentschädigung erforderlich machen würde. (Rn. 60 – 65) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von € 5,00 bis zu € 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese jeweils zu vollziehen an dem Vorstand der Beklagten zu 1) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen
das nachstehend wiedergegebene Bildnis des Klägers zu 1), wie veröffentlicht in der Ausgabe der … vom 16. Februar 2017 auf Seite 14 und wie veröffentlicht auf dem News- und Entertainment-Portal … abrufbar seit 15. Februar 2017 unter der Internetadresse …, zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von € 5,00 bis zu € 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
das nachstehend wiedergegebene Bildnis des Klägers zu 1), wie veröffentlicht auf dem News- und Entertainment-Portal … abrufbar seit 15. Februar 2017 unter der Internetadresse … zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) € 992,58 an vorgerichtlichen Anwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2017 zu bezahlen.
4. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von € 5,00 bis zu € 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese jeweils zu vollziehen an dem Vorstand der Beklagten zu 1) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
das nachstehend wiedergegebene Bildnis des Klägers zu 2), wie veröffentlicht in der Ausgabe der … vom 16. Februar 2017 auf Seite 14undwie veröffentlicht auf dem News- und Entertainment-Portal … abrufbar seit 15. Februar 2017 unter der Internetadresse …, zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

5. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von € 5,00 bis zu € 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese jeweils zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
das nachstehend wiedergegebene Bildnis des Klägers zu 2), wie veröffentlicht auf dem News- und Entertainment-Portal … abrufbar seit 15. Februar 2017 unter der Internetadresse … zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

6. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 2) € 992,58 an vorgerichtlichen Anwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2017 zu bezahlen.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
8. Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) je 14,3 %, die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) je 35,7 % zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) tragen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) je 35,7 %.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) tragen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) je 35,7 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) je 14,3 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) je 14,3 %.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
9. Das Urteil ist für die Kläger und – hinsichtlich der Kosten – für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage erweist sich teilweise als unzulässig; auch soweit sie zulässig ist, stellt sie sich nur teilweise als begründet dar.
I. Zulässigkeit der Klage
Hinsichtlich der Feststellungs-Anträge Ziffern II und VI ist die Klage beider Kläger jeweils unzulässig.
1. Die Kläger haben jeweils keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet wären, den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der Verbreitung und/oder Veröffentlichung der verfahrensgegenständlichen Bildnisse bereits entstanden ist und/oder zukünftig entstehen wird. Mangels Feststellungsinteresses sind die Klagen insoweit bereits unzulässig (Reichold in Thomas/Putzo, 39. Aufl., § 256 ZPO, Rn. 4 m.w.N.).
2. Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst der Vorrang der Leistungsklage. Soweit es etwaige bereits eingetretene Schäden betrifft, haben die Kläger – trotz betreffender Rüge der Beklagten – nicht deutlich gemacht, dass und warum ihnen insoweit keine Bezifferung etwaiger entsprechenden Ansprüche möglich sein sollte. Insoweit ist daher vom Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage auszugehen und das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu verneinen.
3. Darüber hinaus haben die Kläger jedenfalls das für die Feststellungsanträge Ziffern II und VI erforderliche Feststellungsinteresse nicht dargetan.
Für die Bejahung des Feststellungsinteresses genügt zwar grundsätzlich, wenn ein Schaden durch die schädigende Handlung bereits eingetreten ist, die bloße, auch nur entfernte Möglichkeit künftiger weiter Folgeschäden (Reichold in Thomas/Putzo, 39. Aufl., § 256 ZPO, Rn. 14 m.w.N.). Bei reinen Vermögensschäden hängt bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH, Urteil vom 24.1.2006 – XI ZR 384/03 NJW 2006, 830, 832 f. m.w.N.). Vorliegend haben die Kläger aber weder dargetan, dass durch die schädigende Handlung bereits ein Schaden eingetreten wäre und haben überdies auch nicht dargetan, dass die Möglichkeit künftiger Schäden bestehen würde, im Hinblick auf die ein Feststellungsinteresse bejaht werden könnte. Im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung muss es sich insoweit nämlich um etwaige künftige Ansprüche handeln, die unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen. Nach der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB handelte es sich bei einem Anspruch nämlich um das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Kläger machen geltend, im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit der rechtswidrigen Vermietung von Wohnraum an sogenannte Medizintouristen könnten ihnen angesichts der streitgegenständlichen Berichterstattung Gewinne entgangen sein oder entgehen. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass ihnen die betreffende Tätigkeit gerichtlich untersagt wurde, weil sie rechtswidrig ist. Dass die Kläger neben der verfahrensgegenständlichen, ihnen untersagten Vermietungstätigkeit auch legale Mieteinnahmen generieren würden, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Etwaigen entgangenen Gewinnen der Kläger zugrunde liegende Rechtsgeschäfte sind mithin nach dem Sach- und Streitstand gemäß § 134 BGB nichtig. Hierbei handelt es sich also nicht um unter dem Schutz des Gesetzes stehende Ansprüche i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB, da die betreffenden Geschäfte gerade gesetzeswidrig und damit nichtig sind und die Kläger insoweit daher von den jeweiligen Mietern kein Tun oder Unterlassen fordern können. Gewinn aus einer verbotenen oder sittenwidrigen Tätigkeit ist nicht zu ersetzen (Palandt/Grüneberg, 76. Aufl., § 252 BGB, Rn. 2 f. m.w.N.). Um es mit drastischen – mit dem hiesigen Verfahren nichts gemein habenden – Beispielen zu veranschaulichen:
So kann etwa ein Auftragskiller nicht geltend machen, ihm sei ein ihm durch die Beschlagnahme seines Scharfschützengewehres entgangener Gewinn zu ersetzen, weil er im betreffenden Zeitraum keine Mordaufträge habe durchführen können. Ein Drogendealer kann nicht die Ersatzpflicht einer beklagten Zeitung feststellen lassen, weil er wegen schlechter Presse über seine einschlägigen illegalen Geschäfte möglicherweise in der Folge mit dem Verkauf von illegalen Betäubungsmitteln weniger Gewinne habe erzielen können.
Mangels Rechtsschutzinteresses hat die Klage hinsichtlich der Klageanträge Ziffern II und VI mithin jeweils keinen Erfolg, sondern stellt sich bereits als unzulässig dar. Hieran ändert auch die Argumentation der Kläger nichts, dass auch andere Personen im Internet rechtswidrig Wohnraum zweckentfremden würden. Dass auch andere Personen rechtswidrige Geschäfte tätigen, führt nämlich – entgegen der Rechtsauffassung der Kläger – nicht etwa dazu, dass hierdurch unter Berufung auf eine „Gleichheit im Unrecht“ die Kläger verlangen könnten, dass ihre betreffende Geschäfte unter den Schutz des Rechts gestellt werden.
4. Hinsichtlich der übrigen Klageanträge stellt sich die Klage hingegen als zulässig dar.
II. Begründetheit der Klage
Soweit die Klage zulässig ist, erweist sie sich nur teilweise als begründet.
1. Die Kläger haben gegen die Beklagten jeweils einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Bildberichterstattung gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, § 22 Satz 1 KunstUrhG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Die ohne ihre Einwilligung erfolgte Veröffentlichung der beiden Bilder verletzt jeweils das Recht der Kläger am eigenen Bild gemäß § 22 Satz 1 KunstUrhG und damit ihr Persönlichkeitsrecht i.S.d. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
2. Das Recht am eigenen Bild ist eine unter den Sonderschutz des § 22 Satz 1 KunstUrhG gestellte besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH v. 12.12.1995 – Az. VI ZR 223/94 – Rz. 7). Das Bild einer Person ist eines der wichtigsten Elemente der Persönlichkeit, denn es zeigt ihre besonderen Eigenschaften und unterscheidet sie von ihresgleichen (EGMR v. 16.01.2014 – NJW 2014, S. 3291/3292). Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, dass die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten als Rechtsträger zusteht; nur er soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (BGH v. 05.12.1995 – Az. VI ZR 332/94 – Rz. 12). Deshalb ist gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG grundsätzlich die Einwilligung der betroffenen Person in die Veröffentlichung erforderlich.
2.1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kläger hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Fotos nicht nur keine Einwilligung i.S.d. § 22 KunstUrhG erteilt, sondern sogar ein ausdrückliches Fotografierverbot ausgesprochen haben.
Die für die Erteilung einer etwaigen ausdrücklichen oder konkludenten Zustimmung der Kläger darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben ihren betreffenden Beweisantrag … mit Schriftsatz vom 20.12.2017 zurückgezogen. Die in der öffentlichen Sitzung am 16.04.2018 jeweils informatorisch angehörten Kläger haben jeweils angegeben, dem Fotografen sei sogar ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die Kläger mit dem Fotografieren nicht einverstanden sind. Der Zeuge … hat damit korrespondierend geschildert, er habe sich mit seinem Mandanten, dem Kläger zu 2), eine Viertelstunde vor dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsgerichtsprozess vor dem Sitzungssaal getroffen. Der Kläger zu 2) sei dann zu einem sich in der Nähe aufhaltenden Fotografen gegangen und habe diesem explizit mitgeteilt, dass er nicht fotografiert werden wolle. Auch er selbst sei dann nochmal zu dem Fotografen gegangen und habe ihm mitgeteilt, wenn er Pressefotograf sei, bitte er ihn, keine Fotos zu machen und gemachte Fotos zu löschen. Der Fotograf habe dann an seinem Fotoapparat herumhantiert und geäußert, das sei jetzt erledigt.
Der Zeuge … hatte an den Vorgang noch eine gute Erinnerung und machte seine Angaben sachlich und frei von Be- oder Entlastungseifer. Er beschränkte seine Ausführungen zudem auf die Wahrnehmungen, an die er sich selbst noch belastbar erinnern konnte. Die Kammer hält die Angaben des Zeugen für glaubhaft und hat keinen Anlass, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Soweit es das Foto vom Kläger zu 2) anbelangt, korrespondiert auch dieses mit den übereinstimmenden und widerspruchsfreien Schilderungen der Kläger und des Zeugen … die abwehrende Gestik des Klägers zu 2) auf dem Foto lässt sich nämlich unschwer damit vereinbaren, dass er nicht damit einverstanden war, fotografiert zu werden. Zur Überzeugung des Gerichts steht daher nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in einer Gesamtschau fest, dass die Kläger jeweils keine Zustimmung erteilt haben, sondern sogar ein ausdrückliches Fotografierverbot ausgesprochen haben bzw. durch den Zeugen … haben aussprechen lassen.
2.2. Die Veröffentlichung/Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos der Kläger stellt sich auch nicht im Hinblick auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG als zulässig dar.
Es liegen nämlich keine Umstände vor, die eine Veröffentlichung gem. § 23 Abs. 1 KunstUrhG auch ohne ihre Einwilligung als zulässig erscheinen ließen.
Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte dürfen gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG auch ohne Einwilligung verbreitet werden, sofern nicht ein berechtigtes Interesse der Abgebildeten verletzt wird, § 23 Abs. 2 KunstUrhG. Diese Regelung stellt eine Ausnahmebestimmung zu § 22 KunstUrhG dar und erfasst Personen, die derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, dass der Allgemeinheit ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist (BGH v. 12.12.1995 – Az. VI ZR 223/94 – Rz. 9). § 23 Abs. 1 KunstUrhG ist insoweit Ausdruck der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Pressefreiheit und des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung. Diese ziehen dem ebenfalls verfassungsrechtlich – nämlich durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG – gewährleisteten Recht der Persönlichkeit Schranken, so dass im Konfliktfall beide Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen sind (EGMR v. 16.01.2014 – NJW 2014, S. 3291/3292; BVerfG v. 14.02.1973 – Az. 1 BvR 112/65 – Rz. 28; BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 64).
Die Kläger sind aber bislang nicht in die Öffentlichkeit getreten und es liegt auch insbesondere keine Selbstbegebung vor; ihr Name war der allgemeinen Öffentlichkeit außerhalb ihrer eigenen Sozialsphäre nicht bekannt. Die Kläger sind somit keine Person der Zeitgeschichte und das Foto zeigt auch kein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG – es ist gerade kontextneutral.
Bei den Fotos handelt es sich nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG. So sind – vor der Entscheidung des EGMR in der Sache … gegen … – nach der damaligen Terminologie selbst Straftäter und Angeklagte nur dann (vorübergehend) als relative Personen der Zeitgeschichte angesehen worden, wenn es sich um schwere oder spektakuläre Straftaten handelte. Nur dann wurde regelmäßig – aber keineswegs immer – ein Interesse der Öffentlichkeit an vollständig identifizierender Berichterstattung angenommen. Für die Bestimmung, ob im konkreten Fall die Straftat dem Bereich des Zeitgeschehens zugeordnet werde kann, ist insoweit stets eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Persönlichkeitsrecht des abgebildeten Straftäters einerseits und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sowie den Rechten der Presse andererseits erforderlich. Von Bedeutung ist im Rahmen dieser Abwägung gegenüber Art und Weise der Darstellung an der Person des Täters zunächst die Natur und Schwere der Tat. Für die Zulässigkeit der identifizierenden Bildberichterstattung spricht regelmäßig eine schwere bzw. besondere Straftat. Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an eine Berichterstattung, mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters, verdient das Informationsinteresse ein umso stärkeres Gewicht, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Insbesondere, wenn es sich bei schweren Gewaltverbrechen um nach Art und Schwere ganz herausstechende Taten handelt, die bei ihrer Entdeckung beträchtliche Aufmerksamkeit erregt haben, ist in der Regel ein über große Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an nähere Informationen über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive, sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (BeckOK Urheberrecht, Ahlberg/Götting, 19. Auflage, § 23 KUrhG, Rn. 8 m.w.N.).
Ein an sich geringes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über leichte Verfehlungen kann durch Besonderheiten in der Person des Täters kompensiert werden und eine Berichterstattung über Straftaten unterhalb der Schwelle der Schwerkriminalität zulassen (a.a.O.). So hat das Bundesverfassungsgericht etwa die Presseberichterstattung über eine bloße Verkehrsordnungswidrigkeit (erhebliche Überschreitung der auf französischen Autobahnen vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit) für verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gehalten, weil ein an sich geringes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über leichte Verfehlungen im entschiedenen Fall durch Besonderheiten in der Person des Täters (dort: Zugehörigkeit zu einem bedeutenden Adelshaus und damit korrespondierende hervorgehobene Position im gesellschaftlichen Leben) aufgehoben werden könne (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006 – 1 BvR 565/06, NJW 2006, 2835). Das Oberlandesgericht München hat ausgeführt, dass grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten eine identifizierende Presseberichterstattung in Betracht komme, die die Öffentlichkeit besonders berühren. Im entschiedenen Fall lag dem Antragsteller zwar „nur“ ein Vergehen der Strafvereitelung zur Last, das von der Strafdrohung lediglich dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sei. Die Berichterstattung in identifizierender Weise hielt das Oberlandesgericht daher unter dem Gesichtspunkt der Schwere des erhobenen Vorwurfs grundsätzlich für nicht zu rechtfertigen. Die Zulässigkeit der Berichterstattung ergab sich im dortigen Einzelfall allein daraus, dass dem dortigen Antragsteller zur Last lag, die Tat als Organ der Rechtspflege – also als Anwalt – begangen zu haben (OLG München, Beschluss vom 07.10.2002 – 21 W 2385/02, NJW – RR 2003, 111 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die beiden Kläger unstreitig nicht etwa prominent sind oder eine herausgehobene Stellung/eine besondere Position/einen speziellen Beruf haben, sondern „normale Bürger“ sind. Die Berichterstattung betrifft auch nicht etwa die Verurteilung von Straftaten und schon gar nicht diejenige wegen schwerer oder spektakulärer Straftaten; vielmehr handelte es sich um Verwaltungsgerichtsverfahren. Es wurde insoweit auch noch kein Bußgeld verhängt; gegen den Kläger zu 1) wurde zwar ein Zwangsgeld angeordnet und insoweit auch („Ersatz“-)Zwangshaft angedroht und später vollstreckt. Insoweit handelt es sich aber nicht um ein Bußgeld oder eine Strafe, sondern um ein akzessorisches Zwangsmittel (vgl. hierzu in dem seitens des Klägers zu 1) als dortigem Beschwerdeführer geführten Beschwerdeverfahren: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29.08.2017 [Anlage B3] – 12 C 17.1544, Rz. 3 m.w.N.).
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelte es sich bei dem Verfahren, das Gegenstand der verfahrensgegenständlichen Berichterstattung war, also um kein Bußgeld- oder anderes Ordnungswidrigkeitenverfahren, das wie das Strafrecht Sanktionscharakter aufweisen würde.
Den Beklagten ist zuzugeben, dass die im Gesamtkontext der Bildberichterstattung zu berücksichtigende Wortberichterstattung sich mit einer Thematik von herausgehobenem gesellschaftlichen Interesse, nämlich der Wohnungsnot bzw. den ansteigenden Mieten u.a. beschäftigt. Insoweit handelte es sich um eine in der gesellschaftlichen Diskussion einen besonderen Stellenwert und eine besondere Aktualität aufweisende Problematik (vgl. hierzu etwa auch die als Anlage B 2 vorgelegten Zeitungsartikel). In einer Gesamtschau rechtfertigt insoweit aber auch dieser Kontext bei Abwägung der tangierten Interessen angesichts des zu achtenden Persönlichkeitsrechts der Kläger zumindest derzeit noch keine identifizierende Bildberichterstattung. Nach den oben dargestellten Grundsätzen könnte im verfahrensgegenständlichen Kontext angesichts des nicht unerheblichen Informationsinteresses eine identifizierende Bildberichterstattung grundsätzlich zulässig erscheinen, soweit über eine etwaige Verurteilung der Kläger wegen nicht unerheblicher Straftaten berichtet worden wäre, die sie im Rahmen ihres rechtswidrig ausgeübten Geschäftsmodells begangen hätten. Hier liegt aber keine Verurteilung wegen Straftaten und noch nicht einmal die Verhängung von Bußgeldern wegen etwaiger Ordnungswidrigkeiten vor, sondern es handelte sich lediglich um ihr Auftreten als Partei in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Bei dieser Sachlage überwiegt vorliegend noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger, so dass der Allgemeinheit kein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist. Die Veröffentlichung/Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos der Kläger stellt sich mithin auch nicht im Hinblick auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG als zulässig dar.
Dementsprechend stellt die einwilligungslose Veröffentlichung der Fotos jeweils eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger dar, so dass diese einen Anspruch auf Unterlassung haben.
3. Die Kläger haben keinen Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG auf Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung steht dem Opfer einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Geldentschädigung zu, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 74; BGH v. 30.01.1996 – Az. VI ZR 386/94 – Rz. 41). Dabei handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um ein Schmerzensgeld, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht (BVerfG v. 14.02.1973 – Az. 1 BvR 112/65 – Rz. 45; BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 84; BGH v. 05.12.1995 – Az. VI ZR 332/94 – Rz. 12; BGH v. 12.12.1995 – Az. VI ZR 223/94 – Rz. 14). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, welche die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH v. 15.11.1994 – Az. VI ZR 56/94 – Rz. 74; BGH v. 30.01.1996 – Az. VI ZR 386/94 – Rz. 41; BGH v. 30.06.2009 – Az. VI ZR 339/08 – Rz. 3). Dies ist in jedem Einzelfall auf Grund der jeweiligen gesamten Umstände zu prüfen (BGH v. 30.06.2009 – Az. VI ZR 339/08 – Rz. 3).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt, haben die Kläger keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung, weil durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos zwar ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt ist, diese Verletzung jedoch nicht als so schwerwiegend anzusehen ist, dass sie zu einem befriedigenden Ausgleich eine Geldentschädigung erforderlich machen würde.
Dabei ist zum einen der – mit diesem Urteil ausgesprochene – Unterlassungsanspruch in die Abwägung einzustellen, denn bereits ein Unterlassungstitel kann grundsätzlich geeignet sein, die Entscheidung für bzw. gegen eine Geldentschädigung zu beeinflussen (BGH v. 30.06.2009 – Az. VI ZR 339/08 – Rz. 3). Vorliegend sind außerdem noch weitere Erwägungen maßgeblich:
So stellt die Bildberichterstattung über die beiden Kläger im verfahrensgegenständlichen Kontext keine erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und ist entsprechend auch nicht als schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts anzusehen. Zwar haben sie sich keiner Straftat schuldig gemacht. Durch ihr fortwährendes gewerbliches rechtswidriges Handeln, von dem sie sich nicht einmal durch Verwaltungsgerichtsentscheidungen abbringen ließen, haben sie aber gleichwohl eine Situation hervorgerufen, in der den Beklagten jedenfalls lediglich ein begrenzter Schuldvorwurf gemacht werden kann, soweit diese davon ausgingen, es sei auch eine identifizierende Bildberichterstattung zulässig. Insoweit wurde durch die Bildberichterstattung in einer Gesamtschau daher keine Situation geschaffen, die zusätzlich zum Unterlassungsanspruch der Kläger auch noch eine Geldentschädigung erfordern würde. Vielmehr würde hierdurch die Pressefreiheit über Gebühr beeinträchtigt, wenn die Presse befürchten müsste, wegen eines derartig überschaubaren Verschuldensvorwurfes bereits geldentschädigungspflichtig zu werden.
Vor diesem Hintergrund haben die Kläger keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.
4. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB nebst Verzinsung ab Rechtshängigkeit (§§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB). Denn die mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung verbundenen Abmahnungen der Beklagten durch die beiden Kläger war in der Sache hinsichtlich der Unterlassung der Bildberichterstattung begründet, so dass die Beklagten zum Ersatz der Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts verpflichtet sind, soweit diese zur Wahrnehmung der Rechte der Kläger erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH v. 27.07.2010 – Az. VI ZR 261/09 – Rz. 12 BGH v. 11.01.2011 – Az. VI ZR 64/10 – Rz. 9; BGH v. 21.06.2011 – Az. VI ZR 73/10 – Rz. 8).
Vorliegend haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger die vorgerichtlichen Unterlassungsansprüche beider Kläger jeweils mit den als Anlage K4 vorgelegten Schriftsätzen geltend gemacht. Insoweit machen sie 0,65 Gebühren zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend. Dies begegnet auch keinen Bedenken. Legt man den Gegenstandswert für die Unterlassungsansprüche von je 25.000,00 € pro Foto (pro Kläger mithin insgesamt 50.000,- €) zugrunde, so ergibt sich eine erstattungsfähige Honorarforderung von insgesamt je 992,58 € (Gebühren: 814,10 €; Auslagenpauschale: 20 €; MwSt: 158,48 €). In dieser Höhe besteht jeweils der Anspruch der Kläger. Soweit klägerseits darüber hinausgehend jeweils ein Betrag in Höhe von insgesamt 1.054,88 Euro geltend gemacht wurde, war die Klage mithin im Übrigen abzuweisen.
Nachdem die Klagezustellung an die Beklagten jeweils am 30.06.2017 erfolgte, beginnt der Zinslauf jeweils am 01.07.2017.
5. Hinsichtlich der Feststellungs-Anträge Ziffern II und VI ist die Klage beider Kläger jeweils – wie oben unter Ziffer I. dargelegt – unzulässig.
Nachdem sich die Veröffentlichungen der verfahrensgegenständlichen Fotos gemäß § 23 KunstUrhG als unzulässig darstellen, verletzten sie die Kläger jeweils in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Insoweit und hinsichtlich der betreffenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 992,58 Euro pro Kläger ist die zulässige Klage mithin begründet. Im Übrigen erachtet die Kammer die Klage aus den – oben im Einzelnen – dargelegten Gründen hingegen als unbegründet.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 Abs. 1 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Bildberichterstattung obsiegen und im Übrigen in der Hauptsache unterliegen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen demgegenüber Nebenforderungen dar und wirken sich daher nicht auf die Kostenquote aus.
7. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt hinsichtlich der Kläger und – bezüglich der Kosten – auch hinsichtlich der Beklagten aus § 709 ZPO.


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