IT- und Medienrecht

presserechtlicher Auskunftsanspruch (Anzahl der SARS-CoV-2 positiv getesteten Personen)

Aktenzeichen  RO 4 E 20.1009

Datum:
18.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34021
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Ob ein presserechtlicher Auskunftsanspruch besteht, ergibt sich aus der Abwägung, wie hoch das öffentliche Informationsinteresse an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der Eingriff in private Rechte durch die Offenlegung der begehrten Informationen im Einzelfall zu gewichten ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin über die aktuelle Zahl der positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen heruntergebrochen auf alle einzelnen Städte und Gemeinden des Landkreises T. Auskunft zu erteilen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend.
Mit E-Mail vom 1.5.2020 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner dazu auf, ihr bis 4.5.2020, 14.00 Uhr, die aktuellsten Zahlen der Corona-Positiv-Getesteten für alle Städte und Gemeinden des Landkreises T. per Mail zu übermitteln. Die Antragstellerin berief sich auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch und verwies darauf, auch vom Landratsamt Wunsiedel die entsprechenden Daten erhalten zu haben.
Das Landratsamt T. teilte der Antragstellerin mit E-Mail vom 5.5.2020 mit, ob Zahlen auf Gemeindeebene veröffentlicht würden, erfolge nach einer Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen, dem Schutzbedürfnis Betroffener und dem öffentlichen Informationsinteresse und liege im Ermessen des Landratsamtes/ Gesundheitsamt. Es sei in jedem Fall die Situation vor Ort zu berücksichtigen. Bei Zahlen auf Gemeindeebene könnten evtl. in kleineren Gemeinden Corona-Infizierte leichter identifiziert werden als in großen Gemeinden. Auch werde aufgrund der unbekannten Dunkelziffer in Gemeinden mit wenigen Fällen evtl. eine falsche Sicherheit vermittelt. Soweit berechtigte Gründe vorlägen, die Zahl auf Gemeindeebene zu veröffentlichen, z.B. wenn es einen Hotspot gäbe, dann sei eine Veröffentlichung sinnvoll, um konkret in dieser Gemeinde die Vorsichtsmaßnahmen zu erhöhen und eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Aktuell seien alle Gemeinden im Landkreis betroffen und es gebe in allen Gemeinden des Landkreises bestätigte Fälle. Einen besonderen Hotspot gebe es aktuell nicht. Eine Veröffentlichung der Gesamtzahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt stelle nicht mehr die reelle Situation dar. Das Landratsamt T. habe aufgrund der genannten Gründe entschieden, keine Zahlen auf Gemeindeebene zu veröffentlichen.
Mit Schreiben vom 15.5.2020 wandte sich die … im Namen der Antragstellerin an das Landratsamt T. und forderte das Landratsamt T. unter Fristsetzung auf, der Antragstellerin die aktuelle Anzahl der positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen, heruntergebrochen auf alle einzelnen Städte und Gemeinden des Landkreises T. zu benennen. Die bisherige Verweigerung der Auskunftserteilung verstoße gegen das Informationsrecht der Presse. Das öffentliche Informationsinteresse sei im Gegensatz zum überbewerteten, weil nicht gefährdeten, Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Betroffener nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Verweigerung der Information werde damit begründet, dass die Veröffentlichung der Infiziertenzahlen auf Gemeindeebene Auswirkungen auf das Verhalten der Bevölkerung habe. Mit dieser Argumentation verkenne das Landratsamt ganz offensichtlich Aufgabe und Funktion der freien Presse in der repräsentativen Demokratie sowie Sinn und Zweck einer eigenen behördlichen Informationspolitik. Es würden sachfremde Erwägungen angestellt, die das öffentliche Informationsinteresse völlig außen vor ließen. Die angeforderten Informationen seien unerlässlich, damit die Presse sich ein vollständiges Bild der Lage machen könne. Die Vermutung, dass durch die Veröffentlichung niedriger Infektionszahlen auf Gemeindeebene bei den Einwohnern zu wenig Sorge verursacht werde und dass sich diese dann nicht mehr in ausreichender Weise an die Sicherheitsvorkehrungen zum Eindämmen des Infektionsgeschehens hielten, sei absurd. Auch führe entgegen der Argumentation des Landratsamtes die Veröffentlichung der schieren Zahl ohne Hinzufügen weiterer Merkmale, wie zum Beispiel Alter oder Geschlecht, nicht zu einer Identifizierung Betroffener in kleineren Gemeinden. Hinzu komme, dass die geforderten Zahlen der „Corona-PositivGetesteten“ sich von den Zahlen der aktuell neu Erkrankten dadurch unterschieden, dass diese Zahlen ständig stiegen, denn die positiv Getesteten summierten sich auf. Insofern wären einzelne Personen ohnehin noch weniger identifizierbar, da sich auch bei einem geringen Infektionsgeschehen in einer kleinen Gemeinde die entsprechende Zahl in jedem Fall erhöhe.
Mit E-Mail vom 22.5.2020 lehnte das Landratsamt T. die beantragte Auskunftserteilung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den Grenzen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs, insbesondere, dass die Beantwortung einer Frage Grundrechte Dritter, etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berühre, ergebe sich, dass hier eine Verschwiegenheitspflicht für die Zahlen der aktuell positiv getesteten SARS-CoV-2-Virus-Personen heruntergebrochen auf Gemeinden bestehe.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 29.5.2020 forderte die Antragstellerin das Landratsamt T. unter Berufung auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch auf, ihr die aktuelle Zahl der positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen, heruntergebrochen auf alle einzelnen Städte und Gemeinden des Landkreises T., mitzuteilen. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Schreiben der … GmbH vom 15.5.2020 Bezug genommen. Des Weiteren wurde ausgeführt, es sei schon nicht ersichtlich, auf welcher gesetzlichen Vorschrift die Verweigerung der Auskunft beruhe. Eine Verweigerung allein aufgrund einer Abwägung der Behörde sehe das Bayerische Pressegesetz gerade nicht vor. Auch beruhe die Entscheidung des Landratsamtes, wie bereits seitens der … GmbH ausgeführt, auf sachfremden Erwägungen. Die begehrten Auskünfte berührten keine Belange des Datenschutzes. Die übermittelten Zahlen enthielten keinerlei personenbezogene Daten wie etwa Alter, Geschlecht, Zeitpunkt der Infizierung oder dergleichen. Eine Identifizierung etwaiger Betroffener scheide – auch in kleinen Gemeinden – aus.
Das Landratsamt T. lehnte das Auskunftsersuchen mit E-Mail vom 3.6.2020 ab.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10.6.2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen. Vorgetragen wird, der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Übermittlung der begehrten Zahlen auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG gegen den Antragsgegner zu. Der presserechtliche Auskunftsanspruch sei von der Antragstellerin ordnungsgemäß geltend gemacht worden. Dies werde seitens des Antragsgegners nicht bestritten. Es liege kein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG vor. Eine Verweigerung der Auskunftserteilung müsse unmittelbar auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. Ein sonstiges Auskunftsverweigerungsrecht allein auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung der Behörde sei im Bayerischen Pressegesetz nicht vorgesehen. Auch im Rahmen einer allgemeinen Ermessensentscheidung des Antragsgegners ohne gesetzliche Grundlage sei keine Verschwiegenheitspflicht ersichtlich, die vorliegend dem Informationsanspruch der Antragstellerin vorgehen könne. An einer Unterrichtung der Öffentlichkeit über die – jeweils – aktuelle Zahl der positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen bestehe ein überragendes öffentliches Informationsinteresse. Die Bevölkerung, wie auch die Geschäftswelt, müssten in der aktuellen Corona-Krise eine Vielzahl von einschneidenden Grundrechtseingriffen hinnehmen, die von den Behörden allein durch das Infektionsgeschehen der weltweiten Pandemie gerechtfertigt würden. Die Pandemie sei jedoch alles andere als statisch, sondern sie entwickle sich täglich weiter, was zunächst zu immer mehr Einschränkungen und zuletzt zu immer mehr Lockerungen geführt habe. Die Öffentlichkeit habe daher ein Recht darauf, durch die Presse jeweils aktuell über das Infektionsgeschehen informiert zu werden. Es bestehe ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, über die regionalen und lokalen Unterschiede des Infektionsgeschehens informiert zu werden. Die Pandemie breite sich regional und lokal sehr unterschiedlich aus, was seitens der Behörden auch zu sehr regionalen und lokalen behördlichen Regelungen führe. Das besondere Informationsinteresse, gerade für das Infektionsgeschehen im Landkreis T., sei auch darauf zurückzuführen, dass in diesem Landkreis im Verhältnis zur Bevölkerung mehr Menschen verstorben seien als irgendwo sonst in Deutschland. Dieses immense öffentliche Informationsinteresse habe auch einen sehr großen Aktualitätsbezug. Die vom Antragsgegner angeführten Verweigerungsgründe seien nicht nur unbeachtlich, sondern auch fernliegend und sachfremd. Aus der Argumentation des Antragsgegners ergebe sich, dass er der Ansicht sei, die Bevölkerung bewusst dumm halten zu können, damit sie sich vorsichtig verhalte. Hoheitliches Handeln dürfe aber nicht zu einem Informationsboykott der Bevölkerung führen. Auch das Argument des vermeintlichen Datenschutzes sei vorgeschoben. Die begehrten Auskünfte, die ja vielfach von anderen Behörden zur Verfügung gestellt würden, berührten keine Belange des Datenschutzes. Eine Identifizierung etwaig Betroffener scheide aus. Es bestehe auch keine Veranlassung, eine Verwendung der begehrten Auskünfte zum Zweck einer identifizierenden oder gar stigmatisierenden Berichterstattung durch die Antragstellerin zu befürchten. Es bestehe ein erhebliches Eilbedürfnis für die einstweilige Anordnung, da die vorliegend gegenständlichen Informationen für die Antragstellerin nach der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens aller Voraussicht nach wertlos seien. Zudem sei anerkannt, dass der presserechtliche Auskunftsanspruch auf der Grundlage von § 123 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden könne und an die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürften.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin die folgenden Angaben zu übermitteln: Die aktuelle Zahl der positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen, heruntergebrochen auf alle einzelnen Städte und Gemeinden des Landkreises T..
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Vorgetragen wird, es sei nicht klar, wer Antragsgegner sei. Die Antragstellerin habe als Antragsgegner das Landratsamt T. bezeichnet. Das Landratsamt sei sowohl Staats- als auch Kreisbehörde. Die Antragstellerin solle daher klarstellen, gegen wen sich der Antrag richte. Der Antrag sei auch zu unbestimmt. Es sei nicht genau zu entnehmen, was die Antragstellerin nun genau möchte. Möchte die Antragstellerin die kumulierte Anzahl der jeweils seit Ausbruch der Pandemie positiv getesteten Personen heruntergebrochen auf die Städte und Gemeinden im Landkreis oder die aktuelle Zahl der positiv getesteten Personen heruntergebrochen auf die Städte und Gemeinden. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Durch die Anordnung werde die Hauptsache bereits vorweggenommen. Es fehle an einer Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruchs. Es werde bestritten, dass die begehrten Informationen nach der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens aller Voraussicht nach wertlos seien, und es nicht zu ermessen sei, ob die begehrten Zahlen überhaupt noch einen Informationswert für die Leserschaft der Antragstellerin hätten. Stand 12.6.2020 seien im Landkreis T. insgesamt seit Ausbruch der Pandemie im Landkreis 1.140 Personen positiv getestet. Diese Zahl sei nicht die aktuelle Zahl der Infizierten, sondern die kumulierte Anzahl von jemals im Landkreis T. seit Ausbruch der Pandemie positiv getesteten Personen. Die Werte der jemals positiv getesteten Personen seien schon jetzt nicht mehr die aktuell Infizierten, sondern beschrieben nur die Anzahl der jemals positiv getesteten Personen. Der überwiegende Teil der Infizierten sei bereits wieder genesen. Nach Schätzung des Gesundheitsamtes T., orientiert an den Kriterien des Robert-Koch-Instituts, seien derzeit 990 Personen bereits wieder genesen. Unter Berücksichtigung der Todesfälle gebe es im Landkreis T. – Stand 12.6.2020 – noch 13 Personen, die akut an COVID-19 erkrankt seien. Für die Bewältigung der Pandemie sei aber immer die aktuelle Zahl der tatsächlich Infizierten maßgeblich. Das Landratsamt habe bei der Entscheidung, die Zahlen heruntergebrochen auf die einzelnen Gemeinden nicht herauszugeben, folgendes berücksichtigt: Das durch die Pressefreiheit gewährleistete Recht auf Informationsbeschaffung der Presse und das öffentliche Informationsinteresse einerseits seien mit den grundrechtlich geschützten Rechtspositionen Dritter andererseits abzuwägen. Bei der Abwägung sei berücksichtigt worden, dass die Anzahl der positiv getesteten Personen nicht gleichmäßig im Landkreis verteilt sei. Schwerpunkte seien die Mitte des Landkreises und der östliche Teil des Landkreises. Positiv getestete Personen gebe es aber in jeder der 26 Gemeinden des Landkreises. Die Einwohnerzahlen der Städte und Gemeinden im Landkreis T. bewegten sich zwischen 947 und 8.708. So bestünde jedenfalls bei einer kleinen Gemeinde mit nur wenigen Einwohnern, aber einer hohen Anzahl von jemals positiv Getesteten ein hohes Risiko der Identifizierung der betroffenen Personen und es könnte damit eine Stigmatisierung der betroffenen Personen erfolgen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der infizierten Personen könnte auch in Gemeinden, die nur eine sehr geringe Anzahl von Infizierten aufwiesen, verletzt sein, da hier die Suche nach den Betroffenen in der Bevölkerung beginnen könne. In beiden Fällen wäre das Persönlichkeitsrecht der einzelnen verletzt. Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs werde auch maßgeblich durch die Funktion bestimmt, die die Presse in der freiheitlichen Demokratie erfülle. Ihr komme neben einer Informationsfunktion auch eine Kontrollfunktion zu. Für die Bewältigung der Corona-Pandemie sei das Landratsamt und nicht die Gemeinden zuständig. Aus der Kontrollfunktion könne damit nur ein Anspruch auf die Bekanntgabe der Zahlen für den gesamten Landkreis und nicht für jede einzelne Gemeinde abgeleitet werden. Verschärfte Maßnahmen seien von Seiten eines Landratsamtes zu prüfen, wenn in einem Landkreis der „7-Tage-Indizies“ über 35 steige. Hier werde auch nicht auf die einzelne Gemeinde heruntergebrochen, sondern es werde immer der gesamte Landkreis bewertet. Wenn ein erneuter Ausbruch zu notwendigen Maßnahmen führe, würden die entsprechenden Zahlen bekannt gegeben. Es werde eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Bei der Antragstellung wurde zwar als Antragsgegner nur das Landratsamt T. genannt. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 2.HS der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der hier entsprechend zur Anwendung gelangt, genügt aber die Angabe der Behörde zur Bezeichnung des Beklagten (hier Antragsgegners). Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber die oft schwierige Feststellung, wer hinter der handelnden Behörde als Rechtsträger steht, dem Kläger ersparen und dem Gericht überbürden (Schoch/Schneider/Bier/Meissner/Schenck, 37. EL Juli 2019, VwGO § 78 Rn. 40). Zwar ist dem Antragsgegner zuzugestehen, dass das Landratsamt je nach Tätigkeitsbereich sowohl als Staatsbehörde als auch als Behörde des Landkreises T. fungiert. Wie bereits ausgeführt, oblag es hier jedoch dem Gericht, den hinter der handelnden Behörde Landratsamt stehenden Rechtsträger zu ermitteln. Da sich der streitgegenständliche Auskunftsanspruch auf den Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes als Staatsbehörde bezieht, ist der Freistaat Bayern, als insoweit hinter dem Landratsamt stehender Rechtsträger, richtiger Antragsgegner. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Landratsamt T. im vorgerichtlichen Verfahren auch nicht klar zum Ausdruck gebracht hat, welcher Rechtsträger hinter dem streitgegenständlichen Handeln (Verweigerung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs) steht.
2. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist der streitgegenständliche Anspruch auch nicht unbestimmt. So hat die GmbH in ihrem Schreiben vom 15.5.2020 an den Antragsgegner auf Seite 3 dargelegt, dass sich die geforderten Zahlen der „CoronaPositiv-Getesteten“ von den Zahlen der aktuell neu Erkrankten dadurch unterschieden, dass diese Zahl ständig steige, denn die positiv Getesteten summierten sich auf. Aus dieser Erklärung und dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Zeitungsartikel „Landkreis schafft Transparenz“ aus der … vom 1.5.2020 ist ersichtlich, welches Ziel die Antragstellerin mit ihrem Antrag verfolgt. Im Übrigen hat die Antragstellerin bereits im vorgerichtlichen Verfahren ihren presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Antragsgegner in dieser Formulierung geltend gemacht. Dieser wurde seitens des Antragsgegners nicht als unbestimmt abgewiesen, sondern in der Sache entschieden. Wenn der Antragsgegner Zweifel an der Bestimmtheit des Antragsgegenstandes gehabt hätte, wäre ihm eine Sachentscheidung nicht möglich gewesen, da bei der seitens des Antragsgegners vorgenommenen Abwägung zwischen dem durch die Pressefreiheit gewährleisteten Recht auf Informationsbeschaffung der Presse und dem öffentlichen Informationsinteresse einerseits mit den grundrechtlich geschützten Rechtspositionen Dritter andererseits der Gegenstand des geltend gemachten Auskunftsanspruchs wesentlich ist.
3. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Glaubhaftmachung der Anspruchsvoraussetzungen (§ 123 Abs. 3 VwGO), d.h. von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund und die fehlende endgültige Vorwegnahme einer in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung.
a. Dahingestellt bleiben kann, ob bei einer Erfüllung des streitgegenständlichen presserechtlichen Auskunftsanspruchs tatsächlich eine Erledigung eines künftigen Hauptsacheverfahrens eintreten würde und damit eine endgültige Vorwegnahme eines künftigen Hauptsacheverfahrens vorliegen würde. Die Zahlen, die die Antragstellerin vom Antragsgegner begehrt, sind nicht statisch, vielmehr unterliegen sie, wie auch der Antragsgegner ausgeführt hat, Schwankungen. Sie sind abhängig davon, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Auskunft in der Sache in einem Hauptsacheverfahren nicht der jetzt geforderten Auskunft entsprechen wird.
Im Übrigen wäre hier eine endgültige Vorwegnahme eines künftigen Hauptsacheverfahrens möglich, da die erhöhten Anforderungen, die in einem solchen Fall an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrundes als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen sind, vorliegen.
b. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn eine Eilbedürftigkeit für die begehrte Regelung besteht. Zu berücksichtigen ist dabei‚ dass die Presse grundsätzlich in den Grenzen des Rechts selbst entscheidet‚ ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse‚ das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse‚ zu entscheiden‚ ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Allerdings genügt es in diesem Zusammenhang‚ wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird‚ wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen; der Erlass einer einstweiligen Anordnung mithin notwendig ist‚ um wesentliche Nachteile abzuwenden (BayVGH, Beschluss vom 24.1.2017, Az.: 7 CE 16.2056 – juris). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners weisen die von der Antragstellerin begehrten Auskünfte einen starken Aktualitätsbezug auf. Im Zusammenhang mit den derzeit bestehenden Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie bzw. den erfolgenden Lockerungen ist es tagesaktuell von Interesse, wie sich die Fallzahlen entwickeln, d.h. z.B. ob Lockerungen dazu führen, dass sich das Infektionsgeschehen wieder negativ verändert oder ob sich trotz der Lockerungen ein positiver Trend fortsetzt. Aus dem eingeforderten Zahlenmaterial lässt sich durchaus erkennen, welche Steigerungsrate sich bei den aktuell positiv auf den SARS-CoV-2-Virus getesteten Personen ergibt. Es ist derzeit nicht abzusehen, ob das geforderte Zahlenmaterial im Zeitpunkt einer Entscheidung eines künftigen Hauptsachverfahrens, dessen Dauer nach der derzeitigen Arbeitsbelastung des Gerichts zeitlich auch nicht abzuschätzen ist, überhaupt noch für die Öffentlichkeit von Interesse wäre oder rein dem Erstellen eines statistischen Werts dienen würde.
c. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob hier der Antragsgegner den seitens der Antragstellerin geltend gemachten presserechtliche Auskunftsanspruch aus Art. 4 Abs. 1 des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG) unter Verweis auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG ablehnen durfte. Demgemäß darf die Auskunft nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.
Zu den „sonstigen gesetzlichen Vorschriften“ iSd Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen können, zählen jene (grundrechtlichen) Bestimmungen, die Privatpersonen gegen die Offenbarung ihrer Verhältnisse durch staatliche Stellen schützen, insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Für die Durchführung der Abwägung kommt es darauf an, wie hoch das öffentliche Informationsinteresse an der begehrten Auskunft zu bewerten und wie stark der Eingriff in private Rechte durch die Offenlegung der begehrten Informationen im Einzelfall zu gewichten ist. Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist (siehe zum Ganzen (BeckOK InfoMedienR/ Söder, 28. Ed. 1.5.2020, BayPrG Art. 4 RdNr. 16-18). Dies zugrunde legend vermögen die seitens des Antragsgegners angeführten Gründe die Verweigerung der begehrten Auskunft nicht zu rechtfertigen.
Soweit sich der Antragsgegner im vorgerichtlichen Verfahren darauf berufen hat, dass die Bekanntgabe der seitens der Antragstellerin begehrten Zahlen Auswirkungen auf das Verhalten der Bürger hinsichtlich der angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben könnte, je nachdem, ob sie in einer stärker oder weniger stark betroffenen Gemeinde leben, und damit letztlich darauf abzielt, dass die Auskunftserteilung zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen könnte, vermag das Gericht sich dem nicht anzuschließen. Der Antragsgegner bewegt sich insoweit im rein spekulativen Bereich. Zudem ist das Infektionsgeschehen derzeit bundesweit, mit Ausnahme einzelner bekannter Hotspots, rückläufig, was auch dazu geführt hat, dass die angeordneten Einschränkungen nach und nach gelockert werden. Inwieweit die Veröffentlichung des begehrten Zahlenmaterials in dieser Situation Einfluss auf das Verhalten der Bürger haben sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal auch einem durchschnittlichen Zeitungsleser bewusst ist, dass das jeweilige Zahlenmaterial nur eine Momentaufnahme darstellt, die sich jederzeit auch wieder gegenläufig entwickeln kann und die jeweilige Entwicklung nicht von einer Gemeindegrenze abhängig ist.
Der begehrten Auskunft steht auch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der erkrankten Personen entgegen. Ohne zusätzliche Informationen wie Alter oder Geschlecht lässt die rein statistische Zahl, wie viele Personen in einer einzelnen Gemeinde positiv auf den SARA-CoV-2-Virus getestet wurden, auch bei Gemeinden mit einer geringen Einwohnerzahl keinen Rückschluss auf deren Identität zu. Vielmehr würde dies weitere Recherchen erforderlich machen, die unabhängig von der Erteilung der begehrten Auskunft erfolgen könnten.
Nach alledem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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