IT- und Medienrecht

Kostenersatz für einen Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr anlässlich eines Verkehrsunfalls

Aktenzeichen  AN 14 K 18.01723

Datum:
16.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 50633
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 14
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayFwG Art. 28
Satzung über Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren des Marktes … vom 1. Juni 2009

 

Leitsatz

Tenor

1.Der Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2018 wird insoweit aufgehoben, als darin über den Betrag von 1.390,17 EUR hinausgehende Kosten festgesetzt wurden.   
2.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Über den Rechtsstreit entscheidet der Einzelrichter aufgrund Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 4. November 2019.
Die Klage hat Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Das Widerspruchsverfahren, das vorliegend fakultativ möglich ist (vgl. Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 AGVwGO), wurde ordnungsgemäß durchgeführt (§ 68 VwGO). Die … Versicherungs-AG hat mit Schreiben vom 23. Januar 2018 als Bevollmächtigte der Klägerin fristgemäß Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2018 eingelegt.
Die Klägerin konnte gemäß Art. 14 BayVwVfG durch ihre Kfz-Haftpflichtversicherung wirksam vertreten werden (vgl. VGH BW, B.v. 25.11.2016 – 1 S 1750/16 -, juris Rn. 5; VGH Kassel, B.v. 22.7.2008 – 5 B 6/08 -, juris Rn. 1; VG Augsburg, U.v. 23.7.2018 – Au 7 K 17.228 -, juris Rn. 54). Selbst wenn man – wie die Bevollmächtigte des Beklagten – davon ausginge, dass die … Versicherungs-AG mit Erhebung des Widerspruchs eine § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes widersprechende Rechtsdienstleistung für die Klägerin erbracht hätte (so VG Stuttgart, U.v. 27.2.2017 – 9 K 4495/15 -, juris Rn. 20 ff.), stünde dies der Wirksamkeit der vorgenommenen Verfahrenshandlung nicht entgegen. Da es an einer vorangegangenen Zurückweisung der … Versicherungs-AG durch die Verwaltungsbehörde (Art. 14 Abs. 5 BayVwVfG) fehlte, wäre auch in diesem Fall die Erhebung des Widerspruchs als wirksam anzusehen (e contrario Art. 14 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG; vgl. zum Ganzen auch VG Würzburg, U.v. 28.6.2018 – W 5 K 16.745 -, juris Rn. 15; siehe auch die Begründung im Widerspruchsbescheid).
Die Klage ist auch nicht aufgrund Formmangels bei der Einlegung des Widerspruchs verfristet. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ein Widerspruch schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des VwVfG oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben. Zwar bedeutet Schriftform grundsätzlich eine eigenhändige Unterzeichnung, allerdings ist der Zweck des Schriftformerfordernisses vorliegend auch ohne eigenhändige Unterzeichnung erfüllt. Fehlt die Unterschrift, ist die Schriftform dennoch gewahrt, wenn sich aus dem Widerspruchsschreiben, aus sonstigen Unterlagen oder sonstigen Umständen hinreichend sicher, d.h. ohne Rückfrage oder Beweiserhebung, zweifelsfrei ergibt, dass das Widerspruchsschreiben vom Widerspruchsführer herrührt und mit seinem Willen in Verkehr gebracht wurde (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 11/78 -, juris Rn. 14 ff.; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO 37. EL Juli 2019, § 70 Rn. 5). Das ist hier der Fall. Das Widerspruchsschreiben vom 23. Januar 2018 ist in der für die … Versicherungs-AG üblichen Form gehalten und bezeichnet den vorliegenden Fall ganz konkret. Wenige Tage später gelangte ein auf den 26. Januar 2018 datiertes Schreiben an den Beklagten, dass über die Teilzahlung informierte und die Gründe für die Kürzung darlegte (Prüfbericht der Firma …*). In der Folge fand auch tatsächlich nur eine Teilzahlung statt. Nach diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass sich die … Versicherungs-AG gegen die als überdimensioniert wahrgenommene Forderung wehren will. Es bestehen für das Gericht keine Zweifel, dass dieses Schreiben willentlich in den Rechtsverkehr entäußert wurde. Die Beklagte behandelte das Schreiben vom 23. Januar 2018 in der Folgezeit auch als formgemäßes Widerspruchsschreiben. Im Widerspruchsbescheid ist sogar ausdrücklich von einem „formgerechten“ Widerspruch die Rede.
2. Die Klage ist begründet.
Der Kostenbescheid vom 8. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit ein Betrag, der über 1.390,17 EUR hinausgeht, von ihr gefordert wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Der Beklagte hat zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihr durch den Feuerwehreinsatz vom 12. November 2017 entstanden sind.
Dieser Kostenersatzanspruch findet seine Rechtsgrundlage in Art. 28 BayFwG, der den Kostenersatz für das Tätigwerden der gemeindlichen Feuerwehren im Bereich des abwehrenden Brandschutzes und des technischen Hilfsdienstes regelt, in Verbindung mit der kommunalen Satzung über Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren vom 24. April 2009.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG können die Gemeinden in den unter Abs. 2 Nr. 1 bis 6 aufgezählten Fällen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze oder Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2 BayFwG) oder durch Einsätze hilfeleistender Werkfeuerwehren entstanden sind (Art. 15 Abs. 7 BayFwG). Der Anspruch wird durch Leistungsbescheid geltend gemacht (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayFwG).
Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayFwG kann Kostenersatz verlangt werden für Einsätze der Feuerwehr im technischen Hilfsdienst, bei denen die Gefahr oder der Schaden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs veranlasst war. Einen solchen entgeltlichen technischen Hilfsdienst hat die Feuerwehr des Beklagten bei dem Einsatz am 12. November 2017 geleistet. Die Klägerin ist als Halterin des Fahrzeuges, durch das der Feuerwehreinsatz veranlasst war, zum Ersatz der Kosten verpflichtet (Art. 28 Abs. 3 Nr. 2 BayFwG).
Es kann vorliegend offen bleiben, ob die durch die Freiwillige Feuerwehr des Beklagten getätigten und in Rechnung gestellten Aufwendungen im Ganzen notwendige Aufwendungen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG sind.
2.2 Jedenfalls konnte der Beklagte vorliegend die Einsatzkosten nicht pauschaliert gemäß der Satzung über Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren vom 24. April 2009 abrechnen, weil diese hinsichtlich der Pauschalsätze bei den Streckenkosten und den Ausrückestundenkosten nichtig ist.
Gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbsatz BayFwG können die Gemeinden Pauschalsätze für den Ersatz der Kosten bei der Erfüllung von Aufgaben nach Art. 4 BayFwG festlegen. Das hat der Beklagte vorliegend getan. In der Satzung über Aufwendungs- und Kostenersatz für Einsätze und andere Leistungen gemeindlicher Feuerwehren vom 24. April 2009 sieht der Beklagte pauschalierte Sätze für Streckenkosten, Ausrückestundenkosten und Personalkosten vor.
Eine solche Kostenersatzsatzung muss bestimmten Mindestanforderungen genügen, damit auf ihrer Grundlage die Einsatzkosten pauschaliert geltend gemacht werden dürfen (Art. 28 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz und Satz 2 BayFwG, vgl. dazu die grundlegende Entscheidung des BayVGH, U.v. 18.7.2008 – 4 B 06.1839 -, juris). Die Pauschalsätze müssen sich der Höhe nach in etwa an den Kosten messen lassen, die tatsächlich angefallen sind (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2008 – 4 B 06.1839 – juris Rn. 25; siehe auch VG München, U.v. 22.6.2016 – M 7 K 15.255 – juris). Nach Nr. 28.3 VollzBekBayFwG müssen die Gemeinden insbesondere auch eine eigene Kostenkalkulation vornehmen. Die bloße Übernahme von Musterpauschalbeträgen und -berechnungen ohne eigene Kalkulation reicht nicht aus (vgl. Forster/Pemler/Remmele, BayFwG 44. NL Januar 2019, Art. 28 Rn. 69; Schulz, in: PdK Bay K-16, Stand: Okt. 2017, Art. 28 BayFwG, Erläuterungen 4.2, siehe auch VG Würzburg, U.v. 28.6.2018 – W 5 K 16.745 – juris Rn. 28; VG Ansbach, U.v. 19.9.2018 – AN 14 K 16.01955). Die Berechnung der konkreten Kosten ist in Anlage 7 der VollzBekBayFwG dargestellt. Beispielsrechnungen finden sich auch im gemeinsamen Muster des Bayerischen Gemeindetages, des Bayerischen Städtetages, des LandesFeuerwehrVerband Bayern e.V. sowie des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes. Eine unreflektierte Übernahme von Musterbeträgen ohne eigene konkrete Berechnungen genügt diesen Anforderungen nicht.
Im vorliegenden Fall fehlt es offensichtlich an einer eigenen Kostenkalkulation des Beklagten. Auf mehrmalige Nachfrage des Gerichts hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zwar Kostenberechnungen für Feuerwehrfahrzeuge vorgelegt. Diese Kostenberechnungen sind jedoch nicht nur unvollständig, sie entsprechen auch weitgehend dem gemeinsamen Muster des Bayerischen Gemeindetages, des Bayerischen Städtetages, des LandesFeuerwehrVerband Bayern e.V. sowie des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes aus dem Jahre 2006. So entspricht etwa die Kostenberechnung des auch in vorliegendem Einsatz eingesetzten HLF 20/16 (Blatt 107 und 108 der Gerichtsakte) zahlen- und wortgleich diesem Satzungsmuster. Gleiches gilt für das ebenfalls eingesetzte MZF (Blatt 113 und 114 der Gerichtsakte) und die vorliegend nicht eingesetzten TLF 16/25 (Blatt 109 und 110 der Gerichtsakte) und DLA (K) 18/12 (Blatt 111 und 112 der Gerichtsakte). Hinsichtlich der zum Einsatz gekommenen Fahrzeuge MTW, LF 20 sowie des VSA fehlt es gänzlich an Kostenberechnungen. Gleichzeitig entsprechen die Pauschalen hinsichtlich MTW und LF 20 hinsichtlich Strecken- und Ausrückestundenkosten der Mustersatzung aus dem Jahr 2013. Die damit einhergehenden Zweifel des Gerichts konnten die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung mit Vorlage der Kostenberechnungen nicht ausräumen.
Die Unwirksamkeit der Pauschalsätze hinsichtlich Streckenkosten und Ausrückestundenkosten führt zum Erfolg der Klage. Diese betragen insgesamt 830,07 EUR und übersteigen damit die angefochtene Summe.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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