IT- und Medienrecht

Kartellschadensersatz für ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs: Darlegungslast eines an Preisabsprachen für Gleisoberbaumaterialien beteiligten Herstellungsunternehmen bei Einwendung einer Vorteilsausgleichung durch Schadensabwälzung auf die nachgelagerte Markstufe der Fahrgäste; Nichtberücksichtigung eines auszugleichenden Vorteils wegen unbilliger Entlastung der Kartellbeteiligten – Schienenkartell V

Aktenzeichen  KZR 4/19

Datum:
23.9.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:230920UKZR4.19.1
Normen:
§ 33 GWB vom 26.08.1998
§ 33 Abs 3 GWB vom 07.07.2005
§ 287 Abs 1 ZPO
§ 242 BGB
§ 830 BGB
§ 840 BGB
Spruchkörper:
Kartellsenat

Leitsatz

Schienenkartell V
1. Ein Kartellbeteiligter, der sich auf den Einwand der Vorteilsausgleichung berufen will, muss greifbare Anhaltspunkte vorbringen, die für eine Weitergabe des kartellbedingten Schadens sprechen, wobei der erforderliche Detaillierungsgrad des Vorbringens den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Komplexität der ökonomischen Zusammenhänge, Rechnung zu tragen hat.
2. Kommt – insbesondere bei Streuschäden – für die einzelnen möglicherweise mittelbar Geschädigten jeweils nur ein relativ geringfügiger und schwer quantifizierbarer Schadensersatzanspruch in Betracht und ist deshalb eine mehrfache Inanspruchnahme der Kartellbeteiligten nicht zu besorgen, wohl aber deren vollständige oder jedenfalls teilweise Freistellung von der Einstandspflicht für die Verfälschung des Preisniveaus auf dem primär betroffenen Markt, kann die Berücksichtigung einer Kostenwälzung als auszugleichender Vorteil wegen einer hierdurch drohenden unbilligen Entlastung der Schädiger ausscheiden.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Januar 2019, Az: VI-U (Kart) 18/17, Urteilvorgehend LG Dortmund, 4. Oktober 2017, Az: 8 O 19/16 (Kart), Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Kartellsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist für den öffentlichen Personennahverkehr der Stadt Essen verantwortlich. Sie nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
2
Die Beklagten befassen sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Gleisoberbaumaterialien wie Schienen, Weichen und Schwellen. Die Beklagte zu 1 ist Gesamtrechtsnachfolgerin der S            GmbH, welche mit Wirkung vom 20. Februar 2011 auf die Beklagte zu 1 verschmolzen wurde. Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte zu 1 im Wege der Umwandlung durch Abspaltung ihren Geschäftsbereich “Gleisbau” auf die Beklagte zu 2. Seit 2008 ist die Beklagte zu 1 Konzerngesellschaft der im Vereinigten Königreich eingetragenen B             plc. Die Beklagte zu 3 ist ein Unternehmen des T         -Konzerns; sie ist Rechtsnachfolgerin der K                           mbH (nachfolgend einheitlich: die Beklagte zu 3).
3
Die Klägerin erwarb im Zeitraum von Juli 2002 bis April 2011 in 101 Fällen bei der Beklagten zu 3 Gleisoberbaumaterialien. Einigen dieser Beschaffungsvorgänge ging ein Ausschreibungsverfahren voraus; im Übrigen erteilte die Klägerin die Aufträge unmittelbar an die Beklagte zu 3, zum Teil, nachdem sie zuvor ein Angebot eingeholt hatte. Darüber hinaus beschaffte die Klägerin im Zeitraum von März 2006 bis Juni 2010 in fünf Fällen Schienen bei der H        Gleistechnik und Entsorgung GmbH (nachfolgend: H          ). Dabei ging einem der Beschaffungsvorgänge eine vorherige Ausschreibung voraus; in den übrigen vier Fällen erteilte die Klägerin den Auftrag unmittelbar oder nachdem sie zuvor bei H           ein Angebot eingeholt hatte.
4
Mit Bescheiden vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt gegen die Beklagten zu 1 und 3 ein Bußgeld wegen der Beteiligung an dem Kartell der “Schienenfreunde”. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Bußgeldbescheids verstießen die Beklagten zu 1 und 3 jedenfalls zwischen 2001 und Mai 2011 gemeinschaftlich gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. H           war im Bereich Schwellen ab 2001 und im Bereich Schienen zumindest ab Anfang 2010 an den Kartellabsprachen beteiligt.
5
Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Sie hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 1.817.883,61 € nebst Zinsen, zu zahlen (Klageantrag zu 1) und Sachverständigenkosten in Höhe von 19.637,72 € nebst Zinsen zu erstatten (Klageantrag zu 2). Zudem hat sie Freistellung von ihr entstandenen Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung begehrt (Klageantrag zu 3). Das Landgericht hat – nachdem die Klägerin und die ursprünglichen Beklagten zu 4 bis 7, die Unternehmen des v        -Konzerns sind, den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten – die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2 für dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht – nach Rücknahme des Klageantrags zu 3 – unter Neufassung des Hauptausspruchs mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen der Beklagten zu 1 bis 3 verfolgen diese ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang – wie folgt begründet:
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Der Klägerin stehe gegen die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz des ihr durch die der Beklagten zu 3 sowie der H          erteilten Beschaffungsaufträge entstandenen Kartellschadens nach § 33 Satz 1 GWB 1999 und § 33 Abs. 3 GWB 2005, jeweils in Verbindung mit § 1 GWB, Art. 81 EGV zu. Die Haftung der Beklagten zu 1 und 3 ergebe sich aus § 830 Abs. 1 Satz 1, § 840 Abs. 1 BGB, diejenige der Beklagten zu 2 aus § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Es liege nur eine Tathandlung vor; maßgeblicher Anknüpfungspunkt sei die Grundabsprache, die mehrfach umgesetzt worden sei. Nach den vom Bundeskartellamt in den Bußgeldbescheiden getroffenen Feststellungen, die Bindungswirkung entfalteten und im Übrigen auch als unstreitig zugrunde zu legen seien, stehe fest, dass die Beklagten zu 1 und 3 an dem in den Bescheiden festgestellten Vertriebskartell beteiligt gewesen seien und gegen § 1 GWB und Art. 81 EGV verstoßen hätten.
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Auf dieser Grundlage streite zugunsten der Klägerin eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Klägerin von dem Kartellrechtsverstoß betroffen und dieser zumindest ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden sei. Diese Vermutung gelte für die 39 in Rede stehenden Ausschreibungsfälle ebenso wie für die übrigen ausschreibungsfreien Fälle. Auch bei einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorausgesetzt werde, sei von einem auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Kartellschaden der Klägerin auszugehen und streite eine tatsächliche und widerlegliche Vermutung für die Kartellbetroffenheit der in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge. Die Beklagten hätten die tatsächliche Vermutung der Kartellbetroffenheit und diejenige eines kartellbedingten Schadens nicht widerlegt. Dies gelte sowohl für die Fälle, in denen die Aufträge auf Grundlage von Ausschreibungsverfahren vergeben worden seien, als auch für die freihändig vergebenen Aufträge.
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Der Klägerin seien unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung weder Leistungen von Seiten der Fahrgäste noch von Seiten der Zuwendungsgeber anzurechnen. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin weder gemindert noch ausgeschlossen. Schließlich seien die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt.
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II. Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nicht bejaht werden.
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die bis zum 8. März 2005 erteilten Aufträge aus den Beschaffungsvorgängen, auf die die Klägerin ihre Klage unter anderem stützt, als Anspruchsgrundlage § 33 Satz 1 GWB 1999 in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17, WuW 2020, 202 Rn. 18 – Schienenkartell II, mwN). Danach ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt, sofern die Vorschrift den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.
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Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht § 33 Abs. 3 GWB 2005 auf die Schadensersatzansprüche angewendet, die die Klägerin auf Beschaffungsvorgänge nach dem 8. März 2005 stützt. Zum Schadensersatz ist nach dieser Vorschrift verpflichtet, wer einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB 2005 vorsätzlich oder fahrlässig begeht. Gemäß § 33 Abs. 1 GWB 2005 ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 101, 102 AEUV verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und gegebenenfalls zur Unterlassung verpflichtet.
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2. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen § 1 GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) festgestellt und dabei angenommen, dass nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid die Beklagten über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt waren. Dies wird von der Revision auch nicht beanstandet.
14
Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Beklagte zu 3 und die Unternehmensgruppe v        waren in allen Regionen und über den gesamten Zeitraum beteiligt. Die Beklagte zu 1 nahm in diesem Zeitraum im Bereich Schienen und Schwellen regional bei Ausschreibungen an Absprachen teil. Die genannten Absprachen beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte “Altkunden” oder “Stammkunden” zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte. Die Absprachen wurden vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails umgesetzt. Aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden, als “Spielführer“ bezeichneten Unternehmen kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag zu. Diese beinhaltete unter anderem, den anderen Unternehmen, überwiegend in getarnter Form, die Preise der Schutzangebote oder den vom “Spielführer” angestrebten Zuschlagspreis mitzuteilen. Zum Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten wurden die Kartellteilnehmer meist durch Unteraufträge oder sonstige Kompensationsgeschäfte entschädigt. Der Ausgleich erfolgte aber nicht nur projektbezogen, vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellteilnehmer untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots konnte der Schützende grundsätzlich davon ausgehen, dass er bei einem anderen Projekt von den Kartellteilnehmern geschützt würde. Der Ablauf war insgesamt so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte. Im Bereich Weichen war die Beklagte zu 1 an Absprachen beteiligt, die bis Ende 2008 vor allem bei Sitzungen des Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbands der Bahnindustrie getroffen wurden.
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3. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs berechtigt ist. Die von der Revision dagegen erhobenen Rügen bleiben ohne Erfolg.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs sowohl nach § 33 Satz 1 GWB 1999 als auch nach § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB 2005 ebenso wie nach § 823 Abs. 2 BGB, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 25 – Schienenkartell II; Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 25 – Schienenkartell IV). Für die Feststellung dieser Voraussetzung gilt der Maßstab des § 286 ZPO.
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Auf die weitergehende Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn “kartellbefangen” oder “kartellbetroffen” war, kommt es im Rahmen der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität hingegen nicht an. Die Anforderungen an die Haftungsbegründung tragen damit dem Umstand Rechnung, dass das Kartellverbot als Gefährdungstatbestand bereits die Absprache zwischen den Wettbewerbern ohne Rücksicht auf die aus ihr folgenden – unmittelbaren und mittelbaren – Auswirkungen auf die Marktakteure sanktioniert, die ohnehin nur mit erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden können. Anders als die Revision meint, bedarf es angesichts der Besonderheiten des kartellrechtlichen Deliktstatbestands daher auch nicht der Feststellung einer konkret-individuellen Betroffenheit.
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b) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht angenommen hat, sind die vorstehenden Voraussetzungen für die Annahme der Betroffenheit im Streitfall erfüllt, weil die Klägerin von am Kartell beteiligten Unternehmen Waren erworben hat, welche Gegenstand der Kartellabsprache waren.
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aa) Dies gilt zunächst ohne Weiteres für Aufträge zur Lieferung von Gleisbaumaterialien, die die Klägerin aufgrund einer europaweiten Ausschreibung erteilt hat, und ebenso für Aufträge, die sich ausschließlich auf die Lieferung von Schwellen bezogen haben. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob Holz- oder Betonschwellen geliefert werden sollten. Wie den Feststellungen im Bußgeldbescheid zu entnehmen ist, bezog sich die Kartellabsprache sowohl auf Produktkombinationen als auch auf Einzellose. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass sich die Absprache nur auf bestimmte Schwellenarten erstreckte. Die Klägerin ist auch im Hinblick auf solche Umsatzgeschäfte betroffen, bei denen nach der Ausschreibung eine bestimmte Stahlgüte oder ein bestimmtes Schienenlagerungssystem geliefert werden sollte. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Beklagte zu 3 für derartige Produkte über eine Alleinstellung verfügte. Die sich daran anschließende Frage, ob die Kartellbeteiligten insofern einem erheblichen Restwettbewerb ausgesetzt waren und aus diesem Grund – im Falle der Existenz von Restwettbewerb – ohnehin nur Wettbewerbspreise fordern oder – im Fall einer technologiebedingten Alleinstellung – von vornherein höhere Preise verlangen konnten, ist Gegenstand der Schadensfeststellung und bedarf erst in diesem Zusammenhang einer näheren Betrachtung.
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bb) Entsprechendes gilt für diejenigen Beschaffungsvorgänge, bei denen die Kartellbeteiligten nach Durchführung des Ausschreibungsverfahrens Preisnachlässe gewährt oder Nebenangebote mit niedrigeren Preisen abgegeben haben. Derartige Preisnachlässe stehen der Annahme der Betroffenheit nicht entgegen. Wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, war ein solches Preissetzungsverhalten nach den vom Bundeskartellamt im Bußgeldbescheid getroffenen Feststellungen integraler Bestandteil der Funktionsweise der Kartellabsprache.
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cc) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei im Hinblick auf diejenigen Beschaffungsvorgänge von der Kartellabsprache betroffen, bei denen sie die Aufträge ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens erteilt hat. Es stellt, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, eine der möglichen, angesichts der Intensität der im Streitfall festgestellten Verhaltenskoordinierung nicht fernliegenden Wirkungen der Kartellabsprache dar, dass sich die Koordinierung allgemein auf das im Markt zu verzeichnende Preisniveau und damit ebenfalls auf solche Beschaffungsvorgänge von Kartellbeteiligten ausgewirkt hat, die nicht Gegenstand einer Ausschreibung waren (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 44 – Schienenkartell II). Angesichts dieser möglichen Marktwirkungen kann die Klägerin auch von der Kartellabsprache betroffen sein, soweit Beschaffungsvorgänge mit geringem Auftragsvolumen in Rede stehen. Anders als die Revision meint, kann aus dem Umstand, dass die Klägerin einzelne Aufträge freihändig vergeben hat, nicht geschlossen werden, sie habe insofern mangels von ihr eröffneten Wettbewerbs keine Wettbewerbspreise zahlen wollen.
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dd) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei im Hinblick auf die Lieferung von Zubehör und Ersatzteilen von der Kartellabsprache betroffen gewesen. Das Berufungsgericht hat auf Grundlage der Feststellungen im Bußgeldbescheid im Ergebnis ohne Rechtsfehler angenommen, dass auch insoweit die Möglichkeit einer nachteiligen Beeinflussung durch die Kartellabsprache gegeben war.
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ee) Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Betroffenheit der Klägerin im Hinblick auf die H         erteilten Aufträge aus den Jahren 2006 und 2009 ausgegangen. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass Preisschirmeffekte zu den möglichen Auswirkungen einer Kartellabsprache zählen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 25, 38 ff. – Schienenkartell IV). Daher kann sich die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 70/17, juris Rn. 30 ff. – Schienenkartell III) auf die Schäden erstrecken, die der Klägerin durch Umsatzgeschäfte mit Kartellaußenseitern entstanden sind (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 38 ff. – Schienenkartell IV). Dazu zählen auch Umsatzgeschäfte mit solchen Unternehmen, die – wie H          ausweislich der Feststellungen im Bußgeldbescheid im Bereich Schienen – erst zu einem späteren Zeitpunkt der Kartellabsprache beigetreten sind.
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4. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen – mit der für ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17, NZKart 2019, 101 Rn. 38 – Schienenkartell I) – überhaupt ein Schaden entstanden ist.
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a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden sei, welche die Beklagten nicht widerlegt hätten, steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang.
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Nach ihr streitet zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung – im Sinne eines Erfahrungssatzes – grundsätzlich dafür, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (BGH, Urteil vom 8. Januar 1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 194; Beschluss vom 28. Juni 2005 – KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 – Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 – Grauzementkartell I; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 35 – Grauzementkartell II; NZKart 2019, 101 Rn. 55 – Schienenkartell I; WuW 2020, 202 Rn. 40 – Schienenkartell II). Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat (BGH, WuW/E DE-R 1567, 1569 – Berliner Transportbeton I; NZKart 2019, 101 Rn. 55 – Schienenkartell I). Die Berücksichtigung eines solchen Erfahrungssatzes führt allerdings nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Vielmehr ist der einschlägige Erfahrungssatz im Rahmen der nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Schadensentstehung sprechenden Indiztatsachen zu berücksichtigen (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 36 – Schienenkartell II).
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Dieser Indizienbeweis ist geführt, wenn der Richter auf Grundlage einer Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien die am Maßstab des § 287 ZPO zu messende Überzeugung von der Richtigkeit der zu beweisenden Haupttatsache erlangt hat. Die Beweislast für die die Haupttatsache stützenden Indiztatsachen trägt dabei die Partei, die auch die Haupttatsache zu beweisen hat. Dem Anspruchsgegner obliegt es hingegen, Indiztatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die geeignet sind, die Überzeugung des Tatrichters von der zu beweisenden Haupttatsache in Frage zu stellen. Der Indizienbeweis ist misslungen, wenn unter Berücksichtigung sämtlicher festgestellter oder – mangels erhobenen Beweises – zu unterstellender Indiztatsachen und des ihnen jeweils zukommenden Gewichts zumindest Zweifel daran verbleiben, dass ein Schaden mit der nach § 287 ZPO geforderten Wahrscheinlichkeit eingetreten ist. Nicht erforderlich ist, dass der Gegner den Beweis des Gegenteils führt, mithin den Richter davon überzeugt, dass ein Schaden nicht entstanden ist.
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b) Die danach erforderliche Gesamtwürdigung sämtlicher für und gegen die Entstehung eines Schadens sprechenden Indizien hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es hat zwar – hilfsweise – einzelne Gesichtspunkte im Zusammenhang gewürdigt, sich dabei aber auf die Dauer, die Intensität und die Marktabdeckung des Kartells, auf die für eine Kartelldisziplin sprechenden Marktumstände und auf den Gesichtspunkt der Auslastung von Produktionskapazitäten beschränkt. Auf Grundlage dieser unvollständigen Gesamtwürdigung ist es zu der Annahme gelangt, für die Entstehung des Schadens streite eine tatsächliche Vermutung, die nur unter besonderen Umständen widerlegt werden könne und die die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht habe. In diesem Zusammenhang hat es zahlreiche weitere Einwendungen der Beklagten und die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Indiztatsachen nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Widerlegung der tatsächlichen Vermutung und nur je für sich gewürdigt. Es kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht von einer unzutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen ist und angenommen hat, den Beklagten obliege in Ansehung der tatsächlichen Vermutung der Beweis des Gegenteils.
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III. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil er der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nicht vorgreifen kann. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
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IV. Bei der erneuten Prüfung, ob der Klägerin durch die Kartellabsprache, an der sich die Beklagten beteiligt haben, ein Schaden entstanden ist, und der sich daran gegebenenfalls anschließenden Prüfung der Höhe des Schadens wird das Berufungsgericht die Anforderungen an die Tatsachenfeststellung zu beachten haben, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen sind (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 34 ff. – Schienenkartell II). Darüber hinaus wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
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1. Es wird im Rahmen der am Maßstab des § 287 ZPO vorzunehmenden Feststellung eines der Klägerin entstandenen Schadens die auf ein vorgelegtes Privatgutachten gestützte Behauptung zu bewerten haben, die der Klägerin jeweils in Rechnung gestellten Preise hätten niedriger als die jeweiligen produktspezifischen Durchschnittspreise außerhalb des Kartellzeitraums gelegen. In diesem Zusammenhang wird – wovon bereits das angefochtene Urteil zutreffend ausgegangen ist – zum einen zu berücksichtigen sein, wie aussagekräftig und verlässlich die in Bezug genommenen produktspezifischen Durchschnittspreise sind. Zum anderen wird – was das Verhältnis der von den Beklagten geforderten Preise zu den durchschnittlichen Preisen im Nachkartellzeitraum anbelangt – gegebenenfalls zu erwägen sein, ob Anhaltspunkte für einen Einfluss anderer Marktfaktoren bestehen, insbesondere dafür, dass die Preise im Nachkartellzeitraum aufgrund der durch die lange Kartelldauer beeinträchtigten Marktstrukturen weiterhin nachteilig beeinflusst wurden (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 49 – Schienenkartell II)
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2. Soweit das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu der Feststellung gelangen sollte, der Klägerin sei ein Schaden entstanden, werden die Beklagten – wie das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht bereits im angefochtenen Urteil angenommen hat – nicht mit Erfolg den Einwand erheben können, der Klägerin sei ein Vorteil anzurechnen, der ihr aus Fahrpreiserhöhungen im hier in Rede stehenden Zeitraum zugeflossen ist.
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a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Einwand der Schadensabwälzung greife bereits deshalb nicht durch, weil der Schaden, der ausgeglichen worden sein solle, nicht bekannt sei. Die Beklagten hätten zudem nicht plausibel vorgetragen, dass eine Abwälzung des Kartellschadens auf die Fahrgäste der Klägerin ernsthaft in Betracht komme. Vielmehr sei davon auszugehen, dass eine Weiterwälzung nicht einmal teilweise stattgefunden habe oder stattfinden werde. Dies beruhe darauf, dass die Klägerin den von ihr veranstalteten Personennahverkehr nicht kostendeckend betreibe. Diese Annahme werde auch nicht durch den Inhalt des von der Beklagten zu 3 vorgelegten Privatgutachtens der N                        entkräftet. Die Gutachten sowie die ergänzenden Stellungnahmen enthielten lediglich allgemeine Aussagen darüber, welchen Einfluss kartellbedingt erhöhte Beschaffungskosten mit welcher Wahrscheinlichkeit auf das Preissetzungsverhalten der Klägerin haben könnten. Insgesamt bleibe auch danach spekulativ, ob und inwieweit im Streitfall eine Weiterwälzung eines kartellbedingten Schadens tatsächlich erfolgt sei. Die Beklagten hätten nicht dargelegt, auf welche in der Kartellzeit konkret erfolgten Erhöhungen der Beschaffungskosten für die streitbefangenen Gleisbaumaterialien die Klägerin zu welchem Zeitpunkt mit welchen Änderungen ihrer Fahrpreise reagiert habe. Der Verweis auf jahresbezogene durchschnittliche Tariferhöhungen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr lasse nicht erkennen, ob und inwieweit diese Anpassungen eine Reaktion auf die Erhöhungen bestimmter betrieblicher Kosten gerade der Klägerin darstellten. Zudem sei nicht ersichtlich, ob und inwieweit eine Preisreaktion der Klägerin mit der in Rede stehenden Steigerung der Beschaffungsvorgänge korreliere. Bei dieser Sachlage bestehe keine sekundäre Darlegungslast der Beklagten, weil keine potentiell erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Weiterwälzung des streitigen Kartellschadens spreche und eine erhebliche Beweisnot der Beklagten angesichts der vorgetragenen Daten zur Entwicklung der Fahrpreise und des Fahrgastaufkommens der Klägerin nicht festzustellen sei. Im Interesse einer unionsrechtlich gebotenen effizienten Durchsetzung privater Kartellschadensersatzansprüche und zur Vermeidung einer unbilligen Entlastung des Schädigers müssten im Einzelfall besondere Umstände wie eine höhere Wahrscheinlichkeit der Schadensweiterwälzung oder eine größere Beweisnot des Schädigers vorliegen, um ausnahmsweise eine sekundäre Darlegungslast des geschädigten Abnehmers eines Kartellbeteiligten zu rechtfertigen. Daran fehle es im Streitfall.
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b) Mit diesen Erwägungen wird eine Vorteilsausgleichung nicht verneint werden können. Jedoch wird sie im Ergebnis gleichwohl auszuschließen sein.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Unter Berücksichtigung der aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze soll auf diese Weise ein angemessener Interessenausgleich zwischen den beim Ausgleich von Vermögensschäden widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Dabei soll der Geschädigte einerseits nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, sollen ihm aber andererseits auch nur solche Vorteile auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden, deren Anrechnung mit dem Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18; Urteil vom 30. September 2014 – X ZR 126/13, NJW 2015, 553 Rn. 14).
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Die Grundsätze beanspruchen auch für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch Geltung (vgl. näher BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 58 – ORWI; Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 46 – Schienenkartell IV). Danach kann sich der wegen eines Kartellverstoßes auf Schadensersatz in Anspruch Genommene darauf berufen, seinem Abnehmer sei deshalb kein oder nur ein geringerer Schaden verblieben, weil dieser die kartellbedingte Preiserhöhung ganz oder zum Teil an seine eigenen Abnehmer weitergegeben habe (BGHZ 190, 145 Rn. 58 – ORWI; BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 46 ff. – Schienenkartell IV). Steht die Preiserhöhung, die der Geschädigte gegenüber seinen Abnehmern durchsetzen kann, in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem kartellbedingten Preisaufschlag, kann der Mehrerlös des weiterliefernden oder weiterverarbeitenden Geschädigten als Schaden seiner Kunden und damit zugleich als ausgleichspflichtiger Vorteil auf Seiten dieses Geschädigten angesehen werden. Diese Grundsätze stehen mit den Vorgaben der Art. 12 bis 14 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (Abl. EU 2014, Nr. L 349, S. 1) in Übereinstimmung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 46 – Schienenkartell IV), die allerdings nach Art. 22 der Richtlinie auf den Streitfall in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung finden.
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bb) Der Einwand der Vorteilsausgleichung wird im Streitfall – anders als das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil gemeint hat – nicht bereits deshalb ausgeschlossen werden können, weil die Beklagten die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung nicht dargelegt und nicht hinreichend substantiiert vorgebracht hätten, dass eine Weitergabe des Schadens an die Fahrgäste der Klägerin im Wege der Fahrpreiserhöhung ernsthaft in Betracht kommt.
38
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es allerdings Sache des beklagten Kartellteilnehmers, zunächst anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel dazu vorzutragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt (BGHZ 190, 145 Rn. 69 – ORWI). Dies bedeutet, dass der Kartellbeteiligte, der sich auf den Einwand der Vorteilsausgleichung berufen will, greifbare Anhaltspunkte vorzubringen hat, die für eine Weitergabe des kartellbedingten Schadens sprechen, wobei der erforderliche Detaillierungsgrad des Vorbringens den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Komplexität der ökonomischen Zusammenhänge, Rechnung zu tragen hat. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Preisbildung von zahlreichen Faktoren der Marktstruktur wie auch der jeweiligen kaufmännischen Strategie beeinflusst sein kann. Daher genügt für die Darlegung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs die Behauptung, dass auch auf dem Anschlussmarkt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell die Preise gestiegen seien (BGHZ 190, 145 Rn. 46 – ORWI), regelmäßig ebenso wenig wie der Hinweis, dass der Geschädigte wie jedes Unternehmen ein Interesse daran habe, den Preis seiner Waren oder Dienstleistungen an den Gestehungskosten auszurichten (BGHZ 190, 145 Rn. 59 – ORWI). Vielmehr muss derjenige, der den Einwand erhebt, konkret darlegen, dass die Preiserhöhung gerade auf das Kartellgeschehen und nicht etwa auf andere preisbildende Faktoren zurückgeht (BGHZ 190, 145 Rn. 46 – ORWI). Dabei kommt die Annahme einer sekundären Darlegungslast des Kartellgeschädigten im Hinblick auf die näheren Umstände seiner Preiskalkulation zugunsten des sich auf die Vorteilsausgleichung berufenden Kartellbeteiligten – jedenfalls in Sachverhaltsgestaltungen wie der vorliegenden – nur ausnahmsweise in Betracht (näher dazu BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 62 – Schienenkartell IV).
39
Auch wenn danach strenge Anforderungen an die Darlegung einer Schadensabwälzung zu stellen sind, dürfen diese Grundsätze allerdings nicht in einer Weise angewandt werden, die es dem Kartellbeteiligten von vornherein unmöglich macht, eine solche hinreichend darzutun. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, ob und inwieweit die Weitergabe des Kartellschadens erfolgt ist, ebenfalls anhand des Maßstabs des § 287 ZPO zu erfolgen hat und daher – auch im Hinblick auf die Kausalität der kartellbedingten Preiserhöhung für die Preisbildung des Geschädigten – nur eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung gefordert ist.
40
(2) Nach diesem Maßstab dürften die Beklagten zumindest plausibel dargelegt haben, dass eine Weiterwälzung etwaiger kartellbedingter Preissteigerungen aus ökonomischer Perspektive ernsthaft in Betracht kommt.
41
(aa) Die Beklagten haben vorgetragen, die Klägerin habe die Fahrpreise im maßgeblichen Zeitraum mehrfach erhöht, die Nachfrage nach Beförderungsdienstleistungen sei preisunelastisch und die Klägerin sei nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet, ihre Kosten vollständig an ihre Fahrgäste weiterzugeben. Auch die Fahrpreisregulierung im Öffentlichen Personennahverkehr sehe nach § 39 Abs. 2 PBefG vor, dass die betriebsnotwendigen Abschreibungen auf Anlagegüter, insbesondere auf die Schieneninfrastruktur, bei der Tarifbildung berücksichtigt werden müssten. Damit sei eine Weiterreichung von Infrastrukturkosten durch die Entgeltregulierung vorausgesetzt. Auch das nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG zu beachtende Gebot der Eigenwirtschaftlichkeit spreche für einen kraft Gesetzes bestehenden Kausalzusammenhang zwischen den Fahrpreisen und den Kosten für die Schieneninfrastruktur. Darüber hinaus sei der Verbundtarif des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr nach § 8 Abs. 2 des Verbundgrundvertrages unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Daher flössen die Kosten der Verkehrsunternehmen für die Instandhaltung und den Ausbau der Infrastruktur in die Berechnung möglichst kostendeckender Fahrpreise ein. Aus ökonomischer Sicht sei angesichts der Finanzierungsstruktur des ÖPNV nicht nur eine theoretische Evidenz für die Weitergabe etwaiger kartellbedingter Mehrkosten gegeben. Vielmehr lasse sich aus einer ökonometrischen Berechnung die empirische Evidenz einer vollständigen Weitergabe dieser Mehrkosten durch die Klägerin ableiten.
42
(bb) Damit haben die Beklagten detailliert und nachvollziehbar die für die Preisbildung relevanten Markt- und Finanzierungsstrukturen dargelegt, die auch für die Klägerin – vermittelt über den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr – gelten. Sie haben unter Rückgriff auf die Vorschrift des § 39 Abs. 2 PBefG sowie auf die Finanzierungsrichtlinie des Verkehrsverbundes erläutert, dass die Kosten der Klägerin, zu der auch die Abschreibungen auf die Infrastruktur zählen, einen wesentlichen Maßstab für die Preisbildung der Tarife des Verkehrsverbundes bilden. Dass die Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur und damit die in Rede stehenden Kosten für Gleisbaumaterialien bei der Preisbildung keine Berücksichtigung finden, wird vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres angenommen werden können. Die Beklagten haben auch dargelegt, dass die ökonometrischen Berechnungen der Weiterwälzung die weiteren für die Preisbildung relevanten Kostenfaktoren (Material- und Personalaufwand) berücksichtigen. Sie haben schließlich erläutert, dass nach den Finanzierungsrichtlinien des Verkehrsverbundes eine Defizitabdeckung für die nachgewiesenen Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter Berücksichtigung der dabei erzielten Erlöse gezahlt wird und dass jedwede Kostensteigerung, somit auch eine kartellbedingte, angesichts eines begrenzten Defizitausgleichs kompensiert werden müsse, was insbesondere durch Preisanpassungen erfolge.
43
(cc) Soweit das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil Ausführungen dazu vermisst hat, dass es der Klägerin tatsächlich gelungen sei, einen kartellbedingten Schaden weiterzuwälzen, hat es dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass eine Weiterwälzung eines kartellbedingten Schadens jedenfalls bei komplexen Preisbildungsmechanismen, bei denen der maßgebliche Produktionsfaktor von vornherein nur einen marginalen Einfluss auf den jeweiligen Einzelpreis hat, sich nicht zwingend als gezielte Reaktion auf die Veränderung dieses Kostenfaktors vollziehen muss und oftmals nicht vollziehen wird. In einem derartigen Fall wird die Wirkung der Veränderung eines Produktionsfaktors auf den Preis rückblickend nur durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen vorgenommen werden können.
44
(dd) Dem Einwand der Schadensweitergabe steht von vornherein auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin die Fahrgastbeförderung nicht kostendeckend betreibt. Unter Beachtung ökonomischer Zusammenhänge kann, wie die Revision mit Recht geltend macht, allein eine fehlende Kostendeckung die Weitergabe einer Preissteigerung bei einzelnen Kostenfaktoren nicht ausschließen.
45
(ee) Der Einwand der Vorteilsausgleichung wird im Streitfall ferner nicht deshalb versagt werden können, weil die in Rede stehenden Kostenfaktoren zu den Kosten der Betriebsinfrastruktur und damit den Fixkosten eines Unternehmens des Schienenpersonenverkehrs zählen. Auch Fixkosten müssen durch die mit der unternehmerischen Tätigkeit erzielten Erlöse gedeckt werden. Allerdings ist grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit eines – nachweisbaren – Einflusses gestiegener Fixkosten auf die Preise geringer als bei variablen Kosten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 59 – Schienenkartell IV; s.a. Leitlinien für die nationalen Gerichte zur Schätzung des Teils des auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzten Preisaufschlags, Abl. EU 2019 Nr. C 267, S. 1 Rn. 52; differenzierend Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 305 f.). Insoweit kann es im Grundsatz erheblich sein, ob die in Rede stehende Beschaffungstätigkeit als strategische Entscheidung zumindest langfristige Auswirkungen auf die Preisbildung hat und inwieweit der Preisbildungsmechanismus des geschädigten Unternehmens den in Rede stehenden konkreten Kostenfaktor berücksichtigt.
46
(ff) Der Einwand der Weitergabe eines kartellbedingten Preisaufschlags auf die Anschaffungskosten der betrieblichen Schieneninfrastruktur an die Fahrgäste der Klägerin wird den Beklagten auch nicht deshalb verschlossen sein, weil es an einer relevanten vermögenswirksamen Transaktion fehlte, die den in Rede stehenden Erwerbsgeschäften nachgelagert ist. Das Angebot von Dienstleistungen des Personennahverkehrs bildet einen Anschlussmarkt, dessen Angebotspreise von Kartellabsprachen auf vorgelagerten Beschaffungsmärkten beeinflusst sein können (vgl. W.-H. Roth in Frankfurter Kommentar, § 33c Rn. 30).
47
(gg) Schließlich steht es dem Einwand der Weitergabe eines Preisaufschlags – entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung – nicht entgegen, dass die Höhe des Schadens bei Erlass eines Grundurteils noch nicht feststeht.
48
cc) Die Berücksichtigung des Einwands der Schadensweitergabe wird im Streitfall jedoch aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommen.
49
(1) Der aus der Vorschrift des § 242 BGB abgeleitete Einwand der Vorteilsausgleichung wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch allgemeine Wertungen des Schadensrechts begrenzt. Deshalb muss, wie ausgeführt (Rn. 35), die Anrechnung der dem Geschädigten zugeflossenen Vorteile dem Zweck des Schadensrechts entsprechen, dem Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger auch nicht unangemessen entlasten. Insofern ist der rechtliche Schadensbegriff vom ökonomischen zu unterscheiden.
50
(2) Für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gilt diese Begrenzung gleichermaßen. Der Anspruch dient zwar in erster Linie dem Ausgleich von Vermögensschäden des von der Kartellabsprache Betroffenen. Allerdings erschöpft sich sein Zweck nicht in dieser kompensatorischen Funktion. Er ist vielmehr integraler Bestandteil des Systems zur effektiven Durchsetzung kartellrechtlicher Verbotstatbestände und ergänzt die behördliche Durchsetzung dieser Vorschriften. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung und der dabei zu beantwortenden Frage, ob eine Anrechnung der durch eine Schadensweitergabe zugeflossenen Vorteile den Schädiger unbillig entlastet, das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs zu berücksichtigen. Dieser Zusammenhang kann Auswirkungen auf die Abwägung der gegenläufigen Interessen haben, die bei der – wertenden – Bemessung des Schadens und des zu seiner Kompensation erforderlichen Betrags zum Ausgleich zu bringen sind. Einerseits ist im Ausgangspunkt darauf zu achten, dass der Anspruchsteller einen vollen Ausgleich für die bei ihm verbliebene Vermögenseinbuße, aber auch nicht mehr als diesen erhält. Gleichzeitig ist so weit wie möglich zu vermeiden, dass der Schädiger mehrfach in Anspruch genommen wird und insgesamt einen höheren Betrag ersetzen muss, als er in der Summe an Schaden verursacht hat. Schließlich ist im Interesse der Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs darauf zu achten, dass der Kartellbeteiligte auch tatsächlich für sämtliche durch den Kartellverstoß entstandenen Schäden eintritt. Könnte dieser damit rechnen, einer zivilrechtlichen Haftung teilweise oder gar insgesamt zu entgehen, so bedeutete dies, dass er – ungeachtet der bußgeldrechtlichen Folgen des Verstoßes – die Früchte des rechtswidrigen Verhaltens vollständig oder zumindest teilweise behalten könnte; zugleich fehlte dem Primärgeschädigten ein Anreiz zur Geltendmachung und Aufklärung des Primärschadens. Dies stünde jedoch mit dem Zweck der zivilrechtlichen Ansprüche, eine effektive Durchsetzung der kartellrechtlichen Verbotstatbestände zu gewährleisten, in unauflösbarem Widerspruch (vgl. zum engeren Ansatz im englischen Recht: UK Supreme Court, [2020] UKSC 24 Rn. 194 ff. – Sainsbury’s Supermarkets Ltd. v. Visa Europe Services LLC).
51
(3) Im Rahmen der kartellrechtlichen Vorteilsausgleichung werden diese Zielvorgaben nicht in jedem Fall vollständig in Übereinstimmung gebracht werden können. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn den Primärgeschädigten ein Schadensersatzanspruch unter Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung wegen einer Weitergabe kartellbedingt erhöhter Einstandskosten – teilweise oder gänzlich – versagt wird und die mittelbaren Abnehmer auf nachgelagerten Vertriebs- oder Wertschöpfungsstufen den ihnen hieraus entstehenden Schaden nur schwer erfassen können und voraussichtlich gegenüber den Kartellbeteiligten nicht geltend machen, so dass eine mehrfache Inanspruchnahme der Kartellbeteiligten nicht zu besorgen ist und statt dessen ihre jedenfalls teilweise Freistellung von der Haftung für die Folgen der Verfälschung des Preisniveaus auf dem kartellierten Markt droht. In einer solchen Konstellation, die insbesondere bei Streuschäden erheblich wird, bei denen für den einzelnen mittelbar Geschädigten nur ein relativ geringfügiger Anspruch in Betracht kommt, muss unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls besonders sorgfältig erwogen werden, ob die Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung zu einer unbilligen Entlastung der Kartellbeteiligten führt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Erhebung von Ansprüchen mittelbarer Abnehmer gegen die Kartellbeteiligten zu erwarten ist oder umgekehrt fernliegt. Darüber hinaus kann erheblich sein, ob den Primärgeschädigten aufgrund von Mengeneffekten Gewinne entgangen sind, deren Ersatz sie neben einem etwaigen Preishöhenschaden geltend machen können.
52
(4) Diese Grundsätze stehen im Einklang mit dem im Streitfall maßgeblichen Unionsrecht. Die aus Art. 101 AEUV folgenden, jedermann zustehenden zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche stehen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Dienst des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs, weil sie die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln erhöhen und geeignet sind, Unternehmen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten; insofern tragen sie zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union bei (vgl. nur EuGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – C-435/18, WuW 2020, 83 Rn. 22, 24 – Otis mwN). In Ermangelung einschlägiger Regelungen des Unionsrechts – die Vorgaben der Richtlinie 2014/104/EU sind im Streitfall nicht anwendbar – ist es Sache des nationalen Rechts, die Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des kartellrechtlichen Schadensersatzes zu bestimmen; insoweit ist lediglich dem Äquivalenz- wie auch dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung zu tragen (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 – C-295/04, EuZW 2006, 529 Rn. 98 – Manfredi). Weitergehende Anforderungen ergeben sich für die Ermittlung des Schadensumfangs aus dem Unionsrecht nicht (vgl. auch UK Supreme Court, [2020] UKSC 24 Rn. 188 ff. – Sainsbury’s Supermarkets Ltd. v. Visa Europe Services LLC). Danach hindert Art. 101 AEUV die mitgliedstaatlichen Gerichte weder, einen über den tatsächlich entstandenen Schaden hinausgehenden Strafschadensersatz zu gewähren, noch den Schadensersatz der Höhe nach so zu begrenzen, dass eine Überkompensation verhindert wird (EuGH, EuZW 2006, 529 Rn. 93 f. – Manfredi). Die Vorschrift des Art. 101 AEUV steht damit der Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung nicht entgegen.
53
Ob auch die Vorgaben der Art. 3, 12 ff. der Richtlinie 2014/104/EU den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, dem Kartellbeteiligten den Einwand der Schadensweitergabe unter wertenden Gesichtspunkten, insbesondere im Hinblick auf dessen unbillige Entlastung, zu versagen, braucht angesichts des Umstandes, dass die Regelungen der Richtlinie im Streitfall noch keine Anwendung finden, nicht entschieden zu werden. Auch wenn Art. 3 Abs. 3 sowie Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 2014/104/EU Vorgaben enthalten, nach denen eine Überkompensation des Geschädigten nicht erfolgen darf, wird insoweit jedoch zu beachten sein, dass nach Art. 12 Abs. 1 die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Vorschriften über die Schadensabwälzung nicht nur eine Bereicherung des Primärgeschädigten, sondern gleichzeitig auch eine “Nichthaftung” des Rechtsverletzers verhindern müssen. Darüber hinaus stehen die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche des nationalen Rechts nach den Erwägungsgründen 1, 3 und 4 Richtlinie 2014/104/EU im Dienst der Aufgabe, die volle Wirksamkeit der primärrechtlichen Wettbewerbsregeln der Art. 101, 102 AEUV zu gewährleisten. Schließlich ist zu beachten, dass die Richtlinie 2014/104/EU ausweislich ihres Erwägungsgrundes 12 einer Weiterentwicklung des primärrechtlichen Besitzstandes, insbesondere durch die Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs, nicht vorgreifen will und dies auch nicht kann.
54
(5) Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze wird der Einwand der Schadensweitergabe im Streitfall auszuschließen sein, weil die Anrechnung etwaiger Mehrerlöse, die der Klägerin durch Fahrpreiserhöhungen zugeflossen sind, zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten führen würde.
55
Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Entgelte auf dem nachgelagerten Markt des öffentlichen Personennahverkehrs einem hochkomplexen Preisbildungsmechanismus unterliegen, bei dem die in Streit stehenden Investitionskosten für den Gleisoberbau neben den Kosten für Personal, Energie und sonstige Investitionsgüter allenfalls nur einen von zahlreichen Kostenfaktoren für den Preis der angebotenen Dienstleistung darstellen. Darüber hinaus fließen in die Preisbildung neben der nach § 39 Abs. 2 PBefG zu berücksichtigenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals auch andere, insbesondere sozialpolitische Erwägungen ein, die ein Träger öffentlicher Gewalt im Wege der Festsetzung von Höchsttarifen bei gleichzeitiger Zahlung von Ausgleichsleistungen (Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße) verfolgen darf.
56
Angesichts dieser Umstände wird sich die Frage, ob und inwieweit die Kartellabsprache Auswirkungen auf die Preise des nachgelagerten Marktes hatte, wenn überhaupt, so doch nur mit Hilfe komplexer und aufwändiger ökonometrischer Berechnungen beantworten lassen. Dies belegen das von der Beklagten zu 3 vorgelegte Gutachten der N                        sowie deren ergänzende Stellungnahmen. Zudem liegt es nahe, dass die Abwälzung eines kartellbedingten Preisaufschlags – so dieser messbar sein sollte – im Streitfall allenfalls einen marginalen Einfluss auf die einzelnen, von den Fahrgästen entrichteten Entgelte im öffentlichen Personennahverkehr haben wird. Dies beruht nicht nur darauf, dass die behauptete Kostensteigerung im Verhältnis zu den übrigen Kostenfaktoren sowie zur großen Anzahl der verkauften Fahrscheine und den damit erzielten Erlösen eines Geschäftsjahrs nicht ins Gewicht fällt, sondern hat seine Ursache auch darin, dass die Anschaffungskosten für die Schieneninfrastruktur nur über einen sehr langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten über die Abschreibung dieser Anschaffungskosten in die Kostenrechnung der Klägerin eingehen. Daraus folgt, dass eine Weitergabe der kartellbedingten Kostensteigerung sich lediglich zu einem Bruchteil in den jährlichen Kosten, in der Folge auch bloß in atomisierter – und je nach Bemessung der Beförderungsentgelte und Struktur des Entgeltsystems gegebenenfalls unterschiedlicher – Form in den Einzelfahrpreisen niederschlägt und die Schädigung der Fahrgäste durch die – nach Auffassung des N   -Gutachtens wahrscheinlich zu mehr als 150 % der Kosten erfolgende – Überwälzung der Kostensteigerung sich über den gesamten Zeitraum der Abschreibungsdauer erstreckt.
57
Selbst wenn diese Umstände für sich genommen noch keinen Grund dafür bieten mögen, den Beklagten den Einwand der Schadensabwälzung zu verwehren, so folgt daraus allerdings, dass schon im Ausgangspunkt nur eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die unüberschaubare Vielzahl von Nachfragern der nachgelagerten Marktstufe etwaige ihnen entstandene, allerdings kaum messbare Streuschäden gegenüber den Kartellbeteiligten liquidieren (vgl. BGHZ 190, 145 Rn. 74 – ORWI). Auch im Streitfall ist nicht aufgezeigt, dass Kunden der Klägerin solche Ansprüche gegenüber den Beklagten erhoben haben. Es ist angesichts der von den Beklagten geltend gemachten Preisunelastizität der Nachfrage von Beförderungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin im Hinblick auf Mengeneffekte Ansprüche wegen entgangenen Gewinns zustehen.
58
Fehlt es in Konstellationen wie der vorliegenden vollständig an Anreizen für die mittelbar geschädigten Abnehmer, Ansprüche gegenüber den Kartellbeteiligten auch nur zu erheben, würde die Anerkennung von Vorteilen aus den nachgelagerten Massengeschäften im Ergebnis eine unbillige Entlastung der Kartellbeteiligten bedeuten. Darüber hinaus würde auch die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln mit Mitteln des Privatrechts erheblich geschwächt. Denn dem Primärgeschädigten würde angesichts des Prozessrisikos und der damit verbundenen Kostenlast ein wesentlicher Anreiz genommen, überhaupt Ansprüche gegen die Kartellbeteiligten zu erheben. Dies wiegt besonders schwer, wenn der Primärgeschädigte – wie hier – am ehesten über die Informationen verfügt, die für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erforderlich sind, und die Erhebung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen fehlender Anreize gleichzeitig von niemandem außer ihm zu erwarten ist. Im Streitfall kommt noch hinzu, dass die Versagung einer Vorteilsausgleichung bei der Klägerin als Primärgeschädigter zu einer nachträglichen Reduzierung der Anschaffungskosten für die Schieneninfrastruktur um den Schadensersatzbetrag und damit jedenfalls mittelbar und potentiell zu einer Kompensation der Kostennachteile für die Fahrgäste führen dürfte.
59
3. Hingegen wird für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu der Annahme eines kartellbedingten Schadens gelangen sollte, mit der Begründung des angefochtenen Urteils eine Vorteilsausgleichung im Hinblick auf die Zuwendungen, die die Klägerin aus öffentlichen Mitteln erhalten hat, nicht verneint werden können.
60
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Anrechnung von öffentlich-rechtlichen Zuwendungen im Wege der Vorteilsausgleichung komme nicht in Betracht. Der Kartellverstoß sei bereits nicht ursächlich für die Höhe der Zuwendungen gewesen. Insoweit fehle Sachvortrag der Beklagten dazu, ob die Zuschüsse überhaupt von den Preisen für die im Streitfall betroffenen Produkte abhängig gewesen und zu welchen Bedingungen die Zuschüsse gewährt worden seien. Auch insoweit treffe die Klägerin keine sekundäre Darlegungslast. Schließlich stehe der Rechtsgedanke des § 843 Abs. 4 BGB einer Entlastung der Beklagten entgegen.
61
b) Der Einwand der Vorteilsausgleichung kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn dem Geschädigten Zuwendungen eines öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers zufließen und diese Zuwendungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die öffentlich-rechtlichen Zuwendungen – auch der Höhe nach – in Abhängigkeit von einzelnen Beschaffungsvorgängen des Zuwendungsempfängers und zweckgebunden gewährt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 47 – Schienenkartell IV). Für die Annahme eines adäquat-kausalen Zusammenhangs könnte im Streitfall das Vorbringen der Klägerin sprechen, wonach die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge zum Teil durch öffentliche Zuwendungen gefördert und ihr etwaige den Zuwendungsgebern daraus entstandene Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten abgetreten worden seien.
62
c) Eine Vorteilsausgleichung scheidet allerdings aus, wenn der Dritte, auf den der Kläger seinen Schaden abgewälzt haben soll, dem Kläger etwaige gegen den beklagten Kartellbeteiligten bestehende diesbezügliche Ansprüche abgetreten hat, er diesem eine solche Abtretung im Sinne des § 409 BGB angezeigt hat und eine Abwälzung des Schadens auf weitere, dem Dritten nachgelagerte Abnehmer oder Leistungsstufen nicht in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 48 – Schienenkartell IV). In einem solchen Fall besteht keine Notwendigkeit, einen etwaigen von Seiten des Dritten zugeflossenen Vorteil auf den Schaden des klagenden Abnehmers anzurechnen, weil sämtliche Ansprüche im Hinblick auf diese Schadenskette in der Hand des Klägers gebündelt sind und eine doppelte Inanspruchnahme des beklagten Kartellbeteiligten nicht zu befürchten ist. Soweit der Kläger in einem solchen Fall mit der Klage Ansprüche aus fremdem (abgetretenem) Recht – wie hier – hilfsweise geltend macht, ist diesem Vorbringen nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass er die unterschiedlichen Ansprüche in einem Eventualverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag verfolgt; vielmehr wird die Auslegung des Klagebegehrens regelmäßig ergeben, dass es ihm in erster Linie auf die Liquidation des gesamten, durch die Kartellabsprache adäquat verursachten Preishöhenschadens ungeachtet der Prüfung durch das Gericht ankommt, ob tatsächlich eine (teilweise) Weiterwälzung des Schadens erfolgt ist (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 49 f. – Schienenkartell IV). Kommt es dem Kläger trotz der Bündelung der Schadensersatzansprüche in seiner Hand auf eine gerichtliche Feststellung der genauen Verteilung des Schadens auf die unterschiedlichen Ansprüche innerhalb der Schadenskette an, muss er dies klarstellen.
63
d) Sofern es nach dem Vorstehenden im wiedereröffneten Berufungsverfahren noch auf die Prüfung der Vorteilsausgleichung in Bezug auf erhaltene Zuwendungen ankommen sollte, ist die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Annahme einer die Beklagten treffenden Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden (BGHZ 190, 145 Rn. 64 – ORWI; BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 50 – Schienenkartell IV).
64
aa) Um erfolgversprechend eine Vorteilsausgleichung geltend zu machen, muss der beklagte Kartellteilnehmer plausibel dazu vortragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt (BGHZ 190, 145 Rn. 69 – ORWI). Insofern hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zutreffend als unzureichend bewertet, weil sie keine Angaben dazu gemacht hätten, ob die Zuwendungen von den Preisen für die in Rede stehenden Gleisoberbaumaterialien abhingen.
65
bb) Allerdings wird das Berufungsgericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die genannten Umstände trifft.
66
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Erleichterungen bei der Darlegungslast zugunsten der Kartellteilnehmer nur zurückhaltend zu erwägen, um die Effizienz des Kartelldeliktsrechts nicht zu gefährden (näher BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 53 f. – Schienenkartell IV). Dem Geschädigten kann jedoch desto eher eine gewisse Mitwirkung an der Aufklärung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände zugemutet werden, je größer die Wahrscheinlichkeit der adäquat-kausalen Weiterwälzung des Schadens und die Beweisnot des Kartelltäters sind und je ferner eine unbillige Entlastung des Schädigers liegt (BGHZ 190, 145 Rn. 76 – ORWI; BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 8/18, juris Rn. 53 – Schienenkartell IV).
67
(2) Insofern wird das Berufungsgericht, falls es im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zur Annahme eines kartellbedingten Schadens gelangen sollte, zunächst die für die gebotene Abwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird es zugunsten der Beklagten in den Blick zu nehmen haben, dass Zuwendungen bereits nach dem Vorbringen der Klägerin tatsächlich geflossen sind, die konkrete Ausgestaltung der in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Zuwendungen in der Sphäre der Klägerin liegt und die grundsätzliche Frage, ob überhaupt ein adäquat-kausaler Zurechnungszusammenhang zwischen Preishöhenschaden und zugeflossener Zuwendung besteht, entscheidend von der Art und Weise der Zuwendung abhängt. Zudem wird aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur der Zuwendungen im Grundsatz kein Interesse der Klägerin an einer Geheimhaltung bestehen.
68
4. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob es unter Beachtung des Gesichtspunkts der Prozessökonomie sachgerecht ist, erneut ein Grundurteil zu erlassen.
69
a) Bei Anwendung und Auslegung der Regelungen der §§ 304, 538 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 ZPO ist den Erfordernissen der Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Der Erlass eines Grundurteils ist daher immer dann unzulässig, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung des Prozesses führt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Tatsachen für Grund und Höhe des Anspruchs annähernd dieselben sind oder in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Herausnahme einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre (BGH, Urteile vom 3. November 1978 – IV ZR 61/77, VersR 1979, 25; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, NJW 2016, 3244 Rn. 36). Vor diesem Hintergrund kann es bei einem Streit über einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch aus Gründen der Prozessökonomie geboten sein, dass das Gericht einheitlich über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs entscheidet, weil es sich bereits für die Zwecke eines Grundurteils im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der einschlägigen Erfahrungssätze grundsätzlich umfassend mit den Umständen des Einzelfalls, einschließlich der vorgebrachten Indizien und etwaiger vorgelegter Parteigutachten, auseinandersetzen muss (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 52 ff. – Schienenkartell II).
70
b) Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass die aus den einzelnen Beschaffungsvorgängen abgeleiteten Schäden, die die Klägerin geltend macht, materiell-rechtlich jeweils selbständige Ansprüche bilden. Bei den einzelnen Schäden, die nach Eintritt des ersten Schadens weiteren Beschaffungsvorgängen zuzuordnen sind, handelt es sich nicht um eine bloße Weiterentwicklung des bereits im Zusammenhang mit dem ersten Beschaffungsvorgang entstandenen Schadens. Insofern wird das Berufungsgericht auch für die Zwecke eines Grundurteils die Frage, ob die Beklagte zu 2 im Hinblick auf Beschaffungsvorgänge der Klägerin für den Zeitraum nach dem Wirksamwerden der Abspaltung des Geschäftsbereichs dem Grunde nach auf Schadensersatz haftet, nicht offenlassen dürfen. Angesichts der Selbständigkeit der materiell-rechtlichen Ansprüche genügt der Verweis auf die Haftung der Beklagten zu 2 in Bezug auf anderweitige Beschaffungsvorgänge vor dem Wirksamwerden der Abspaltung nicht.
71
Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang, aber auch für ein etwaiges Betragsverfahren, zu beachten haben, dass sich die Haftung der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG auf solche Verbindlichkeiten erstreckt, die vor Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Altverbindlichkeiten bereits dann begründet, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung dieses Anspruchs bereits vor Wirksamwerden der Spaltung gelegt wurde und die weiteren Voraussetzungen seines Entstehens erst nach dem Wirksamwerden der Spaltung erfüllt werden (BGH, Urteil vom 13. August 2015 – VII ZR 90/14, NJW 2015, 3373 Rn. 37, mwN auch zur Rechtsprechung des II. Zivilsenats zur vergleichbaren Situation bei § 160 HGB). Nach diesen Grundsätzen kann bereits der vor Wirksamwerden der Spaltung begangene Verstoß gegen das Kartellverbot nach § 1 GWB und Art. 101 AEUV genügen, um die aufgrund der nach diesem Zeitpunkt erfolgten Beschaffungen entstandenen Schadensersatzansprüche, für die die Beklagte zu 1 als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 3 haftet (BGH, Urteil vom 19. Mai 2020 – KZR 70/17, juris Rn. 37 f. – Schienenkartell III), als Altverbindlichkeiten zu qualifizieren, weil das maßgebliche haftungsbegründende Verhalten der durch die Kartellabsprache erfolgte Eingriff in die Freiheit des Wettbewerbsprozesses ist.
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In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
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