IT- und Medienrecht

Keine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses

Aktenzeichen  7 U 2300/17

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5487
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ErbbauRG § 9a Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn die Erhöhung über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Als Bemessungsgrundlage dienen insoweit die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und – mit gleicher Gewichtung – die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel. Abzustellen ist dabei auf die jeweiligen Indices des Statistischen Bundesamts. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 O 15982/16 2017-05-31 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.05.2017, Az. 18 O 15982/16, dahingehend abgeändert, dass die Klage zur Gänze abgewiesen wird und der Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2. Dieses Urteil sowie das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.05.2017, soweit es Bestand hat, sind vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf eine Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses über die momentan vereinbarte Höhe von 409,04 € jährlich hinaus hat.
I.
1. Zwar ist die Klage entgegen der Meinung des Beklagten nicht schon wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Dies wäre nur der Fall, wenn einer der Streitgegenstände der früheren Prozesse zwischen den Parteien nunmehr erneut zur Entscheidung stünde (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Auflage, Köln 2016, Rdnr. 30 zu Vor 322 ZPO). So verhält es sich aber nicht, da Streitgegenstand der Vorprozesse die dort jeweils vom Kläger geltend gemachten Erhöhungsverlangen waren, während im vorliegenden Prozess nur das Erhöhungsverlangen des Klägers vom 13.05.2016 für den Zeitraum ab 01.02.2013 streitgegenständlich ist, das – wie sich allein schon aus der zeitlichen Abfolge ergibt – nicht Gegenstand der Vorprozesse war. Dass die mit den Vorprozessen befassten Gericht im Gegensatz zum Landgericht die Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht gesehen haben, ist für die Frage einer etwaigen entgegenstehenden Rechtskraft ohne Bedeutung, da nur der Entscheidungssatz in Rechtskraft erwächst, nicht aber die auf dem Weg zur Entscheidung zu klärenden Rechtsfragen (vgl. Vollkommer, aaO, Rdnr. 31 ff.).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, wobei dahingestellt bleiben kann, ob nach der Anpassungsklausel in Ziffer II. Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages der Erbbauzins weiterhin durch einen Sachverständigen als Dritten oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage der gemittelten Steigerungsraten des Verbraucherpreisindexes und des Verdienstindexes (so das Landgericht) zu ermitteln ist (von wem auch immer).
Denn jedenfalls ist die geltend gemachte Erhöhung auf nunmehr 1568,73 € jährlich ab 01.01.2013 gemäß § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG, der, obwohl erst nach Abschluss des Erbbauvertrages 1951 in Kraft getreten, gemäß § 35 Abs. 1 ErbbauRG auf Ziffer II. Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages anwendbar ist, unbillig. Die Erhöhung geht nämlich „über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus. Als Bemessungsgrundlage dienen insoweit „die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw-. der Verbraucherpreise und – mit gleicher Gewichtung – die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel“ (BGH, Urteil vom 18.11.2011, Az. V ZR 31/11, Rdnr. 18). Abzustellen ist dabei auf die jeweiligen Indices des Statistischen Bundesamts (BGH, Urteil vom 27.05.1981, V ZR 20/80, Rdnr. 18).
Als zeitlichem Bezugspunkt ist – anders als vom Landgericht angenommen – jedoch nicht auf 1966, als der Erbbauzins zum letzten Mal nach dem Verfahren der Ziffer II. Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages erhöht wurde, abzustellen, sondern auf den 22.09.1951, als der „Vertragsschluss“ iSd. § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG erfolgte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist als Vertragsschluss iSd. § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG die Vereinbarung zu verstehen, die die Anpassungsklausel enthält (BGH, Urteil vom 23.09.1983, V ZR 147/82, Rdnr. 29).
Diese Anpassungsklausel wurde in der Folge auch nicht durch eine andere Anpassungsklausel ersetzt, deren Vereinbarung dann den zeitlich relevanten Bezugspunkt bilden würde (vgl. BGH, aaO, Rdnr. 30). Die Änderung des Erbbauzinses im Jahr 1966 über die Steigerungsrate von Verbraucherpreis- und Verdienstindex hinaus, führte nämlich nicht dazu, dass sich der zeitliche Bezugspunkt ändert, da die Anpassungsklausel als solche nicht geändert wurde. Hierin liegt auch der Unterschied zu dem dem Urteil des BGH vom 27.05.1981 (Az. V ZR 20/80, Rdnrn. 22 und 23) zugrunde liegenden Sachverhalt. Denn dort war zusammen mit einer vorangegangenen Erhöhung eine Änderung der Anpassungsklausel durch die dortigen Vertragsparteien erfolgt. Da die bloße Vereinbarung über die Erhöhung des Erbbauzinses ohne gleichzeitige Änderung der Anpassungsklausel also nicht zu einer Veränderung des Bezugszeitpunkts führt (BGH, aaO), ergibt sich eine solche Verschiebung auch nicht aus der Tatsache, dass es aufgrund der Feststellungen des damaligen Sachverständigen im Jahr 1966 zu einer Erhöhung des Erbbauzinses um mehr als das Elffache kam. Im Übrigen folgt schon daraus, dass die Parteien sich 1966 penibel an das in Ziffer II. Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages festgelegte Procedere gehalten haben, dass sie die Anpassungsklausel gerade nicht ändern wollten.
Die Argumentation des Landgerichts, nach der Erhöhung des Erbbauzinses 1966, die über den gemittelten Steigerungsraten des Lebenshaltungskosten- und des Verdienstindexes gelegen habe, habe die Anpassungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllen können und sei deshalb ab diesem Zeitpunkt durch ergänzende Vertragsauslegung anzupassen gewesen, sodass als Bezugspunkt iSd. § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG auf 1966 abzustellen sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Klausel, die selbst keine Anpassungskriterien enthält, sondern nur die Bestimmung durch einen Dritten vorsieht, durch die Erhöhung von 1966 abgeändert worden sein soll. Insoweit geht auch der Hinweis des Landgerichts auf die Entscheidung des BGH vom 18.11.2011 (Az. V ZR 31/11) fehl. Dort war nämlich eine weitere Anpassung des Erbbauzinses an die Steigerung der Indices infolge eines in der Anpassungsklausel enthaltenen Höchstbetrages in Höhe von 10% des Grundstückswertes nicht mehr möglich (BGH, aaO, Rdnrn. 1 und 2). Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.
Auch die Vereinbarung der Parteien des Erbbauvertrages vom 26.07.1978 bewirkte mangels gleichzeitiger Änderung der Anpassungsklausel keine Veränderung des Bezugszeitpunkts für die Kontrollberechnung nach § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 18.10.2004, Az. 15 U 1830/04 laut Anl. K 16). Aus der Tatsache, dass die Parteien bei dieser Abänderung das in Ziffer II. Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages stipulierte Verfahren nicht eingehalten haben, lässt sich allerdings noch nicht darauf schließen, dass sie zusammen mit der Erhöhung gleichzeitig konkludent die Anpassungsklausel abändern wollten. Für einen derartigen übereinstimmenden Willen der Partien zur Vertragsänderung fehlen nämlich weitergehende Anhaltspunkte.
Jedwede Erhöhung ist daher durch § 9 a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG gedeckelt, wobei auf die Entwicklung der Indices seit September 1951 abzustellen ist (so schon OLG München, Beschluss vom 18.10.2004, Az. 15 U 1830/04).
Unstreitig liegt die gemittelte Steigerungsrate von Verbraucherpreis- und Verdienstindex im Zeitraum von September 1951 bis 01.08.2011 bei 1010,37% (vgl. Klageschrift S. 10, Bl. 10 d.A., Berufungsbegründung S. 5, Bl. 77 d.A.), sodass bei einem jährlichen Ausgangserbbauzins von 50,00 € (entspricht 25,56 €) der Deckelungsbetrag zum 01.01.2011 bei 258,30 € jährlich liegt (25,56 € x 1010,37%).
Da der Kläger jedoch bereits seit der einvernehmlichen Änderung vom 26.07.1978 409,04 € bezahlt, ist die Deckelungsgrenze bereits überschritten, sodass, solange dies noch der Fall ist, eine weitere Erhöhung gegen den Willen des Beklagten nicht in Betracht kommt.
Dieses Ergebnis entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, da das Interesse des Klägers dadurch ausreichend geschützt ist, dass durch die Heranziehung der gemittelten Indices zur Berechnung des Deckelungsbetrages sowohl dem Kaufkraftschwund als auch der Lohnentwicklung Rechnung getragen wird. Der Kläger steht damit im Verhältnis wirtschaftlich nicht schlechter als sein Rechtsvorgänger im Jahr 1951 bei Vertragsschluss. Auf die seit 1951 eingetretenen Änderungen der Grundstückswertverhältnisse, die im Raum München gerichtsbekannt zu einer weit über der gemittelten Steigerungsrate von Verbraucherpreis- und Verdienstindex liegenden Erhöhung der Grundstückspreise und dadurch auch der Mieten und Pachten geführt haben, darf nach der ausdrücklichen Regelung des § 9a Abs. 1 S. 3 ErbbauRG, wonach Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bei der Billigkeitsprüfung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben, nicht abgestellt werden, da ein Fall des § 9a Abs. 1 S. 4 ErbbauRG auch nach dem Vortrag des Klägers nicht vorliegt. Sinn und Zweck der Regelung des § 9a ErbbauRG ist nämlich gerade zu vermeiden, dass durch das zeitweise ungesunde Ansteigen der Bodenwerte über die allgemeinen Lebenshaltungskosten hinaus der soziale Charakter zu Wohnzwecken dienender Erbbaurechte gefährdet wird (vgl. BT-Drs. 7/118, S. 5). Dementsprechend wollte der Gesetzgeber auch mittels der Übergangsregelung des § 35 ErbbauRG eine möglichst weitgehende Rückwirkung des § 9a ErbbauRG erreichen (vgl. Heinemann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, München 2017, Rdnr. 1 zu § 35 ErbbauRG). Damit ist unerheblich, dass der Kläger bei Neuabschluss eines Erbbauvertrages heute einen wesentlich höheren Erbbauzins erzielen könnte.
Nach alledem besteht kein Erhöhungsanspruch des Klägers und war die Klage daher abzuweisen und dementsprechend das landgerichtliche Urteil, soweit es der Klage stattgab, aufzuheben.
Eine Schriftsatzfrist war dem Kläger nicht zu gewähren, da der Senat in der mündlichen Verhandlung keine Hinweise erteilt hat. Es fanden vielmehr lediglich eine Einführung in den Sach- und Streitstand sowie Vergleichsverhandlungen statt. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.03.2018 enthält weder neues rechtliches noch tatsächliches Vorbringen, sodass auch insoweit keine Schriftsatzfrist zu gewähren war.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.


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