IT- und Medienrecht

Kostenersatz für Bestattung im Wege der Ersatzvornahme, Vorherige Ermittlung und Information der Bestattungspflichtigen, Umfang der Ermittlungspflicht der Gemeinde

Aktenzeichen  B 9 K 18.599

Datum:
18.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46078
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14
BestV § 15
BestV § 19

 

Leitsatz

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2018, mit dem die Klägerin verpflichtet wurde, an die Beklagte EUR 2.156,79 zu zahlen, wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I.
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
II.
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Klägerin kann nicht auf Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Zahlung der für die Bestattung von Frau … D* … entstandenen Kosten herangezogen werden.
Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 BestV Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend sind.
Kern der Regelungen ist es folglich, dass eine Gemeinde nur dann Kostenersatz verlangen kann, wenn sie die Notwendigkeit eines unmittelbaren Tätigwerdens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG nicht selbst dadurch herbeigeführt hat, indem sie es unterlassen hat, zeitnah zumutbare und naheliegende Anstrengungen zur Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen zu unternehmen. Da die Gemeinde mit der von ihr veranlassten Bestattung in das Recht auf Totenfürsorge der Angehörigen eingreift, hat sie deshalb zunächst zu ermitteln, ob Bestattungspflichtige vorhanden sind. Im Hinblick auf die zu beachtenden Bestattungsfristen muss die Gemeinde nicht alle im Einzelfall möglichen Ermittlungen anstellen, sondern darf sich auf die für sie naheliegenden und zumutbaren Maßnahmen beschränken (vgl. VG München, U.v. 12.10.2019 – M 12 K 19.2355 m.w.N.).
Dem ist die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Es erfolgten keinerlei Bemühungen, mit den (übrigen) Bestattungspflichtigen in Kontakt zu treten.
Frau …D* … verstarb am 30. März 2018 (Karfreitag) im Krankenhaus in … Hierüber wurde die Beklagte von der Schwester der Verstorbenen (Frau P* …*) am 3. April 2018 (Dienstag) in Kenntnis gesetzt. Frau P* … teilte ausweislich der Behördenakte weiter mit, dass es außer ihr noch vier Geschwister gebe. Allerdings gebe es Streitigkeiten in der Familie und man spreche nicht miteinander. Frau P* … erklärte ferner, ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen zu wollen und dass wohl auch ihre Geschwister nicht dazu bereit seien. Daraufhin beauftragte die Beklagte am 5. April 2018 die Bestattungsmaßnahmen für Frau D* … Nach § 19 BestV muss eine Leiche spätestens 96 Stunden nach Feststellung des Todes bestattet bzw. im Falle einer Feuerbestattung eingeäschert sein. Sonntage, gesetzliche Feiertage und Samstage bleiben bei der Berechnung dieser Frist außer Betracht, § 19 Abs. 1 Satz 2 BestV. Im zu beurteilenden Fall begann die 96-stündige Bestattungsfrist folglich erst am 3. April 2018 zu laufen und endete mit Ablauf des 6. April 2018. Es wäre somit für die Beklagte nicht von vornherein aussichtslos gewesen, nach dem Telefongespräch mit Frau P* … auch noch die anderen Geschwister zu kontaktieren, um diese vom Tod ihrer Schwester in Kenntnis zu setzen, sie über ihre Bestattungspflicht aufzuklären, zur Bestattung aufzufordern (möglicherweise verbunden mit einer Fristsetzung) und anschließend die Vornahme der Bestattung gegebenenfalls anzuordnen. Die Namen und Adressen der Geschwister waren der Beklagten ausweislich der Behördenakte bereits vor Anordnung der Ersatzvornahme bekannt.
Insbesondere durfte die Beklagte aufgrund der Aussagen von Frau P* … auch nicht ungeprüft davon ausgehen, dass keiner der Geschwister zur Beauftragung der Bestattung bereit war, da Frau P* … selbst angab, dass die Geschwister zerstritten seien und nicht mehr miteinander sprächen. In diese Richtung unternahm die Beklagte jedoch keinerlei Bemühungen, sondern beauftragte die Bestattung noch (weit) vor Ablauf der 96-stündigen Bestattungsfrist selbst und verpflichtete die Geschwister anschließend (ohne Anhörung zur beabsichtigten Inanspruchnahme) per Bescheid.
Die vom Bevollmächtigten der Beklagten zitierten Auszüge des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 14.9.2015, 4 ZB 15.1029 – juris) zielen in eine andere Richtung. Gemeint ist hier, dass es zur Festlegung eines Bestattungspflichtigen keiner gesonderten Anordnung bedarf, da diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung unmittelbar kraft Gesetzes besteht. Die bestehende Bestattungspflicht ist vorliegend jedoch unstreitig – problematisiert wird im hiesigen Verfahren die Kostenerstattungspflicht nach einer Ersatzvornahme durch die Beklagte. Hierfür sieht Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG jedoch gerade vor, dass von der Gemeinde zunächst versucht wird, die Bestattungspflichtigen zu informieren und in Anspruch zu nehmen. Erst wenn dies nicht möglich oder nicht zulässig ist oder keinen Erfolg verspricht, darf die Gemeinde in Ersatzvornahme handeln.
Die sich aus der Bestattungsfrist des § 19 BestV ergebende Eilbedürftigkeit rechtfertigt es nicht, gänzlich von der Ermittlung und Verständigung der bestattungspflichtigen Angehörigen abzusehen, denn ein Tätigwerden der Gemeinde auf Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG greift stets in das Recht der Bestattungspflichtigen auf Totenfürsorge ein. In welchem Umfang entsprechende Nachforschungen von der Gemeinde zu erwarten sind, ist Frage des Einzelfalles. Jedenfalls sind dabei die bis zum Fristablauf noch zur Verfügung stehende Zeit sowie die der Gemeinde bereits vorliegenden Informationen und Ermittlungsansätze zu bestattungspflichtigen Personen zu berücksichtigen.
Hier ergibt sich jedoch aus den Akten der Beklagten noch nicht einmal, ob die übrigen Geschwister (außer Frau P* …*) vom Tod ihrer Schwester vor Bescheidserlass überhaupt erfahren haben, geschweige denn, dass ihnen die Möglichkeit gegeben worden wäre, sich selbst um die Bestattung der Schwester zu kümmern oder an dieser teilzunehmen. Angesichts der Informationen, die der Beklagten durch das Telefonat mit Frau P* … vorlagen, wäre es unschwer möglich gewesen, die anderen bestattungspflichtigen Geschwister der Verstorbenen zumindest telefonisch zu informieren und aufzufordern, für die Bestattung zu sorgen, ohne die Bestattungsfrist nach § 19 BestV zu überschreiten.
Eine andere Beurteilung hinsichtlich der besonderen Eilbedürftigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht aufgrund der zeitlichen Konstellation wegen der Osterfeiertage. Wenn der Verordnungsgeber eine Ausnahme von der ausdrücklich in § 19 Abs. 1 Satz 3 BestV geregelten Außerachtlassung von Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen bei der Berechnung der Frist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BestV gewünscht hätte, so ist davon auszugehen, dass ein solcher Ausnahmetatbestand auch in der Verordnung geregelt worden wäre. Andernfalls hätte es schon der Ausnahmen in § 19 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 4 BestV nicht bedurft. Allein die Tatsache, dass die Verstorbene vorliegend möglicherweise eine „ungewöhnlich lange Zeit unbestattet geblieben“ wäre, reicht hierfür nicht aus. Dahingehend, dass sich aufgrund dessen sicherheits- und gesundheitsrechtliche Aspekte ergeben hätten (z.B. fehlende Kühlungsmöglichkeiten), wurde nichts vorgetragen.
Aufgrund dieses nicht durch eine besondere Eilbedürftigkeit oder andere Umstände gerechtfertigten Eingriffs in das Totenfürsorgerecht ist der Beklagten eine Heranziehung der Klägerin zu den entstandenen Bestattungskosten mittels Leistungsbescheid verwehrt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich ernsthaft den Willen gehabt hätte, sich um die Bestattung ihrer Schwester zu kümmern (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.11.2017 – W 2 K 17.128 – juris).
Ob eine Inanspruchnahme aller Geschwister in voller Höhe rechtmäßig war, ohne dass aus dem Bescheidstenor eine gesamtschuldnerische Haftung ersichtlich ist und ob die Beklagte ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat, kann damit dahinstehen. Offen bleiben kann ferner, ob Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die Beklagte bei einer unmittelbaren Durchführung von Bestattungsmaßnahmen grundsätzlich auf die Einäscherung des Leichnams und den Verschluss der Asche in einer Urne beschränkt (so OVG Münster, B.v. 1.7.2015 – 19 A 2635/11 – juris). Die Urnenbeisetzung an sich war jedenfalls nicht eilbedürftig.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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