IT- und Medienrecht

Nichtherausgabe von Zugangsdaten einer zu entwickelnden Software

Aktenzeichen  4 O 195/21

Datum:
30.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37532
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Passau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 631 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Unterlassen der Zurverfügungstellung von Zugangsdaten zu einer zu erstellenden Software stellt jedenfalls dann keinen Mangel der Software dar, wenn das Zurverfügungstellen der Zugangsdaten nicht Gegenstand der Vereinbarung der Parteien war. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4.330,52 € nebst Zinsen aus 4.322,13 € in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.06.2019 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Widerklage wird abgewiesen.
IV. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert wird auf 14.290,52 € festgesetzt.

Gründe

l. Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
1. Einzige Klägerin des Verfahrens ist die …, zunächst als Kläger zu 1 bezeichnet, ist nicht Partei geworden. Zwar ist dieser auch im Mahnverfahren als Antragsteller benannt, gleichwohl sind, auch nach der vorliegenden Anspruchsbegründung vom 29.10.2019, die Erklärungen des damals nicht anwaltlich vertretenen Geschäftsführers der Klägerin auszulegen. Die Anspruchsbegründungsschrift vom 29.10.2019, Bl. 8-9 der Akte, die im Plural („wir, die … GmbH“) gehalten ist, offenbart, dass Partei lediglich die … GmbH, für die auch lediglich den behaupteten Anspruch tragender Lebenssachverhalt geschildert wird, Partei werden sollte.
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten restliche Zahlungsansprüche aus dem gemeinsamen Besuch der Messe Thera Pro in Höhe von 43,30 Euro, sowie auf diesen Betrag entfallender Zinsen in Höhe von 3,63 Euro.
Der Beklagte hat die Hauptforderung aus der Kostenaufteilung des gemeinsamen Messebesuchs netto bezahlt. Die Mehrwertsteuer in Höhe von 43,30 Euro hat er nicht beglichen. Mit der Forderung befand er sich spätestens seit 26.02.2019 in Verzug. In der Rechnung Nr. 190012102 vom 11.02.2019 war verbindliches Zahlungsziel bis 25.02.2019 benannt. Der Verzugszins der ausgerechneten Zinsen von 8,12 % entspricht 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz, der zum damaligen Zeitpunkt – 0,88 % betrug.
Inhaltlich hat der Beklagte gegen die Forderung nichts vorgetragen. Der Anspruch hinsichtlich der errechneten Verzugszinsen beruht auf §§ 286, 288 BGB.
3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Restwerklohnzahlung aus § 631 I BGB. Die Höhe der vereinbarten Vergütung ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Vergütung ist auch fällig, da die Software vom Beklagten konkludent abgenommen wurde.
Wesentliche Mängel an der Software trägt der Beklagte nicht vor. Sein Einwand besteht lediglich darin, ihm seien wesentliche Zugangsdaten, die ihm das Betreiben der Software auf einem eigenen Server ermöglichten, nicht herausgegeben worden. Außerdem könne er die Software nicht entsprechend weiterentwickeln, sodass sie auch ohne Verbindung mit einer Onlineterminverwaltung (der Klägerin oder eines anderen Anbieters) funktioniere, ohne dass ihm entsprechende Daten zur Verfügung gestellt würden.
Maßgebliche Mängel der Software hat der Beklagte damit nicht aufgezeigt. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag verhält sich eindeutig dazu, dass ohne zusätzliche Anpassungen (die im Vertrag nicht enthalten waren), das Tool zunächst nur in Verbindung mit der Onlineterminverwaltung Termin online buchen des Auftragnehmers bezogen werden kann (Ziffer 6 des Vertrages). Diesen vereinbarungsgemäßen Zustand hat die Klägerin auch nach dem Vortrag des Beklagten geliefert.
Der Vortrag des Beklagten dazu, dass ihm Zugangsdaten, die er für einen Umzug auf einen eigenen Surfer benötige, nicht herausgegeben worden seien sollen, wurde substantiiert bestritten und vom Beklagten im weiteren nicht dezidiert dargelegt. Nach dem vorgelegten E-Mailverkehr hat der Beklagte mit E-Mail vom 13.05.2019 abschließend Fragen an die Klägerin gestellt, welche mit E-Mail vom 15.05.2019 auch unter zur Verfügungsstellung von Zugangsdaten beantwortet wurde. Weiterer E-Mailverkehr durch den Beklagten erfolgte in der Folge nicht.
Unbestritten hat der Beklagte Eintragungen in der Patientenkartei vorgenommen, die, es handelt sich um 37 Einträge über den Zeitraum von ca. 1 Jahr, deutlich über einen Testmodus hinausgehen.
Das Gericht geht daher davon aus, dass das nicht mangelbehaftete Werk der Klägerin durch den Beklagten zumindest konkludent abgenommen wurde.
Spätestens nach der E-Mail vom 15.05.2019 ist das Werk damit abgenommen. Spätestens mit der ersten Mahnung vom 21.05.2019 geriet der Beklagte daher hinsichtlich dieser Forderung in Verzug. Als Zahlungsziel dort war der 31.05.2019 benannt.
4. Der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 28.07.2021 ist verspätet, § 296a ZPO. Die mündliche Verhandlung war nicht wieder zu eröffnen. Ein zwingender Wiedereröffnungsgrund, § 156 Abs. 2 ZPO, liegt nicht vor. Auch eine Wiedereröffnung nach pflichtgemäßem Ermessen, § 156 Abs. 1 ZPO, ist nicht geboten. Der neuerliche Vortrag ist nicht entscheidungserheblich. Das Gericht geht davon aus, dass eine konkludente Abnahme bereits stattgefunden hat. Ob sich später herausstellt, dass die Software nicht abnahmereif war, spielt daher keine Rolle. Weitere Mängelrechte des Beklagten, die sich aus dem neuen Sachvortrag ergeben könnten, sind vom Beklagten nicht in dem Prozess getragen worden.
Im Übrigen sei der Beklagte darauf hingewiesen, das seine Behauptung, den Vergleich lediglich widerrufen zu haben, weil er Kenntnis von den neuerlich vorgetragenen Mängel erlangt habe, bereits in sich nicht schlüssig ist. Der Vergleich wurde durch den Beklagtenvertreter am 07.07.2021 widerrufen. Gleichwohl will der Beklagte erstmals mit der E-Mail vom 12.07.2021 Kenntnis von den nun behaupteten Mängel erlangt haben.
a) Die Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten stellen sich der Höhe nach daher wie folgt dar: Die Berechnung aus der zweiten Mahnung vom 06.06.2019 kann nämlich insoweit für den Hauptsachebetrag nicht übernommen werden, da dies letztendlich zu einer Verzinsung auch bereits ausgerechneter Zinsen führen würde.
Ebenfalls wurde in die Berechnung des Gerichtes mitaufgenommen, dass der Kläger Zahlungen am 26.04. erbracht hat, die von der Beklagten nicht zunächst auf Kosten und Zinsen (§ 367 Abs. 1 BGB), sondern wohl auf die Hauptforderung angerechnet wurden. Diese Anrechnung hat das Gericht übernommen.
Daher berechnen sich die Forderungen der Klägerin wie folgt:
b) Rechnung Nr. 190012102 (TheraPro)
Vergütung netto
228,05 €
zzgl. MwSt
43,33 €
abzgl. Zahlung
-228,05 €
Rest Hauptforderung
43,33 €
ausgerechnete Zinsen aus
3,62 €
[228,05 € /100 × 8,12 / 365 × 60 (Tage) × 1,19]
Bruttobetrag vom 26.02.19-26.04.19
c) Rechnung Nr. 190012203 (Tool Anamnesebogen)
Vergütung netto 6.520,00 €
zzgl. MwSt 1.238,80 €
abzgl. Zahlung 3.520,00 €
Rest Hauptforderung 4.238,80 €
Fälligkeit besteht erst nach Abnahme am 15.05.2019 (§ 641 Abs. 1 BGB). Verzug tritt daher erst mit der 1. Mahnung vom 21.05.19 nach dem Verstreichen des dort genannten Zahlungsziels (31.05.2019) ein. Bei den vorangegangenen Rechnungen war die Vergütung wegen fehlender Abnahme noch nicht fällig.“
Ausgerechnete Zinsen bestehen daher nicht schon seit 27.04.2019, sondern erst vom 01.06.2019 – 06.06.2019 und zwar in Höhe von 4,77 € [3.000,00 € /100 × 8,12 / 365 × 6 (Tage) × 1,19].
d) Die Verzugspauschale i.H.v. 40,00 € ist nicht, wie in den Mahnungen der Klägerin geschehen, mit Mehrwertsteuer zu belegen. Die Mahngebühren oder Mahnkosten, die ein Unternehmer von säumigen Zahlern erhebt, sind nicht das Entgelt für eine besondere Leistung. Damit liegt der nach § 1 UstG erforderliche Leistungsaustausch nicht vor. (UStAE zu § 1 UstG, Ziff. 1.3).
e) Insgesamt ergibt sich damit als Zahlbetrag:
43,33 €
Hauptsachebetrag aus Rechnugn Nr. 1900121102 (TheraPro)
4.238,80 €
Hauptsachebetrag aus Rechnung Nr. 190012203 (Tool Anamnesebogen)
40,00 €
Verzugspauschale
4.322,13 €
Zwischensumme der Ansprüche, die verzinslich sind
8,39 €
zzgl. Ausgerechneter Zinsen
4.330,52 €
Zahlbetrag gesamt
f) Die Verzinsung des Betrages i.H.v. 4.322,13 € folgt aus §§ 286, 288 BGB.
II. Die Widerklage war abzuweisen. Schuldnerverzug der Klägerin mit der Herausgabe von Zugangsdaten kann der Beklagte nicht nachweisen. Unstreitig hat er auf die Herausgabe von Daten der Klägerin mit E-Mail vom 15.05.2019 nicht mehr reagiert. Welche weiteren Daten er benötigt, kann er schließlich nicht darstellen. Ein Anspruch auf Daten, die ihm oder seinen Kunden einen Betrieb ohne das Online-Terminbuchungssystem der Klägerin ermöglicht hätten, besteht nicht (vgl. Hierzu Ziff. I. 3.)
Insoweit scheitert auch ein Anspruch auf Schadensersatz.
III. Kosten: § 92 II Nr. 1 ZPO.
IV. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
V. Streitwert: § 3 ZPO. Die Klageforderung war, da es sich bei dem Antrag teilweise um Zinsen und Kosten handelte, zu reduzieren, entsprechend auf 4.290,52 Euro. Die Verzugspauschale bleibt bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht (§ 43 GKG).


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