IT- und Medienrecht

Notdienstregelung für Apotheken

Aktenzeichen  AN 4 K 16.00120

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ApoG ApoG § 1
ApoBetrO ApoBetrO § 23 Abs. 1
LschlG § 4 Abs. 2
VwGO VwGO § 114

 

Leitsatz

1. Wenn ein benötigtes Arzneimittel nicht mehr in zumutbarer Weise erreicht werden kann, hat das Interesse der betroffenen Apotheker an einer möglichst geringen Belastung mit Notdiensten zurückzustehen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme, dass eine Entfernung von mehr als 15 Kilometern zur nächsten dienstbereiten Apotheke für die Bevölkerung unzumutbar ist, ist nicht zu beanstanden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die bewusste Ausblendung der Fahrtzeiten, also der Zeiten für das Zurücklegen der zwischen dem potentiellen Kunden und der Notdienstapotheke bestehenden Wegstrecke mittels eines Kraftfahrzeuges, und statt dessen die alleinige Berücksichtigung von Entfernungskilometern bei der Festlegung der Notdienste für Apotheken, ist nicht ermessensfehlerhaft. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

Die Bezeichnung des Beigeladenen zu 1) sowie die Streichung des ursprünglichen Beigeladenen zu 2) im Rubrum erfolgte – ohne förmliche Abänderung des Beiladungsbeschlusses vom 26. August 2016 – von Amts wegen in Anpassung an die aktuellen Eintragungen im Handelsregister des Amtsgerichts Ansbach in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2016 (HRA: 871). Demnach lautet die Firma des Beigeladenen zu 1) seit 19. Januar 2016 wie folgt: … Bei der … mit der Geschäftsadresse … handelt es sich um eine Zweigniederlassung der …, so dass deren Inhaber nur einmal beizuladen war. Die Inhaberin der …, ursprünglich als Beigeladene zu 3) bezeichnet, ist nunmehr Beigeladene zu 2).
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 22. Dezember 2015 keinen rechtlichen Bedenken begegnet und die Klägerin daher auch keinen Anspruch auf eine erneute Verbescheidung ihres Antrages zur Neuordnung des Apothekennotdienstes in … hat, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für den Erlass der Apothekennotdienstregelung durch die Beklagte ist § 4 Abs. 2 LSchlG, wonach die durch Landesrecht bestimmte Verwaltungsbehörde für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken anzuordnen hat, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss.
§ 4 Abs. 2 LschlG, der als Bundesrecht erlassen worden war, gilt trotz zwischenzeitlichen Wegfalls der Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich des Ladenschlusses (vgl. Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 n. F. Grundgesetz (GG)) im Freistaat Bayern als Bundesrecht fort, Art. 125 a Abs. 1 GG.
2. Die beklagte Landesapothekerkammer ist gemäß § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Arzneimittelüberwachungsbehörden und zum Vollzug des Gendiagnostikgesetzes (ZustVAMÜB) i. V. m. Art. 34 Abs. 3 Satz 2, Satz 1 Nr. 2 Buchst. g) des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (GDVG) zuständig für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids.
3. In materieller Hinsicht begegnet der formell rechtmäßige Bescheid vom 22. Dezember 2015 keinen Bedenken, weil die darin getroffene Notdienstordnung für die Apotheken in … die Grenzen des der Beklagten zustehenden Ermessens einhält, mit höherrangigem Recht vereinbar und auch verhältnismäßig ist.
3.1 Durch den angefochtenen Bescheid wurde die Vorgängerregelung, die durch Bescheid der Beklagten vom 28. April 2010 getroffen worden war, konkludent für die Zukunft widerrufen. In Ziffer V. des – bestandskräftigen – Bescheids vom 28. April 2010 war die jederzeitige Widerruflichkeit der Notdienstregelung vorbehalten worden, Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Widerruf konnte aufgrund des wirksamen Widerrufsvorbehalts i. V. m. Art. 49 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG erfolgen, weil es sich bei der Notdienstregelung durch Bescheid vom 28. Oktober 2010 um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelte. Denn ohne die Notdienstanordnung wären die Apotheken gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. In Anbetracht dieser gesetzlichen Ausgangslage stellte der widerrufene Bescheid jedenfalls eine Vergünstigung dar. Dass der Widerruf nicht ausdrücklich, sondern konkludent erfolgte, schadet nicht.
3.2 Gemäß § 4 Abs. 2 LSchlG hat die nach Landesrecht zuständige Verwaltungsbehörde – die beklagte Landesapothekerkammer – für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken anzuordnen, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss.
Während hinsichtlich der Frage, ob überhaupt eine Notdienstregelung vorzusehen ist, demnach kein (Entschließungs-)Ermessen für die Beklagte besteht, unterliegt die konkrete Ausgestaltung der Notdienstregelung hingegen dem Auswahlermessen der Beklagten.
3.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat hinsichtlich des der Behörde zustehenden Ermessens in seinem bereits von den Beteiligten in Bezug genommenen Urteil (BVerwG, U.v. 14.12.1989 – 3 C 30/87 – juris) folgende grundlegenden Ausführungen gemacht:
„(…)Die Behörde muss bei der Anordnung nach § 4 Abs. 2 LadSchlG in Ausübung ihres Ermessens unter Wahrung der Wettbewerbsgleichheit zwischen den Apotheken die Arbeitsschutzinteressen des Apothekenpersonals und das Interesse der Bevölkerung an der Arzneimittelversorgung gegeneinander abwägen. Weder kann die Bevölkerung eine in jeder Hinsicht bequeme Arzneimittelversorgung verlangen noch das Apothekenpersonal einen uneingeschränkten Arbeitsschutz. Bei der Abwägung hat die Behörde die örtliche Situation zu berücksichtigen, d. h. die Zahl der für eine Notdienstregelung in Betracht kommenden Apotheken, die Entfernung zwischen der dienstbereiten Apotheke und den notfalls zu versorgenden Apothekenkunden sowie die Verkehrsverhältnisse und die öffentlichen Verkehrsbedingungen. Da die widerstreitenden Interessen zu einem gerechten Ausgleich zu bringen sind, kann das Interesse der Bevölkerung an kurzen Wegen zur dienstbereiten Apotheke umso eher berücksichtigt werden, je mehr Apotheken von der Regelung erfasst werden und je geringer damit die Belastung des Apothekenpersonals der einzelnen Apotheke ist. Die Bevölkerung muss umgekehrt umso mehr Abstriche an einer bequemen Arzneimittelversorgung hinnehmen, je weniger Apotheken nach den örtlichen Verhältnissen zu einer einheitlichen Notdienstregelung herangezogen werden können. In keinem Falle aber darf die Notdienstregelung dazu führen, dass sich im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse die Bevölkerung außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten nicht mehr in zumutbarer Weise mit Arzneimitteln versorgen kann. Damit sind zugleich die äußersten Grenzen abgesteckt, innerhalb deren sich eine rechtmäßige Ermessensausübung bewegen kann. (…)“
Ergänzend sei an dieser Stelle ausdrücklich auf § 1 Apothekengesetz (ApoG) hingewiesen, wonach den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung obliegt. Diese Obliegenheit findet ihre weitere gesetzliche Ausprägung in § 23 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO, der die Apotheken grundsätzlich zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Die Beklagte hatte ihre Abwägung im Lichte dieses gesetzlich formulierten Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorzunehmen.
3.2.2 Das Gericht hatte bei seiner Prüfung der Ermessenshandlung, welche der Notdienstregelung der Beklagten zugrunde lag, seinerseits die Vorgaben und Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO zu berücksichtigen. Insoweit prüft das Verwaltungsgericht, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Behördenentscheidung im Hinblick auf möglicherweise bessere oder sachgemäßere Lösungen findet demgegenüber gerade nicht statt (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl., 2016, § 114, Rn. 1).
Der angefochtene Bescheid begegnet unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Rechtsgrundsätze und im Hinblick auf die nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt bestehende gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit bei Ermessensentscheidungen keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß, in nicht zu beanstandender Weise, ausgeübt.
3.3 Dass die Beklagte das ihr im Rahmen der Apothekennotdienstregelung eingeräumte Ermessen erkannt hat, ergibt sich bereits aus den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids. So hat die Beklagte unter anderem in Ziffer I. ihrer Begründung formuliert: „(…) Vor diesem Hintergrund ordnet die Kammer unter Berücksichtigung aller betroffenen Belange in pflichtgemäßer Ausübung des ihr zugestandenen Ermessens die unter Ziffer II und III aufgeführten Änderungen im Dienstplan entsprechend an. (…)“.
Der angefochtene Bescheid ist zwar insgesamt verhältnismäßig kurz, enthält aber mehrfach einen Hinweis auf den bestehenden Ermessensspielraum sowie die tragenden Erwägungen der Behörde. Insbesondere die von der Beklagten in den Bescheid eingefügte Entfernungstabelle zeigt, dass sich die Beklagte nicht an ein bestimmtes Ergebnis gebunden gefühlt hat, sondern in Ausübung ihres Ermessens zunächst Entscheidungsmaterial zusammengestellt und anhand dessen eine Abwägung durchgeführt hat. Von einem Ermessensnichtgebrauch kann daher nicht ausgegangen werden, was von Klägerseite im Übrigen auch nicht geltend gemacht wird.
Zur Abrundung sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Beklagte – im Einklang mit der Regelung des § 114 Satz 2 VwGO – ihre Ermessenserwägungen, von denen sie sich im Rahmen ihrer Entscheidung leiten ließ, auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, also in ihren Schriftsätzen vom 13. April 2016 und vom 26. August 2016 sowie in den Einlassungen ihrer beiden Vertreter in der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2016, ergänzt hat.
3.4 Auch die im Rahmen der Klagebegründung behaupteten Ermessensfehler – insbesondere angebliche Ermessensdefizite durch die Ausblendung von Fahrtzeiten und die unterlassene Einbeziehung weiterer Apotheken aus dem Umkreis von … – liegen nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht vor. Denn die bei ihrer Entscheidung zu beachtenden, vom Bundesverwaltungsgericht formulierten (BVerwG, a. a. O.) Ermessensgrenzen hat die Beklagte angemessen berücksichtigt.
3.4.1 Die bewusste und ausdrückliche Ausblendung der Fahrtzeiten, also der Zeiten für das Zurücklegen der zwischen dem potentiellen Kunden und der Notdienstapotheke bestehenden Wegstrecke mittels eines Kraftfahrzeuges, erweist sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht als ermessensfehlerhaft. So ist gemäß den Kernaussagen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 14. Dezember 1989 (BVerwG, a. a. O.) für die Notdienstanordnung im Rahmen von § 4 Abs. 2 LSchlG unter anderem von Bedeutung, wie sich die örtliche Situation in jedem Einzelfall darstellt. Dabei spielt im Hinblick auf die von der Beklagten sicherzustellende, flächendeckende Arzneimittelversorgung eine maßgebliche Rolle, welche Entfernung der Apothekenkunde zur nächsten diensthabenden Apotheke zurücklegen muss. Soweit das benötigte Arzneimittel nicht mehr in zumutbarer Weise erreicht werden kann, hat das Interesse der betroffenen Apotheker an einer möglichst geringen Belastung mit Notdiensten zurückzustehen. Die Frage, welche die Beklagte demnach einer Lösung zuzuführen hatte, ist, welche Wegstrecke dem Bürger außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten zumutbar ist, um das benötigte Medikament zu erlangen.
Dass die Beklagte insoweit allein auf die zurückzulegende Entfernung in Kilometern abgestellt und die Fahrtzeiten, wie sie der Klägervertreter anhand von „Google-Maps“ ermittelt und vorgelegt hat, ausgeblendet hat, ist nicht zu beanstanden. Denn zwar wäre es für die Beklagte möglicherweise auch denkbar gewesen, statt der kilometermäßigen Entfernung die Fahrtzeiten zu ermitteln und darauf – allein oder ergänzend – abzustellen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine sich aufdrängende oder gar die einzige den Ermessensgrenzen gerecht werdende Methode. Vielmehr sind die Gründe der Beklagten, nicht auf die Fahrtzeiten abzustellen, bei der auf den Rahmen von § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit nicht zu beanstanden.
So hat schon das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 1989 (a. a. O.) nicht auf die Fahrtzeiten, sondern auf die Entfernung in Kilometern abgestellt und insoweit formuliert: „(…)Nach Meinung des Senats ist es durchaus möglich, dass bei geringer Zahl der erfassbaren Apotheken und bei somit beträchtlicher Arbeitsbelastung des Apothekenpersonals eine Notdienstregelung auch dann noch im Bereich der zulässigen Ermessensausübung liegen kann, wenn die dienstbereite Apotheke erheblich mehr als 7 km entfernt ist und die Inanspruchnahme eines öffentlichen Verkehrsmittels mehr als eine Stunde erfordert. (…) Diese insoweit übereinstimmende Auffassung von Behörde und Berufungsgericht findet aber ihre Rechtfertigung in der Tatsache, dass bei Fortbestand der Anordnung vom 17. Dezember 1973 der Apothekenkunde im ungünstigsten Falle eine Entfernung zu überwinden hat, die im Berufungsurteil mit 14 km und im Widerrufsbescheid mit 15 km und mehr angegeben ist, und dass gerade für die im Berufungsurteil mit 14 km angegebene Entfernung zwischen Königsdorf und Wolfratshausen ein öffentliches Verkehrsmittel zur Nachtzeit überhaupt nicht zur Verfügung steht, im Übrigen ein solches Verkehrsmittel nur mit einem erheblichen Zeitaufwand benutzt werden kann. Damit ist die Arzneimittelversorgung im Notdienstbereich in unzumutbarer Weise eingeschränkt, wobei der Senat die Auffassung des Berufungsgerichtes teilt, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Taxen oder des Medikamentennotdienstes außer Betracht zu bleiben hat. Eine Regelung mit diesen Auswirkungen überschreitet auch nach Auffassung des Senats die Zumutbarkeitsgrenze und ist rechtswidrig. (…)“
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die Umstände seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Jahre 1989 nicht derart maßgeblich geändert haben, dass nunmehr allein oder kumulativ auf die Fahrtzeiten abzustellen wäre. Zwar führt die Klage insoweit aus, dass die Beschränkung des Notdienstkreises … auf … vor allem historisch bedingt und der Autobahnabschnitt zwischen … und … erst 1985 eröffnet worden sei. Mit der Eröffnung hätten sich die Fahrtzeiten drastisch reduziert. Dies mag zwar richtig sein, führt jedoch nach Auffassung der Kammer nicht dazu, dass die kilometermäßige Entfernung als Zumutbarkeitskriterium nicht mehr tauglich wäre. Vielmehr hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb sie die durchschnittlichen Fahrtzeiten mit einem PKW für ein gegenüber der kilometermäßigen Entfernung schlechteres Kriterium hält. Denn nach Auffassung der Beklagten schwanken die Fahrtzeiten, weil sie abhängig von der Uhrzeit, den Witterungsverhältnissen und dem zur Verfügung stehenden Fahrzeug seien. Dem Klägervertreter ist zwar insoweit Recht zu geben, als in den Zeiten, um die es bei der Notdienstanordnung in erster Linie geht, also die Tagzeit an Sonn- oder Feiertagen und die Nachtzeit, in der Regel wenig Verkehr herrscht. Doch auch insoweit mag es – vor allem witterungsbedingte – Ausnahmen geben, welche die Beklagte als Sicherheitsbehörde, deren Aufgabe es ist, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu jeder Zeit sicherzustellen, ebenfalls vorausschauend und entsprechende Vorsorge treffend im Blick haben muss. Dass die Beklagte von der Annahme ausgeht, die kilometermäßige Entfernung sei das sinnvollste Kriterium, ist daher nicht zu beanstanden. Dass es sich dabei aus Sicht der Beklagten möglicherweise zugleich um die für sie praktikabelste Lösung handelt, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
Auch aus der vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (VG Sigmaringen, U.v. 25.10.2016, 9 K 284/04 – juris) ergibt sich letztlich nichts anderes. Denn zwar hat das VG Sigmaringen in seinen Entscheidungsgründen für die Frage der Zumutbarkeit im Hinblick auf die Erreichbarkeit einer Apotheke für die Bevölkerung auf die Fahrtzeit abgestellt und insoweit 20 Minuten für zumutbar gehalten. Aber auch das VG Sigmaringen hat die Fahrtzeit – mit einem PKW – nicht zum allein möglichen und damit maßgeblichen Maßstab erhoben, sondern nur überprüft, ob die in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren beklagte Landesapothekerkammer die vom Bundesverwaltungsgericht definierten Ermessensgrenzen eingehalten hatte.
Die Annahme der Beklagten, dass eine Entfernung von mehr als 15 Kilometern zur nächsten dienstbereiten Apotheke für die Bevölkerung unzumutbar ist, ist daher nicht zu beanstanden.
Es entspricht dem pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, angesichts der von ihr ermittelten örtlichen Verhältnisse das Interesse der Klägerin an einer geringeren Belastung mit Notdiensten insoweit zurückstehen zu lassen, als es durch eine Erweiterung des Notdienstkreises zu einer Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze von 15 Kilometern käme.
3.4.2 Der Einwand des Klägervertreters, im Rahmen der „Verzahnung“ der Apotheken in … und … in Ziffer III. des streitgegenständlichen Bescheids habe die Beklagte sich nicht an die eigenen Vorgaben gehalten und Entfernungen von mehr als 15 Kilometern in Kauf genommen, ist indessen nicht geeignet, einen Ermessensfehler der Beklagten zu begründen. Insbesondere ergibt sich daraus kein Anspruch für die Klägerin auf eine Einbeziehung der Apotheken in … und … oder weiterer Apotheken in anderen, noch weiter entfernt liegenden Ortschaften. Zwar liegen … mit 15,9 Kilometern und … mit 16,5 Kilometern tatsächlich weiter als 15 Kilometer von … entfernt. Allerdings hat die Beklagte ihre Entscheidung für die „Verzahnungslösung“ und gegen eine Einbeziehung nachvollziehbar begründet. Denn die Verzahnung und damit Inkaufnahme geringfügig weiterer Entfernungen an einzelnen Tagen innerhalb eines Kalenderjahres dienen erkennbar dazu, die Klägerin sowie die anderen Apotheker in … – soweit möglich – zu entlasten, und entsprechen somit ermessensgerechter Auslegung des der Beklagten zustehenden Entscheidungsspielraums im Sinne der Verhältnismäßigkeit. Eine Einbeziehung statt der Verzahnung hätte zwar zu einem für die Klägerin noch günstigeren Turnus geführt. Für die Bevölkerung hätte dies jedoch bedeutet, deutlich häufiger als im Rahmen der streitgegenständlichen „Verzahnungslösung“ weiter als 15 Kilometer fahren zu müssen. Die Beklagte hat zudem nachvollziehbar dargelegt, dass die Herausnahme der Apotheken in … und … zu unzumutbaren Folgen für die betroffenen Notdienstkreise geführt hätte.
Selbst wenn man in der Verzahnung eine Überschreitung der ermessensbegrenzenden Zumutbarkeit im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung sähe, was das erkennende Gericht jedoch ausdrücklich nicht tut, führte dies gerade nicht zu einer Verletzung des subjektiven Rechts der Klägerin auf eine gerechte Verteilung der Notdienste. Denn allein, um das Arbeitsschutzinteresse der betroffenen Apotheker im Rahmen ihrer Abwägung stärker zur Geltung zu bringen, hat sich die Beklagte für eine geringfügige Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze entschieden.
3.4.3 Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie ihn die Klage im Hinblick auf die Ausgestaltung des Notdienstes in benachbarten Notdienstkreisen annimmt, und damit eine defizitäre Ermessensentscheidung liegt ebenfalls nicht vor.
Der Vergleich mit den benachbarten Notdienstkreisen mag zwar vor Augen führen, dass die Belastung der Apotheken im Notdienstkreis … höher ist als in anderen Notdienstkreisen. Daraus erwächst jedoch keine Pflicht der Beklagten, weitere Apotheken aus den Nachbarnotdienstkreisen einzubeziehen. Denn dies würde eine Ermessensreduzierung auf Null voraussetzen, wovon jedoch angesichts der unter 3.4.1 geschilderten, ermessensgerechten Heranziehung der kilometermäßigen Entfernung nicht auszugehen ist. Die unterbliebene Einbeziehung weiterer, mehr als 15 Kilometer entfernt liegender Ortschaften beruhte vielmehr auf einem sachlichen Grund, den die Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid erläutert hat. Eine Einbeziehung der Apotheken in den Gemeinden … und … bzw. …, … und … bzw. …, … und …, wie vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 20. September 2016 gefordert, würde nach den plausiblen Einlassungen der Beklagten dazu führen, dass sich diese Gemeinden mehr als 15 Kilometer entfernt vom zu versorgenden Kunden befänden und die Arzneimittelversorgung dadurch unzumutbar erschwert wäre.
Der Klägervertreter hat zudem beanstandet, dass sich die Beklagte innerhalb der benachbarten Notdienstkreise nicht an die von ihr selbst benannten Ermessenserwägungen halte und dort die Entfernungsgrenze von maximal 15 Kilometern zwischen einzelnen Ortschaften teilweise nicht eingehalten werde. Insoweit hat die Beklagte jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Koordinierung benachbarter Notdienstkreise im Regelfall die Einhaltung der 15-Kilometer-Grenze gewährleistet ist.
3.5 Die angefochtene Notdienstregelung ist mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 3 GG und Art.12 GG, vereinbar. Im Hinblick auf das Verbot willkürlicher Ungleichbehandlung wird auf die obigen Ausführungen unter 3.4.2 und 3.4.3 Bezug genommen.
Die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Apotheker steht bereits in ihrem Grundsatz in einem unübersehbaren Spannungsverhältnis zu dem benannten öffentlichen Interesse an einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, was schon in dem oben benannten gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis zum Ausdruck kommt: Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 ApoBetrO – als gesetzliche Ausprägung des in § 1 ApoG normierten Leitbildes – sind die Apotheken zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Erst durch eine – zwingend zu treffende – Ausnahmeregelung durch die zuständige Behörde erfährt der einzelne Apotheker davon eine Befreiung, so dass eine ermessensgerechte Notdienstanordnung ihrerseits die Rechtfertigung für die in § 23 ApoBetrO getroffene Berufsausübungsregelung als Schranke der Berufsfreiheit darstellt.
3.6 Trotz der nicht von der Hand zu weisenden hohen Belastung der Klägerin durch die Anzahl der pro Jahr zu leistenden Notdienste erweist sich der angefochtene Bescheid als verhältnismäßig.
Zum einen hat die Beklagte zur Entlastung der Apotheken in … die Verzahnung mit den Apotheken in … und … angeordnet, was zu einer Verbesserung des Turnus geführt hat. Ohne die daraus resultierende Befreiung von der Dienstbereitschaft im Falle des Dienstes der Apotheken in … und … läge die Anzahl der Notdienste bei 91 im Jahr, statt – wie derzeit – bei 72. Die Verzahnung stellt somit das mildeste Mittel im Rahmen der Notdienstanordnung dar, weil die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, weshalb eine Einbeziehung weiterer Gemeinden in den Notdienstkreis nicht geboten ist.
Zum anderen hat die Beklagte zu Recht auf den finanziellen Ausgleich hingewiesen, der den Apothekern seit der Einführung des sog. Notdienstfonds im Jahre 2013 gewährt wird, §§ 18 ff. ApoG. Die Apotheker erhalten daraus aktuell eine Pauschale von rund 280,00 EUR für jeden geleisteten Nachtdienst (vgl. DAZ, online, Bericht vom 14.9.2016, www.deutsche-apotheker-zeitung.de). Diese Pauschale wird unabhängig davon gewährt, ob und wie viel im Rahmen des Nachtdienstes erwirtschaftet wird.
In der mündlichen Verhandlung wurde vom Beigeladenen zu 1) zudem darauf hingewiesen, dass es aufgrund der verhältnismäßig vielen Notdienste schwierig sei, Nachwuchs im Apothekerbereich für … zu gewinnen. Insoweit ist jedoch zu bemerken, dass das Problem des „Apothekensterbens im ländlichen Raum“, das damit letztlich angesprochen wird, nicht durch die Beklagte im Rahmen ihrer Notdienstanordnung gelöst werden kann. Denn insoweit hat die Landesapothekerkammer allein abzuwägen, wie sie die zu berücksichtigenden Belange in einen gerechten Ausgleich bringen kann. Die Nachwuchssorgen der Apotheker stellen in diesem Zusammenhang keinen berücksichtigungsfähigen Belang dar. Dass auch aufgrund der Arbeitsbedingungen immer weniger Nachwuchs für die Apotheken vor allem im ländlichen Raum gewonnen werden kann, spielt demnach aber auch im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung keine Rolle.
Nach alledem ist die getroffene Regelung durch die Beklagte ermessensfehlerfrei ergangen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Aus diesem Grund besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf erneute Verbescheidung ihres Antrages zur Neuordnung des Notdienstkreises der Apotheken in …, so dass die Klage insgesamt abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keine Sachanträge gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt. Demgemäß sieht das Gericht keine Veranlassung, aus Billigkeitsgründen die Erstattungsfähigkeit ihrer außergerichtlichen Aufwendungen anzuordnen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt, § 52 Abs. 2 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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