IT- und Medienrecht

Keine Ersatz- und Ausgleichsansprüche aufgrund einer nicht angetretenen Flugreise

Aktenzeichen  8 C 7559/19

Datum:
23.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34205
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Erding
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 261/04 Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 lit. a
BGB § 280, § 631, § 634

 

Leitsatz

1. Unter einer Nichtbeförderung ist nach Art. 2 lit. j) VO (EG) 261/04 die Weigerung, die rechtzeitig am Flugsteig eingefundenen Fluggäste zu befördern, zu verstehen, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung ist, dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt, sich zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden hat und dem am Flugsteig erschienenen Fluggast der Einstieg gegen seinen Willen verweigert wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.657,90 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung und Erstattung der Flugscheinkosten des alternativen Rückflugs wegen Beförderungsverweigerung aus Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 lit. a) VO (EG) 261/04.
Es liegt keine Nicht-Beförderung im Sinne dieser Bestimmungen vor. Unter einer Nichtbeförderung ist nach Art. 2 lit. j) VO (EG) 261/04 die Weigerung, die rechtzeitig am Flugsteig eingefundenen Fluggäste zu befördern, zu verstehen, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind. Voraussetzung ist, dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt, sich zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden hat und dem am Flugsteig erschienenen Fluggast der Einstieg gegen seinen Willen verweigert wird.
Vorliegend sind die Kläger unstreitig nicht am Gate erschienen. Auf vertretbare Gründe kommt es insoweit bereits gar nicht an. Im Streitfall liegt es auch nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, dass die Kläger nicht rechtzeitig am Flugsteig erschienen sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, aus welcher Sphäre die Information an die Kläger, der Rückflug sei automatisch verfallen, stammt. Im Kern kommt es darauf an, ob die E-Mails des Reiseveranstalters bzw. der Firma T. G2. GmbH der Beklagten zuzurechnen sind. Zunächst blieb unstreitig, dass die Beklagte nicht mit der Streithelferin kooperiert. Bereits vor diesem Hintergrund erscheint es als fragwürdig, dass eine Veranlassung durch die Beklagte erfolgt sein soll. Das Gericht ist im Gegenteil vielmehr davon überzeugt, dass die Beklagte keine Veranlassung zum Nicht-Antritt des ursprünglich gebuchten Rückflugs gegeben hat. Das Gericht ist der Auffassung, dass hierfür allein die E-Mails der Streithelferin bzw. der Firma I. T. G2. GmbH verantwortlich sind. Die Beklagte hat dagegen keinen Anlass für Ersatzbuchungen gegeben. Die E-Mails des Reiseveranstalters bzw. der Firma I. T. G2. GmbH sind der Beklagten allerdings nicht zuzurechnen.
Denn anders als die Kläger behaupten, sind den E-Mails der Streithelferin und der Firma I. T. G2. GmbH gerade keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass es gängige Praxis der Beklagten sei Rückflüge zu stornieren, wenn der Hinflug nicht beansprucht wurde. Stattdessen bezieht sich die Firma I. T. G2. GmbH allein auf eine Rücksprache mit der Streithelferin, dem „Reiseveranstalter“. Die Streithelferin selbst lässt nur mitteilen, dass diese Vorgehensweise „eine gängige Handhabe von der Fluggesellschaft“ sei. Hier ist allerdings festzustellen, dass die Beklagte selbst namentlich überhaupt nicht genannt wird. Beide E-Mails lassen auch nicht erkennen, dass sie sich auf eine konkrete Mitteilung der Beklagten beziehen. Die E-Mails stammen auch unstreitig nicht von der Beklagten selbst. Das Gericht ist deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte die Streithelferin weder entsprechend instruiert, noch Kenntnis von den Benachrichtigungen an die Kläger hat. Gegenteiliges ist weder hinreichend vorgetragen noch nachgewiesen. Aus Sicht eines objektiven Dritten war nach Auffassung des Gerichts klar zu erkennen, dass die Information hier nicht von der Beklagten selbst, sondern allein von der Streithelferin stammte. Die Mitteilung der Streithelferin wurde für die Kläger erkennbar auch nicht durch ein Beklagtenverhalten veranlasst. Nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Reisenden kann diese Mitteilung daher nicht als vorweggenommene Beförderungsverweigerung der Beklagten angesehen werden, denn es fehlt an einer der Beklagten zuzurechnenden ausdrücklichen Zurückweisung (vgl. Hinweis LG Landshut vom 23.09.2020 – Az.: 12 S 1961/20 zu der Frage, wann einem Luftfahrtunternehmen eine Änderungsmitteilung eines Reiseveranstalters zugerechnet werden kann). Mangels Annullierung des ursprünglichen Rückfluges besteht auch sonst kein überzeugendes Indiz dafür, dass eine antizipierte Beförderungsverweigerung durch die Beklagte veranlasst wurde.
Das Gericht hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Kläger auf dem ursprünglichen Rückflug befördert worden wären. Ausweislich Bl. 6 d.A. befanden sich die Kläger im Besitz bestätigter Buchungen. Daran hat sich zur Überzeugung des Gerichts nichts geändert (vgl. Anlage B2, B3). Es besteht kein Anlass an der Richtigkeit der Anlage B3 zu zweifeln, weshalb das Gericht von einer Zeugeneinvernahme insoweit abgesehen hat. So haben sich die Kläger bereits nicht hinreichend gegen diese beiden Anlagen gewehrt. Insbesondere reicht auch das pauschale Bestreiten (vgl. Bl. 40 d.A.) nach Vorlage der Anlagen B2 und B3 nicht aus. Die Kläger legen beispielsweise auch keine anders lautenden AGB der Beklagten vor.
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte, dass an dem vorgelegten Buchungsauszug hinterher Veränderungen vorgenommen worden sind. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen der Beklagten sieht sich das Gericht in keinster Weise veranlasst, an der Richtigkeit des Auszugs zu zweifeln.
Der Begriff NO-SHOW bezeichnet das Nichterscheinen eines Fluggastes trotz bestätigter Buchung. Nachdem die Kläger unstreitig keine Mitteilung der Beklagten selbst erhalten haben und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte Kenntnis von den Informationen seitens der Streithelferin und der Firma I. T. G2. GmbH erlangt hat, lässt dies aus Sicht des Gerichts keinen anderen Schluss zu, als dass die ursprüngliche Buchung der Kläger weiterhin aktiv war und seitens der Beklagten sich hieran nichts geändert hat.
Mithin ist das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte keinen Anlass dafür gegeben hat die alternativen Rückflüge zu buchen. Die Kläger wären ohne die beiden irrtümliche Mitteilungen auf dem ursprünglich Rückflug weiterhin befördert worden. Ob ein Ausschluss von einem Rückflug bei nicht in Anspruch genommenem Hinflug unzulässig ist, kann im Ergebnis offen bleiben.
2. Es besteht auch kein Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 lit. a) der Fluggastrechteverordnung, da der ursprüngliche Rückflug unstreitig nicht annulliert wurde.
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Beförderungspflicht aus §§ 280 ff., 631, 634 BGB.
Im Ergebnis kann vorliegend offenbleiben, ob die Beklagte Vertragspartnerin der Kläger geworden ist oder ob ein Eigengeschäft der Streithelferin vorliegt. Selbst eine vertragliche Beziehung zur Beklagten unterstellt, liegt jedenfalls keine Pflichtverletzung vor. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Beklagte die Kläger bei rechtzeitigem Erscheinen am Flugsteig befördert hätte. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 1. Bezug genommen. Die Streithelferin ist nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten.
4. Mangels Hauptforderung besteht kein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 Hs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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