IT- und Medienrecht

Öffnung eines Einzelhandelsgeschäfts – einstweiliger Rechtsschutz – Zwischenverfügung

Aktenzeichen  20 CE 20.951

Datum:
30.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7224
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 123
BayIfSMV § 2 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1. Zwar kann der Erlass eines Hängebeschlusses oder einer Zwischenverfügung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes iSd Art. 19 Abs. 4 GG geboten sein (vgl. BVerfG BeckRS 2013, 57255 Rn. 7 f.). Da die Rechtsschutzgarantie aber grundsätzlich auf Gebietskörperschaften und deren Organe keine Anwendung findet, ist deren Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung bereits nicht statthaft (im Ergebnis aA HambOVG BeckRS 2020, 6420). (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Erlass einer beantragten Zwischenverfügung ist nicht möglich, wenn sie außerhalb des Streitgegenstandes des Verfahrens liegt, wie etwa eine beantragte Gestaltungsentscheidung in einem auf eine vorläufige Feststellung gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahrens nach § 123 VwGO.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 14 E 20.687 2020-04-27 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Das Verwaltungsgericht … hat mit Beschluss vom 27. April 2020, wie vom Antragsteller beantragt, vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache festgestellt, dass der Antragsteller sein Einzelhandelsgeschäft für Herrenmode in einem Einkaufszentrum mit einer Fläche von 566 m² in … ab dem 27. April 2020 wieder öffnen darf.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses. Zusätzlich hat die Landesanwaltschaft beantragt,
Im Wege der Zwischenverfügung dem Antragsteller aufzugeben, bis zur Entscheidung über die Beschwerde sein Einzelhandelsgeschäft jedenfalls bis zum Ablauf des 3. Mai 2020 entsprechend § 2 Abs. 4 Satz 1 der zweiten Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht zu betreiben.
Auch die Antragsgegnerin hat den Erlass einer Zwischenverfügung angeregt.
II.
Der Erlass einer Zwischenverfügung zugunsten der Beschwerdeführer ist nicht zulässig.
Um effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewährleisten, kann der Erlass eines Hängebeschlusses oder einer Zwischenverfügung geboten sein (BVerfG, B.v. 11.10.2013 – 1 BvR 2616/13 – NVwZ 2014, 363;). Zweck eines „Schiebebeschlusses“ ist es, evtl. für den endgültigen Beschluss noch fehlende Sachverhaltsumstände aufzuklären oder die rechtliche Problematik aufzuarbeiten. Die Regelung trägt damit vor allem dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung, effektiven Rechtsschutz zu gewähren und die Behörde zu hindern, vor der gerichtlichen Kontrolle vollendete Tatsachen zu schaffen (OVG Magdeburg, B.v. 13.2.2019 – 2 O 3/19).
Auf Art. 19 Abs. 4 GG können sich der Vertreter des öffentlichen Interesses für den Freistaat Bayern und die Antragsgegnerin als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts nicht berufen. Die Rechtsschutzgarantie dient der Durchsetzung von Rechten natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts und findet auf Gebietskörperschaften und deren Organe, entsprechend auch auf den Vertreter des öffentlichen Interesses nach § 36 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 5 LABV, grundsätzlich keine Anwendung. Als „formelles Hauptgrundrecht“ ist die Rechtsschutzgarantie mit den materiellen Grundrechten eng verzahnt (BVerfG, B.v. 19.8.2011 – 2 BvG 1/10 − NVwZ 2011, 1512).
Damit ist der Antrag der Landesanwaltschaft bereits nicht statthaft (im Ergebnis a.A. OVG Hamburg, B.v. 22.4.2020 – 5 Bs. 64/40).
Selbst wenn man die Befugnis des Beschwerdegerichts, eine Zwischenverfügung zugunsten eines Hoheitsträgers zu erlassen, bejahen würde, wäre der Erlass der von der Landesanwaltschaft beantragten Zwischenverfügung nicht möglich, weil sie außerhalb des Streitgegenstandes des vorliegenden Verfahrens liegt. Streitgegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens nach § 123 VwGO ist die beantragte vorläufige Feststellung, dass der Antragsteller sein Einzelhandelsgeschäft wieder öffnen darf. Die von der Landesanwaltschaft beantragte Gestaltungsentscheidung, dem Antragsteller aufzugeben, bis zur Entscheidung über die Beschwerde sein Einzelhandelsgeschäft jedenfalls bis zum Ablauf des 3. Mai 2020 entsprechend § 2 Abs. 4 Satz 1 der 2. BayIfSMV nicht zu betreiben, liegt dagegen nicht im Regelungsbereich des Feststellungsbegehrens.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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