IT- und Medienrecht

Kaufvertrag, Reparaturkosten, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Annahmeverzug, Kaufpreis, Gutachten, Mangel, Rechtsverfolgungskosten, Nutzungsersatz, Motorschaden, Schaden, Laufleistung, Polen, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, Einholung eines Gutachtens

Aktenzeichen  54 O 2750/19

Datum:
28.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16726
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.363,36 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.12.2019 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs KIA Sorento 2,5 D, … zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer I. bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 11 %, der Beklagte 89 %.
V. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
VI. Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
I. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung eines Kaufpreisanteils in Höhe von 5.363,36 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen KIA Sorento zu (§§ 433, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a.F., 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1, 348 BGB).
1. Die Parteien haben am 04.01.2019 einen Kaufvertrag für den gebrauchten KIA Sorento abgeschlossen. Der Kläger trat bei diesem Vertrag ausweislich der Kaufvertragsurkunde (Anlage K1) als Verbraucher auf, der Beklagte als gewerblicher Kfz-Händler als Unternehmer.
2. Das Fahrzeug ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB a.F.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen … hat der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen massiven Motorschaden erlitten, der durch den Riss der Steuerkette verursacht wurde. Die massiven Schädigungen zeigen sich darin, dass die Kipphebel der Ventilsteuerungen gebrochen sind und ein Teil des Stirndeckels ausgeschlagen ist. Für die Einzelheiten darf auf die Gutachten des Sachverständigen … verwiesen werden.
Kurz zusammengefasst hat der Sachverständige festgestellt, dass die Steuerkette um 1,08 % gelängt war, was eine ungewöhnliche Längung, auch unter Berücksichtigung einer Fahrleistung von über 170.000 km darstellt. Die Steuerketten seien grundsätzlich wartungsfrei, wenn sie auch selbstverständlich als stark beanspruchtes Bauteil eines Verbrennungsmotors dem Verschleiß unterliegen. Vorliegend hat der Sachverständige durch einen externen Dienstleister feststellen können, dass die Längung der Steuerkette stark unregelmäßig war. Folgen dieser unregelmäßigen Längung waren Schwankungen in den Steuerzeiten des Motors im Bezug auf die Ventilansteuerung und somit pulsierende Zu- und Abnahmen der Kettenspannung. Dies wiederum hatte die Folge einer deutlichen Geräuschentwicklung am Motor, was auch durch die Zeugen … und … bestätigt werden konnte. Insbesondere dem Zeugen … ein Bekannter des Klägers, sind die „komischen Geräusche“ aufgefallen, der Motor soll sehr laut gewesen sein. Der Zeuge … wollte ausschließen, dass der Kläger zu viel Gas gegeben hat, also der Motor „aufgeheult“ hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist diese Geräuschentwicklung ohne weiteres mit der übermäßigen Kettenlängung und der Pulsation der Kettenspannung in Einklang zu bringen. Auch der Zeuge …, der Stiefsohn des Klägers, hat diese Geräusche, die er mit einem Traktor verglichen hat, feststellen können.
Wie der Sachverständige nachvollziehbar und stringent ausgeführt hat, war die Kette erheblichem Verschleiß ausgesetzt, der letzten Endes zum Riss der Kette von Polen nach Landshut führte. Der Verschleiß war nach Angaben des Sachverständigen dabei so stark, dass er als Langzeitschaden zu klassifizieren ist. Nachdem der Kläger bis zum Eintritt des Motorschadens keine 10.000 km zurückgelegt hat, dürfte dieser Verschleiß bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger vorgelegen haben. Angesichts der auch für den Laien gut nachvollziehbaren Erkenntnisse des Sachverständigen … ist daher der Schaden an der Steuerkette bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs vorhanden gewesen und somit als Mangel anzusehen.
Darüber hinaus kann sich der Kläger erfolgreich auf die Vermutung des § 477 Abs. 1 BGB a.F. berufen. Der Beweis des Gegenteils ist dem Beklagten nicht gelungen. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass es sich generell um ein Verschleißteil handelte. Ist ein grundsätzlich dem Verschleiß unterliegendes Bauteil eines Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs derart durch den Verschleiß geschädigt, dass eine Fehlfunktion oder ein Schaden in naher Zukunft bevorsteht, sodass ein Austausch dringend erforderlich wäre, liegt keine Eignung für die gewöhnliche Verwendung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2. Nr. 2 BGB mehr vor. Denn die gewöhnliche Verwendung wäre eine Nutzung des Fahrzeugs ohne laute Motorgeräusche und ohne Risiko eines Motorschadens wegen des bevorstehenden Risses der Steuerkette. Vielmehr wäre die Steuerkette auszutauschen gewesen. Der Käufer eines Fahrzeugs hat einen Anspruch darauf, dass die Bauteile innerhalb der Gewährleistungszeit keinen Schaden erleiden aufgrund eines Zustands, der bereits bei Übergabe angelegt war und einen Schaden erwarten ließ.
Der Sachverständige hat darüber hinaus in seinem Gutachten vom 08.09.2021 einen Gewaltbruch durch ein Fehlverhalten des Klägers ausschließen können. Insbesondere konnte er ausschließen, dass der Kläger durch Überschreiten des normalen Drehzahlbereiches den Motor bzw. die Steuerkette übermäßig verschlissen bzw. geschädigt hat. Dies auch aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Fahrzeug entgegen der Aussagen des Klägers und des Zeugen … um ein Fahrzeug mit einem Automatikgetriebe handelt, welches derartige Schädigungen aufgrund seiner Programmierung ausschließen kann.
3. Der Kläger hat dem Beklagten erfolglos eine Frist zu Behebung des Mangels gesetzt. Dies durch Schreiben des Prozessbevollmächtigen des Klägers vom 26.06.2019 (Anlage K 3). Der Beklagte hat zwar bestritten, das Schreiben erhalten zu haben, allerdings hat der Klägervertreter in Anlagen K 8 und K 9 den Nachweis für ein Einwurf-Einschreiben vorgelegt, für welches der Anscheinsbeweis des Zugangs spricht (Grüneberg, BGB, 81. A., § 130, Rn. 21). Das reine Bestreiten des Beklagten des Zugangs ist daher nicht ausreichend, da er das Gegenteil nicht bewiesen hat.
Irrelevant ist weiterhin, ob der Kläger das Fahrzeug zum Beklagten hätte verbringen müssen, nachdem es in Prag den Motorschaden erlitten hat. Nachdem der Beklagte gar nicht reagiert hat, kommt es darauf nicht an. Außerdem würde dies die Wertung des § 439 Abs. 2 BGB sowie § 439 Abs. 5 BGB n.F. widersprechen.
4. Mit Schreiben vom 06.08.2019 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers (Anlage K4) den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
5. Folge ist somit die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Der Beklagte hat somit den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu bezahlen (§§ 346, 348 BGB). Der Beklagte rechnet mit Nutzungsersatz auf, was vorliegend als Einwand im Sinne des § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB anzusehen ist. Anhand der Laufleistung des Fahrzeugs, welches nach dem Motorschaden einen Kilometerstand von 184.833 km aufgewiesen hat (vgl. Gutachten des Sachverständigen … vom 26.02.2021, S. 7) ergibt sich ein Nutzungsvorteil vom 636,64 EUR, so dass der Beklagte nur 5.363,36 EUR zurückzuzahlen hat.
II. Der Beklagte befindet sich im Annahmeverzug (Anlage K4), das Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Wirkung des § 300 Abs. 1 BGB.
III. Außergerichtliche Kosten kann der Kläger nicht verlangen, da sich der Beklagte zur Zeit der Beauftragung nicht im Verzug mit der Nacherfüllung, geschweige denn mit der Rückzahlung des Kaufpreises befunden hat.
IV. Die Aufrechnung des Beklagten greift nicht durch.
1. Soweit der Beklagte Nutzungsersatz aufrechnet, war dies bereits bei der Kaufpreisrückzahlung zu berücksichtigen (s. oben I. 5.).
2. Schadensersatz für den über die Reparaturkosten hinausgehenden Betrag des Kaufpreises, welchen der Beklagte an den Kläger zurückzahlen muss, kann er nicht verlangen.
Der Beklagte möchte mit seinem Vortrag offensichtlich darauf hinaus, dass der Kläger den Motorschaden selbst verschuldet hat und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist. Davon abgesehen, dass ein solcher Schadensersatzanspruch eher fernliegend ist, da der Kläger zum Zeitpunkt des Schadenseintritts Eigentümer des Fahrzeugs war und vor Rücktritt es außerhalb der Regelungen des § 346 Abs. 2 BGB keine rechtlich geschützte Anwartschaft des Beklagten auf Erhaltung des Wertes des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs gibt, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mehrfach den Beklagten aufgesucht hat, da er Mängel am Fahrzeug vermutet hat. Insbesondere der Zeuge … hat angegeben, dass er den Kläger einmal zum Beklagten begleitet hat, da der Kläger ihm Probleme mit dem Fahrzeug schildern wollte. Auch wenn der Zeuge … das Gespräch selber wegen Verbleibs im Fahrzeug nicht mitbekommen hat, hat der Kläger offenbar mehrfach versucht, den Beklagten zu einer Nachbesserung von etwaigen Mängeln zu überzeugen. Offensichtlich hat der Beklagte, abgesehen von einem Austausch der Batterie, es nicht für nötig befunden, sich den Motor anzuhören oder auch anzusehen. Der Beklagte hat schlicht die Mängelrüge des Klägers nicht für ernst genommen bzw. wollte ihr nicht nachgehen.
Selbst also unterstellt, ein solcher Schadensersatzanspruch käme überhaupt in Betracht, wäre er jedenfalls nach § 254 BGB aufgrund alleinigen Eigenverschuldens des Beklagten ausgeschlossen, da der Beklagten den eingetretenen Schaden ohne weiteres dadurch hätte vermeiden können, dass er sich in offener Gewährleistungsfrist um die geschilderten Mängel kümmert. Dem gegenüber ist dem Kläger allenfalls vorzuwerfen, dass er trotz seltsamer Motorgeräusche eine längere Reise von Landshut nach Polen und zurück angetreten hat. Allerdings kann es auf die Länge dieser Fahrt nicht ankommen, da angesichts des vom Sachverständigen festgestellten Schadensbildes ein solcher Motorschaden jederzeit auch im Stadtbereich von Landshut hätte auftreten können, was die gleiche Folge für das Fahrzeug gehabt hätte. Kosten für das Liegenbleiben in Tschechien macht der Kläger nicht geltend, sodass insoweit auch kein Schaden für den Beklagten entstanden sein kann. Sonstiges Fehlverhalten, Verschalten etc., konnte seitens des Beklagten nicht nachgewiesen werden.
V Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert für den Kläger aus § 709 ZPO, für den Beklagten aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert folgt der Klageforderung.


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