IT- und Medienrecht

Modifizierung der lebensmittelrechtlicher Kontrollberichte

Aktenzeichen  AN 14 K 19.01056

Datum:
10.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38987
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
LFGB § 40 Abs. 1a
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Korrektur von Rechtsgrundlagen in zunächst verwaltungsinternen Kontrollberichten ist auch noch im gerichtlichen Verfahren möglich, wenn diese nach außen gegeben werden sollen (ebenso BayVGH B. v. 13.5.2020 – BeckRS 2020, 49571). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.       
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.         
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher angehört wurden, § 84 Abs. 1 VwGO.
Gegenstand der Klage sind drei Anträge, wobei der Antrag aus Ziffer 1 der Klageschrift auf die Aufhebung des an den Beigeladenen adressierten Bescheids gerichtet ist. Die sich aus den Ziffern 2 und 3 ergebenden Anträge sind auf das Unterlassen der Herausgabe von Daten lebensmittelrechtlicher Kontrollen bzw. auf das Unterlassen der Herausgabe von Kontrollberichten bezüglich des Betriebs der Klägerin an Dritte gerichtet.
Nach § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Vielmehr hat das Gericht das im Klageantrag und das im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U. v. 23.01.1993 – 1 C 16/87 – juris Rn. 13). Das Klageziel ist danach nicht allein dem Klageantrag zu entnehmen, sondern dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere auch der Klagebegründung. Maßgeblich kommt es insoweit auf das erkennbare Klageziel an, so wie sich dieses dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund des gesamten Parteivorbringens und Akteninhalts darstellt (vgl. OVG LSA, B. v. 19.8.2009 – 3 L 41/08 – juris Rn. 8).
Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Anträge aus den Ziffern 2 und 3 der Klageschrift als Eventualanträge anzusehen, die erst im Falle des Obsiegens der Klägerin mit der in Ziffer 1 erhobenen Klage auf Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zur Entscheidung gelangen sollen. Denn sofern die Klägerin mit ihrem Antrag aus Ziffer 1 obsiegt, ist der Bescheid gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Das Landratsamt hätte in diesem Fall gegebenenfalls auf Antrag des Beigeladenen oder eines anderweitigen Dritten über ein erneutes Informationsbegehren nach dem VIG und dementsprechend auch über die Herausgabe von Daten einer lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfung bzw. von Kontrollberichten bezüglich des Betriebs der Klägerin zu entscheiden. Dies könnte dann durch die in Ziffer 2 und 3 gestellten Anträge auf Untersagung der Weitergabe verhindert werden. Andernfalls, d.h. bei einem Unterliegen der Klägerin mit ihrem in Ziffer 1 gestellten Antrag, werden die Daten aus der lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung und die Kontrollberichte aufgrund des in diesem Fall bestandskräftigen streitgegenständlichen Bescheids an den Beigeladenen als Dritten herausgegeben. Eine Unterbindung dieser rechtmäßigen Herausgabe von Informationen auf Grundlage des VIG kann durch die weiteren gestellten Anträge der Klägerin – unabhängig von deren Statthaftigkeit als auf das Unterlassen von zukünftigen Verwaltungsakten gerichteten Anträgen – nicht herbeigeführt werden.
Die Anträge aus Ziffer 2 und 3 der Klageschrift sind folglich unter der zulässige innerprozessuale Bedingung des Obsiegens der Klägerin mit ihrem Antrag aus Ziffer 1 der Klage gestellt.
I.
Die in Ziffer 1 der Klageschrift erhobene Anfechtungsklage ist zulässig aber unbegründet.
1. Die gegen den an den Beigeladenen adressierten Bescheid gerichtete Klage ist als Drittanfechtungsklage der Klägerin statthaft. Die Klägerin ist auch nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Zwar ist der Beigeladene Adressat des streitgegenständlichen Bescheids. Die Klägerin kann aber die Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. § 3 Satz 1 Nr. 2 VIG sieht ausdrücklich den Schutz privater Belange vor. Der Anspruch auf Informationsgewährung gemäß § 2 VIG entfällt wegen entgegenstehender privater Belange, wenn die dort aufgezählten Ausschlussgründe greifen. Die Veröffentlichung von Informationen über Mängel im Betrieb der Klägerin könnte eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und damit einen entgegenstehenden privaten Belang nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VIG darstellen.
Die Klage wurde fristgerecht erhoben.
2. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Der Antrag ist gemäß § 5 VIG ordnungsgemäß gestellt worden. Daneben wurde die Klägerin auch entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG, Art. 28 BayVwVfG mit Schreiben vom 3. April 2019 ordnungsgemäß angehört, so dass der Bescheid formell rechtmäßig ist.
b) Der an den Beigeladenen adressierte Bescheid ist auch materiell rechtmäßig, denn der Beigeladene hat einen auf das Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz – VIG) gestützten Informationszugangsanspruch gegenüber dem Beklagten.
aa) Die Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG, wonach jeder nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte, nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes (Buchst. a), der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen (Buchst. b) und unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze (Buchst. c) hat, sowie zu allen Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a) bis c) genannten Abweichungen getroffen worden sind.
Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen sind mittlerweile höchst- bzw. obergerichtlich geklärt (insbesondere durch BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29.17 – juris; VGH BW, B.v. 13.12.2019 – 10 S 2614/19 – juris; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – juris; OVG NW, B.v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – BeckRS 2020, 292; BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – BeckRS 2020, 6798). Auch die Rechtmäßigkeit der Gewährung von Informationszugang im Zusammenhang mit dem Internetportal „Topf Secret“ ist inzwischen durch verschiedene Obergerichte bestätigt worden (vgl. OVG Bremen, B.v. 14.7.2020 – 1 B 338/19 – juris; OVG NW, B.v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – juris; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – juris; VGH BW, B.v. 13.12.2019 – 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19; 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19 – alle juris; BayVGH, B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – BeckRS 2020, 6798).
bb) Anspruchsgrundlage für das Informationsbegehren des Beigeladenen ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 5 CS 19.1511 – juris Rn. 12), wobei der Beigeladene als natürliche Person gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG anspruchsberechtigt ist. Ein besonderes Interesse oder eine besondere Betroffenheit für den Anspruch auf Informationszugang ist nicht erforderlich, ebenso ist das Motiv des Auskunftsersuchenden unbeachtlich (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 28). Auf die Frage, ob dem Auskunftsersuchen eine geplante Veröffentlichung auf der Internetplattform „Topf Secret“ zugrundliegt, kommt es für die Anspruchsberechtigung des Beigeladenen ebenfalls nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1203 – juris Rn. 18 ff.; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150; B.v. 30.4.2020 – 5 CS 19.1511 – juris Rn. 13; B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 18).
cc) Die streitgegenständlichen Kontrollberichte zu den lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen in dem Betrieb der Klägerin vom … und … sind taugliche Gegenstände des Informationszugangsanspruchs, da sie in ihrer gegenwärtigen Form Daten über „nicht zulässige Abweichungen“ nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG enthalten, sowie die Rechtsgrundlagen genannt werden, aus denen sich die nicht zulässigen Abweichungen ergeben.
Die Geltendmachung des auf die Herausgabe der Kontrollberichte gerichteten Informationszugangsanspruchs des Beigeladenen ist nicht mangels Produktbezug der herauszugebenden Informationen rechtswidrig. Denn der Informationszugangsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist nicht lediglich auf produktbezogene Informationen beschränkt. Vielmehr werden von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG neben den konkreten Erzeugnissen oder Verbraucherprodukten auch Vorgänge wie die Herstellung, Erzeugung, Lagerung und Lieferung von Produkten umfasst (BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 14 und 19; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 29).
Die streitgegenständlichen Kontrollberichte zu den lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen bei der Klägerin enthalten in ihrer jetzigen Form „festgestellte nicht zulässige Abweichungen“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Der Begriff der „nicht zulässigen Abweichung“ erfasst dabei jede objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften. Auf subjektive Elemente wie Verschulden oder Vorwerfbarkeit kommt es dabei nicht an. Auch muss die „nicht zulässige Abweichung“ nicht durch einen (bestandskräftigen) Verwaltungsakt festgestellt worden sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29.17 – juris; BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 20).
Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass die zur Herausgabe an den Antragsteller vorgesehenen Informationen über festgestellte nicht zulässige Abweichungen die konkreten Rechtsgrundlagen enthalten, von denen abgewichen wurde. Vielmehr ist ausreichend, wenn die Rechtsgrundlagen an anderer Stelle aktenkundig gemacht worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 21; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 30).
Sofern durch den Bevollmächtigten der Klägerin gerügt wurde, dass die zu veröffentlichenden Kontrollberichte zunächst weder Rechtsnormen benannten, noch eine juristisch wertende Einordnung durch die zuständige Behörde erfolgte, ist darauf hinzuweisen, dass das Landratsamt die streitgegenständlichen Kontrollberichte inzwischen modifiziert und mit Rechtsgrundlagen versehen hat. Das Landratsamt beabsichtigt nun, wie aus dem Schreiben an die Klägerin vom 21. August 2020 ersichtlich, diese modifizierten Kontrollberichte an den Beigeladenen herauszugeben. Nach der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer anschließt, ist die Ergänzung von Rechtsgrundlagen in zunächst verwaltungsinternen Kontrollberichten – unabhängig davon, ob die Ergänzung rechtlich notwendig war – in rechtlich zulässiger Weise möglich. Sofern die Kontrollberichte nach außen gegeben werden, ist zumindest die Korrektur falscher Rechtsgrundlagen notwendig, um die Richtigkeit des Berichts und damit der herauszugebenden Information sicherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 21). Diese Ergänzung kann auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rnn. 34).
Eine weitergehende juristisch wertende Einordnung der Verstöße durch die Behörde ist nicht erforderlich, da in der Benennung einer Rechtsgrundlage hinsichtlich der jeweils als Verstoß gekennzeichneten Beanstandungen zugleich die rechtliche Subsumtion in Form einer juristisch-wertenden Einordnung der bei der Betriebskontrolle getroffenen tatsächlichen Feststellungen erfolgt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 22). Einer Begründung gemäß Art. 39 BayVwVfG bedarf es ebenfalls nicht, da der Kontrollbericht keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 5 CS 19.2150 – Rn. 21; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 34).
Demnach ist eine rechtlich zulässige Modifizierung der streitgegenständlichen Kontrollberichte erfolgt, in welchen in ihrer modifizierten Form nun auch „nicht zulässige Abweichungen“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG festgestellt werden. Das Landratsamt … hat die Kontrollberichte, im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, um die bisher fehlenden Rechtsgrundlagen aus der VO (EG) Nr. 852/2004, der VO (EU) 1169/2011 sowie der VO (EG) Nr. 178/2002 ergänzt und diese modifizierten Kontrollberichte an die Klägerin übersandt. Dieses Vorgehen des Landratsamts ist nicht zu beanstanden.
Dem Informationszugangsanspruch des Beigeladenen stehen auch keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 VIG entgegen.
dd) Der streitgegenständliche Bescheid ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Denn der Anspruch auf freien Zugang zu den in § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG bezeichneten Informationen ist ein voraussetzungslos gestaltetes Jedermannsrecht, das einer natürlichen Person wie dem Beigeladenen ohne weiteres zusteht. Ein Ermessen der Behörde besteht nicht (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 19).
ee) Weiterhin war die Stellung des Antrags auf Informationszugang nach dem VIG durch den Beigeladenen nicht rechtsmissbräuchlich.
(1) Allein die Tatsache, dass der Antrag über die Plattform „Topf Secret“ gestellt wurde, begründet keine Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags nach § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG. Der Versagungsgrund nach § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG soll insbesondere bei überflüssigen Anfragen oder querulatorischen Begehren zum Tragen kommen, aber im Rahmen einer Kampagne Dritter nicht einschlägig sein (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 19). Denn die kampagnenartige Weiterverbreitung der Information entspricht gerade der Zielsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes und ist darin angelegt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich in inzwischen mehreren Beschlüssen (B.v. 15.4.2020 – 5 CS 19.2087 – BeckRS 2020, 6798 Rn. 18; B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 17 ff.) unter Verweis auf weitere obergerichtliche Rechtsprechung (NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – juris Rn. 31 ff.; VGH BW, B.v. 13.12.2019 – 10 S 1891/19 – juris Rn. 29) festgestellt, dass auch bei einer geplanten Veröffentlichung der über das VIG erlangten Information im Internet ein Rechtsmissbrauch i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG nicht vorliegt.
(2) Im Wesentlichen das Gleiche gilt auch für die Argumentation der Klägerin unter Beziehung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der Bescheid sei rechtswidrig, da die Hürde des § 40 Abs. 1a LFGB durch die private Veröffentlichung staatlicher Informationen im Internet umgangen werde und die staatliche Informationsweitergabe an einen Antragsteller, der seinen Antrag über eine Onlineplattform stelle, bei der zu erwartenden Veröffentlichung einer unmittelbaren staatlichen Information sehr nahekomme.
In diesem Zusammenhang hat sich die obergerichtliche Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 22.4.2020 – 5 CS 19.2304 – juris Rn. 12 ff.; VGH BW, B.v. 13.12.2019 – 10 S 2614/19 – juris; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 2 ME 707/19 – juris; OVG NW, B.v. 16.1.2020 – 15 B 814/19 – BeckRS 2020, 292) dahingehend geäußert, dass die Anforderungen des § 40 Abs. 1a LFGB nicht auf einen Antrag nach dem VIG anwendbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29.17 – juris Rn. 47). Zwischen den beiden Arten der Information bestehen große Unterschiede, die es ausschließen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationshandeln ohne weiteres auf die Informationsgewährung nach dem VIG zu übertragen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 21). Das aktive staatliche Informationsverhalten verschafft den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft in Bezug auf das wettbewerbsrechtliche Verhalten der Marktteilnehmer. Denn die behördliche Information von Amts wegen nach § 40 Abs. 1a LFGB dient als Warnung der Verbraucher zur Gefahrenabwehr. Demgegenüber normiert der individuell geltend zu machende Informationsgewährungsanspruch nach dem VIG als Voraussetzung nicht die Feststellung etwaiger Gefahren für Verbraucher, sondern lediglich die behördliche Feststellung nicht zulässiger Abweichungen von den dort genannten Normen. Hierbei kann auch über einen lediglich geringfügigen Verstoß informiert werden. Die Auswirkungen der Informationsgewährung nach dem VIG sind daher im Vergleich zu dem aktiven staatlichen Informationsverhalten als wesentlich geringer anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 21).
Dementsprechend gelten auch die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Anforderungen an eine verfassungskonforme staatliche Information in dem hier geregelten Themenkomplex nach dem VIG, in dem es um eine auf Antrag des Beigeladenen gewährte staatliche Information geht, nicht (vgl. VG Ansbach, B.v. 8.6.2020 – AN 14 S 20.00308 – juris Rn. 41).
Wie der Beigeladene mit den erhaltenen Informationen umgeht, bleibt grundsätzlich ihm selbst überlassen und liegt außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für das zu erwartende Einstellen des Kontrollberichts auf der privaten Internetplattform „Topf Secret“. Eine derartige Publikation kann keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen, denn die Plattform veröffentlicht lediglich durch private Dritte zur Verfügung gestellte von der öffentlichen Verwaltung ausgestellte Dokumente; dadurch wird sie erkennbar nicht selbst zu einer staatlichen Veröffentlichungsplattform (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 22).
(3) Eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ergibt sich auch nicht aufgrund einer extremen Belastung des Landratsamtes und einer damit verbundenen Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG (vgl. Zipfel/Rathke LebensmittelR/Heinicke, 176. EL März 2020, VIG § 4 Rn. 28 f.). Es kann dahinstehen, ob § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG ausschließlich dem öffentlichen Interesse dient oder sich im Einzelfall auch ein Drittbetroffener auf einer Überlastung der Behörde berufen kann (vgl. VG Augsburg, B.v. 22.4.2020 – Au 9 S 20.540 – juris Rn. 60). Jedenfalls ist eine Überlastung der Behörde und damit verbundene tatsächliche Gefährdung der Aufgabenerfüllung nicht ersichtlich, die Behörde hat den Antrag des Beigeladenen vom 23. März 2019 zeitnah und vollständig bearbeitet.
ff) Die durch die Behörde gewählte Art und Weise des dem Beigeladenen gewährten Informationszugangs gemäß § 6 Abs. 1 VIG durch die Übersendung des Kontrollberichts ist nicht zu beanstanden. Auf von dem Klägerbevollmächtigten als milderes Mittel erachteten mündliche Informationsgewährung müssen sich der Beklagte und der Beigeladene nicht verwiesen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 25). Der Beigeladene hat einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass er den Kontrollbericht zumindest in Schriftform überlassen bekommt (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 30; B.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 32; B.v. 27.4.2020 – 5 CS 19.2415 – juris Rn. 25; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 49).
gg) Schließlich verstößt die Informationserteilung nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar ist der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändern kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29.17 – NJW 2020, 1155 Rn. 42 ff.; BayVGH, U.v. 13.5.2020 – 5 CS 19.2150 – Rn. 28). Insoweit gilt für die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG von einem Antrag abhängige Informationsgewährung nichts Anderes als für aktive staatliche Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB, die in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleichkommt und daher an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 46).
Wie bereits ausgeführt bestehen aber zwischen den beiden Arten der Information große Unterschiede, die es ausschließen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 47; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19.1375 – juris Rn. 44). Die antragsgebundene Informationsgewährung nach dem VIG ist qualitativ und quantitativ nicht mit der aktiven staatlichen Information nach dem LFGB vergleichbar (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 47). Dennoch kann der Verbreitung von Informationen durch Private nicht jegliche mittelbar-faktische Wirkung abgesprochen werden, insbesondere, wenn die aufgrund des antragsgebundenen Informationszugangs erlangten Kontrollberichte unter Einschaltung einer Verbraucherschutzorganisation gezielt veröffentlicht werden sollen. Insofern ist dem Klägerbevollmächtigten zuzustimmen, dass die dergestalt herbeigeführte „Prangerwirkung“ einen mittelbar-faktischen Eingriff in die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Berufsfreiheit darstellen kann, indem die über die Kontrollberichte in Kenntnis gesetzten Verbraucher bei sich aus den Berichten ergebenden „nicht zulässigen Abweichungen“ gegebenenfalls von einem Besuch der Gaststätte der Klägerin absehen.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist der mögliche mittelbar-faktische Eingriff in die Berufsfreiheit durch die Erteilung von Informationen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG aber gerechtfertigt (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 48 ff.).
Die Informationsgewährung der Öffentlichkeit über festgestellte nicht zulässige Abweichungen von bspw. Anforderungen des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG dient dem legitimen Zweck des Verbraucherschutzes. Die Regelung ist erforderlich, da ein gleich wirksames, aber für Betroffene wie die Klägerin weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastendes Mittel zur Erreichung des Ziels, des Verbraucherschutzes, nicht zur Verfügung steht. Es besteht auch keine Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Denn der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen vorgenommen. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG verfolgt wichtige Ziele des Verbraucherschutzes, hinter denen die Interessen der Unternehmer im Falle eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes grundsätzlich zurücktreten. Dies gilt insbesondere, weil auch der Schutz der Verbraucher vor der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Konsumentscheidung legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 49; BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 48 ff.).
Zudem hat der Gesetzgeber mit der Hinweispflicht der informationspflichtigen Stelle nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht aus § 6 Abs. 4 VIG sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung betroffener Dritter gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VIG ausreichende Schutzvorkehrungen geschaffen, damit die Veröffentlichung der Informationen für Unternehmer wie die Klägerin nicht zu unzumutbaren Folgen führt (BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 52; BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 29). Die Richtigstellung soll in der Weise erfolgen, in der die Information zugänglich gemacht wurde (§ 6 Abs. 4 Satz 2 VIG). Dabei wird die informationspflichtige Stelle zu beachten haben, dass die Richtigstellung nicht nur gegenüber dem Antragsteller geboten sein kann, sondern auch eine öffentliche Bekanntgabe erforderlich ist, wenn die Publikation der Information über das Verhältnis zum Antragsteller hinausgegangen ist. Wenn ein Antragsteller die zugänglich gemachte Information weitergegeben hat, etwa an eine Verbraucherschutzorganisation, und diese für die Verbreitung der Information Sorge getragen hat, kann die informationspflichtige Stelle zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sein, für eine hinreichende Publikation der Richtigstellung zu sorgen (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/17 – juris Rn. 52; BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 5 CS 20.1302 – juris Rn. 29).
II.
Da die gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage aus Ziffer 1 der Klageschrift aufgrund der Rechtmäßigkeit des an den Beigeladenen adressierten streitgegenständlichen Bescheids abzuweisen ist und die Klägerin somit mit ihrem Antrag aus Ziffer 1 unterliegt, ist die innerprozessuale Bedingung für eine weitere Entscheidung über die in Ziffer 2 und 3 gestellten Eventualanträge nicht eingetreten. Das Gericht muss folglich über die weiteren Anträge der Klageschrift nicht entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Vorliegend entspricht es nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen Sachantrag gestellt und sich somit auch nicht der Gefahr der Kostenlast nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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