IT- und Medienrecht

Löschung einer herabsetzenden Äußerung auf Internetplattform

Aktenzeichen  18 U 2346/19 Pre

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 241 Abs. 2, § 2424, § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 823
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 u. 2

 

Leitsatz

1. Nach inzwischen gefestigtem allgemeinen Sprachverständnis wird die Bezeichnung eines Menschen mit dunkler Hautfarbe als „Neger“ generell als herabsetzend empfunden; gegen die Löschung einer entsprechenden Äußerung (“Ist bei euch noch ein Neger dabei?”) durch den Betreiber einer Internetplattform kann nicht eingewandt werden, die Bezeichnung sei nicht herabsetzend gemeint gewesen. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verstoß gegen das Verbot von „Hassbotschaften“ setzt keinen konkreten Bezug zu einer bestimmten Person oder einem abgrenzbaren Personenkreis voraus; ein direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse kann vielmehr bereits in der Verwendung einer an diese Eigenschaft anknüpfenden eindeutig pejorativen Bezeichnung liegen, weil damit den Angehörigen der betroffenen ethnischen Gruppierung regelmäßig der Anspruch auf Gleichwertigkeit bestritten wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

32 O 51/18 2019-04-09 Endurteil LGDEGGENDORF LG Deggendorf

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 09.04.2019, Az.: 32 O 51/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 07.02.2020.

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB auf erneute Freischaltung des am 13.01.2018 gelöschten Beitrags zusteht. Da er den für die Interpretation dieses Beitrags maßgeblichen Kontext nicht vollständig mitteilt, kann der Senat nicht beurteilen, ob die Beklagte mit dessen Löschung ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. Dies geht zum Nachteil des Klägers, den nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Pflichtverletzung trifft.
a) Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Nutzer einer Social-Media-Plattform etwaige Ansprüche gegen den Plattformbetreiber auf Unterlassung der Löschung eines von ihm auf der Plattform eingestellten Beitrags, auf Wiederherstellung eines gelöschten eigenen Beitrags oder auf Unterlassung der Sperrung wegen eines eingestellten Beitrags nur aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung der mittelbaren Drittwirkung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ableiten kann (vgl. Endurteil vom 07.01.2020 – 18 U 1491/19).
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt den Grundrechten insoweit eine mittelbare Drittwirkung zu, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet hat, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261; Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51, Rn. 26, BVerfGE 7, 198; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl., Art. 1 Rn. 54 m.w.N.). In dieser Funktion zielen die Grundrechte nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Hierbei sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09, Rn. 32 m.w.N., NJW 2018, 1667). Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektive Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriffe, die im Sinne dieses Rechtsgehalts ausgelegt werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80, Rn. 25, BVerfGE 73, 261).
bb) Streiten der Betreiber einer Social-Media-Plattform und der ihm vertraglich verbundene Nutzer über die Zulässigkeit eines vom Nutzer auf der Plattform eingestellten Beitrags, bildet die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB die konkretisierungsbedürftige Generalklausel, bei deren Auslegung unter anderem dem Grundrecht des Nutzers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) Rechnung zu tragen ist.
Für Inhalt und Reichweite der beiderseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme ist von maßgeblicher Bedeutung, welchem Zweck die jeweilige Plattform dient. Soll diese – wie im vorliegenden Fall – den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris), muss im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung des Grundrechts der Nutzer auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.). Wegen der fundamentalen Bedeutung, die der Meinungsfreiheit für die menschliche Person und die demokratische Ordnung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1), kann die Entscheidung über die Entfernung der auf einer solchen Plattform eingestellten Inhalte nicht im Ermessen des Plattformbetreibers liegen.
Andererseits muss dem Plattformbetreiber das Recht zustehen, Inhalte mit einem strafbaren oder die Rechte Dritter verletzenden Inhalt von der Plattform zu entfernen, weil er andernfalls Gefahr läuft, berechtigten Klagen auf Löschung solcher Inhalte oder anderen Sanktionen ausgesetzt zu sein. Der Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen das legitime Interesse des Plattformbetreibers anerkannt, die den Nutzern obliegenden Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln zu konkretisieren (Beschluss vom 17.09.2018 – 18 W 1383/18, Rn. 21, NJW 2018, 3119; Beschluss vom 12.12.2018 – 18 W 1873/18). Mit solchen Verhaltensregeln definiert der Plattformbetreiber zugleich seine eigenen Rechte, Rechtsgüter und Interessen, auf die der Nutzer gemäß § 241 Abs. 2 BGB bei der Inanspruchnahme der bereit gestellten Leistungen seinerseits Rücksicht zu nehmen hat.
cc) Entgegen der Ansicht des Klägers hält die in den Gemeinschaftsstandards der Beklagten (vorgelegt als Anlage KTB 3) geregelte Befugnis zur Entfernung von sogenannten „Hassbotschaften“ – definiert als Inhalte, die Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreifen – als solche der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB stand. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Weitere Schranken ergeben sich aus kollidierendem Verfassungsrecht (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 5 Rn. 43), wozu auch die Grundrechte der von einer Äußerung Betroffenen gehören. Das Verbot von „Hassbotschaften“ umschreibt und konkretisiert damit lediglich diejenigen Schranken, denen die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ohnehin unterworfen ist.
b) Aufgrund der unzureichenden Angaben des Klägers zum konkreten Kontext des streitgegenständlichen Beitrags kann der Senat nicht beurteilen, ob die Beklagte diesen zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder mit dessen Löschung ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat.
aa) Die Prüfung der Frage, ob es sich bei einem auf der Plattform eingestellten Inhalt um eine unzulässige „Hassbotschaft“ handelt, setzt die zutreffende Interpretation der fraglichen Äußerung voraus. Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91, Rn. 125, BVerfGE 93, 266). Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, Rn. 11 m.w.N., MDR 2016, 648 f.). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 31, BVerfGE 114, 339 – 356).
bb) Der Kläger gibt den von der Beklagten am 13.01.2018 gelöschten Beitrag dahin wieder, dass er im Zusammenhang mit einem Beitrag über die heiligen drei Könige „in die Runde“ die Frage gestellt habe: „Ist bei Euch noch ein Neger dabei?“ Dies habe sich „erkennbar“ auf die gesellschaftliche Veränderung bezogen, den Hl. Melchior (scil.: bei seiner Verkörperung durch einen Sternsinger oder im Rahmen eines Krippenspiels) nicht mehr – wie jahrhundertelang üblich – als Schwarzen zu verkleiden bzw. zu schminken (vgl. Klageschrift, S. 6 = Bl. 6 d.A.).
cc) Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, wird nach inzwischen gefestigtem allgemeinen Sprachverständnis die Bezeichnung eines Menschen mit dunkler Hautfarbe als „Neger“ generell als herabsetzend empfunden. Der Kläger kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass dieses Wort von dem lateinischen Adjektiv „niger“ („schwarz“) abgeleitet ist, seinem Ursprung nach somit eine wertneutrale Bezeichnung für einen Menschen afrikanischer Abstammung darstellt und bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts auch allgemein als solche verwendet worden ist. Seitdem hat sich ein Sprachwandel vollzogen, durch den der Begriff eine Bedeutungsverschlechterung (Pejoration) zu einer eindeutig abwertenden Bezeichnung erfahren hat. Da für die Interpretation einer Äußerung grundsätzlich der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich ist, kann der Kläger nicht mit dem Argument gehört werden, er habe die Bezeichnung nicht herabsetzend gemeint.
Aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Lesers könnte sich ein wertneutraler Aussagegehalt der Bezeichnung allenfalls aus dem konkreten Kontext ergeben, in dem der Kläger das Wort verwendet hat. Diesen Kontext gibt der Kläger aber nur unvollkommen wieder, weil er weder den genauen Inhalt des Beitrags über die heiligen drei Könige, der Anlass seiner Frage gewesen sein soll, noch die seinem Beitrag vorausgegangenen Äußerungen der übrigen Mitglieder der „Runde“ mitteilt. Eine Bezugnahme auf die heiligen drei Könige bzw. deren Verkörperung durch Sternsinger oder Schauspieler als solche lässt den pejorativen Aspekt des Wortes „Neger“ noch nicht entfallen. Denn nach traditionellem Sprachgebrauch wird dieser Begriff im Zusammenhang mit den heiligen drei Königen nicht verwendet. Man spricht vielmehr vom „schwarzen König“ oder (veraltet) vom „Mohrenkönig“, wenn dieser nicht mit dem ihm zugeschriebenen Eigennamen („Melchior“ oder nach anderer Tradition „Balthasar“) genannt wird.
Entgegen der Ansicht des Klägers setzt ein Verstoß gegen das in den Gemeinschaftsstandards der Beklagten enthaltene Verbot von „Hassbotschaften“ auch nicht zwingend einen konkreten Bezug zu einer bestimmten Person oder einem abgrenzbaren Personenkreis voraus. Ein direkter Angriff auf Personen wegen ihrer Rasse kann vielmehr bereits in der Verwendung einer an diese Eigenschaft anknüpfenden eindeutig pejorativen Bezeichnung liegen, weil damit den Angehörigen der betroffenen ethnischen Gruppierung regelmäßig der Anspruch auf Gleichwertigkeit bestritten wird.
2. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine am 13.01.2018 erfolgte Sperrung auf www.f. .com rechtswidrig gewesen sei, ist die Klage bereits unzulässig. Ihm fehlt das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung, weil er sein Rechtsschutzziel auf dem Weg einer – vorrangigen – Leistungsklage erreichen kann, wie er sie nunmehr mit seinem Berufungsantrag zu Ziffer 8 erhebt.
Gegenstand einer Feststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO kann grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich aus der begehrten Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (BGH, Urteil vom 17.06.2016 – V ZR 272/15, Rn. 13, NJW-RR 2016, 1404; Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 3a).
Der mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 3 weiterverfolgte Feststellungsantrag bezieht sich auf eine Maßnahme der Beklagten, die unstreitig seit langem beendet ist. Der Kläger begründet sein Interesse daran, die Rechtswidrigkeit der Funktionseinschränkung seines Profils gerichtlich feststellen zu lassen, damit, dass die Nutzungssperren bei jeder Sperre zeitlich erhöht würden. Daher spiele es eine große Rolle, ob im System der Beklagten bereits eine Sperre vermerkt sei oder nicht (vgl. Klageschrift, S. 10 = Bl. 10 d.A.).
Mit diesem Argument kann ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse nicht bejaht werden. Denn die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung hätte noch nicht zur Folge, dass der diese Sperrung betreffende Vermerk aus dem Datensatz der Beklagten entfernt würde. Einen hierauf gerichteten Anspruch macht der Kläger nunmehr im Wege der Klageerweiterung mit seinem Berufungsantrag zu Ziffer 8 geltend. Ist dem Kläger aber eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, so ist im Interesse der endgültigen Klärung der Streitfrage in einem Prozess das erforderliche Feststellungsinteresse regelmäßig zu verneinen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 7a m.w.N.; vgl. zu einem vergleichbaren Fall auch Senat, Beschluss vom 24.05.2019 – 18 U 335/19 Pre).
3. Einen Anspruch des Klägers auf Auskunft darüber, ob die Sperrung durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt war, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint.
Aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lässt sich ein derartiger Auskunftsanspruch nicht ableiten. Ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht ebenfalls nicht, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass ihm Ansprüche gegen etwaige Dritte, die von der Beklagten mit der Vornahme der Sperrungen beauftragt worden waren, zustehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Auskunftsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 268/11, Rn. 20, NJW 2014, 155 m.w.N.). Besteht zwischen den Parteien ein Vertrag, reicht es aus, dass für den Leistungsanspruch oder die Einwendung, die mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 260 Rn. 6 m.w.N.). Bei gesetzlichen Ansprüchen muss dagegen – sofern es sich nicht um bestimmte erbrechtliche Ansprüche handelt – dargetan werden, dass der Anspruch, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, dem Grunde nach besteht; es genügt grundsätzlich nicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen wahrscheinlich gemacht werden (st. Rspr., vgl. BGHZ 74, 379, 381; BGH, Urteil vom 14.07.1987 – IX ZR 57/86, NJW-RR 1987, 1296; Palandt-Grüneberg a.a.O.).
a) Wegen einer von der Beklagten veranlassten Sperrung seines Profils können dem Kläger ausschließlich Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, weil alle denkbaren Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche ihre rechtliche Grundlage in dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB finden. Dritte haften dem Kläger wegen des relativen Charakters des Schuldverhältnisses weder auf Erfüllung noch auf Schadensersatz (vgl. OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 11.06.2019 – 4 U 760/19, Rn. 4, AfP 2019, 341). Die Beklagte müsste sich vielmehr ein etwaiges Verschulden der von ihr mit der Vornahme der Sperrung beauftragten Personen nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil diese in Bezug auf die ihr obliegende Pflicht, Rücksicht auf die Rechte und Interessen des Klägers zu nehmen, ihre Erfüllungsgehilfen sind.
b) In einer im Auftrag der Beklagten vorgenommenen Sperrung des Profils durch Dritte kann auch keine Verletzung des Klägers in absoluten Rechten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, etwa in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG), gesehen werden. Der Kläger verkennt, dass ihm die Möglichkeit, seine Meinung auf der von der Beklagten betriebenen Plattform zu äußern und zu verbreiten, nicht per se, sondern nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags eröffnet ist. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, auf die sich der Kläger beruft, prägt das zwischen den Parteien als rechtliche Sonderverbindung bestehende Schuldverhältnis („obligatio est vinculum inter personas“), verwandelt die vertraglichen Ansprüche des Klägers auf Nutzung der von der Beklagten bereit gestellten Leistungen aber nicht in absolut geschützte Rechte, die von jedermann zu respektieren sind und deren Verletzung deliktische Schadensersatzansprüche auslösen kann.
4. Aus dem gleichen Grunde steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Auskunftserteilung darüber zu, ob die Beklagte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonstige Vorschläge seitens der Bundesregierung oder dieser nachgeordneter Dienststellen in Bezug auf die Löschung von Beiträgen oder Sperrung von Nutzern erhalten hat.
Ansprüche des Klägers gegen die Bundesrepublik Deutschland, deren Vorbereitung die verlangte Auskunft dienen könnte, sind bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Wie dargelegt, finden sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm auf F. eingestellten Beitrages oder einer von der Beklagten gegen ihn verhängten Sperrung ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis und richten sich deshalb gegen die Beklagte als seine Vertragspartnerin.
5. Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 € steht dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil er nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Beklagte mit der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags am 13.01.2018 und der mit dessen Einstellung begründeten „Sperrung“ des Klägers für 30 Tage ihre Vertragspflichten ihm gegenüber verletzt hat. Aus demselben Grunde kann der Kläger auch keine Freistellung von seiner Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
6. Die mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 8 vorgenommene Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist zulässig; der neue Klageantrag ist aber unbegründet.
a) Die Zulässigkeit der Klageerweiterung ergibt sich aus §§ 525, 264 Nr. 2 ZPO. Der Kläger erweitert lediglich den in erster Instanz unter Ziffer 1 gestellten und mit Berufungsantrag zu Ziffer 3 weiterverfolgten Feststellungsantrag in der Hauptsache um einen Leistungsanspruch auf eine entsprechende Berichtigung des bei der Beklagten geführten, seine Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen dokumentierenden Datensatzes. Einer Einwilligung der Beklagten bedarf es insoweit nicht; die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung – die ohnehin zu bejahen wäre – wird nach dem Gesetz vermutet.
b) Ein Anspruch auf Berichtigung des ihn betreffenden Datensatzes steht dem Kläger aber nicht zu, weil er nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Beklagte das Einstellen des streitgegenständlichen Beitrags zu Unrecht als Verstoß gegen ihre Gemeinschaftsstandards gewertet hat.
Zur Vermeidung weiterer Kosten regt der Senat die Zurücknahme der offensichtlich unbegründeten Berufung an. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).


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