IT- und Medienrecht

Löschung eines Beitrags und Sperrung eines Nutzerkonto im Rahmen einer Social-Media-Plattform

Aktenzeichen  18 U 2346/19 Pre

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34935
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 311

 

Leitsatz

1. Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Löschung seines Beitrags und Sperrung seines Profils auf einer Social-Media-Plattform Vertragspflichten verletzt. (Rn. 11 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruchsteller hat, soweit der Kontexte erheblich ist, im Rahmen eines Verfahrens, das sich gegen die Löschung eines Beitrags im Rahmen eines Social-Media-Plattform richtet, substantiiert darzulegen, aus welchem Grund der Beitrag zu Unrecht als “Hassbotschaft” eingestuft wurde. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Nutzung des Wortes “Neger” wird nach mittlerweile gefestigtem allgemeinen Sprachgebrauch generell als herabsetzend empfunden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 U 2346/19 Pre 2020-01-07 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 09.04.2019, Az.: 32 O 51/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das vorgenannte Endurteil des Landgerichts Deggendorf sowie dieser Beschluss sind im Kostenpunkt ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt Wiederherstellung eines nach seiner Darstellung zu Unrecht gelöschten Beitrags, den er auf der von der Beklagten betriebenen Social-Media-Plattform „F. “ eingestellt hatte. Daneben begehrt er die Feststellung, dass die „Sperrung“ seines Profils wegen der Einstellung dieses Beitrags rechtswidrig gewesen sei, Auskunft darüber, ob die „Sperrung“ durch ein – gegebenenfalls zu benennendes – beauftragtes Unternehmen erfolgt sei und ob die Beklagte hinsichtlich der Löschung von Beiträgen oder der Sperrung von Nutzern Weisungen der Bundesregierung oder nachgeordneter Dienststellen erhalte, Schadensersatz in Höhe von 1.500 €, Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Berichtigung der über ihn gespeicherten Daten dahingehend, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den streitgegenständlichen Beitrag gelöscht werde.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Deggendorf vom 09.04.2019 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.04.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.05.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 06.06.2019, eingegangen am selben Tage, begründet.
Nach Erweiterung der Klage mit der Berufungsbegründung beantragt der Kläger nunmehr:
1. Das Urteil des Landgerichts Deggendorf wird abgeändert.
2. Der Berufungsbeklagten wird aufgegeben, den nachfolgend wiedergegebenen, am 13.01.2018 gelöschten Beitrag des Berufungsklägers wieder freizuschalten:
„Ist bei Euch noch ein Neger dabei?“
3. Es wird festgestellt, dass die am 13.01.2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Berufungsklägers www.f. .com/p. .h. auf www.f. .com rechtswidrig war.
4. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, dem Berufungskläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gemäß Ziff. 2 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten (sic!), und in letzterem Fall, durch welches.
5. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, dem Berufungskläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.
6. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Berufungskläger Schadensersatz in Höhe von 1.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.
7. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, den Berufungskläger von Rechtsanwaltskosten
a) für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 526,16 €,
b) für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und c) für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Kanzlei R. freizustellen.
8. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 13.01.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.06.2019 (Bl. 231/269 d.A.), 20.12.2019 (Bl. 334/335 d.A.) und 29.01.2020 (Bl. 350/355 d.A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 09.08.2019 (Bl. 275/333 d.A.) und 24.01.2020 (Bl. 346/349 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 09.04.2019, Az.: 32 O 51/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 07.01.2020 (Bl. 336/344 d.A.) Bezug genommen. Richterin am Oberlandesgericht S., die an dem Hinweisbeschluss nicht mitgewirkt hat, nun aber nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts München zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen ist, macht sich dessen Inhalt in vollem Umfang zu eigen.
Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 29.01.2020 (Bl. 350/355 d.A.) geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
1. Der Kläger verkennt, dass ihn im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Beklagte mit der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags und der mit dem Einstellen dieses Beitrags auf der Plattform begründeten zeitweiligen Funktionseinschränkung des klägerischen Profils („Sperrung“) ihre Vertragspflichten ihm gegenüber verletzt hat.
Wie der Kläger selbst zutreffend ausführt, trifft die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der sich darauf beruft. In diesem Zusammenhang übersieht er jedoch, dass die streitgegenständlichen Ansprüche auf Schadensersatz – in Form der Naturalrestitution oder in Geld – gerichtet sind oder die Geltendmachung von (Schadensersatz-)Ansprüchen gegen Dritte vorbereiten sollen. Derartige Ansprüche könnten dem Kläger allenfalls dann zustehen, wenn die gegen ihn verhängten Sanktionen eine Vertragspflichtverletzung der Beklagten darstellen.
Die Beklagte hat die Löschung und Sperrung zwar damit begründet, dass der Kläger mit dem Einstellen des gelöschten Beitrags auf der Plattform gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen habe. Damit wirft sie ihrerseits dem Kläger vor, dass dieser seine Verpflichtungen aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verletzt habe. Im Unterschied zum Kläger leitet die Beklagte aber aus der behaupteten Vertragspflichtverletzung im vorliegenden Rechtsstreit keine Ansprüche gegen den Kläger ab.
Die beiderseits behaupteten Pflichtverletzungen schließen sich zwar gegenseitig aus: Wenn der Kläger mit dem Einstellen des streitgegenständlichen Beitrags seine Vertragspflichten nicht verletzt haben sollte, würde es an einer Rechtfertigung für die von der Beklagten deswegen verhängten Sanktionen fehlen. Dieser sachliche Zusammenhang enthebt den Kläger aber nicht seiner Obliegenheit, das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Ansprüche darzulegen.
2. Eine Pflichtverletzung der Beklagten hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weil er nur rudimentäre Angaben zu dem maßgeblichen Kontext gemacht hat, in dem der gelöschte Beitrag gestanden ist.
a) Entgegen der Darstellung des Klägers hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 07.01.2020 keineswegs behauptet, dass der Kläger „keinen Kontext dargetan“ habe. Er hat vielmehr ausgeführt, dass die diesbezüglichen Angaben des Klägers nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob die Beklagte den gelöschten Beitrag zu Recht als „Hassbotschaft“ gewertet oder ob sie mit dessen Löschung ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat (a.a.O., S. 4 = Bl. 339 d.A.).
Der Kläger hält es selbst für möglich, dass seine Äußerung in irgendeinem bestimmten Kontext sanktionswürdig sein könnte (Schriftsatz vom 29.01.2020, S. 3 = Bl. 352 d.A.). Dies trifft bereits deshalb zu, weil das Wort „Neger“ nach mittlerweile gefestigtem allgemeinen Sprachgebrauch generell als herabsetzend empfunden wird, weshalb sich eine wertneutrale Verwendung allenfalls aus dem konkreten Kontext ergeben kann.
Als Beleg für eine wertneutrale Verwendung des Wortes „Neger“ durch den Kläger reicht die pauschale Angabe, dass die streitgegenständliche Äußerung „im Zusammenhang mit einem Beitrag über die hl. drei Könige“ gefallen sei, nicht aus, zumal der verwendete Begriff auch nach traditionellem Sprachgebrauch für den „schwarzen König“ nicht verwendet wird. Mit den diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 07.01.2020 setzt sich der Kläger nicht auseinander. Er hat sein Vorbringen zum Kontext auch nicht ergänzt.
b) Irrelevant ist, dass das Landgericht die angefochtene Entscheidung nicht auf unzureichende Angaben des Klägers zum Kontext, in dem der gelöschte Beitrag gestanden war, gestützt hat. Das Berufungsgericht ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO lediglich in dem dort genannten Umfang an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, aber zu einer umfassenden materiellrechtlichen Überprüfung verpflichtet (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 14). Der Senat hat deshalb in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche ausreichend dargelegt hat.
c) Der Kläger hat schließlich auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihm nähere Angaben zum Kontext nicht möglich seien.
Der streitgegenständliche Beitrag wurde am 13.01.2018 gelöscht. Gleichzeitig wurde der Kläger für 30 Tage gesperrt. Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, ist einem „gesperrten“ Nutzer die passive Nutzung von „F. “ weiterhin möglich; er kann Inhalte zur Kenntnis nehmen, aber keine Inhalte auf der Plattform einstellen. Nach eigenen Angaben hatte sich der Kläger bereits am 13.01.2018 – dem Tag der Sperrung – an seinen späteren Prozessbevollmächtigten gewandt (vgl. Klageschrift, S. 6 = Bl. 6 d.A.).
Angesichts dieses Sachverhalts ist nicht glaubhaft, dass der Kläger keine näheren Angaben zum Kontext der streitgegenständlichen Äußerung machen kann. Es mag sein, dass er sich nicht mehr an den genauen Wortlaut des Beitrags erinnern kann, den er kommentiert haben will. Er teilt aber auch den Gegenstand nicht mit, über den sich die „Runde“, an der er teilgenommen hat, ausgetauscht hat.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Die vom Kläger angesprochenen klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Lösch- und Sperrverhalten der Beklagten spielen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits keine Rolle. Die Zurückweisung der Berufung des Klägers durch den Senat beruht auf den konkreten Umständen des Einzelfalls, weil der Kläger das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Ansprüche trotz einem entsprechenden Hinweis nicht nachvollziehbar dargelegt hat.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch, dass das nur im Kostenpunkt vollstreckbare angefochtene Urteil sowie dieser Beschluss ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind, findet seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 ZPO.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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