IT- und Medienrecht

Nachprüfungsantrag wegen intransparentem und vergaberechtswidrigem Vergabeverfahren

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-46-08/17

Datum:
3.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 380
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 121, § 160 Abs. 3 Nr. 1
VgV § 17 Abs. 10 S. 2, § 52 Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Nimmt man überhaupt eine Anwendbarkeit der 10-Tages-Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB auf Vergabeverstöße an, die aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar sind und damit dem § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB unterfallen (dies ablehnend zur früheren Rechtslage OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Verg 2/12) –  sind in diesen Fällen strenge Anforderungen an den Nachweis des Zeitpunkts der positiven Kenntnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu stellen, um keine übermäßige Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz zu verursachen (vgl. EuGH, Urteil vom 11.10.2007, C – 241/06 Lämmerzahl).
2. Hat der Auftraggeber in einem Verhandlungsverfahren bereits gem. § 52 Abs. 2 Nr. 5 VgV die Gewichtung der Zuschlagskriterien bekanntgegeben, darf hierüber gem. § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV nicht mehr verhandelt werden.
3. Auch im Verhandlungsverfahren muss mit der Bekanntmachung und damit erst recht in der Verhandlungsphase das Grundgerüst des zu vergebenden Auftrags stehen und entsprechende Mindestanforderungen aufgestellt sein. Dazu zählen jedenfalls die vorgesehenen Vertragspartner und der etwaige Umfang des Auftrags.
4. Eine Bestimmung, wesentliche Vertragsbestandteile erst nach Zuschlag zu verhandeln, stellt einen schwerwiegenden Vergabeverstoß dar.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schrieb im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb die Vergabe der Gebäude- und Inventarversicherungen und die Bauleistungsversicherungen („Sachversicherungen“) europaweit aus. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Eine Losvergabe war nicht vorgesehen. Nach Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung wurde eine Vertragslaufzeit vom 01.01.2018 bis 01.01.2021 festgesetzt, die um 1 Jahr verlängert werden kann. Die Versicherungsberatungskanzlei R.. GmbH wurde zum Zwecke der fachlichen Konzeptionierung beauftragt und mit der organisatorischen Durchführung der Vergabe betraut.
In der Bekanntmachung wurden die Bewerber darüber informiert, dass der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium ist und alle Kriterien nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt sind.
Nach Teilnahme am Teilnahmewettbewerb teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit E-Mail vom 30.07.2017 mit, dass diese sich für die Angebotsphase qualifiziert habe und forderte diese auf Grundlage der übersandten Ausschreibungsunterlagen auf, bis 16.08.2017, 18.00 Uhr, ein indikatives Angebot zur Vorbereitung auf die erste Verhandlungsrunde per E-Mail an die R. GmbH zu übersenden. In dem Angebot sollte auch darauf hingewiesen werden, welche Vertragsbestimmungen nicht als Mindestanforderungen akzeptiert werden können. Weiter wurde folgender Hinweis erteilt:
„Wir weisen nochmals ausdrücklich darauf hin, dass erst nach der Verhandlungsrunde die Unterlagen für ein letztverbindliches Angebot erstellt werden. Dem Charakter eines Verhandlungsverfahrens entsprechend dient die Verhandlungsrunde und die Kommunikation im Vorfeld auch dazu, die Möglichkeiten und geschäftspolitischen Grundsätze der Bieter auszuloten. Sofern einzelne Vertragsbestimmungen für den Bieter aufgrund geschäftspolitischer Zwänge nicht leistbar sind, wird der Auftraggeber dies berücksichtigen, soweit ihm dies ohne gewichtige Nachteile möglich ist. In der jetzigen, volatilen Marktphase soll deshalb jedem Bieter die Möglichkeit gegeben werden, darauf hinzuweisen, mit welchen Vertragsbestimmungen Probleme bestehen.“
In Ziff.1 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) ist unter anderem Folgendes geregelt:
„Bei der Erstellung und Gestaltung des Versicherungskonzeptes erhält jeder Bieter gewisse Gestaltungsfreiheiten. Die angestrebten Vertragsbestimmungen (Mindest-Bedingungen und Soll-Anforderungen) sind jedoch den beigefügten Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen.“
Weiter wurde in Ziff.2.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) Folgendes geregelt:
„Anmerkung: Das endgültige Versicherungskonzept und alle Unterlagen, die für die Angebotsabgabe erforderlich sind, können die Bieter – dem Wesen des Verhandlungsverfahrens entsprechend – erst nach dem Abschluss der Verhandlungsrunde(n) erhalten.“
In Ziff.2.5.2 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) ist unter anderem Folgendes geregelt:
„Subunternehmer sind nicht zugelassen.“
In Ziff.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) ist unter anderem Folgendes geregelt:
„Zuschlagskriterien sind der Preis und das Versicherungskonzept. Die Gewichtung erfolgt nach Abschluss der Verhandlungsrunde(n) mit Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen für das finale Angebot.
Folgende Aufteilung ist nach derzeitigem Stand vorgesehen:
 Der Angebotspreis wird mit 70% bewertet.
 Der Versicherungsumfang der als „Sollanforderungen“ definierten Vertragsbestimmungen wird mit 30% bewertet. Die Vertragsbestimmungen können Auswirkungen auf die Qualität des Versicherungsschutzes und auf die administrativen Anforderungen an den Versicherungsnehmer haben.
Der Auftraggeber behält sich eine andere Gewichtung vor. Dies hängt insbesondere vom Verhältnis der Mindestanforderungen und Sollanforderungen ab.
Die vom Auftraggeber angestrebten Vertragsbestimmungen sind in den jeweiligen Versicherungssparten der Anlage „Versicherungskonzept“ dargelegt:
 Zwingend einzuhalten sind die als Mindest-Bedingungen gekennzeichneten Vertragsbestimmungen.
Falls der Bieter bei der Angebotserstellung feststellt, dass er eine Mindestanforderung nicht einhalten kann, so hat er den Auftraggeber darauf unverzüglich aufmerksam zu machen. Der Auftraggeber entscheidet dann, ob die Mindestanforderung in eine Sollanforderung geändert wird, und informiert darüber alle Bieter.
Sofern Vertragsbestimmungen als Sollanforderungen gekennzeichnet sind, handelt es sich um fakultative Vertragsbestimmungen, die seitens des Auftraggebers angestrebt werden.
Insofern haben die Bieter jedoch bestimmte Gestaltungsfreiheiten in Bezug auf den Versicherungsumfang, der von ihnen angeboten wird. Auch hier wird allerdings vorausgesetzt, dass die Bieter bei jeder einzelnen Vertragsbestimmung ein hohes Qualitätsniveau einhalten, das die entsprechenden, geschäftspolitischen Leitlinien ihres Unternehmens einhält. Angebote, die dies nicht berücksichtigen, werden ausgeschlossen.

Auf eine Festlegung von detaillierten Anforderungen zum Inhalt des Versicherungsschutzes und daraus resultierenden Zuschlagskriterien wird zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet, damit den Bietern bei der Angebotserstellung ein weitgehender Handlungsspielraum erhalten bleibt.
Die Festlegung von Mindest- und Sollanforderungen, weiteren Präzisierungen und Festlegungen der Wertungsmatrix erfolgt im weiteren Verlauf des Verfahrens, so dass den Bietern bei Abgabe ihres letztverbindlichen Angebots alle Anforderungen und Zuschlagskriterien bekannt sind.“
Im Versicherungskonzept SACH ist Folgendes geregelt:
„1. Präambel / Erläuterungen zum Versicherungskonzept
… Wichtiger Hinweis Ziel ist ein möglichst weitgehender Versicherungsschutz. Für die 1. Verhandlungsrunde wird deshalb auf eine Differenzierung zwischen Mindest- und Sollanforderungen weitgehend verzichtet. Der Bieter soll mit dem indikativen Angebot darauf hinweisen, welche Bestimmungen er nicht als Mindestanforderungen akzeptieren kann und alternative Vorschläge unterbreiten.

Nach Zuschlagserteilung wird der Bieter auf Basis seines Versicherungskonzeptes und für alle zu versichernden Objekte einen oder mehrere Versicherungsverträge erstellen. Die nachfolgenden Bestimmungen gelten als zusätzliche Vertragsgrundlage und ergänzen bzw. ersetzen die dokumentierten Bestimmungen, soweit dies für den Versicherungsnehmer von Vorteil ist. Die Vergabeunterlagen gelten als zusätzliche Vertragsbestimmungen.“
„3.6.2 Mitversicherungsnehmer Bei den mitversicherten, weiteren Versicherungsnehmern (Mitversicherungsnehmern) kann es sich um folgende Rechtsformen handeln:
Eigenbetriebe Kommunalunternehmen – Anstalten des öffentlichen Rechts Kapitalgesellschaften Zweckverbände Stiftungen
In Laufe des Vergabeverfahrens – vor Abgabe des finalen Angebotes – erhält der Versicherer eine Liste der weiteren Versicherungsnehmer und Mitversicherten und der zu versichernden Risiken und Objekte.
Bis zu einem zu vereinbarenden Termin erhält der Versicherer jährlich eine aktualisierte Übersicht der weiteren Versicherungsnehmer und Mitversicherten und der zu versichernden Risiken und Objekte.
Neu hinzukommende Mitversicherungsnehmer sind bis zur nächsten Jahresmeldung automatisch versichert sofern es sich um vergleichbare Risiken handelt.
Versehentlich nicht genannte Mitversicherungsnehmer sind versichert, müssen aber unverzüglich nachgemeldet werden, wenn dies dem Versicherungsnehmer bekannt wird.“
„3.9 Gefahrumstände und Anzeigepflichten; Gefahrerhöhung; Versehensklausel

Der Versicherer wird sich mit dem Versicherungsnehmer nach Vertragsabschluss darüber verständigen, welche Umstände angesichts der Betriebsart und Risikoverhältnisse als Gefahrerhöhung anzusehen sind.
…“
„8.2 Versicherungssummen
Die Versicherungssummen erhöhen oder vermindern sich ab Beginn jedes Versicherungsjahres um die Prozentsätze vereinbarter Preisindices, die für die versicherten Sachen am besten geeignet sind. Details werden nach Zuschlagserteilung vereinbart.
…“
Mit E-Mail vom 11.08.2017 rügte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner und der R.. GmbH die Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen, insbesondere die mangelnde Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung hinsichtlich Ziffer 1.3 und 3 der Vergabebestimmungen sowie hinsichtlich Ziffer 3.6.2 des Versicherungskonzepts SACH, die Intransparenz der in Ziffer 3 der Vergabebestimmungen angegebenen Zuschlagskriterien sowie die Intransparenz der Ausschlussregelung in Ziffer 1 des Versicherungskonzepts SACH.
Mit E-Mail vom 14.08.2017 teilte der Antragsgegner den Bietern die Verlängerung der Abgabefrist für das indikative Angebot bis 21.08.2017 – 17.00 Uhr mit.
Mit Schreiben vom 15.08.2017, eingegangen am 17.08.2017, half der Antragsgegner der Rüge nicht ab. Er teilte mit, dass er der Rüge der Intransparenz der Ausschlussregelung in Ziffer 1 des Versicherungskonzepts SACH abgeholfen werde.
Mit E-Mail vom 21.08.2017 gab die Antragstellerin unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung ein indikatives Angebot für die erste Verhandlungsphase ab und nahm am 23.08.2017 an einem Verhandlungsgespräch teil.
Weil die Rügen vom Antragsgegner überwiegend abgewiesen wurden, stellte die Antragstellerin am 31.08.2017 einen Nachprüfungsantrag und beantragte,
1.Ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten;
2.dem Antragsgegner zu untersagen, im laufenden Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen;
3.dem Antragsgegner aufzugeben, das Verfahren unter Festlegung neuer, den vergaberechtlichen Vorgaben entsprechender Verfahrensbedingungen in den Stand vor Erstellung der Vergabeunterlagen für die Angebotsphase zurückzuversetzen;
4.die Vergabeakten beizuziehen und der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren;
5.dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
6.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragstellerin sei antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag habe, was ihre Teilnahme an Vergabeverfahren zeige. Trotz ihrer Bedenken bezüglich der rechtswidrigen Ausgestaltung der Ausschreibung, habe sie ein indikatives Angebot abgegeben. Dies sei nicht als widersprüchlich anzusehen, denn es müsse einem Bieter die Möglichkeit verbleiben im Falle des Misserfolgs seiner Rügen, eine Chance auf den Zuschlag zu erhalten. Die Antragstellerin werde durch die rechtswidrige Ausgestaltung der Ausschreibung des Antragsgegners in ihren Rechten verletzt. Ihr drohe dadurch ein wirtschaftlicher Schaden. Durch die mangelnde Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung und die Intransparenz der Zuschlagskriterien, die erst nach Kenntnis der indikativen Angebote der Bieter behoben werden solle, seien Manipulationen möglich.
Zudem habe die Antragstellerin die Vergabeverstöße rechtzeitig innerhalb der in § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB vorgesehenen 10-Tages-Frist am 11.08.2017 gerügt. Der Antragsgegner habe die Vergabebestimmungen erst mit E-Mail vom 30.07.2017 zukommen lassen. Nachdem die Antragstellerin Gelegenheit zur Durchsicht hatte, habe sie die Vergabeunterlagen am 09.08.2017 an ihren Verfahrensbevollmächtigten mit der Bitte um Prüfung weitergeleitet. Von den nun geltend gemachten Verstößen habe sie erst am 10.08.2017 durch ihren Verfahrensbevollmächtigten erfahren, daraufhin sei die Rüge am 11.08.2017 erfolgt.
Auch die 15-Tages-Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB sei eingehalten worden, da die Rügeantwort am 17.08.2017 erfolgt sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Durch die mangelnde Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung sowie durch die Intransparenz der Zuschlagskriterien sei die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
Der Antragsgegner verstoße gegen das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung nach § 121 GWB, das Verbot über Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien zu verhandeln (§ 17 Abs. 10 S. 2 VgV) sowie gegen die verfahrensrechtlichen Vorgaben der § 127 Abs. 5, § 58 Abs. 3 VgV und § 97 Abs. 2 GWB.
Im Einzelnen wurde vorgetragen:
Es liege ein Verstoß gegen § 121 GWB und § 17 VgV vor.
Wie aus Ziffer 1.3 der Vergabebestimmungen hervorgehe, sollen die Bieter das endgültige Versicherungskonzept und alle Unterlagen, die für die Angebotsabgabe erforderlich sind, erst nach Abschluss der Verhandlungsrunde(n) erhalten. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entspreche es nicht dem Wesen des Verhandlungsverfahrens, Unterlagen, die für die Angebotsgabe erforderlich seien, erst nach Abschluss der Verhandlungen zur Verfügung zu stellen. Verhandlungen böten zwar die Möglichkeit, über einzelne Bestimmungen des Vertrags oder der Leistungsbeschreibung zu verhandeln. Das entbinde den Auftraggeber aber nicht von seiner Pflicht, die Vergabeunterlagen einschließlich aller Unterlagen, die für die Angebotsabgabe erforderlich seien, bereits mit der Bekanntmachung zu veröffentlichen und zu bereitzustellen. Die Antragstellerin verwies dazu auf den Beschluss des OLG München vom 31.03.2017, Verg 15/16.
Auch zeige sich die Vergaberechtwidrigkeit vorliegend an der vom Antragsgegner gewählten, besonderen Ausgestaltung, wonach die Mindestanforderungen auf Anregung einzelner Bieter und entsprechender Entscheidung des Auftraggebers in Sollanforderungen geändert werden können (s. Ziffer 3 der Vergabebestimmungen). § 17 VgV verbiete ausdrücklich – wie in der vorliegenden Ausschreibung vorgesehen – das Verhandeln über Mindestanforderungen.
Die vom Antragsgegner unter Ziffer 3 der Vergabebestimmungen gewählte Formulierung, sei dabei unklar und intransparent, da sie in sich widersprüchlich sei. In einem Überpunkt heiße es, dass die als Mindestbedingungen gekennzeichneten Vertragsbestimmungen zwingend einzuhalten seien. Unmittelbar darunter sei der Bieter jedoch aufgefordert worden, falls er bei der Angebotserstellung feststelle, dass er eine Mindestanforderung nicht einhalten könne, den Auftraggeber darüber zu informieren. Unklar sei die Leistungsbestimmung an dieser Stelle dadurch, dass der Auftraggeber sowohl den Ausdruck „Mindest-Bedingung“, als auch „Mindestanforderung“ gewählt habe. Ein verständiger Bieter könne den Eindruck bekommen, es werde zwischen einzuhaltenden Mindestbedingungen einerseits und flexibleren, nicht zwingend einzuhaltenden Mindestanforderungen unterschieden. Diesem Verständnis widerspreche jedoch Ziffer 1 des Versicherungskonzepts SACH, in dem es heiße, „Soweit der Konzepttext und die Vertragsbestimmungen nicht besonders gekennzeichnet sind, handelt es sich um Mindestanforderungen, die zwingend einzuhalten sind. …. Der Bieter soll mit dem indikativen Angebot darauf hinweisen, welche Bestimmungen er nicht als Mindestanforderungen akzeptieren kann und alternative Vorschläge unterbreiten.“
Daraus lasse sich wiederum folgern, dass der Antragsgegner den Begriff Mindest-Bedingung und Mindestanforderung synonym verwende und damit – wie der Zusatz „zwingend einzuhalten“ zeige – Mindestanforderungen im Sinne des § 17 Abs. 10 VgV festlegen wollte.
Daran ändere auch nicht, dass der Antragsgegner in der Rügeantwort vorgetragen habe, dass es fraglich sei, ob die hier verwendeten Begriffe, wie Mindestbedingungen und Mindestanforderungen, den in § 17 Abs. 10 S. 2 VgV genannte Mindestanforderung entsprechen und es sich vorliegend um angestrebte Mindestkriterien handle. Denn unmittelbar im Anschluss daran habe der Antragsgegner in der Rügeantwort mitgeteilt, dass maßgeblich allein das Versicherungskonzept selbst sei, „in dem zunächst nur wenige angestrebte Kriterien im Sinne vom vergaberechtlich relevanten Mindestanforderungen genannt werden, um die Dynamik des Verhandlungsverfahrens nicht einzuschränken.“ Daraus werde deutlich, dass der Antragsgegner (unabhängig von der Formulierung „angestrebte“) vergaberechtlich zwingende Mindestanforderungen formuliert und festgelegt habe. Vor dieser Festlegung von Mindestanforderungen i. S. d. § 17 Abs. 10 VgV könne der Antragsgegner nicht auf Wunsch einzelner Bieter abrücken.
Daran ändere auch die Wahl des Verhandlungsverfahrens nichts. § 17 Abs. 10 S. 2 VgV diene der Missbrauchsprävention, ein Ziel, das vereitelt würde, wenn dem Antragsgegner gestattet wäre, von Mindestanforderungen auf Wunsch einzelner Bieter nach Belieben abzurücken. Dies stelle ein Verstoß gegen § 17 Abs. 10 S. 2 VgV dar. Auch § 17 Abs. 13 S. 3 VgV spreche gegen die Zulässigkeit von Änderungen an den Mindestanforderungen.
In der Ungewissheit, was letztlich als Mindest- oder aber nur als Sollanforderung verlangt werde, liege zugleich ein Verstoß gegen § 121 GWB, denn es sei für den Bieter nicht klar, was er anbieten solle, um ein möglichst erfolgversprechendes Angebot abzugeben.
Hinzukomme, dass die Vergabeunterlagen weder die Mitversicherungsnehmer, noch die zu versichernden Risiken und Objekte erschöpfend nenne, sodass der Umfang der Leistung nicht oder nicht hinreichend erkennbar sei (vgl. Versicherungskonzept SACH, Ziff. 3.6.2). Auch sei entscheidend, dass die vom Antragsgegner übersandte Excel-Datei, keine vollständige Auflistung der zu versichernden Objekte enthalte. Hinzu komme, dass sich der Antragsgegner selbst für die Zeit nach Zuschlagserteilung vorbehalte, versehentlich nicht benannte Mitversicherungsnehmer nach zu melden und diese als vom Versicherungsschutz umfasst ansehe. Damit sei für die Bieter vor Abgabe der finalen Angebote und zum jetzigen Zeitpunkt unklar, wer konkret zu versichern sei.
In Ziffer 1 des Versicherungskonzepts SACH werde bestimmt, dass der Bieter dem Angebot sein gesellschaftseigenes Versicherungskonzept beifügen solle und Verwender dieser Vertragsbestimmungen i. S. v. § 305c BGB sei. Dies stehe im Widerspruch zum Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Vorliegend würden vielmehr die konkreten Bestimmungen der Leistung den Bietern übertragen werden. Fraglich bleibe auch, wie vor diesem Hintergrund die Vergleichbarkeit völlig unterschiedlicher Angebote sichergestellt werden solle.
Darüber hinaus verstoße der Antragsgegner gegen die Vorgaben der §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 5 GWB sowie § 58 Abs. 3 VgV, denn die „provisorisch“ angegebenen Zuschlagskriterien genügen nicht dem „vergaberechtlichen Kardinalsgebot“ der Transparenz.
Dazu führte die Antragstellerin aus, dass der Antragsgegner darauf verzichtet habe, die Zuschlagskriterien vor Abgabe des indikativen Angebots in transparenter Form festzulegen. Zwar sehe Ziffer 3 der Vergabebestimmungen grundsätzlich vor, dass der Angebotspreis mit 70% und der Versicherungsumfang mit 30% bewertet werden solle. Aber weder könne das Wertungsverhältnis von 70% zu 30% als fix angesehen werden, noch werde transparent eine Wertungsmatrix der als „Sollbestimmung definierten Vertragsbestimmungen“ festgelegt (vgl. Ziffer 3 der Vergabebestimmungen). Es erfolge eine Bewertung nach Punkten. Akzeptiere der Bieter die vorgeschlagene Vertragsbestimmung, erhalte er die volle Punktzahl. Bei einem „alternativen Angebot“ zu einzelnen Vertragsbestimmungen, werde die Punktzahl entsprechend dem Grad der Zielerfüllung bewertet. Es sei damit nicht abschließend geklärt, was die Sollanforderungen seien, wie diese in die Wertung einfließen und wie die Sollanforderungen bewertet seien. Obwohl der Antragsgegner aufgrund der Rüge nunmehr das Erfordernis klarer und eindeutiger Zuschlagskriterien anerkenne, sehe dieser aufgrund des dynamischen Prozesses des Verhandlungsverfahrens dies erst zum Zeitpunkt der Abgabe der letztverbindlichen Angebote als erforderlich an. Die Festlegung der Zuschlagskriterien und der Gewichtung erst vor Abgabe der letztverbindlichen Angebote nach Kenntnis der indikativen Angebote der Bieter und der Verhandlungen sei vergaberechtlich unzulässig. Deshalb sei das Verfahren in das Stadium vor Erstellung der Vergabeunterlagen für die Angebotsphase zurückzuversetzen. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 31.08.2017. Dieser legte am 11.09.2017 die Vergabeunterlagen vor.
Mit Schreiben vom 07.09.2017 teilte der mandatierte Bevollmächtigte mit, dass er den Antragsgegner vertritt.
Mit Antragserwiderung vom 12.09.2017 beantragte der Antragsgegner:
1.) Den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,
2.) der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen), einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners, aufzuerlegen,
3.) festzustellen, dass die Hinzuziehung der anwaltlichen Bevollmächtigten des Antragsgegners notwendig war.
Des Weiteren wurde beantragt, der Antragstellerin die Akteneinsicht zu versagen, da der Nachprüfungsantrag an erheblichen Zulässigkeitsmängeln leide.
Weder von der Antragstellerin, die an mehreren Verfahren teilgenommen habe, noch von anderen Bietern sei die bisherige Vorgehensweise der mit der Vergabe betrauten Versicherungskanzlei je kritisiert worden sei. Der Umstand, dass die Antragstellerin angesichts der besonderen Gegebenheiten im Versicherungswesen nun einen Nachprüfungsantrag gestellt habe, stoße seitens des Antragsgegners auf Verwunderung. Auf die weiteren Ausführungen diesbezüglich wird verwiesen.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da die Rüge der Antragstellerin vom 11.08.2017 gegenüber dem Antragsgegner nicht rechtzeitig nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB erfolgt sei.
Die Antragstellerin habe die Vergabeunterlagen für die Abgabe des ersten Angebots am 30.07.2017 erhalten und habe ab einschließlich dem 31.07.2017 die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme dieser Unterlagen besessen. Also ende die zehn Tagefrist am Mittwoch, den 09.08.2017, 24 Uhr. Auch wenn man den Fristbeginn auf einen Tag später setze (Arbeitstag), ende die Rügefrist mit Ablauf am Donnerstag, den 10.08.2017, 24.00 Uhr. Die Rüge mit Datum 11.08.2017 sei damit gleichermaßen verfristet und unwirksam.
Die Ausführungen im Nachprüfungsantrag, wann sich die Antragstellerin tatsächlich mit der Vergabeunterlage beschäftigt habe, seien auf Seite 10 des Nachprüfungsantrags sehr nebulös gewesen. Die Antragstellerin versuche sich im Kern auf die frühere Rechtsprechung zurückzuziehen, wonach der Bieter sich nicht sofort mit den Vergabeunterlagen beschäftigen müsse. Da die Vorgehensweise des Versicherungsberaters bekannt sei (insbesondere auch dass in den sehr offen gestalteten Verhandlungsverfahren wenige Mindestanforderungen enthalten seien und die Konkretisierung der Zuschlagskriterien erst im Laufe des Verhandlungsverfahrens erfolge), seien der Antragstellerin die behaupteten Rechtsverstöße seit dem 31.07.2017 bekannt gewesen. Es sei aufgrund der Umstände zu unterstellen, dass sich die Antragstellerin direkt mit der Vergabeunterlage beschäftigt habe und die von ihr fortlaufend reklamierte „eklatante Rechtswidrigkeit“ sofort erkannt habe. Dies wurde noch näher ausgeführt.
Auch sei keine wirksame Rüge erfolgt, da die Rüge nicht im Namen und Auftrag der einzelnen Bietergemeinschaftsmitglieder, sowie nicht ausdrücklich im Namen und Auftrage der Bewerber- oder Bietergemeinschaft als Ganzes erhoben worden sei. Dies sei aber in Bezug auf die Person des Rügenden zwingend erforderlich. Diesbezüglich wurde auf den Beschluss des OLG Brandenburg vom 30.04.2013, W Verg 3/13 verwiesen. Auch könne dieser Mangel nun nicht nachträglich geheilt werden. Da es an einer wirksamen Rüge fehle, sei der Nachprüfungsantrag unzulässig.
Deshalb sei auch die Akteneinsicht zu versagen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet und das Ausschreibungsverfahren verstoße nicht gegen die Grundsätze der Leistungsbeschreibung oder gegen die Prinzipien einer transparenten Art und Weise, wie das Verfahren zum Zuschlag geführt werde.
Es sei irrelevant, dass die Antragstellerin vorgetragen habe, dass die Vergabeunterlagen gemäß § 41 Abs. 1 VgV schon mit der Bekanntmachung zugänglich gemacht werden müssten, da sie diesen Aspekt bereits in der Phase des Teilnahmewettbewerbs hätte förmlich rügen müssen, was nicht erfolgt sei. Die Antragstellerin besitze auch keinerlei Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung der Frage, ob es sich hierbei um einen Rechtsfehler handle. Die Frage der Ausreichung der vollständigen Vergabeunterlage bereits in der Phase des Teilnahmewettbewerbs sei vorliegend ohne Belang. Der Antragsgegner weise rein vorsorglich die Pflicht zur vollständigen Bereitstellung der Vergabeunterlage schon zu Beginn des Teilnahmewettbewerbes als systemwidrig zurück.
Auch bestehe keine Pflicht zur Bereitstellung vollständiger Unterlagen schon zu Beginn des Verhandlungsverfahrens, insbesondere der Leistungsbeschreibung. Es liege kein Verhandlungsverfahren vor, wenn die Leistungsinhalte, also z. B. die genauen Versicherungskonzepte und – bedingungen, bereits von vornherein feststünden. Sinn und Zweck des Verhandlungsverfahrens sei auch, veränderte Leistungszuschnitte und –bedingungen zu erhalten. Durch die Verhandlungen kristallisierten sich typischerweise Präferenzen heraus, die der öffentliche Auftraggeber dann zum Schluss der Verhandlungen kommuniziere. Die finalen Angebote seien dann auf dieser Grundlage zu erstellen. Gegenstand der Bewertung sei die inhaltliche Bewertung der Angebote und Leistungskonzepte sowie die formale Prüfung, ob der betreffende Bieter die überarbeiteten Angebote unter Beachtung der ggf. neu gesetzten Mindestbedingungen erstellt habe und ob er ggf. im Falle der Nichtbeachtung mit seinem Angebot ausgeschlossen werden müsse. Das Verhandlungsverfahren stelle einen dynamischen Prozess dar, in dessen Rahmen Lösungen mit den Bietern, orientiert an dem Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers, erarbeitet werden.
Ein möglichst breiter Wettbewerb in einem heterogenen Anbietermarkt in Kombination mit einem recht hohen Grad an Flexibilität erfordere umso größere Einschränkungen bei der Transparenz, sowie der Eindeutigkeit und des erschöpfenden Charakters der Leistungsbeschreibung. Das treffe insbesondere für das Verhandlungsverfahren zu. Der Antragsgegner habe dies vorliegend beherzigt, indem er angesichts eines sehr heterogenen Anbietermarktes und recht unterschiedlichen Bedingungen und Versicherungskonzepten bei den Bietern eine wettbewerbsoffene und neutrale Leistungsbeschreibung gewählt habe, die dann erst in den Verhandlungsgesprächen konkretisiert werde. Anders sei es nicht lösbar, wenn man nicht den Wettbewerb empfindlich beeinträchtigen möchte.
Es liege keine stichhaltige Begründung der einzelnen rechtlichen Vorwürfe der Antragstellerin auf den Seiten 14 ff. des Nachprüfungsantrags vor. Diese gehe von einem fehlerhaften Verständnis aus, was den Sinn und Zweck eines Verhandlungsverfahrens anbelange.
Der Antragsgegner verwahre sich insbesondere gegen den Vorwurf, einer „Günstlingswirtschaft“ Vorschub zu leisten. Es gehe dem Antragsgegner keinesfalls um diskriminierende Aspekte, sondern um Leistungsanpassungen, die sich rein objektiv aus ihrem Beschaffungsbedarf ergeben. Die Antragstellerin übersehe, dass der öffentliche Auftraggeber ein weitreichendes Bestimmungsrecht habe. Dies gelte erst recht im Verhandlungsverfahren. Daher sei es selbstverständlich möglich, dass sich im Laufe eines dynamischen Verhandlungsprozesses Leistungsmerkmale als zwingende Anforderungen darstellen können, die von einem Bieter nicht mehr erfüllt werden können oder wollen. Dies erlaube aber nicht automatisch den Schluss auf eine Bieterdiskriminierung. Auch könne sich im Verhandlungsverfahren andererseits herausstellen, dass von vielen oder allen Bietern gewünschte Leistungen, nicht auf die geforderte Weise als durchführbar erweisen. Dieser Erkenntnisprozess sei gerade der Ertrag eines Verhandlungsverfahrens.
Die Antragstellerin bestreite wohl nicht, dass es möglich sei, Mindestanforderungen nachträglich festzusetzen. Es könne zudem diejenige Situation eintreten, dass sich Mindestanforderungen nicht oder nur in anderer Weise realisieren lassen. In einem solchen Falle sei es ein schwerer Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn wegen eines unwesentlichen Leistungsdetails, das sich als nicht erfüllbar erweist, das gesamte Verhandlungsverfahren aufgehoben werden müsste.
Hinsichtlich § 17 Abs. 10 VgV gehe es nicht um die Thematik willkürlichen Abweichens zugunsten von bestimmten Bietern, sondern es gehe um die Bestimmung der Leistung, auf deren Grundlage der optimale Versicherungsschutz für den Antragsgegner erreicht werden solle. Auch besitze die ausschreibende Stelle gerade im Verhandlungsverfahren die Möglichkeit, gegebenenfalls auch mehrfach komplette Neuangebote von den Bietern zu fordern. Auf Seite 17 des Schriftsatzes wende sich die Antragstellerin sodann der Thematik zu, dass es angeblich rechtswidrig sei, wenn in dem vorliegenden Vergabeverfahren keine konkrete Festlegung der Mitversicherungsnehmer und der zu versichernden Risiken und Objekte stattgefunden habe. Diese Festlegungen, die nach Ansicht der Antragstellerin unwiderruflich gelten sollen, führten dann zu einem hochgradigen Risiko für den öffentlichen Auftraggeber, die nur durch Aufhebung oder Einstellung eines Vergabeverfahrens behoben werden können. Dies sei soweit irgend möglich, ggf. auch durch Beschreitung unkonventioneller Wege, zu vermeiden. Vorliegend sei es gerade auch im Interesse der Stärkung des Wettbewerbes, unterschiedliche Versicherungskonzepte zusammen zu führen. Gebe der Antragsgegner ein Konzept vor, so würde man sich eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot schuldig machen. Außerdem wäre der Wettbewerb empfindlich eingeschränkt. Um Vorfestlegungen auf bestimmte Produkte zu vermeiden, müssten vorliegend im Verhandlungsverfahren die Versicherungsleistungen möglichst konzeptoffen und bedingungsoffen angegangen werden, wenn man nicht empfindliche Einschränkungen des Wettbewerbs riskieren wolle.
Auch sei das Vorgehen des Antragsgegners in Bezug auf die Zuschlagskriterien statthaft. In Zusammenhang mit der Eigenart des Verhandlungsverfahrens sei vorliegend die Bezeichnung der Zuschlagskriterien mit einer provisorischen „Benennung“ erfolgt. Der Richtliniengeber habe bei Verhandlungsverfahren die Option geschaffen, auf die Angabe präzise gewichteter Zuschlagskriterien zu verzichten. Sofern nur indikative Angaben der Zuschlagskriterien möglich seien, bedürfe es dazu in der Ausnahme eines sachlichen Grundes. Dieser sachliche Grund bestehe darin, dass das Verhandlungsverfahren hier infolge der sehr heterogenen Märkte, was Konzepte und Versicherungsbedingungen anbelange, wettbewerbsoffen gehalten werden soll und müsse. Zudem habe sich die Antragstellerin rügelos auf das Verhandlungsverfahren eingelassen und damit bewusst Einschränkungen der Transparenz sowohl hinsichtlich der Leistungsbeschreibung, als auch im Hinblick auf die Zuschlagskriterien in Kauf genommen. Selbstverständlich seien die Zuschlagskriterien im weiteren Verlauf eines Verhandlungsverfahrens nicht nur zu präzisieren, sondern auch hinsichtlich der genauen Gewichtung zu fixieren. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 21.09.2017 teilte die Antragstellerin ergänzend mit, dass die Vergabeunterlagen, die an die zuständige Mitarbeiterin der Antragstellerin am 30.07.2017 gesandt wurden, aufgrund einer Abwesenheitsmeldung vom Antragsgegner am 30.07.2017 an einen anderen Mitarbeiter der Antragstellerin gesandt worden seien. Dieser Mitarbeiter habe am 31.07.2017 den Antragsgegner darüber informiert, dass er die Unterlagen erhalten habe, diese jedoch nur zur Kenntnis nehme, aber die zuständige Mitarbeiterin am 01.08.2017 wieder im Dienste sein werde. Die zuständige Mitarbeiterin der Antragstellerin habe ihrerseits am 01.08.2017 mit der Prüfung der Vergabeunterlagen aus versicherungsfachlicher Sicht begonnen und ihre Kollegen darüber per E-Mail vom 04.08.2017 informiert. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Entgegen dem Vortrag des Antragsgegners, sei die Rüge auch wirksam erhoben worden. Aus der Rüge ergebe sich eindeutig, dass die Rügeerhebung namens aller Mitglieder der bestehenden Bietergemeinschaft der Antragstellerin erfolgt sei.
Auch änderten die Ausführungen des Antragsgegners in seiner Erwiderung an der Begründetheit des Nachprüfungsantrags nichts, denn der Antragsgegner beschränke sich überwiegend auf völlig unstreitige Gemeinplätze zum Verhandlungsverfahren, denen keine Aussagen für die Zulässigkeit der Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens zu entnehmen seien. Im Wesentlichen sei mitgeteilt worden, dass sich die Antragstellerin nicht gegen die Wahl des Verhandlungsverfahrens als solches wende. Strittig sei allein dessen Ausgestaltung im konkreten Fall sowie die Grenzen, die auch bei Wahl dieser Verfahrensart einzuhalten seien. Auch im Verhandlungsverfahren seien nach Ansicht der Antragstellerin Grenzen zu beachten. Dies erfordere auch die Festlegung bestimmter Mindestanforderungen über die nicht verhandelt werden könne.
Die Leistungsbeschreibung habe trotz der größtmöglichen Flexibilität auch im Verhandlungsverfahren so vollständig und erschöpfend wie möglich zu sein und müsse damit einen klaren Rahmen vorgeben. Der Beschaffungsbedarf müsse auch bei einer Ausschreibung im Verhandlungsverfahren mit größtmöglicher Bestimmtheit festgelegt werden. Es reiche für eine Leistungsbeschreibung gerade nicht aus, wenn wie hier ein Auftraggeber bestimmte Mindestanforderungen zwar anstrebe, aber ihre Erfüllung jedoch in das Belieben einzelner Bieter stelle und gänzlich offen lasse. Die Ungewissheit und Intransparenz werde dadurch weiter verstärkt, dass der Antragsgegner auch sonstige Rahmenbedingungen, wie die Mitversicherungsnehmer und zu versichernde Risiken, nicht oder nicht hinreichend festlege. Im streitgegenständlichen Fall könne auch mangels klarer Vorgaben zu Beginn der Angebotsphase überhaupt nicht definiert werden, wann eine Änderung der Leistungsbeschreibung vorliege. Denn die Leistungsbeschreibung sei von vornherein so unklar und lasse durch den im Belieben des Auftraggebers stehenden Verzicht auf Mindestanforderungen so viele verschiedenen Alternativen zu, dass noch nicht einmal die Rahmenbedingungen bestimmt seien.
Es sei ein Mindestmaß an Transparenz in Gestalt der Vorabfestlegung bestimmter, unverhandelbarer Rahmenbedingungen erforderlich, damit es einen fairen Wettbewerb geben könne. Sonst fehle die erforderliche Ausschreibungsreife. Durch die eingeschaltete Versicherungsberatungskanzlei habe der Antragsgegner wissen müssen, was er als Mindestanforderungen realistischer Weise von den Bietern verlangen könne und was nicht. Auch der Vortrag des Antragsgegners, es handle sich vorliegend nicht um ein Verhandeln über Mindestanforderungen im Sinne des § 17 Abs. 10 VgV, sondern vielmehr auf einen bloßen Verzicht auf solche, sei ohne Relevanz. Es sei auch unstreitig, dass Angebotsüberarbeitungen im Rahmen von Verhandlungsverfahren möglich seien. Das ändere jedoch nichts daran, dass Mindestanforderungen (ebenso wie Zuschlagskriterien und deren Wertung) in den Verhandlungen unverändert bleiben müssten. Der Antragsgegner überdehne die Grenzen des Verhandlungsverfahrens, wenn er meint, er könne ein Verfahren führen, in dem sämtliche Rahmenbedingungen nicht oder nur unverbindlich festgelegt werden. Er verkenne, dass § 121 GWB und § 17 Abs. 10 VgV auch für das Verhandlungsverfahren klare Regelungen aufstellen, an die sich der Auftraggeber zu halten habe. Die Transparenz sei als zwingende Voraussetzung für Wettbewerb und Nichtdiskriminierung vorgeschrieben. Der Antragsgegner verstoße auch gegen die Pflicht zur Festlegung von Zuschlagskriterien, denn er habe diese vor Abgabe und Entgegennahme der indikativen Angebote festlegen müssen. Durch § 127 Abs. 4 und insbesondere Abs. 5 GWB seien die Vorgaben des EuGH eindeutig umgesetzt, wonach die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Wie bereits vorgetragen habe der Antragsgegner zwar grundsätzlich Zuschlagskriterien vorgesehen, aber lediglich als „Sollanforderungen“. Ebenso erfüllen die Ausschreibungsunterlagen auch die Anforderungen hinsichtlich der Gewichtung nicht. Vorliegend seien nur veränderliche Prozentzahlen für die Gewichtung der noch nicht abschließend festgelegten Zuschlagskriterien festgelegt worden. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen.
Der Antragsgegner erwiderte daraufhin noch mit Schreiben vom 26.09.2017, dass der ergänzende Sachvortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Rüge vom 31.08.2017 verfristet und daher unbeachtlich sei. Die Rüge und deren genauen tatsächlichen Umstände seien bereits zusammen mit dem Nachprüfungsantrag vorzutragen, und nicht drei Wochen später.
Auch seien die Vergabeunterlagen mit deren Übersendung der Antragstellerin als bekannt zu unterstellen. Zu den weiteren Ausführungen hinsichtlich der Rügepräklusion wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners verwiesen.
Was die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags anbelange, gewinne ein weiterer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Zusammen mit der Zusendung der Unterlagen zum indikativen Angebot per E-Mail am 21.08.2017 habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie beabsichtige als zusätzlichen Anbieter eine weitere Versicherung in das Verhandlungsverfahren hereinzunehmen. Die Antragstellerin dürfe aber keinesfalls eine solche andere juristische Person als Mitbieter (oder auch Unterauftragnehmer o.ä.) in das Verhandlungsverfahren neu einführen, da in allen zweistufigen Vergabeverfahren eine absolute Identität zwischen den Bewerbern im Teilnahmewettbewerb und den Bietern im Verhandlungsverfahren erforderlich sei. Wenn die Antragstellerin dabei bleibe, sei sie zwingend auszuschließen.
Der Antragsgegner teilte noch mit, dass die Ausführungen der Antragstellerin nicht darzulegen vermögen, dass die vorliegend gewählte Herangehensweise zur Durchführung des Verhandlungsverfahrens unzulässig sei. Er machte auch Ausführungen zu den Eigenarten des Versicherungsmarktes. Der Nachprüfungsantrag sei mindestens als unbegründet zurückzuweisen.
Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 26.09.2017 wird verwiesen.
Mit Verfügungen vom 27.09.2017, 06.11.2017 und 19.12.2017 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gem. § 167 Abs. 1 S. 2 GWB zuletzt bis zum 31.01.2018 verlängert.
Mit Schreiben vom 04.10.2017 nahm die Antragstellerin noch zu dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 26.09.2017 ergänzend Stellung und teilte insbesondere noch mit, dass die Antragstellerin vor dem streitgegenständlichen Verfahren zuletzt im Jahre 2015 an einem Verfahren teilgenommen habe, das von der Versicherungsberatungskanzlei R.. GmbH beraten worden sei. Dabei seien die Vergabeunterlagen in dem damaligen Verfahren nicht identisch mit denen im vorliegenden Verfahren gewesen. Auch habe die Antragstellerin nicht vor Durchführung des streitgegenständlichen Verfahrens beschlossen, dieses vergaberechtlich zu überprüfen. Vielmehr habe sie dies erst nach Durchsicht der übersandten Vergabeunterlagen und nach Rücksprache mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten entschieden. Zudem wurden noch rechtliche Ausführungen zur Rügeobliegenheit gemacht. Diesbezüglich wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin verwiesen.
Weiter teilte die Antragstellerin mit, dass es für sie völlig unklar sei, was der Antragsgegner mit den Ausführungen bezwecke, hinsichtlich der Absicht der Antragstellerin eine weitere Versicherung in das Verfahren mit einzubeziehen. Es verwundere sie, dass der Antragsgegner dieses Vorgehen nun für rechtswidrig halte, obwohl im vorliegenden Verfahren alle Parameter geändert werden dürfen, nur die personelle Aufstellung des Bieters nicht. Allerdings komme es auf die Zulässigkeit der Änderung nicht an, da die Antragstellerin ihre Absicht eine weitere Versicherung einzubeziehen zwar bekundet habe, aber dies bisher nicht getan habe. Darüber hinaus begehre die Antragstellerin die Zurücksetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Erstellung der Vergabeunterlagen für die Angebotsphase. Sofern ihrem Nachprüfungsantrag stattgegeben werde, habe sie die Gelegenheit zur Abgabe eines neuen Angebots, deshalb seien die diesbezüglichen Ausführungen irrelevant.
Die Antragstellerin stellte hinsichtlich ihres Nachprüfungsantrags nochmals klar, dass es darum gehe, ob der Antragsgegner vorliegend vollständig auf sein Leistungsbestimmungsrecht verzichten könne und ein Verhandlungsverfahren ohne Mindestanforderungen und ohne Festlegung von Zuschlagskriterien und deren Gewichtung durchführen dürfe und damit ohne jegliche Beschränkung verhandeln dürfe. Die Antwort folge bereits aus dem Gesetzestext gemäß § 17 Abs. 10 S. 2 VgV und § 127 Abs. 5 GWB. Die vorliegende Verfahrensgestaltung verstoße gegen diese gesetzlichen Anforderungen. Auch die Ausführungen des Antragsgegners zu den Eigenarten des Versicherungsmarktes änderten nichts an den vergaberechtlichen Grundregeln. Wenn sich öffentliche Auftraggeber im Stande sehen, ein offenes Verfahren bei der Vergabe von Sach-Versicherungsleistungen durchzuführen, so zeige dies dass diese Leistungen keineswegs so komplex und unvorhersehbar seien, wie der Antragsgegner behaupte. Dies zeige auch, dass es im vorliegenden Verhandlungsverfahren nicht zu rechtfertigen sei, dass nicht einmal die Grundpfeiler (Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien) festgelegt werden.
Daraufhin teilte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.10.2017 mit, dass die Antragstellerin die relevanten Fragen nicht beantwortet habe. Dies betreffe zum einen das Bestimmungsrecht des Antragsgegners, verbunden mit der Frage, wie offen und mit wie wenig Mindestanforderungen die Leistungsbeschreibung in einem Verhandlungsverfahren, das sich an einen heterogenen Markt richte, gestaltet werden kann. Zum anderen sei dies die Art und Weise der Ausgestaltung der Zuschlagskriterien, u. a. bezogen auf die Frage, wann und mit welcher Tiefe sie festzulegen seien, und welche rechtlich zugelassenen Ausnahmen dazu existieren.
Hauptziel und Hauptzweck eines Vergabeverfahrens sei die Beschaffung von qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen. Die Einhaltung von wettbewerbsrechtlichen Rahmenbestimmungen sei dabei selbstverständlich, letztlich aber nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck und notwendiges Instrumentarium. Der Berater des Antragsgegners habe mit seiner Vorgehensweise eine Systematik entwickelt, welche diesen Anforderungen gerecht werde und praktiziere diese seit dem Jahr 2011. Die gewählte Vorgehensweise entspreche üblichen Beschaffungsprozessen bei hochvolumigen Versicherungsverträgen im privatwirtschaftlichen Bereich und sei nach Überzeugung des Antragsgegners und seines Beraters auch auf den öffentlichen Sektor übertragbar.
Auf die weiteren Ausführungen hinsichtlich der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags wird verwiesen.
Der Antragsgegner wies die Ausführungen der Antragstellerin zurück, dass es sich vorliegend um ein völlig ungeregeltes Verfahren ohne jegliche Festlegungen handle. Der ausgeschriebene Versicherungsschutz sei in allen wesentlichen Eckpunkten fixiert. Die zu Beginn der Angebotsphase flexible Vorgehensweise erstrecke sich auf den Teilbereich der Vertragsbestimmungen (Wording) und einige Aspekte, die im Versicherungsmarkt sehr uneinheitlich geregelt seien. Die Antragstellerin habe vorgebracht, dass auch heute noch Vergabeverfahren von Sach-Versicherungen im Wege des offenen Verfahren durchgeführt würden, was der Antragsgegner nicht bestreite, aber diese Ausschreibungen beinhalteten Schwachstellen im Versicherungsschutz, die der Antragsgegner gerade vermeiden wolle um einen hochwertigen Versicherungsschutz zu erreichen. Öffentliche Auftraggeber würden mittelweile zunehmend die Vorteile des Verhandlungsverfahrens erkennen und auch Vergaben im Rahmen des Verhandlungsverfahrens durchführen.
Im Übrigen wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 10.10.2017 verwiesen.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses mit Schreiben vom 12.10.2017 auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 18.10.2017 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 23.11.2017 um 10.00 Uhr geladen.
Der Antragstellerin wurde mit Beschluss vom 23.10.2017 Einsicht in Ziffer 2.8 des Vergabevermerks der Vergabestelle gem. § 8 Abs. 2 VgV gewährt.
Die mündliche Verhandlung fand am 23.11.2017 in dem Dienstgebäude der Regierung von Oberbayern, Raum 5317 statt. Zu Beginn der Verhandlung teilte Herr R… ein Mitarbeiter der Antragstellerin, in Bezug auf eine mögliche Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB auf Anfrage es Vorsitzenden der Vergabekammer mit, dass er die eingegangenen Ausschreibungsunterlagen am 31.07.2017 nicht gelesen und in der E-Mail vom 31.07.2017 die R.. GmbH darauf hingewiesen habe, dass die zuständige Kollegin Frau S.. erst am 01.08.2017 wieder im Dienst sein werde.
Auf Anfrage teilte der Antragsgegner mit, dass er bisher lediglich der Antragstellerin als Antwort auf Ihr Rügeschreiben am 15.08.2017 mitgeteilt habe, dass die Regelung zum Ausschluss unter Punkt 1 des Versicherungskonzeptes SACH nicht gelte, dagegen nicht die anderen Bieter informiert habe.
Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Antragstellerin hielt ihre Anträge vom 31.08.2017 aufrecht. Der Antragsgegner hielt seine Anträge vom 12.09.2017 aufrecht. Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Der Nachprüfungsantrag ist auch zulässig und begründet. Die Vergabeunterlagen sind in mehreren Punkten vergaberechtswidrig. Hierdurch ist die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt und ein drohender Schaden gegeben. Der Antragsgegner wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren mindestens in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen für die Angebotsphase zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer fortzusetzen haben. Sofern der Antragsgegner beabsichtigt weitere Versicherungsnehmer aufzunehmen, ist das Vergabeverfahren in den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer fortzusetzen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat die Antragstellerin rechtzeitig i.S.d. § 160 Abs. 3 S.1 Nr.1 GWB gerügt, da sie nach Erhalt der Vergabeunterlagen frühestens am 01.08.2017 Kenntnis im Sinne dieser Vorschrift hatte. Diese Rüge erfolgte aufgrund der Gesamtumstände auch eindeutig im Namen und Auftrag der einzelnen Mitglieder der Bietergemeinschaft, als auch der Bietergemeinschaft als solche (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 14.01.2015, Verg 15/14).
Die Antragstellerin musste die von ihr angenommenen Verstöße nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist gerügt haben. Bereits aus der Bekanntmachung war beispielsweise ersichtlich, dass der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium sei, alle weiteren Kriterien aber nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt seien. Diese Unterlagen wurden aber noch nicht zur Verfügung gestellt, dies erfolgte erst nach dem Teilnahmewettbewerb. Soweit es daher um Inhalte der Dokumente „Vergabebestimmungen“ und „Versicherungskonzept SACH“ geht, fehlte es schon an der Erkennbarkeit in tatsächlicher Hinsicht.
Auch die Tatsache, dass die Unterlagen nicht vollständig zur Verfügung standen, musste die Antragstellerin nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist rügen. Zumindest nach alter Rechtslage war es weitverbreitete Praxis die Vergabeunterlagen für die Verhandlungsphase erst nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs zu versenden. Auch allein aus der Lektüre des Verordnungstextes, insbesondere § 17 VgV, geht nicht explizit hervor, dass die Vergabestelle bereits in der Bekanntmachung die Vergabeunterlagen für die Verhandlungsphase zu veröffentlichen hat. Deshalb ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht von einer Erkennbarkeit im Sinne des § 160 Abs. 3 S.1 Nr.2 GWB auszugehen (so auch: OLG München, Beschluss vom 13.03.2017, Verg 15/16).
Da die Antragstellerin ihre Rügen vor dem Zeitpunkt zur Abgabe des indikativen Angebots erhoben hatte, hat sie ihrer Rügeobligenheit aus § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 3 GWB Genüge getan.
Das gleiche gilt in Bezug auf die Rügeobligenheit nach § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 1 GWB. Da nach den vom Antragsgegner nicht widerlegbaren Angaben der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung die zuständige Mitarbeiterin Frau S.. erst am 01.08.2017 tatsächlich Kenntnis von den Vergabeunterlagen genommen hat, war die Rügeerhebung am 11.08.2017 in jedem Fall rechtzeitig. Im Übrigen ist es im vorliegenden Fall fernliegend, positive Kenntnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in Bezug auf die teilweise komplexen Rechtsfragen bereits bei der ersten Durchsicht der Vergabeunterlagen anzunehmen.
Hinzu kommt, dass – wenn man überhaupt eine Anwendbarkeit der 10-Tages-Frist des § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 1 GWB auf Vergabeverstöße annimmt, die aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar sind und damit dem § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 2 und 3 GWB unterfallen (dies ablehnend zur früheren Rechtslage OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Verg 2/12) – in diesen Fällen strenge Anforderungen an den Nachweis der positiven Kenntnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu stellen sind, um keine übermäßige Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz zu verursachen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11.10.2007, C – 241-06 „Lämmerzahl“).
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass es auf Seiten der Antragstellerin bereits zu einer Änderung der Zusammensetzung der Bietergemeinschaft kam und ihr deshalb womöglich die Antragsbefugnis abzusprechen sei.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
2.1. Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 10 S.2 VgV, wonach über festgelegte Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien nicht verhandelt werden darf, liegt bislang nicht vor. Der Antragsgegner hat nämlich ausweislich der Ziff.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase), der Ziff.1 des Versicherungskonzepts SACH und der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom 30.07.2017 bislang davon abgesehen Mindestanforderungen festzulegen. Ein etwaiges Verhandeln über das in Ziff.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) benannte Zuschlagskriterium „Versicherungsumfang“ hat ebenfalls noch zu keiner Änderung geführt.
Ebenso verhält es sich mit dem in Ziff.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase) enthaltenen Vorbehalt der Änderung der Gewichtung der Zuschlagskriterien. Eine Änderung der Gewichtung hat der Antragsgegner bislang nicht vorgenommen, sodass die Antragstellerin insoweit auch nicht in ihren Rechten nach § 97 GWB, §§ 52 Abs. 2 Nr.5, 58 Abs. 3 VgV verletzt sein kann.
Allerdings ist es dem Antragsgegner gem. § 17 Abs. 10 S.2 VgV verwehrt, im laufenden Verfahren noch eine Änderung der Gewichtung vorzunehmen, da er eine solche bereits in den Vergabeunterlagen angegeben hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Antragsgegner hier gem. § 58 Abs. 3 S. 2 VgV die Gewichtung auch mittels einer Spanne hätte angeben können oder gar gem. § 58 Abs. 3 S. 3 VgV lediglich die Zuschlagskriterien in absteigender Rangfolge hätte angeben dürfen (Letzteres ist nach Auffassung der Vergabekammer sehr zweifelhaft). Denn von diesen Möglichkeiten hat der Auftraggeber keinen Gebrauch gemacht und an die erfolgte Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien ist er gem. § 17 Abs. 10 S.2 VgV gebunden.
2.2 Allerdings ist im streitgegenständlichen Vergabeverfahren weder das erforderliche Mindestmaß an der Konkretisierung des Auftrags noch die Wahrung der Identität der zu beschaffenden Leistung gewährleistet. Der Antragsgegner hat hier nach Ziff.3 der Vergabebestimmungen (Angebotsphase), der Ziff.1 des Versicherungskonzepts SACH und der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom 30.07.2017 die gesamten Vergabeunterlagen de facto als verhandelbar klassifiziert. Denn die Bieter sollen in ihrem indikativen Angebot darauf hinweisen, welche Bestimmungen sie nicht als Mindestanforderungen akzeptieren können und alternative Vorschläge unterbreiten (Ziff.1 Versicherungskonzept SACH). Die Festlegung von Mindest- und Sollanforderungen soll erst im weiteren Verlauf des Verfahrens erfolgen (Ziff.3 Vergabebestimmungen (Angebotsphase)). Hinzu kommt, dass sich der Antragsgegner in Ziff.3.6.2 Versicherungskonzept SACH vorbehält, den Bietern erst „im Laufe des Vergabeverfahrens – vor Abgabe des finalen Angebotes“ weitere „Versicherungsnehmer und Mitversicherte“ und zu versichernde „Risiken und Objekte“ mitzuteilen und versehentlich nicht genannte Mitversicherungsnehmer ebenfalls versichert sein sollen. Damit hat er die Grenze des Zulässigen überschritten. Zwar darf die Vergabestelle Vorgaben genauer fassen, um die Spielräume zu begrenzen und vergleichbare Angebote zu erhalten. Dies muss für alle Bieter transparent und diskriminierungsfrei erfolgen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 09.10.2013, 17 Verg 6/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2013, Verg 31/12; VK Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2017, VgK-26/2017). Allerdings muss die Vergabestelle zumindest über eine grundlegende Vorstellung über die Auftragskonzeption verfügen, deren Identität im Laufe der Verhandlungen zu bewahren ist (u.a.: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011, VII-Verg 16/11, OLG München, Beschluss vom 28.04.2006, Verg 6/06). Denn ansonsten wären solche Unternehmen benachteiligt, die aufgrund der Beschreibung der ausgeschriebenen Leistung von einer eigenen Bewerbung abgesehen haben (Hirsch/Kaelble, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO Kommentar, § 17, Rdnr.41). Zwar steht zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht fest, ob die Identität des Auftrags gewahrt bleiben wird oder nicht. Die bereitgestellten Informationen müssen aber so präzise sein, dass die Wirtschaftsteilnehmer Art und Umfang der Vergabe erkennen und entscheiden können, ob sie eine Teilnahme an dem Verfahren beantragen (Artikel 29 der Richtlinie 2014/24/EU). Demnach müssen bereits mit der Bekanntmachung und damit erst recht in der Verhandlungsphase das Grundgerüst des zu vergebenden Auftrags stehen und entsprechende Mindestanforderungen aufgestellt sein. Zu diesem Grundgerüst zählen selbstverständlich sämtliche Auftraggeber, hier also sämtliche Versicherungsnehmer (und „Mitversicherten“), sowie die zu versichernden Objekte, es sei denn, dass eine Änderung in dieser Hinsicht die Identität des Auftrags unberührt lässt. So sollen die öffentlichen Auftraggeber nach Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2014/24/EU insbesondere im Voraus die Mindestanforderungen angeben, die das Wesen der Beschaffung charakterisieren. Deshalb muss die Vergabestelle auch im Verhandlungsverfahren bereits ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung die erforderlichen Vergabeunterlagen gemäß § 41 Abs. 1 VgV vollständig zum Abruf zur Verfügung stellen (OLG München, Beschluss vom 13.03.2017, Verg 15/16). Eine Ausnahme hiervon für das Verhandlungsverfahren ist nach den Bestimmungen der VgV nicht vorgesehen (Hirsch/Kaelble, in: Müller-Wrede, VgV/UVgO Kommentar, § 17, Rdnr.7).
Hierin ist aber kein Verstoß gegen die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung nach § 121 GWB zu sehen. Im Verhandlungsverfahren muss die Leistung erst mit der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots eindeutig und erschöpfend beschrieben sein. Vielmehr widerspricht dieses Vorgehen dem auch im Verhandlungsverfahren geltenden Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB verletzt und es droht ihr auch der Eintritt eines Schadens. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist für sie nicht abzusehen, ob sie ein aussichtsreiches finales oder überhaupt ein finales Angebot abgeben können wird. Dies ist abhängig davon, welche Mindestanforderungen der Antragsgegner aufstellen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin schon von der Beteiligung am Teilnahmewettbewerb oder von der Abgabe von indikativen Angeboten abgesehen hätte, wenn der Antragsgegner seine Mindestanforderung schon mit der Bekanntmachung oder jedenfalls mit der Aufforderung zur Abgabe eines indikativen Angebots angegeben hätte und die Antragstellerin eine der Mindestanforderungen nicht erfüllen kann oder möchte. Zudem besteht die Gefahr, dass die Mindestanforderungen aufgrund der umfassenden Möglichkeit mit den Bietern zu verhandeln so aufgestellt werden, dass einzelnen Bietern finanzielle Kalkulationsvorteile und anderen finanzielle Kalkulationsnachteile entstehen. Somit droht der Antragstellerin auch in Hinblick hierauf der Eintritt eines Schadens.
Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht sind den Bietern vor Fortführung des Vergabeverfahrens deshalb überarbeitete Vergabeunterlagen zur Verfügung zu stellen.
Eine Zurückversetzung zum Zeitpunkt vor der Bekanntmachung ist nur erforderlich, wenn der Antragsgegner weiterhin beabsichtigen sollte, zusätzliche Versicherungsnehmer aufzunehmen. In der Bekanntmachung ist nämlich nur der Antragsgegner als alleiniger Auftraggeber benannt. An diese Angabe ist der Antragsgegner gebunden. Die nachträgliche Änderung des Auftraggebers würde gegen das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot verstoßen (EuGH, Urteil vom 14.12.2016, Rs. C-171/15; OLG München, Beschluss vom 21.11.2013, Verg 9/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2010, VII-Verg 47/10). Eine Änderung von Angaben, die in der Bekanntmachung enthalten waren, wäre nur bei einer vorherigen Korrektur der Bekanntmachung möglich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2015, Verg 31/14).Gleiches gilt, sofern der Antragsgegner von der in der Bekanntmachung angegebenen Vertragslaufzeit abweichen möchte.
2.3 Die Regelung in Ziff.3.6.2 Versicherungskonzept SACH, wonach „der Versicherer jährlich eine aktualisierte Übersicht der weiteren Versicherungsnehmer und Mitversicherten und der zu versichernden Risiken und Objekte“ erhält, stellt einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung nach § 121 GWB dar. Zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes müssen bei der vorliegenden Vertragsgestaltung sämtliche zu versichernden Risiken, Objekte und Mitversicherer bekannt sein, denn auch im Verhandlungsverfahren muss die Leistung zu diesem Zeitpunkt, nach und aufgrund der vorangegangenen Verhandlungen, eindeutig und erschöpfend beschrieben sein. Dies ist aber nicht der Fall, wenn sich der Auftraggeber vorbehält, dass nach Zuschlagserteilung Leistungen hinzukommen. Schließlich handelt es sich vorliegend, soweit ersichtlich, nicht um eine Rahmenvereinbarung, die im Übrigen auch bestimmte Vorgaben erfüllen müsste (§ 21 VgV). Ob nach Zuschlagserteilung eine Änderung des bestehenden Vertrages aufgrund neu zu versichernder Risiken, Objekte und Mitversicherer ohne Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens zulässig ist, richtet sich nach § 132 GWB.
Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten verletzt und es droht ihr auch der Eintritt eines Schadens. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist für sie nicht abzusehen, ob sie ein aussichtsreiches finales oder überhaupt ein finales Angebot abgeben können wird. Würde es bei der derzeitigen Regelung bleiben, müsste sie in ihrem Angebot ungewisse Risiken einkalkulieren, was bei einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung nicht oder zumindest nicht im gleichen Umfang der Fall wäre.
2.4 Die in Ziff.1 des Versicherungskonzepts SACH enthaltene Regelung, wonach der Bieter dem Angebot sein gesellschaftseigenes Versicherungskonzept beifügen soll und Verwender dieser Vertragsbestimmungen i. S. v. § 305c BGB sei, verstößt – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, § 121 GWB. Denn erst mit der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebotes muss im Verhandlungsverfahren die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben sein und nicht bereits zu Beginn des Verhandlungsverfahrens.
2.5 Der Antragsgegner wird für den Fall, dass er bei fortbestehender Beschaffungsabsicht vor Fortführung des Vergabeverfahrens die Vergabeunterlagen zu überarbeiten hat, u.a. Folgendes zu berücksichtigen haben:
Die hier erfolgte Abgabe und der Empfang der indikativen Angebote per E-Mail verstieß gegen § 53, 10 Abs. 1 S.2, 11 Abs. 2 VgV, auch wenn es sich hierbei nur um indikative Angebote gehandelt hat.
Die Regelung in Ziff.2.5.2 Vergabebestimmungen (Angebotsphase) hinsichtlich der Regelung, wonach der Einsatz von Subunternehmern nicht zugelassen ist, ist nach § 47 VgV vergaberechtswidrig. Denn es nicht zulässig ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber in einer Klausel der Verdingungsunterlagen eines öffentlichen Auftrags vorschreibt, dass der künftige Auftragnehmer einen bestimmten Prozentsatz der von diesem Auftrag umfassten Arbeiten mit eigenen Mitteln zu erbringen hat (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, Rs. C-406/14). Folglich ist dem Bieter grundsätzlich der Einsatz von Subunternehmern zu gestatten.
Die Erstellung von Versicherungsverträgen nach Zuschlagserteilung gemäß Ziff.1 Versicherungskonzept SACH verstößt gegen § 58 VgV, §§ 123, 127, 97 Abs. 1 und 2 GWB. Ebenso verhält es sich mit den in beispielsweise Ziff.3.2, Ziff.3.6. und Ziff.3.9 Versicherungskonzept SACH niedergelegten Regelungen bezüglich Verhandlungen über Preise, Leistungsumfang und Risikoverhältnisse nach Zuschlagserteilung. Derartige Nachverhandlungen nach Abgabe des finalen Angebots stellen schwerwiegende Vergabeverstöße dar, die die Vergabekammer ggf. auch von Amts wegen aufgreifen müsste.
Die in Ziff.3.4 Versicherungskonzept SACH angegebene Vertragslaufzeit steht im Widerspruch zu der in der Bekanntmachung angegebenen Vertragslaufzeit.
Abschließend sieht sich die Vergabekammer veranlasst darauf hinzuweisen, dass der Dokumentationsaufwand bei Durchführung des Verhandlungsverfahrens in der Form, in der es bislang in den Vergabeunterlagen angelegt ist, sehr hoch sein wird, um belegen zu können, dass das Vergabeverfahren diskriminierungsfrei und transparent durchgeführt worden ist. Dies gilt einerseits bereits hinsichtlich der Wahl der noch festzulegenden Mindestanforderungen, die aus sachlichen Gründen und nicht zum Zwecke der Diskriminierung einzelner Bieter erfolgen muss, andererseits hinsichtlich der Wertung von Angeboten mit unterschiedlichen Vertragsinhalten anhand der bereits bekanntgegebenen Zuschlagskriterien.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.
Der Antragsgegner ist als Landkreis von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S.2 GWB i.V. m. § 8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Es wird eine Gebühr von …,- Euro festgesetzt. Aus Gründen der Billigkeit (keine Beiladung) wird die Gebühr um 1/5 ermäßigt. Auslagen sind nicht angefallen.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragstellerin notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner herzustellen.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben