IT- und Medienrecht

Mitgliederbefragung einer im Bundestag vertretenen Partei

Aktenzeichen  5 CE 18.169

Datum:
19.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 38 Abs. 1 S. 2
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1, § 146

 

Leitsatz

Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG berechtigt einen Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der an der Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages teilgenommen hat, nicht, Rechte gewählter Abgeordneter geltend zu machen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 E 18.68 2018-01-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen eine beabsichtigte Abstimmung der Mitglieder der Antragsgegnerinnen über einen etwaigen Koalitionsvertrag der Antragsgegnerin zu 2 mit anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.
Er hält in der Beschwerde seine beim Verwaltungsgericht gestellten und von diesem abgelehnten Anträge aufrecht; diese lauten:
I.
Den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 wird gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 890 ZPO bei Meidung von zugleich angedrohten Ordnungsmitteln gemäß Ziffer III. verboten, hinsichtlich einer erst noch auszuverhandelnden und/oder künftig ausverhandelten Vereinbarung von im Bundestag/19. Legislaturperiode vertretenen Parteien über eine Regierungsbildung in Deutschland eine Abstimmung von Mitgliedern der Antragsgegnerinnen anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder durchzuführen und/oder durchführen zu lassen.
II.
Den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 wird gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 890 ZPO bei Meidung von zugleich angedrohten Ordnungsmitteln gemäß Ziffer III. verboten, hinsichtlich einer erst noch auszuverhandelnden und/oder künftig ausverhandelten Vereinbarung von im Bundestag/19. Legislaturperiode vertretenen Parteien über eine Regierungsbildung in Deutschland eine Abstimmung von Mitgliedern der Antragsgegnerinnen im Gebiet von Bayern anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder durchzuführen und/oder durchführen zu lassen.
III.
Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I. wird den Antragsgegnerinnen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem Generalsekretär der Antragsgegnerin zu 1 bzw. zu vollziehen am Generalsekretär der Antragsgegnerin zu 2, angedroht.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
1. Dabei kann offenbleiben, ob der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der vom Verwaltungsgericht in seinem Beschluss verneint wurde, gegeben ist oder ob es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, die (unmittelbar) vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden wäre. Denn die Verweisung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens an das Bundesverfassungsgericht nach § 17a GVG ist nicht statthaft (vgl. BVerwG, B.v. 23.2.2005 – 1 VR 2.05 – juris Rn. 6). Eine solche, wie im Übrigen auch eine Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit, soweit man einen Rechtsstreit unter Privatrechtssubjekten annehmen würde, kommt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch aus Zeitgründen nicht in Betracht, da der Parteitag bereits am 21. Januar 2018 abgehalten werden soll. Der Antragsteller hätte entsprechende Anträge unmittelbar dort stellen können.
2. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund, also die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen des § 123 VwGO kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. In diesem Rahmen ist das Gewicht des Anordnungsgrunds entscheidend für eine mögliche Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 66a). Voraussetzung dafür ist, dass eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 14).
a) Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 fehlt es dem Antragsteller bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Diese plant nach eigenen Angaben und insoweit vom Antragsteller unbestritten weder die Durchführung eines (Landes-) Parteitags noch einen Beschluss über eine Mitgliederbefragung oder deren Durchführung, sondern wirkt allenfalls als Untergliederung an der Befragung durch die Antragsgegnerin zu 2 mit.
b) Ein Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 2 ist unter keinem nur erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt gegeben. Bei der Antragsgegnerin zu 2 handelt es sich (traditionell) um einen nicht eingetragenen Verein und gleichzeitig um eine politische Partei im Sinn von Art. 21 GG, § 1 Abs. 1 Satz 2 PartG. Irgendwie geartete – öffentlich-rechtliche bzw. verfassungsrechtliche – Vorschriften, die den Antragsteller berechtigen könnten, als Nichtvereinsmitglied auf die Willens- und Meinungsbildung innerhalb des Vereins bzw. der Partei einzuwirken, sind nicht ersichtlich.
Eine solche Rechtsstellung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Antragsteller Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist und nach eigenen Angaben als Wähler an der Bundestagswahl am 24. September 2017 teilgenommen und dadurch unter Umständen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags (mit-)gewählt hat. Denn eine etwaige Mitgliederbefragung durch die Antragsgegnerin zu 2 hat auf die Rechte und Befugnisse der Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die der Antragsgegnerin zu 2 angehören, einen Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin zu wählen oder nicht zu wählen, sowie Gesetze, wie in einem – ohnehin als bloßer politischer Absichtserklärung rechtlich nicht bindenden – Koalitionsvertrag vereinbart, zu erlassen oder nicht zu erlassen, rechtlich keinerlei Einfluss.
Soweit der Antragsteller – auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – umfangreich darlegt, dass es verfassungsrechtlich im Hinblick auf die Rechtsstellung der Abgeordneten des Deutschen Bundestags aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässig sei, durch eine Mitgliederbefragung einer Partei, die möglicherweise einen Koalitionsvertrag mit anderen Parteien zum Zwecke einer Regierungsbildung abschließt, einen entsprechenden „politischen“ Druck im Sinne der Partei auszuüben, berührt auch das die Rechte des Antragstellers nicht (vgl. BVerfG, B.v. 6.12.2013 – 2 BvQ 55/12 – BayVBl 2014, 172). Dabei ist es entgegen der Ansicht des Antragstellers unerheblich, ob ein entsprechendes Begehren nun im Verwaltungsrechtsweg oder unmittelbar mit einer Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfG, B.v. 6.12.2013 a.a.O.) geltend gemacht wird.
Inwieweit sich die Abgeordneten selbst gegen einen etwaigen – politischen bzw. faktischen – Parteibzw. Fraktionszwang wenden könnten, kann hier offenbleiben. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls gewährt einem Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der an der Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestags teilgenommen hat, keine subjektive Rechtsstellung dahingehend, Rechte der gegebenenfalls von ihm gewählten Bundestagsabgeordneten geltend zu machen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert folgt aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., Anh. § 164 Rn. 14) und berücksichtigt die Mehrzahl der Antragsgegnerinnen und der Anträge.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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