IT- und Medienrecht

Keine Geschäftsführung ohne Auftrag bei aufwendiger Operation eines Hundes

Aktenzeichen  19 C 4118/20

Datum:
16.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37937
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 670, § 681, § 683

 

Leitsatz

Ein Geschäftsführer kann von dem Geschäftsherrn nach §§ 683 Satz 1, 670 BGB dann Aufwendungsersatz verlangen, wenn die Führung des Geschäftes im Interesse und im mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen des Geschäftsherren erfolgte. Insoweit ist der Geschäftsführer aber verpflichtet, diesen Willen des Geschäftsherren zunächst zu ermitteln. Denn gemäß § 681 Satz 1 BGB hat der Geschäftsführer die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherren anzuzeigen und, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. Eine solche Verpflichtung zum Zuwarten kann nur dann entfallen, wenn ein unter Umständen entgegenstehender Wille des Geschäftsherren gemäß § 679 BGB unbeachtlich ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Im öffentlichen Interesse liegt die Geschäftsführung grundsätzlich nur dann, wenn akute Gefahren für Leben, Gesundheit, Sachgüter etc. bestehen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.461,20 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche. In Betracht kommen hier zwar Ansprüche sowohl aus Auftragsrecht, aus Geschäftsführung ohne Auftrag, aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis und aus Bereicherungsrecht. Nach dem klägerischen Vorbringen scheiden diese Ansprüche allerdings bereits von vornherein aus.
1. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 662, 670 BGB besteht für den Kläger nicht. Denn ein solcher Anspruch würde ein vertragliches Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten voraussetzen. Ein solcher Auftrag kam aber allenfalls – vorbehaltlich der Frage der Geschäftsfähigkeit – mit den zustande. Denn bereits nach dem klägerischen Vortrag hatte die Beklagte die als ihre befreundeten Nachbarn in der emotional aufgewühlten Situation (Ehemann verstorben, Hündin entlaufen) beauftragt, den Hund zu finden und zurückzubringen. Das damit aber eine Beauftragung des Klägers erfolgt sein sollte, ist bereits nicht hinreichend vorgetragen. Denn insoweit war die Erklärung der Beklagten gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Dass unter Umständen die 1. Vorsitzende des Klägers den subjektiven Eindruck gehabt haben will, sie sei nicht privat, sondern der Kläger beauftragt worden, spielt letztlich keine Rolle, da die Auftragserteilung aus der Perspektive eines objektiven Dritten ausgelegt werden muss (Palandt, 78. Auflage, § 133 BGB, Rn 9). Gegen die Behauptung des Klägers spricht hier insbesondere, dass selbst die 1. Vorsitzende im Rahmen der mündlichen Anhörung ausgeführt hatte, ihr Ehemann und sie hätten zunächst aus eigenen Mitteln bzw. durch Unterstützung von Freunden Flyer ausgehängt und seien mit privaten Fahrzeugen unterwegs gewesen, um die Hündin zu finden. Eine Tätigkeit des Vereins war also in der Anfangsphase gar nicht erfolgt. Außerdem hatte nach dem Vortrag des Klägers die Beklagte sowohl Frau als auch Herrn beauftragt. Erste Vorsitzende des Klägers ist allerdings lediglich Frau … Wenn aber die Beklagte die beauftragt haben soll, so erschließt sich für das Gericht nicht, warum damit eine Beauftragung des Klägers erfolgt sein soll, wenn jedenfalls nach dem Vortrag des Klägers Herr keine rechtliche Beziehung zum Kläger hat und dort insbesondere auch nicht im Vorstand tätig ist. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Kläger ausweislich seiner Satzung (Anlage K10, § 2 Nr. 1) und ausweislich seines Namens sich „dem Schutz der Katze vor Verfolgung und Quälerei aller Art, einschließlich der bisher unkontrollierten willkürlichen Tötung, sowie … [der] Aufklärung der Bevölkerung über die Nützlichkeit der Katze für die Schädlingsbekämpfung“ verschrieben hat. Ausweislich der Satzung (§ 2 Nr. 2) unterhält der Kläger „ein Katzenheim, in das herrenlose und hilfsbedürftige Katzen aufgenommen werden und das auch, soweit Platz vorhanden, Pensionstieren offensteht.“ Selbst wenn also der Vortrag des Klägers unterstellt wird, dass der Beklagten die Tätigkeit der 1. Vorsitzenden bekannt war, konnte doch die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Kläger zur Rettung einer Hündin tätig wird, wenn doch der Vereinszweck (ausschließlich) im Schutz von Katzen besteht. Vielmehr war es hier so, dass die Beauftragung der als Privatpersonen aufgrund des freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Verhältnisses erfolgte. Nachdem aber keine Abtretung etwaiger Ansprüche an den Kläger vorgetragen wurde, kommen eigene Ansprüche des Klägers aus Auftragsrecht nicht in Betracht.
2. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB scheidet aus. Denn Voraussetzung dafür wäre eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, also das Führen eines fremden Geschäftes mit Fremdgeschäftsführungswillen ohne Auftrag aber im Interesse und im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn. Dabei mag man die Beauftragung des Tierarztes zur Betäubung der Hündin zum Zwecke des Einfangen und die anschließende tierärztliche Versorgung der Hündin durchaus als ein Geschäft der Beklagten ansehen, weil diese als Halterin und Eigentümerin der Hündin für deren Verhalten verantwortlich ist, § 833 Abs. 1 BGB. Der Fremdgeschäftsführungswillen wird dabei selbst beim auch-fremden Geschäft vermutet (Palandt, aaO, § 677 BGB, Rn. 3ff). Ein Auftrag lag auch nicht vor (vgl. unter 1). Insoweit kann ein Geschäftsführer von dem Geschäftsherrn nach §§ 683 Satz 1, 670 BGB dann Aufwendungsersatz verlangen, wenn die Führung des Geschäftes im Interesse und im mutmaßlichen oder tatsächlichen Willen des Geschäftsherren erfolgte. Insoweit ist der Geschäftsführer aber verpflichtet, diesen Willen des Geschäftsherren zunächst zu ermitteln. Denn gemäß § 681 Satz 1 BGB hat der Geschäftsführer die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherren anzuzeigen und, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten. Außerdem unterliegt der Geschäftsführer nach § 681 Satz 2 i.V.m. § 666 BGB einer Auskunfts- und Rechenschaftspflicht. Eine solche Verpflichtung zum Zuwarten kann nur dann entfallen, wenn ein unter Umständen entgegenstehender Wille des Geschäftsherren gemäß § 679 BGB unbeachtlich ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Im öffentlichen Interesse liegt die Geschäftsführung grundsätzlich nur dann, wenn akute Gefahren für Leben, Gesundheit, Sachgüter etc. bestehen (Palandt, aaO, § 679 BGB Rn. 3). Das ist hier nicht ersichtlich. Zwar hatte die Klägerin behauptet, die Hündin sei behandlungsbedürftig gewesen. Die Notwendigkeit der Nieren-OP war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht bekannt. Das zeigte sich letztlich erst, nachdem die Hündin eingefangen war. Die 1. Vorsitzende hatte insoweit geschildert, dass man die Hündin nach langem Suchen schließlich in einem Garten in Erlagen entdeckt habe und zunächst versucht habe, mittels einer Futterfalle anzulocken und einzufangen. Das sei aber nicht gelungen, weswegen man sich dann entschlossen habe, den Tierarzt mit einer Betäubungsmethode hinzuzuziehen. Dass zu diesem Zeitpunkt eine akute Gefahren für die Hündin oder andere wichtige Güter bestanden hätte, war weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass die Hündin auf einer Pfote lahmte, begründet kein öffentliches Interesse. Daher wäre der Kläger gemäß § 681 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen, zunächst die Beklagte bzw. deren Betreuerin über die Tätigkeit (Einfange) zu informieren und deren Entscheidung abzuwarten. Nur wenn eine Situation mit Gefahr im Verzug eingetreten wäre, wäre auch ein Handeln ohne eine solche Rücksprache möglich gewesen. Die Entscheidung, den Tierarzt bezüglich der Betäubung zum Zwecke des Einfangen und die anschließenden Behandlungen durchzuführen, erfolgte daher eigenmächtig.
Darüber hinaus kann nach § 683 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 670 BGB Ersatz nur für diejenigen Aufwendungen verlangt werden, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Maßgeblich ist dabei ein objektiver Maßstab mit einem subjektiven Einschlag (Palandt, § 670 BGB, Rn. 4). Hier war zu berücksichtigen, dass die Hündin mittlerweile seit fast 6 Monaten entlaufen war. Dass die Beklagte tatsächlich – ohne Rücksprache mit ihr – Aufwendungen im 4-stelligen Bereich zum Einfangen und Versorgen der Hündin genehmigt hätte bzw. diese Aufwendungen für notwendig erachtet hätte, ist jedenfalls nicht hinreichend vorgetragen. Denn dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Hündin nicht nur seit fast 6 Monaten entlaufen war, darüber hinaus auch mind. 15 Jahre (unstreitig) als war und die Beklagte selbst, was der Kläger auch wusste, unter Betreuung stand. Außerdem hatte die 1. Vorsitzende im Termin zur mündlichen Verhandlung noch geschildert, dass ihr Ehemann versucht habe, mit der Betreuerin Kontakt aufzunehmen. Es habe ein Telefonat mit ihr gegeben. Dass dabei die Betreuerin die Maßnahmen und deren Kosten genehmigt hätte, wurde vom Kläger noch nicht einmal vorgetragen.
Jedenfalls nicht von der Geschäftsführung oder von einem Auftrag umfasst war die Nieren-Operation. Zwar behauptete hier die Klägerin die Notwendigkeit, um das Leben der Hündin zu retten. Das mag u.U. auch zutreffend sein. Jedenfalls war aber keine derartige Eile geboten, dass dies ohne Anzeige nach § 681 S. 1 BGB hätte erfolgen müssen. Ausweislich der Behandlungsunterlagen und Rechnungen und ausweislich der informatorischen Schilderung der ersten Vorsitzenden wurde die Nierenerkrankung erst einige Tage nach dem Einfangen entdeckt, weil die Hündin sich erbrach. Ausweislich der Unterlagen erfolgte das Einfangen Ende Juni. Die Behandlung bzgl. der Niere erfolgte erst Mitte/Ende Juli und damit mind. 3 Wochen nach dem Einfangen. Letztlich muss hier berücksichtigt werden, dass nicht dem Kläger sondern der Beklagten bzw. deren Betreuerin die Eigentümerbefugnisse nach § 903 BGB zustanden, insbes. darüber zu entscheiden, was mit der Hündin passieren soll und welche Maßnahmen getroffen werden.
3. Ein Anspruch auf Verwendungsersatz folgt auch nicht aus § 994 Abs. 1 BGB. Voraussetzung dafür ist ein sogenanntes Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Dabei kann zunächst festgehalten werden, dass die Kosten zum Einfangen der Hündin schon deswegen nicht nach § 994 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verwendungsersatz verlangt werden können, weil im Zeitpunkt der Beauftragung des Tierarztes zum Zwecke der Betäubung die Hündin noch gar nicht im Besitz des Klägers war. Dieser Besitz sollte ja durch das Einfangen gerade erst begründet werden. Aber auch die Kosten der medizinischen Versorgung des Tieres können nicht verlangt werden. Denn gemäß § 994 Abs. 2 S. 1 BGB kann Verwendungsersatz nur nach den weiteren Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt werden, wenn der Besitzer bösgläubig im Sinne von § 990 BGB war. Anknüpfungspunkt für die Bösgläubigkeit ist das Recht zum Besitz. Ein solches Recht zum Besitz kann zum einen aufgrund eines Auftrags oder aufgrund einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag folgen (Hans in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl, § 986 BGB (Stand: 01.04.2017), Rn. 6) bestehen.
Dem Kläger war aber bekannt, dass er nicht beauftragt war, die Hündin einzufangen. Denn der Kläger muss sich nach § 31 BGB das Wissen seiner 1. Vorsitzenden zurechnen lassen. Dieser war aber nach dem klägerischen Vortrag bekannt, dass der Auftrag zum Einfangen der Hündin nicht an den Kläger, sondern an die als Privatperson erteilt worden war.
Dem Kläger war aber auch bekannt, dass eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorlag. Denn – wie oben gezeigt – wäre der Kläger zum Zuwarten wegen § 681 S. 1 BGB verpflichtet gewesen und hätte nicht eigenmächtig handeln dürfen.
Weil er also bösgläubig war, kann er nur nach § 994 Abs. 2 S. 1 BGB unter den weiteren Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB Verwendungsersatz verlangen. Dessen Voraussetzungen lagen aber – wie oben gezeigt – nicht vor.
4. Ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ggf. i.Vm. § 684 S. 1 BGB wäre lediglich auf die Bereicherung der Beklagten gerichtet. Das wäre nur hinsichtlich einer Wertsteigerung an der mind. 15 Jahre alten Hündin denkbar, deren Leben womöglich durch das Einfangen und Behandeln verlängert wurde. Dazu fehlte aber jedweder Vortrag, obwohl das Gericht auf die einschlägigen Normen bereits hingewiesen hatte.
5. Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich oder durchgreifend. Inwieweit den Eheleuten Schmidt eigene Ansprüche zustehen, war hier nicht zu entscheiden.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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