IT- und Medienrecht

(keine) Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Glaubens- und Gewissensgründen

Aktenzeichen  AN 6 K 19.00594

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13624
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2
RBStV § 4 Abs. 6 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Streitgegenständlich ist hier von Anfang an eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer von der Klägerin beantragten, aber vom Beklagten abgelehnten Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich. Der in der Klageschrift formulierte Klageantrag ist in der mündlichen Verhandlung lediglich durch ausdrückliche auch formulierungsmäßige Einbeziehung des ablehnenden Ausgangsbescheides klargestellt worden, weshalb an der Zulässigkeit der Klage keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Klage erweist sich aber als unbegründet gemäß § 113 Abs. 5 VwGO und ist daher abzuweisen.
Die Klägerin wird durch die Versagung der von ihr begehrten Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht in ihren Rechten verletzt. Insbesondere steht ihr der (in ihrem Fall einzig ernsthaft in Erwägung zu ziehende) Befreiungstatbestand nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV), wonach unbeschadet der (hier von vorneherein nicht in Frage kommenden) Beitragsbefreiung nach § 4 Absatz 1 RBStV die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien hat, nicht zur Seite.
II.
Im Einklang mit der vorliegenden, einhelligen verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung geht auch die Kammer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die wohnungsbezogene Rundfunkbeitragserhebung nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben genügt.
Auch mit Blick auf die Struktur und das Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie auf die Beitragshöhe und die Verwendung der durch die Rundfunkbeiträge erzielten Einnahmen wird durch die Beitragserhebung die Klägerin als Rundfunksbeitragspflichtige nicht in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit, ihrer Informationsfreiheit oder ihrer Religions-/Gewissensfreiheit verletzt, nachdem von Verfassungs wegen die Existenz und die Programmfreiheit dieser Rundfunkanstalten geschützt sind und die Beitragspflichtigen durch die Finanzierungsregelungen zugleich nicht etwa gezwungen werden, die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen oder bestimmte Inhalte daraus zu unterstützen.
Des Weiteren ergibt sich zugleich kein Anspruch auf Rundfunkbeitragsbefreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV etwa aus Glaubens- und Gewissensgründen, auf die sich die Klägerin hier erfolglos beruft.
1.) Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, auf den sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk stützen kann, zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass eine Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finden kann. Diese Aufgabe kann vielfach durch die privatwirtschaftlich finanzierten Programme, die weniger strengen Anforderungen unterliegen als die öffentlich-rechtlichen, nicht wahrgenommen werden, zumal diese Programme sich durch Werbung finanzieren und deshalb nicht werbewirksame Themen nicht in demselben Umfang behandeln können wie werbewirksame Themen. Die gesetzlichen Regelungen sollen es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor diesem Hintergrund ermöglichen, seinen klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information auch seine kulturelle Verantwortung umfasst.
Die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Programmfreiheit der Rundfunkanstalten setzt dazu eine institutionelle Unabhängigkeit gegenüber politischen und gesellschaftlichen Kräften voraus. Um sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht indirekt unter den Einfluss Außenstehender gerät (so BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 21.15 – juris, Rn.19), muss seine verfassungsrechtliche Bestands- und Entwicklungsgarantie zwangsläufig durch eine Finanzierungsgarantie ergänzt werden. Insbesondere dürfen die Rundfunkanstalten nicht darauf verwiesen werden, sich die notwendigen Mittel von der werbenden Wirtschaft („auf dem Markt“) zu beschaffen, da dann die Gefahr bestünde, dass die Rundfunkanstalten bei der Orientierung an Einschaltquoten „programm- und vielfaltverengenden Zwängen“ durch die Auftraggeber ausgesetzt wären, wie dies im werbefinanzierten Rundfunk zu beobachten ist. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb den Anspruch der Rundfunkanstalten her, zur Erfüllung ihres Auftrags mit den funktionsnotwendigen Finanzmitteln ausgestattet zu werden (stRspr: z.B.: BVerfGE 136, 9 Rn. 39).
Die bloße Beitragsverpflichtung bedeutet nach Auffassung des Gerichts angesichts ihrer insgesamt geringen Belastungswirkung insbesondere bereits keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 GG auf Seiten der Klägerin, und führt schon gar nicht zu einem unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Eingriff in die dortigen Grundrechte. Mithin fehlt es auch von vorneherein an der Grundlage für die Annahme eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV bei Anführung von Glaubens- und Gewissensgründen durch eine/n Antragsteller/in zur Begründung einer Befreiung in ihrer Person von der Verpflichtung zur Leistung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags.
a) Die allgemeine Pflicht zur Abgabenzahlung ohne eine Zweckbindung zugunsten von bestimmten Glaubensgemeinschaften bzw. religiösen/areligiösen Bekenntnissen oder bestimmten weltanschaulichen Positionen berührt regelmäßig schon nicht den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit (vgl. aus der bisher vorliegenden – einhelligen – oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung etwa OVG Lüneburg, B.v. 25.8.2020 – 4 LA 163/19 – juris, m.w.N.). Die Klägerin wird – wie bereits bemerkt – nicht gezwungen, Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verfolgen, ihre Beitragsleistung ist auch nicht gezielt dazu bestimmt, etwa bestimmte Ausprägungen und Kundgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sie ablehnt, zu finanzieren, sondern sie wird, wie grundsätzlich alle anderen Wohnungsinhaber auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, in Höhe von 17,98 EUR bzw. 17,50 EUR monatlich zu einer allgemeinen Beitragsleistung zur Finanzierung des Betriebs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen, der wiederum selbst über Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Grundrechtschutz genießt (vgl. o.). Die Zahlung dieser Abgabe als solche ist nicht mit der Äußerung eines weltanschaulichen oder sonstigen Bekenntnisses (auch nicht mit einer Zustimmung zu den im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreiteten Inhalten) verbunden. Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit reicht nur so weit wie der eigene Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers. Das, was die Klägerin gemäß ihren Schriftsätzen dem öffentlichen Rundfunk vorwirft, betrifft letztlich die Programmgestaltung innerhalb der Anstalten des öffentlichen Rundfunks und die verfassungsrechtlich vorgegebene, durch Landesrecht ausgestaltete Organisationsstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und liegt nicht im Verantwortungsbereich der Beitragspflichtigen bzw. hier der Klägerin. Zwar wird der Rundfunkbeitrag zu dem konkreten Zweck der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Jedoch steht nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des/r jeweiligen Beitragsschuldners/in verwendet wird. Der/die Beitragsschuldner/in, der/die sich auf seine/ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit beruft, kann nicht davon ausgehen, dass sein/ihr konkreter Beitrag für Sendungen verwendet wird, deren Inhalt er/sie aus Glaubens- oder Gewissensgründen ablehnt (vgl. zuletzt etwa OVG Berlin-Brandenburg vom 24.11.2020 – OVG 11 N 98/20 – und vom 11.9.2020 – OVG 11 N 95.18 -; jeweils juris und m.w.N.).
b) Selbst wenn man etwa bei einer Ablehnung nicht nur bestimmter Programminhalte, sondern des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in seiner derzeitigen Existenz und der dahinter stehenden Prinzipien, sogar einen Eingriff in Art. 4 GG bei einem/r Beitragszahler/in sehen wollte, wäre dieser unterstellte Eingriff nicht verfassungswidrig.
aa) Die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses und des Gewissens nach Art. 4 Abs. 1 GG findet dort ihre Grenzen, wo die Ausübung dieses Grundrechts durch einen Grundrechtsträger auf die kollidierenden Grundrechte anderer trifft. In diesem Sinn stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, also die Rundfunkfreiheit, gewährleistet, kollidierendes Verfassungsrecht dar. Der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete verfassungsrechtliche Schutz erstreckt sich auf das Recht der bestehenden Rundfunkanstalten, der ihrem Auftrag entsprechenden Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte Rechnung zu tragen, woraus weiter folgt, dass eine Finanzierung erforderlich ist, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Stand setzt, die ihm zukommende Funktion im dualen System der Rundfunkträger zu erfüllen. Zugleich ist die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten, u.a. dadurch, dass nicht die Landesparlamente die Finanzausstattung nach ihrem (politischen) Ermessen in den Landeshaushalten festlegen; es bedarf nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hierfür vielmehr eines unabhängigen, außerhalb der Staatsorganisation stehenden Gremiums, das die Programmfreiheit zu beachten hat.
bb) Dabei ist unter Bezugnahme auf die bereits ergangene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik auch weiterhin nicht zu erkennen, dass diese Unabhängigkeiten im hier nunmehr streitgegenständlichen Zeitraum durch die geltenden organisationsmäßigen Regelungen der rundfunkrechtlichen Staatsverträge und Gesetze und deren Umsetzung in systemgefährdender Weise beeinträchtigt gewesen wären. Es ist in diesem Zusammenhang auf die Tätigkeit der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) und auf die Kontrolle der Landesrundfunkanstalten durch Rundfunk- und Verwaltungsräte hinzuweisen, die aus weisungsunabhängigen Vertretern verschiedener gesellschaftlich relevanter Gruppen zusammengesetzt sind und in diesem Sinne als Sachwalter der Allgemeinheit fungieren. Solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine oben beschriebene bedeutende verfassungsgegebene Funktion nicht grundlegend verfehlt und eine verfassungskonforme Kontrolle der Programminhalte und des sonstigen Gebarens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Grundsatz gewährleistet ist, lassen – zur Sicherung dieser verfassungsmäßig geschützten Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – auch etwaige (einzelne) Verstöße von Bediensteten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegen die gesetzlichen Vorgaben aus §§ 10,11 Rundfunkstaatsvertrag bzw. § 26 des nunmehrigen Medienstaatsvertrags vom 14. bis 28. April 2020 (MStV) die Verpflichtung zur Leistung des Rundfunkbeitrags unberührt. Im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens ist daher nicht zu prüfen, ob bestimmte einzelne (hier zudem im Wesentlichen nur pauschal geäußerte) Vorwürfe zutreffen. Es ist vielmehr Aufgabe der hierzu berufenen Gremien, insbesondere der Rundfunkräte, über die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen. Dem Rundfunkrat ist gesetzlich (vgl. Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 3 Bayerisches Rundfunkgesetz, im Folgenden: BayRG) u.a. die Aufgabe zugeschrieben, den Intendanten bei der Gestaltung des Programms zu beraten, und er kann etwa hinsichtlich Rundfunksendungen einen Verstoß gegen die Programmgrundsätze des Art. 4 BayRG feststellen und für Ausgleich sorgen (Art. 7 Abs. 7 BayRG). Dem Bürger selbst steht als Beitragspflichtigem insbesondere die Möglichkeit offen, etwaige Verstöße gegen die Programmgrundsätze durch eine Beschwerde (Art. 19 BayRG) geltend zu machen. Nach Art. 19 BayRG hat jedermann das Recht, sich mit einer Beschwerde an den Intendanten des Bayerischen Rundfunks zu wenden. Die Beschwerden sind zu verbescheiden. Macht der Beschwerdeführer gegen den Bescheid Einwendungen geltend und ist der Intendant nicht bereit, diesen Rechnung zu tragen, so hat er den Rundfunkrat zu unterrichten. Sollten die zur Kontrolle der Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten berufenen Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen zudem entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, insbesondere steht letztlich der Weg zu den Verfassungsgerichten offen (vgl. zu alledem schon die Urteile der Kammer vom 28.1.2016 – AN 6 K 15.00824 – und vom 16.6.2016 – AN 6 K 16.00365; des Weiteren etwa OVG Koblenz, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris; BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – juris; VG Berlin, U.v. 15.2.2019 – 8 K 1.18 – juris).
cc) Einen grundlegenden Funktionsmangel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder einen Ausfall der Kontrollsysteme oder deren weitreichendes bzw. systematisches Versagen, das dementsprechend dann erst direkt auf die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Einzelnen zum Rundfunkbeitrag in der festgesetzten Höhe durchschlagen könnte, hat die Klägerin nicht dargetan und davon kann auch nicht aufgrund sonstiger gerichtlicher Erkenntnisse ausgegangen werden. Mag auch Kritik an einzelnen Ausprägungen des stattgefundenen Rundfunkbetriebs und dessen Organisation und Administration durchaus berechtigt sein – was das Gericht hier offen lässt -, so hätte dies jedenfalls bislang eindeutig noch kein systemrelevantes Ausmaß erreicht, das dann auf die Berechtigung der Beitragserhebung beim einzelnen Beitragsschuldner durchschlagen könnte. Bei der Bewertung darf schon nicht außer Acht gelassen werden, dass in den Grenzen des § 3 RStV bzw. § 3 MStV in allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse im Gesamtprogramm die verschiedenen Auffassungen ausgewogen und angemessen zu berücksichtigen sind und dass die Gesamtprogrammgestaltung außerdem, um den informativ-kulturellen Grundauftrag wirksam erfüllen zu können, einerseits auch hinreichende Anziehungskraft für den breiten Massengeschmack ausstrahlen muss und andererseits auch Minderheiteninteressen ausreichend bedienen muss (vgl. zu alledem auch schon VG Köln, U.v. 16.10.2014 – 6 K 7041/13 – juris, Rn. 34 ff.; VG München, U.v. 19.9.2014 – M 6a K 14.1156 – juris, Rn. 40). Die hier zur Untermauerung des streitgegenständlichen Befreiungsbegehrens geäußerte Kritik der Klägerin an der Erscheinungsform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Programme ist in Quantität und Qualität der damit geführten Angriffe für die Geltendmachung eines für die Beitragserhebung relevanten Systemversagens offenkundig ebenso wenig ausreichend wie ihre zusätzliche Beanstandung der personellen Zusammensetzung des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dessen Entscheidung vom 25. März 2014 – 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 – juris, die übrigens zugleich als Beleg für das Funktionieren von (verfassungs) gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten dienen kann) ist zur gebotenen Begrenzung potentieller staatlicher Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert, aber auch zureichend, dass nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder der Kontrollgremien staatlich und staatsnah sein darf. Schon, dass dies im Bayerischen Rundfunkgesetz und im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks nicht hinreichend gewährleistet wäre, zeigt aber die Klägerin bereits nicht einmal im Ansatz auf.
dd) Zusammenfassend findet sich also in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System nach wie vor die Rechtfertigung für die Finanzierung der Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über Rundfunkbeiträge, was in der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein geteilt wird. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die der Rundfunkfreiheit und der damit verbundenen Meinungsvielfalt in einem demokratischen Staat zukommt, muss das Grundrecht auf Freiheit des Gewissens und des weltanschaulichen Bekenntnisses zurücktreten, selbst wenn man im Einzelfall zu der Bejahung eines Eingriffes durch die Rundfunkbeitragserhebung bei einem/r Beitragspflichtigen käme (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.12.2018 – 7 A 10740/18 – juris; OVG Berlin-Brandenburg B.v. 11.9.2020, a.a.O.). Rügen, dass der Auftrag des § 11 RStV bzw. § 26 MStV nicht bzw. nicht in der gebotenen Objektivität, Unparteilichkeit und Ausgewogenheit wahrgenommen würde, ziehen demnach prinzipiell nicht die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags in Zweifel, sondern sind im Einzelfall mittels des Beschwerderechts in den einzelnen Rundfunkgesetzen geltend zu machen mit der anschließenden Möglichkeit der Anrufung des Rundfunkrats. Denn, wie bereits erörtert, ist die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zustehende Rundfunkfreiheit vor allem Programmfreiheit und gewährleistet, dass Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleiben. Der Rundfunk selbst darf aufgrund seiner professionellen Maßstäbe bestimmen, was der gesetzliche Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt. Für die Einbeziehung qualitativer Einschätzungen der einzelnen Beitragszahler über öffentlich-rechtliche Programminhalte mittels Verweigerung/Zurückhaltung der Rundfunkbeitragsleistung ist kein Raum. Es kann die durch Beitragserhebung gewährleistete Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Beanstandungen, mit denen eine Verfehlung des gesetzlichen Auftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten gerügt wird, grundsätzlich nicht infrage gestellt werden (vgl. etwa auch schon OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – und BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – sowie zuletzt OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 15.2.2021 – OVG 11 N 95.19 -; jeweils juris). Daran wäre nur bei einem grundlegenden systemischen Versagen der Entscheidungsträger der Programmgestaltung und der sie kontrollierenden Organe zu denken, das den Nutzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im System der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes umfassend beseitigen würde, was insbesondere auch durch die Behauptungen der Klägerin auch nicht annähernd aufgezeigt worden ist.
c) Dementsprechend sieht das Gericht insoweit bereits keine Härtefalleröffnung aufgrund des Informationsfreiheitsgrundrechts oder insbesondere des Grundrechts der Gewissens- und Religionsfreiheit mit der Möglichkeit einer Rundfunkbeitragsbefreiung im Rahmen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (bzgl. der Auslegung dieser Vorschrift noch offen BVerfG, B.v. 12.12.2012 – 1 BvR 2550/12 – juris). Vielmehr sind gerade Gründe rein subjektiver Natur, zu denen eben solche mit Bezug auf persönliche Gewissensentscheidungen oder das eigene religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis gehören, zur Überzeugung des Gerichts schon vom Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nicht mit umfasst. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der generalklauselartigen Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit einer Beitragsbefreiung auch aus solchen Gründen beabsichtigt hat, zumal Art. 4 GG, wie dargelegt, zu einem solchen Verständnis keinesfalls zwingt. Die Beitragspflicht besteht unabhängig vom Vorhandensein und der Nutzung konkreter Empfangsgeräte, sodass eine an die individuelle Entscheidung zur Nichtnutzung anknüpfende Beitragsbefreiung einen systematischen Bruch darstellen würde; solches wäre zudem im Massenverwaltungsverfahren der Rundfunkbeitragserhebung nicht in praxistauglicher Weise nachweisbar und überprüfbar. Deshalb können derartige allenfalls nur mit sehr großem Aufwand verifizierbare Kriterien aus dem persönlichen Bereich wie die hier angeführten „Gewissensgründe“ nicht zu einer Beitragsbefreiung im Rahmen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV führen (so schon OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 21.9.2018 – 2 A 1821/15 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 25.8.2020 – 4 LA 163/19 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 11.9.2020 – OVG 11 N 95.18 – juris). Eine derartige, unabhängig vom Einkommen gewährte Freistellung zugunsten weiterer Personenkreise aus Weltanschauungs-/Bekenntnis-/Gewissensgründen würde zugleich dem Gebot der gleichmäßigen Belastung aller Vorteilsempfänger zuwiderlaufen (vgl. weiter BayVerfGH, E. v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 u. Vf. 24-VII-12 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15).
Ebenso wenig ergibt sich eine von der Klägerin geforderte „äquivalente Befreiungsmöglichkeit“.
2. Selbst wenn entgegen dem zuvor gerade ausführlich Dargelegten grundsätzlich eine Befreiung auch aus Glaubens- und Gewissensgründen erfolgen könnte, bedürfte es im Übrigen für eine solche Befreiung im Einzelfall außerdem einer substantiierten Darlegung eines atypischen Ausnahmefalles, also einer über (massive) Kritik an Erscheinungsformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und über die Ablehnung der als rechtswidrig empfundenen Heranziehung zum Rundfunkbeitrag hinausgehenden, schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung einer individuellen Gewissensprägung und einer deswegen bei Heranziehung zum Rundfunkbeitrag ausgelösten Gewissensnot. An der Darlegung einer derart eindringlichen Beeinträchtigung würde es aber hier im Fall der Klägerin, die sich erst, nachdem ihr aus anderen geäußerten Gründen (keine Anmeldung/Bestellung, Vertrag zu Lasten Dritter, Single-Diskriminierung) erhobener Widerspruch gegen ihre Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen zurückgewiesen worden war, auf Glaubens- und Gewissensgründe berufen hat und die einerseits bekundet, sie habe noch nie ein Fernseh- und Rundfunkgerät besessen, und andererseits aber – im Wesentlichen pauschal – eine einseitige Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit manipulativ eingesetzten Bildern und Videosequenzen zur Förderung der Zustimmung zu Gewalt- und Kriegshandlungen und eine Generierung schädlicher Emotionen durch die dortigen Rundfunkdarbietungen beklagt, bei Heranziehung der von ihr gegebenen Befreiungsbegründung auch fehlen.
III.
Bei alledem ist hier Klageabweisung geboten.
Da die Klägerin damit die Unterlegene des Rechtsstreits ist, ergibt sich die Kostenfolge zu ihren Lasten aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 VwGO.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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