IT- und Medienrecht

Irreführende Werbung mit Produktbewertungen durch Familienmitglieder und Freunde

Aktenzeichen  17 HK O 10637/17

Datum:
15.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2018, 750
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3 Abs. 2, Abs. 4, § 5a Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2, § 1004
StGB § 263

 

Leitsatz

1 Die Tatsache, dass eine Bewertung für ein Produkt, mit der geworben wird, von der Mutter bzw. von einem Mitarbeiter oder einem Freund des Werbenden stammt, ist keine wesentliche Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. (Rn. 38 – 43) (red. LS Dirk Büch)
2 Der Täuschung mit der Erklärung, eine Firma sei “im Frühjahr 2016” gegründet, während die Gründung tatsächlich erst wenige Monate später stattfand, fehlt die wettbewerbliche Relevanz im Sinne von § 3 Abs. 2, 4 UWG. (Rn. 58 – 60) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

A.
Die zulässige Klage erweist sich aus den nachfolgenden Gründen insgesamt als unbegründet:
I)
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch Klageantrag Ziffer I. besteht nicht:
1. Dieser geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 5 a Abs. 2 UWG wegen Vorenthaltens einer wesentlichen Information:
a) Sofern nicht durch Gesetz angeordnet, besteht eine Informationspflicht des Unternehmers gegenüber Kunden nur dann, wenn diese nach Treu und Glauben oder den anständigen Marktgepflogenheiten erwarten dürfen, dass ihnen die betreffenden Tatsachen mitgeteilt werden. Dies setzt eine Interessenabwägung voraus unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, wobei das Interesse der Marktteilnehmer an umfassender Information, insbesondere über negative Eigenschaften der angebotenen Ware, abzuwägen ist mit dem Interesse der Unternehmer, diese nicht offenbaren zu müssen. Maßgeblich ist dabei, inwieweit die Marktteilnehmer auf die Mitteilung der Tatsache angewiesen sind und dem Unternehmer eine Aufklärung zumutbar ist.
Den Charakter einer Wesentlichkeit i.S.v. § 5 a Abs. 2 UWG erhält eine Information dann, wenn sie den Charakter hat, dass der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen sie benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen und deren Vorenthaltung den Verbraucher daher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die er sonst nicht getroffen hätte. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Information nicht schon dann wesentlich, weil sie für eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018 Rdn. 2.8, 3.10 a, 3.1.1 zu § 5 a).
Nach im Schrifttum vertretenen Auffassungen ist eine Information dann wesentlich, wenn die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers mit ihr „steht und fällt“ (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen a.a.O., Rdn. 1.2 zu § 5 a).
Generell ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG ist erforderlich, dass der Verbraucher je nach den Umständen diese Information benötigt. Dabei gilt, dass erst dann, wenn feststeht, dass eine wesentliche Information vorenthalten wurde, in einem weiteren Schritt zu prüfen ist, ob der Verbraucher diese nach den Umständen für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigt.
Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information nach den Umständen dann, wenn sie voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen kann.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) nicht fest, dass die Beklagten dadurch, dass sie nicht angeben, dass die Bewertung von der Mutter bzw. von einem Mitarbeiter oder einem Freund stammen, wesentliche Informationen i.S.v. § 5 a Abs. 2 UWG den angesprochenen Verbrauchern vorenthalten würden.
Es ist zwar zutreffend, dass Einträge auf Internetseiten oder Portalen, die Erfahrungen von Nutzern mit einem bestimmten Produkt oder einem Unternehmen wiedergeben, für viele Verbraucher eine wichtige Informationsquelle sind (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O. Rdn. 7.80 zu § 5 a).
Es ist aber u.a. anerkannt, dass beispielsweise ein Bewertungsportal, welches die Ergebnisse aufgrund von Bewertungen der Kunden eines Unternehmens ermittelt, nicht den Anforderungen an objektiv unabhängige Tests genügen muss (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, Rdn. 3.21 a zu § 5 a). Dies bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass die angesprochenen Verkehrskreise, der durchschnittlich informierte, situationsbedingt aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, wissen, wenn sie sich Bewertungen durch Dritte gegenübersehen, dass es sich dabei nicht um vollkommen objektive Bewertungen im Sinne eines Tests, beispielsweise durch Warentestungsinstitute oder ähnliches handelt, sondern dass bei solchen Bewertungen, die private Dritte auf Internetseiten abgeben, es sich um eine subjektive Bewertung des jeweiligen Produktes durch denjenigen, der die Bewertung abgibt, handelt. Die angesprochenen Verkehrskreise wissen deshalb, dass eine vollkommene Objektivität und Neutralität von solchen Kundenbewertungen nicht zwingend erwartet werden kann.
Die von der Klagepartei geäußerte Auffassung, dass bei Verwandten, Mitarbeitern oder Freunden des Unternehmens per se eine Neutralität und Objektivität nicht gegeben ist und nicht gegeben sein könne, teilt die Kammer nicht. Es mag durchaus sein, dass die Abgabe von Bewertungen durch solche Personen „einen Geschmack“ hat, es kann aber nach Auffassung der Kammer nicht in jedem Falle davon ausgegangen werden, dass der die Bewertung Abgebende nur deshalb eine bessere oder nicht zutreffende Bewertung abgibt, weil er in einem Näheverhältnis zu dem bewerteten Unternehmen steht.
Selbst wenn von dem Vorenthalten einer Information i.S.v. § 5 a Abs. 2 UWG ausgegangen wird, wird diese Information, dass es sich um einen Angehörigen, Freund oder Mitarbeiter handelt, für den Verbraucher jedenfalls nicht benötigt i.S.v. § 5 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG, damit der Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen kann.
Bei dieser Information handelt es sich, wie oben ausgeführt und teilweise in der Literatur vertreten, gerade nicht um eine Information, mit der die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers stehen oder fallen würde. Der Verbraucher entscheidet sich für ein Produkt in erster Linie deshalb, weil er es braucht oder haben will, weil ihm die Eigenschaften des Produktes zusagen, wegen der Preisgünstigkeit oder ähnlichem. Wenn den Verbrauchern die Mitteilung gemacht würde, dass einige der Bewertungen, die die Beklagte erhalten hat, von einer Angehörigen, einem Freund oder Mitarbeiter stammen, wäre diese Mitteilung nicht geeignet und für den Verbraucher erforderlich, damit dieser eine informierte geschäftliche Entscheidung trifft. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass ein Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, allein aufgrund des Umstandes, dass einige der zahlreichen Bewertungen von Nahestehenden stammen, davon abgehalten werden könnte, eine Kaufentscheidung zu treffen oder dass gerade das Fehlen dieser Mitteilung ihn veranlassen würde, eine Kaufentscheidung zu treffen. Die Frage, ob positive Bewertungen vorhanden sind und in welchem Umfang, spielt nach Auffassung der erkennenden Kammer für den Durchschnittsverbraucher allenfalls die Rolle eines einzelnen Mosaiksteinchens im Rahmen einer ganzen Reihe von Beweggründen, die den Verbraucher zum Abschluss eines Geschäftes bewegen. Die Kammer ist vielmehr der Auffassung, dass der Verbraucher auch ohne diese Mitteilung in der Lage ist, auf Grundlage von ausreichenden Informationen eine für ihn nützliche und damit rationale geschäftliche Entscheidung zu treffen, weil ihm ausreichende Informationen an die Hand gegeben sind, die ihm die Abwägung der Vor- und Nachteile der Entscheidung ermöglichen.
Damit scheidet ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 a Abs. 2 UWG aus.
2. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 263 StGB.
Die Voraussetzungen eines (versuchten) Betruges nach § 263 StGB liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor.
Zum einen ist bereits eine Täuschungshandlung im Sinne dieser Vorschrift für die Kammer jedenfalls nicht nachgewiesen, weil diese voraussetzen würde, dass die Beklagten eine bewusste Täuschungshandlung vorgenommen haben, wofür erforderlich wäre, dass ihnen positiv bekannt war, dass diese drei Personen auf dem Bewertungsportal von Amazon Bewertungen eingestellt haben. Dies haben die Beklagten bestritten, ein Nachweis dieser Kenntnis liegt nicht vor, so dass der Tatbestand des § 263 StGB bereits wegen Fehlens einer Täuschungshandlung nicht gegeben ist.
Darüber hinaus ist überhaupt nicht klar, ob Verbraucher, die wegen der fehlenden Information über das nahe Verhältnis der Bewerter zu der Beklagten einen Kaufentschluss getroffen hätten, einen Vermögensnachteil i.S.d. § 263 StGB erlitten hätten. Ein solcher Vermögensnachteil wäre jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Kunden, die einen Kauf tätigen, ein entsprechendes Äquivalent erhalten haben. Dass dies nicht der Fall gewesen wäre, ist in keinster Weise ersichtlich.
Damit scheidet auch der Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 263 StGB aus.
II)
Die geltend gemachten Folgeansprüche Anträge Ziffer II. auf Feststellung der Schadensersatzpflicht, Antrag III. auf Auskunftserteilung und IV. auf Beseitigung, sind unbegründet.
Da, wie oben ausgeführt, weder eine wettbewerbswidrige Handlung i.S.v. § 5 a Abs. 2 UWG vorlag, noch der Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB eingreift, bestand ein Unterlassungsanspruch nicht, der Klagepartei kann somit ein Schaden i.S.v. § 9 UWG bzw. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht entstanden sein. Damit scheidet der geltend gemachte Feststellungsanspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht aus, ebenso der darauf gerichtete vorgeschaltete Anspruch auf Auskunftserteilung.
Mangels wettbewerbswidrigen Handelns der Beklagten scheidet auch ein Beseitigungsanspruch aus.
III)
Der insoweit geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten bzw. Kosten im Zusammenhang mit der Kontaktierung von Amazon sind ebenfalls unbegründet.
Diese Ansprüche ergeben sich nicht aus § 12 Abs. 2 UWG, wie oben ausgeführt war die an die Beklagten gerichtete Abmahnung nicht berechtigt i.S.v. § 12 Abs. 2 UWG.
Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB scheiden aus den obigen Gründen ebenfalls aus.
Auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag i.S.v. § 677 f. BGB und damit ein Ersatzanspruch nach § 683 BGB sind nicht gegeben, weil das von der Klagepartei insoweit vorgenommene Geschäft gerade nicht im Interesse der Beklagten erfolgte, da diese weder eine wettbewerbswidrige Handlung noch eine deliktische Handlung begangen haben.
IV)
Der im Zusammenhang mit der zweiten Abmahnung vom 09.06.2017 geltend gemachte Zahlungsanspruch ist ebenfalls unbegründet, diese Abmahnung war nicht berechtigt i.S.v. § 12 Abs. 2 BGB:
Zwar war die Angabe, dass das Unternehmen … bereits im Frühjahr 2016 entstanden sei, nicht zutreffend, weil diese Gesellschaft ihre Tätigkeit allenfalls erst im September oder Oktober 2016 aufgenommen hat.
Nach Auffassung der Kammer fehlt es insoweit allerdings an der wettbewerblichen Relevanz i.S.v. § 3 Abs. 2, Abs. 4 UWG. Die Angabe mag zwar, selbst wenn bloß Fahrlässigkeit vorlag, nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprochen haben, für die Kammer ist allerdings nicht ersichtlich, dass diese Angabe für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, geeignet gewesen wäre, das wirtschaftliche Verhalten wesentlich zu beeinflussen.
Eine wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Frage, ob ein Unternehmen einige Monate vorher bereits gegründet war und tätig war oder nicht, ist für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, nicht geeignet, diese davon abzuhalten, mit der Beklagten eine geschäftliche Beziehung einzugehen oder nicht.
Es fehlt somit an der wettbewerblichen Relevanz i.S.v. § 3 UWG.
Damit bestand ein Unterlassungsanspruch der Klagepartei nicht und war daher die von ihr ausgesprochene Abmahnung nicht berechtigt. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 2 UWG besteht daher nicht.
Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
C.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 2 ZPO.
Verkündet am 15.02.2018


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