Aktenzeichen 4 O 1109/18
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 952
Leitsatz
Der Erwerb eines Fahrzeugs mit manipulierter Motorsteuerungssoftware durch den Erstkäufer führt nicht dazu, dass der Zweitkäufer, der den Schaden entdeckt, an die Stelle des Geschädigten tritt. Ein Schadensersatzanspruch verbleibt beim Verkäufer, ein gesetzlicher Übergang von Ansprüchen oder Rechten an der Kaufsache über den Eigentumswechsel hinaus findet beim Kauf nicht statt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 37.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Die Klage ist unbegründet, sodass sie abzuweisen war.
a) Der Kläger ist für die von ihm erhobenen Ansprüche nicht aktivlegitimiert.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger Zweiterwerber des Fahrzeugs. Da das streitgegenständliche Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Motorsteuerung mit dem Verkauf an den Ersterwerber in den Verkehr gebracht wurde, der Schaden vom Kläger aus einem Minderwert des Fahrzeugs wegen genau dieser Motorsteuerung abgeleitet wird, hatte bereits der Ersterwerber das Fahrzeug mit dem behaupteten Schaden erworben. Der – unterstellte – Schaden war also zum Zeitpunkt des Kaufs bereits vorhanden und spätestens beim Ersterwerber eingetreten.
Der behauptete Schaden wurde vom Kläger lediglich entdeckt. Dies führt aber nicht dazu, dass der Kläger an die Stelle des Geschädigten tritt. Ein Schadensersatzanspruch verbleibt beim Verkäufer (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2018, VII ZR 46/17, dort Rz. 64). Ein gesetzlicher Übergang von Ansprüchen oder Rechten an der Kaufsache über den Eigentumswechsel hinaus findet beim Kauf nicht statt. Eine dem § 952 BGB vergleichbare Vorschrift zu einem gesetzlichen Forderungsübergang von dem Voreigentümer im Zusammenhang mit der Kaufsache entstandener Schadensersatzansprüchen fehlt. Zu einer Abtretung von Schadensersatzansprüchen ist nichts vorgetragen. Die Liquidation des Drittschadens durch den Kläger scheidet aus, weil es an einer zufälligen Schadensverlagerung fehlt.
b) Im Übrigen: Eine Anspruchsgrundlage benennt der Kläger nicht. Eine Vorschrift zur „deliktischen Produktmanipulation“ (Seite 2 der Klage) kennt das Gesetz nicht. Anspruchsgrundlage können daher nur allgemeine Vorschriften sein wie § 826 BGB oder § 823 II BGB iVm § 263 StGB sein.
Der Kläger hat sein Fahrzeug erworben, als die Dieselproblematik seit mehr als sechs Monaten in die Öffentlichkeit getragen war. Dahin gestellt bleiben kann, ob sie dem Kläger vor Erwerb des Fahrzeugs bekannt war. In der von ihm bezogenen Tageszeitung jedenfalls war der Dieselskandal gerichtsbekannt bereits begleitet. Denn jedenfalls verstieß zum Erwerbszeitpunkt des Klägers das Verhalten der Beklagten nach seinem Gesamtcharakter (BGH NJW 2017, 250) nicht mehr gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, weil es dem Kläger auf Grund der ihm zugänglichen Informationen bei vollständiger Durchdringung dieses Tatsachenstoffes problemlos möglich gewesen wäre, die Betroffenheit des streitgegensständlichen Fahrzeugs zu erkennen und beim Kauf zu berücksichtigen. Auch eine konkludente Täuschung scheidet mit der Bekanntgabe der Problematik aus.
2. Kosten: § 91 ZPO.
3. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
4. Streitwert: § 3 ZPO.
Die Zinsen bleiben nach § 4 ZPO außer Ansatz. Der Feststellungsantrag zum Annahmeverzug ist ohne weiteren wirtschaftlichen Wert.