IT- und Medienrecht

Inhaltskontrolle einer AGB Klausel betreffend die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis

Aktenzeichen  3 U 2560/15

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WuB – 2017, 183
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 215, § 305, § 307, § 309 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle nur solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden und die damit nicht bloß – als rein deklaratorische Klauseln – den Inhalt einer ohnehin geltenden Rechtsvorschrift wiedergeben. Bei solchen deklaratorischen Klauseln verbietet sich eine Inhaltskontrolle schon wegen der Bindung des Richters an das Gesetz; sie liefe zudem leer, weil an die Stelle einer unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB lediglich die – inhaltsgleiche – gesetzliche Bestimmung träte. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse, wonach der Kunde Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen darf, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind, hält einer AGB- Kontrolle stand. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 O 902/15 2015-11-17 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.11.2015, Az. 7 O 902/15, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

A
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Sparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der seit Juli 2012 geltenden Fassung unter anderem folgende Klausel:
„Nummer 11 Aufrechnung und Verrechnung (1) Aufrechnung durch den Kunden Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“
Der Kläger ist der Ansicht, diese Klausel sei nach §§ 305, 307 ff. BGB unwirksam, weil sie zu einer unangemessenen Benachteiligung von Vertragspartnern des Verwenders führe und auch gegen das Transparenzgebot verstoße. Der Kunde könne nämlich nicht erkennen, dass die Aufrechnungsbeschränkung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus den Urteilen vom 18.06.2002, Az.: XI ZR 160/01 und vom 17.02.1986, Az.: II ZR 285/84 unbeachtlich sei, wenn eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in dem Sinne entscheidungsreif sei, dass sie sich als begründet erweise. Zudem schließe die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung auch eine nach § 215 BGB zulässige Aufrechnung mit einer verjährten Forderung aus.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die genannte und/oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden und/oder Entgelt mit Bezug auf diese Klausel und/oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern zu verlangen. Außerdem hat er einen Antrag nach § 7 UKlaG gestellt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die beanstandete Klausel sei unwirksam nach §§ 305, 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot. Bei kundenfeindlichster Auslegung, von der auszugehen sei, seien die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze von Treu und Glauben, die Aufrechnungsbeschränkung dann unbeachtet zu lassen, wenn eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in dem Sinne entscheidungsreif sei, dass sie sich als begründet erweise, nicht zu erkennen. Für den nicht rechtskundigen Verbraucher folge aus der Klausel, dass mit seitens der Sparkasse bestrittenen Forderungen generell nicht aufgerechnet werden könne. Ebenso sei für ihn nicht erkennbar, dass er unter den Voraussetzungen des § 215 BGB auch verjährte Forderungen zur Aufrechnung stellen könne. Der im Verbandsklageverfahren nach § 1 UKlaG anzulegende enge Prüfungsmaßstab erfordere eine Präzisierung des Klauselwortlauts dahingehend, dass die durch die richterliche Rechtsprechung gefundene Einschränkung des absoluten Aufrechnungsverbots für den Verbraucher erkennbar sei.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt. Sie ist der Ansicht, die Rechtsauffassung des Landgerichts stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser habe die Klausel in Nummer 11 Abs. 1 AGB-SBK bzw. in Nummer 4 AGB-Banken nicht für unangemessen gehalten. Sie stehe in Einklang mit § 309 Nr. 3 BGB. Nur in Einzelfällen sehe der Bundesgerichtshof Ausnahmen vor. Die Unanwendbarkeit der Klausel in solchen Ausnahmefällen führe aber nicht zu deren genereller Unwirksamkeit, sondern lediglich dazu, dass der Aufrechnungsgegner sich nach Treu und Glauben nicht auf die Aufrechnungsverbotsklausel berufen könne. Im Verbandsklageverfahren gelte kein strengerer Maßstab als bei den allgemeinen AGB-rechtlichen Kontrollmaßstäben. Die Klausel verstoße nicht gegen das Transparenzgebot. Sie sei hinreichend klar, einfach und präzise. Auf alle denkbar möglichen Einschränkungen müsse zugunsten der Klarheit nicht hingewiesen werden. Die Klausel sei auch nicht Intransparent, weil sie keine Klarstellung bezüglich der Aufrechenbarkeit mit verjährten Forderungen enthalte. Die Klausel habe nämlich keinen Bezug und enthalte keine Aussage zur Aufrechenbarkeit verjährter Forderungen. Das Aufrechnungsverbot hänge allein von der Frage ab, ob eine unbestrittene bzw. rechtskräftige Forderung vorliege.
Die Beklagte beantragt, das Ersturteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Ferner beantragt sie die Zulassung der Revision.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das Ersturteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Ergänzend führt er aus, nach Auslegung der Klausel unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden seien die vom Bundesgerichtshof entwickelten Einschränkungen zum Aufrechnungsverbot nicht erkennbar. Gleiches gelte auch für die Möglichkeit einer Aufrechnung mit einer verjährten Forderung nach § 215 BGB. Die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel ergebe sich auch aus § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB, weil sie bei kundenfeindlichster Auslegung auch eine nach § 215 BGB an sich zulässige Aufrechnung mit einer verjährten Forderung ausschließe, wenn diese nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sei. Damit sei sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 215 BGB nicht zu vereinbaren. Bei den bisherigen Entscheidungen des BGH sei die beanstandete Klausel nicht auf ihre Wirksamkeit im Rahmen eines Verbandsprozesses, bei dem strengere Regeln gelten würden als im Individu-alprozess, überprüft worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.
B
I.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG auf Unterlassung der weiteren Verwendung der angegriffenen oder einer inhaltsgleichen Klausel zu. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BGB, da die streitige Klausel nicht von Rechtsvorschriften abweicht, noch aus § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 BGB, da, entgegen der Auffassung des Landgerichts, kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt.
1. Die streitgegenständliche Klausel, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, unterliegt nicht der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.
a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle nur solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden und die damit nicht bloß – als rein deklaratorische Klauseln – den Inhalt einer ohnehin geltenden Rechtsvorschrift wiedergeben. Bei solchen deklaratorischen Klauseln verbietet sich eine Inhaltskontrolle schon wegen der Bindung des Richters an das Gesetz; sie liefe zudem leer, weil an die Stelle einer unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB lediglich die – inhaltsgleiche – gesetzliche Bestimmung träte. Eine deklaratorische Klausel ist der Inhaltskontrolle allerdings nur dann entzogen, wenn sie die Rechtslage in jeder Hinsicht zutreffend wiedergibt. Ist das nicht der Fall, liegt in Wirklichkeit eine von Rechtsvorschriften abweichende und damit uneingeschränkt kontrollfähige Regelung vor (BGH, Urteil v. 08.05.2012, XI ZR 61/11, WM 2012, 1189 ff, Rn. 14 m.w.N.).
b) Die beanstandete Klausel enthält keine solche von Rechtsvorschriften abweichende Regelung.
Dies gilt sowohl hinsichtlich der vom Kläger gerügten aus der Klausel sich nicht ergebenden Erkennbarkeit der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Einschränkungen des Aufrechnungsverbots als auch hinsichtlich der als nicht erkennbar beanstandeten Aufrechnungsmöglichkeit mit verjährten Forderungen unter den Voraussetzungen des § 215 BGB.
aa) Der der Prüfung zugrunde zu legende Inhalt einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel zu fragen. Sie ist so auszulegen, wie ihr Wortlaut von ver ständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Danach ist die scheinbar „kundenfeindlichste“ Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie häufig erst die Inhaltskontrolle eröffnet bzw. zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel führt. Außer Betracht zu bleiben haben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Urteil v. 19.01.2016, XI ZR 388/14, WM 2016, 457 ff, Rn. 21 m.w.N.).
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die beanstandete Klausel entgegen der Auffassung des Klägers nicht so zu verstehen, dass eine Aufrechnung mit verjährten Forderungen generell nicht möglich ist. Die Klausel enthält keine Aussage über die Aufrechnungsmöglichkeit mit verjährten Forderungen. Nach ihrem Wortlaut und Sinngehalt hängt die Aufrechnung allein davon ab, ob die zur Aufrechnung gestellte Forderung unbestritten oder rechtskräftig ist, unabhängig davon, ob sie daneben auch verjährt oder unverjährt ist. Der durchschnittliche angesprochene Vertragspartner wird daher bei der Geltendmachung etwaiger Aufrechnungsansprüche lediglich darauf achten, ob diese unbestritten oder rechtskräftig sind. Die so verstandene Klausel weist daher keinen Regelungsgehalt auf, der in Widerspruch zu § 215 BGB steht, wonach Verjährung die Aufrechnung dann nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte.
cc) Im Übrigen steht die Klausel in Einklang mit § 309 Nr. 3 BGB und enthält keinen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt.
2. Unabhängig davon, hält die Klausel aber auch bei Annahme ihrer inhaltlichen Kontrollfähigkeit einer Prüfung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB stand. Sie benachteiligt den Verbraucher nicht unangemessen treuwidrig.
a) Dabei geht der Senat davon aus, dass die vorliegende Klausel, die grundsätzlich nach § 309 Nr. 3 BGB wirksam ist, gleichwohl gegen § 307 BGB verstoßen kann, wenn sie zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden führt. Dies erscheint vorliegend allerdings deshalb problematisch, weil der Kernbereich des Regelbeispiels des § 309 Nr. 3 BGB betroffen ist. Aus der bestehenden gesetzlichen Regelung könnte gefolgert werden, dass in den von ihr erfassten Fällen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden grundsätzlich ausscheidet. Diese Frage kann der Senat jedoch offen lassen, da die streitgegenständliche Klausel nicht zu einer unange messenen Benachteiligung des Vertragspartners i.S.d. § 307 BGB führt.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine § 309 Nr. 3 BGB entsprechende Aufrechnungsbeschränkung rechtlich unbedenklich (etwa BGH Urteil v. 17.02.1986, II ZR 285/84, WM 1986, 477 f. Rn. 8; Urteil vom 18.06.2002, XI ZR 160/01, WM 2002, 1654 ff, Rn. 10). Danach sollen die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen enthaltene Beschränkungen der Aufrechnungsbefugnis der Kunden die Kreditinstitute davor schützen, dass ein Zahlungsunfähiger oder Zahlungsunwilliger gegen Forderungen seiner Bank oder Sparkasse mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen versucht.
Für die vom Kläger genannten Fälle der Aufrechnung mit entscheidungsreifen bzw. begründeten Forderungen kann es unter Anwendung dieser Rechtsprechung nicht zu einer Benachteiligung des Kunden kommen, weil dann unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben die Aufrechnungsbeschränkung unbeachtet zu lassen ist (ohne dass dies die Wirksamkeit der Klausel berührt).
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Aufrechnung mit entscheidungsreifen Gegenforderungen um einen weiteren Anwendungsfall des Verbots, die Aufrechnung mit unbestrittenen Gegenforderungen auszuschließen, handelt. Voraussetzung für diese Ausnahme vom Aufrechnungsverbot ist, dass Klageforderung und Aufrechnungsforderung in untrennbarem Zusammenhang stehen und Entscheidungsreife hinsichtlich der einen Forderung auch Entscheidungsreife hinsichtlich der anderen Forderung bedeutet (BGH Urteil vom 17.02.1986 a.a.O.). Allerdings ist zu beachten, dass jede Aufrechnungsforderung irgendwann einmal Entscheidungsreife erlangt. Soll daher der mit dem Aufrechnungsverbot verfolgte Beschleunigungszweck nicht entwertet werden, ist der Unterfall der entscheidungsreifen Gegenforderungen auf die (seltenen) Fälle zu beschränken, in denen ohne (weitere) Beweisaufnahme und ohne Darlegung neuer Lebenssachverhalte das Bestehen der Aufrechnungsforderung feststeht (vgl. Becker in BeckOK BGB, § 309 Nr. 3 Rn. 9-11). Diese Fälle sind jedoch im Rahmen der Ausübungskontrolle zu regeln und führen nicht zu einer generellen Unwirksamkeit der in Einklang mit § 309 Nr. 3 BGB stehenden Klausel.
c) Die Unwirksamkeit der Klausel kann auch nicht darauf gestützt werden, dass, wie der Kläger meint, die Beklagte dem Kunden möglicherweise die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmetatbestände nicht mitteilt. Denn bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Klausel ist kein vertragswidriges Verhalten des Klauselverwenders zugrunde zu legen, sondern davon auszugehen,
c) dass der Klauselverwender sich im Sinne der Klauselgestaltung vertragskonform verhalten wird (BGH Urteil vom 14.01.2014, Az.: XI ZR 355/12, WM 2014, 307 ff, Rn. 41).
3. Die Unwirksamkeit der angegriffenen Klausel ergibt sich auch nicht aus § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Verletzung des Transparenzgebotes.
a) Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlangt das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für seine Kunden kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Die Beschreibung muss für den anderen Vertragsteil nachprüfbar und darf nicht irreführend sein. Dabei ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners und Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (st. Rspr., etwa BGH Urteil v. 14.01.2014, XI ZR 355/12, WM 2014, 307 ff, Rn. 23).
b) Dabei ist auch im Rahmen des Transparenzgebots zu berücksichtigen, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die, wie vorliegend, nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich eines Klauselverbotes ohne Wertungsmöglichkeit i.S.d. § 309 BGB fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nur aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann. Denn der Rückgriff auf die Generalklausel darf nicht dazu führen, dass die in den Verbotskatalogen zum Ausdruck kommenden Wertungen konterkariert werden. Die in den Klauselverboten zum Ausdruck kommenden Wertungen sind für die Konkretisierung der Generalklausel nach § 307 BGB von Bedeutung (Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle, Rn. 9 f.).
c) Aus dem Transparenzgebot ist zwar, worauf die Berufung zutreffend hinweist, abzuleiten, dass der Vertragspartner, d.h. der Verbraucher, über seine Rechte und Pflichten so umfassend und so deutlich wie möglich aufgeklärt werden soll. Diese Pflicht zur Transparenz als „Ausprägung eines umfassenden Transparenzgedankens“, führt aber nicht dazu, dass der Verwender gehalten ist, sämtliche denkbaren Ausnahmefälle in die Klausel aufzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14.01.2014, XI ZR 355/12, NJW 2014, 924 ff, Rn. 37) müssen notwendigerweise generalisierende Allgemeine Geschäftsbedingungen keinen solchen Grad an Konkretisierung erreichen, dass alle Eventualitäten erfasst sind.
Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen vielmehr ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungseffekt ausgeht. Die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung dürfen deshalb nicht überspannt werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen dienen nicht dazu, dem Kunden durch ihre Lektüre ein vollständiges Bild der gesamten für den Vertrag relevanten Rechtslage zu verschaffen. Vielmehr soll verhindert werden, dass der Kunde durch unklare und schwer durchschaubare Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen davon abgehalten wird, seine Rechte geltend zu machen, weil sich der Verwender (zu Unrecht) auf die Klausel beruft (BGH Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10 – Mobilfunkvertrag: Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Laufzeitverträge und Prepaidverträge; WM 2011, 1678 ff, Rn. 27, 44).
d) Hieran gemessen ist die Klausel nicht aus den vom Kläger und dem Landgericht genannten Gründen wegen Verletzung des Transparenzgebotes zu beanstanden.
aa) Durch ihre sprachliche Fassung wird unmissverständlich geregelt, dass der Kunde nur mit rechtskräftigen und unbestrittenen Forderungen aufrechnen darf. Damit ist die Klausel hinreichend verständlich und bestimmt.
bb) Soweit der Kläger beanstandet, die Klausel lasse weder die vom Bundesgerichtshof entwickelte Ausnahme der Aufrechnungsbeschränkung im Falle entscheidungsreifer bzw. begründeter Forderungen erkennen noch, dass auch die Möglichkeit bestehe, mit verjährten Forderungen aufzurechnen, käme insoweit eine im Rahmen des Transparenzgebots zu prüfende Verletzung des Täuschungsverbots in Betracht, da die Klausel den Eindruck erwecke, auch in den genannten Fällen sei eine Aufrechnung nicht möglich.
Eine solche Eignung zur Irreführung besteht jedoch nicht. Die Klausel enthält weder zu verjährten noch zu entscheidungsreifen begründeten Forderungen eine Aussage. Aus der bloßen Nichterwähnung dieser Fälle ergibt sich für den durchschnittlichen Vertragspartner nicht ohne weiteres eine Irreführung.
4. Eine von den vorausgehenden Ausführungen abweichende Betrachtungsweise ergibt sich weder daraus, dass es sich vorliegend um ein Verbandsklageverfahren handelt, noch aus der vom Kläger insbesondere in seinem nachgereichten Schriftsatz vom 08.06.2016 betonten Weiterentwicklung der Anforderungen an die Transparenz im Sinne einer umfassenden und klaren Aufklärung über Rechte und Pflichten von Verbrauchern auf heutiges Niveau.
a) So hat der Bundesgerichtshof, wie oben ausgeführt, auch in Verbandsklageverfahren (Urteil vom 14.01.2014, XI ZR 355/12, NJW 2014, 924 ff, Rn. 37; BGH Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10 – Mobilfunkvertrag: Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Laufzeitverträge und Prepaidverträge; WM 2011, 1678 ff, Rn. 27, 44) nicht für erforderlich erachtet, im Rahmen des Konkretisierungsgebots alle Eventualitäten zu erfassen, die bei der Anwendung einer Klausel denkbar sind.
b) Im Übrigen wird der Verbraucher auch nicht dadurch schutzlos gestellt, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Ausnahmen nicht ausdrücklich in den Klauselinhalt aufgenommen werden, denn durch die Funktion der Ausübungskontrolle wird den genannten Ausnahmenfällen hinreichend Rechnung getragen. Im Gegensatz zur generalisierend typisierten Betrachtungsweise der Inhaltskontrolle beschränkt sich die Ausübungskontrolle zwar auf das Verhalten des Verwenders im konkreten Fall und untersagt ihm gegebenenfalls die Berufung auf eine bestimmte AGB-Regel wegen individuellen Rechtsmissbrauchs, während die Wirksamkeit der Klausel im Übrigen dadurch nicht angetastet wird. Der Vertragspartner des Verwenders soll hierdurch zusätzlich vor atypischen Konstellationen geschützt werden. Daher kommt es für die Abgrenzung zur Inhaltskontrolle vor allem darauf an, ob eine tatbestandliche Konkretisierung in der Klausel selbst erwartet werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Denn wie oben ausgeführt, handelt es sich um eine Ausnahmekonstellation (vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., Vorbemerkungen zur Inhaltskontrolle Rn. 52 ff.), die nicht zwingend in Allgemeine Geschäftbedingungen aufzunehmen ist.
c) Eine Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel kann der Kläger nicht daraus herleiten, dass für Verbandsklagen nach § 1 UKlaG ein besonderer Prüfungsmaßstab gilt. Denn bei Verträgen mit Verbrauchern ist im Rahmen der Wertungskontrolle grundsätzlich von der hier auch herangezogenen „kundenfeindlichsten“ Auslegung auszugehen.
II.
Da der Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG nicht begründet ist, besteht auch keine Veröffentlichungsbefugnis gemäß § 7 UKlaG.
III. Nebenentscheidungen
1. Gemäß § 91 ZPO trägt der Kläger die Kosten des Verfahren.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
3. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es handelt sich um eine klärungsbedürftige Frage, die das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts berührt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 543 ZPO Rz. 11 m.w.N.). Nicht nur die Beklagte verwendet die angegriffene Regelung gegenüber einer Vielzahl von Kunden, sondern auch zahlreiche weitere Sparkassen im Bundesgebiet.


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