IT- und Medienrecht

Presserechtliches Auskunftsersuchen

Aktenzeichen  7 CE 20.1450

Datum:
22.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20604
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4 Abs. 1
VwGO  § 123 Abs. 1, § 146
GKG § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2
BGB § 242

 

Leitsatz

Wegen unzulässiger Rechtsausübung oder Rechtsmissbrauchs kann die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs aber nur dann verweigert werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Verfolgung des Rechtsanspruchs keinerlei nachvollziehbare Motive zu Grunde liegen, sondern das Handeln des Antragstellers allein von der Absicht geprägt ist, die Behörde oder einen Drittbetroffenen zu schikanieren oder zu belästigen oder einem anderen Schaden zuzufügen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 E 20.435 2020-06-02 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist eine Verlagsgesellschaft, bei der unter anderem die Tageszeitung „F … Nachrichten“ erscheint, deren Verbreitungsgebiet auch das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin umfasst. Sie begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes presserechtliche Auskünfte im Wesentlichen darüber, ob die Übertragung der „Herausgeberschaft“ sowie des Anzeigengeschäfts bzw. verlegerischer Aktivitäten für das „V… Gemeindeblatt“ auf eine Werbeagentur sowie eine Druckerei durch Gemeinderatsbeschlüsse gedeckt sind; des Weiteren wird Auskunft über den Inhalt der mit diesen Firmen geschlossenen Verträge verlangt.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 2. Juni 2020 stattgegeben und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft darüber zu erteilen,
1. ob es einen Beschluss des Gemeinderates gibt, die Herausgeberschaft für das „V … Gemeindeblatt“ auf die „C … Werbeagentur“ zu übertragen;
2. ob es einen Vertrag gibt, der die „Herausgeberschaft“ für das „V… Gemeindeblatt“ durch die „C… Werbeagentur“ regelt; wenn ja, welchen Inhalt dieser Vertrag hat oder – soweit die Auskunft verweigert wird – der Antragstellerin mitzuteilen, welche Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstehen;
3. ob die Gemeinde V… der „C… Werbeagentur“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme der Herausgeberschaft gemacht hat und wenn ja, aufgrund welcher gesetzlicher Legitimation dies erfolgt ist;
4. ob es einen Beschluss des Gemeinderates gibt, das Anzeigengeschäft für das „V… Gemeindeblatt“ auf die „S… … GmbH & Co.KG“ zu übertragen;
5. ob es einen Vertrag gibt, der die Übernahme verlegerischer Aktivitäten für das „V… Gemeindeblatt“ durch die „S… … GmbH & Co.KG“ regelt; wenn ja, welchen Inhalt der Vertrag hat oder – soweit die Auskunft verweigert wird – der Antragstellerin mitzuteilen, welche Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstehen;
6. ob die Gemeinde V… der „S… … GmbH & Co.KG“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme von verlegerischen Aktivitäten gemacht hat und wenn ja, aufgrund welcher gesetzlicher Legitimation;
7. ob es vor der Übertragung der Herausgeberschaft und/oder des Anzeigengeschäfts entsprechende Ausschreibungen gegeben hat, die Bewerbungen interessierter Unternehmen ermöglicht hätten;
8. wem die Anzeigenerlöse für Inserate/Beilagen im „V… Gemeindeblatt“ zustehen;
9. wer die Satz- und Druckkosten für das „V… Gemeindeblatt“ trägt;
10. wer nach der Übertragung der Herausgeberschaft das „V… Gemeindeblatt“ zustellt und wer die Zustellkosten trägt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt vor, die Antragstellerin gehe – wie andere Verlage auch – gegen gemeindliche Mitteilungsblätter vor. Nach einer entsprechenden Abmahnung seien zunächst gegen die Verwaltungsgemeinschaft V…, die ursprünglich das „V… Gemeindeblatt“ herausgegeben habe, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht gerichtlich geltend gemacht worden. Nachdem die Gemeinde V… selbst die Herausgabe übernommen habe, habe die Antragstellerin diese mit mehreren Anträgen im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Wettbewerbsverstößen überzogen. In der Folge habe sich die Antragsgegnerin entschieden, die Herausgeberschaft des „V… Gemeindeblatts“ zu privatisieren. Die „S… … GmbH& Co.KG“ habe eine entsprechende Anfrage der Antragsgegnerin abgelehnt mit dem Argument, dass sie in vertraglichen Beziehungen mit der Antragstellerin stehe. Aufgrund dessen sei es zur Einschaltung der „C… Werbeagentur“ gekommen, die bereit gewesen sei, kurzfristig die Herausgeberschaft des „V… Gemeindeblatts“ zu übernehmen. Auch gegen die von der „C… Werbeagentur“ herausgegebene Ausgabe des „V… Gemeindeblatts“ habe die Antragstellerin wiederum beim Landgericht N… einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin gestellt, obwohl Herausgeber die „C… Werbeagentur“ war. Da durch die Antragsgegnerin deren Passivlegitimation gerügt worden war, habe die Antragstellerin entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin durch Beantwortung der derselben Fragen verlangt, die sie nunmehr im Wege einer einstweiligen Anordnung als presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend gemacht habe. Zu einer Beantwortung der Fragen sei es nicht gekommen, da das Gericht die Frage der Passivlegitimation der Antragsgegnerin nicht als streitentscheidend angesehen habe. Vor diesem Hintergrund sei das Ansinnen der Antragstellerin rechtsmissbräuchlich, da sie ausschließlich wettbewerbsrechtliche Zwecke verfolge. Um den Schein zu wahren und das presserechtliche Ansinnen zu begründen, sei schnell ein einschlägiger Presseartikel „gezimmert“ worden, in dem über das laufende Verfahren zwischen ihr und der Antragstellerin berichtet worden sei.
Zwei wesentliche Gesichtspunkte belegten, dass die Antragstellerin in Wirklichkeit keine presserechtlichen Zwecke verfolge: Sie habe nicht über eine Entscheidung des Landgerichts N… vom 24. Februar 2020 berichtet, in der dieses einen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt habe, es liege kein Wettbewerbsverstoß durch die Ausgabe des „V… Gemeindeblatts“ März 2020 vor. Über das Geschehen im Gemeindebereich der Antragsgegnerin berichte die Antragstellerin nach eigenen Angaben in der Regel nicht. Nach Kenntnis der Antragsgegnerin stehe die Antragstellerin in vertraglichen Beziehungen mit der „S… … GmbH& Co.KG“. Die Antragstellerin wolle mit den drei diese Firma betreffenden Fragen Auskunft über mögliche vertragliche oder sonstige Zusagen erlangen, um Ansprüche aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot geltend machen zu können. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob Rechtsmissbrauch in materiell-rechtlicher Hinsicht dem geltend gemachten Anspruch auf presserechtliche Auskunft entgegenstehe, sondern lediglich im Zusammenhang mit der prozessualen Frage des Rechtsschutzbedürfnisses die Frage angerissen, ob prozessuale Rechte wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gegebenenfalls nicht durchsetzbar seien.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag der Antragstellerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Juni 2020 abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin stelle „ins Blaue hinein“ Vermutungen hinsichtlich eines wettbewerbsrechtlichen Vorgehens gegen die „S… … GmbH& Co.KG“ auf. Wäre ein solches veranlasst, wäre das bereits geschehen. Maßgebend für die Fragen 4 und 5, die sich auf die „S… … GmbH& Co.KG“ bezögen, sei die für die Öffentlichkeit relevante Frage, ob und inwieweit Kommunen ohne Ausschreibung Verträge zur Erledigung vertragswirtschaftlicher Aufgaben abschließen dürften. Vor dem Hintergrund, dass kommunale Finanzhilfen an private Verlage verfassungsrechtlich kritisch seien, sei es von allgemeinem Interesse, wie die Antragsgegnerin meine, entsprechende Zahlungen legitimieren zu können. Im Übrigen sei die Beschwerdebegründung schon offensichtlich unzulässig, weil sie sich mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht auseinandersetze.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern ist.
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde ausschließlich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit, als sie verpflichtet worden ist, Auskunft über die im Zusammenhang mit der „S… … GmbH& Co.KG“ stehenden Fragen (Nrn. 4, 5 und 6) zu erteilen. Die weiteren Fragen werden weder thematisiert noch sind sie in die Beschwerdebegründung mit einbezogen. Soweit die Antragsgegnerin ihren Vortrag im Schriftsatz vom 21. Juli 2020 dahingehend verstanden wissen will, dass sie sich mit dem Argument, die Antragstellerin begehre die Auskunft, um ihre Vortragssituation im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegenüber der Antragsgegnerin zu verbessern, gegen sämtliche Fragen wendet, ist dieser Vortrag nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO) erfolgt und daher nicht zu berücksichtigen.
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Dieser Anspruch besteht auch gegenüber Gemeinden. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG kann die Presse das Recht auf Auskunft nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben. Zwar wurde die Auskunft bei der Antragsgegnerin durch den Redakteur W. H. beantragt. Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfahren ist jedoch der Verlag N… … … … Ob die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch gerichtlich durchsetzen kann, ist eine Frage der Aktivlegitimation. Bei der Aktivlegitimation geht es um die der Begründetheit des Antrags und damit nicht dem Prozessrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnende Frage, ob die Antragstellerin Trägerin des geltend gemachten Rechts ist (vgl. Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 73). Da die Antragsgegnerin die Aktivlegitimation der Antragstellerin nicht gerügt hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), hat der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich von der Richtigkeit der Entscheidung auszugehen.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf die Auskunft nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.
Gemessen hieran ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Verwaltungsgericht zu Recht einen Auskunftsanspruch der Antragstellerin hinsichtlich der von ihr gestellten Fragen bejaht. Auf etwa bestehende Gründe für eine Verschwiegenheitspflicht der Antragsgegnerin hat sich diese nicht berufen. Die Antragsgegnerin verweigert die Auskunft vielmehr – wie sich erst aus dem Vortrag im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ergibt – mit der Begründung, das Auskunftsbegehren der Antragstellerin sei nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, da die Antragstellerin ausschließlich wettbewerbsrechtliche Zwecke verfolge.
Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde der Antragsgegnerin nicht zum Erfolg. Ein Recht der Antragsgegnerin, die Auskunft auf die Fragen Nrn. 5, 6 und 7 zu verweigern, ergibt sich daraus nicht.
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG sind Behörden grundsätzlich verpflichtet, den Vertretern der Presse die geforderten Auskünfte zu geben. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfG, B.v. 27.7.2015 – 1 BvR 1452/13 – NVwZ 2016, 50 Rn. 14). Sinn und Zweck der daraus folgenden Auskunftspflichten ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise kann der Staatsbürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst diese für eine möglichst unverfälschte Erkenntnis notwendige Übersicht über Tatsachen und Meinungen, Absichten und Erklärungen ermöglicht eine eigene Willensbildung und damit die Teilnahme am demokratischen Entscheidungsprozess überhaupt (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2006 – 7 BV 05.2582 – ZUM-RD 2007, 321). Zwar sieht Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG seinem Wortlaut nach ein allgemeines Auskunftsrecht vor; die Presse kann aber von den Behörden nicht jede erdenkliche Auskunft verlangen. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein legitimes öffentliches Interesse an dem Gegenstand der Auskunft schlechthin fehlen kann (vgl. Soehring in Soehring Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 4 Rz. 4.27). Denn da der Anspruch dazu bestimmt ist, den Medien die Erfüllung ihres Informationsauftrags zu ermöglichen, setzt er jedenfalls voraus, dass eine Anfrage ein publizistisches Ziel verfolgt. Eine Auskunftspflicht besteht daher nicht, wenn sich ein Pressevertreter um Informationen bemüht, die er erkennbar nicht publizistisch auswerten, sondern kommerziell nutzen will. Es muss sich für einen objektiven Betrachter aus weiteren Umständen die sichere Erkenntnis gewinnen lassen, dass es dem die Auskunft Begehrenden nicht um den – womöglich noch so geringen – Erkenntnisgewinn durch Offenlegung der Informationen geht, sondern er tatsächlich andere, von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolgt und den Auskunftsanspruch lediglich als Vorwand hierzu verwendet (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.7.2018 – OVG 12 B 8/17 – NVwZ 2018, 1886). Wegen unzulässiger Rechtsausübung oder Rechtsmissbrauchs kann die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs aber nur dann verweigert werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Verfolgung des Rechtsanspruchs keinerlei nachvollziehbare Motive zu Grunde liegen, sondern das Handeln des Antragstellers allein von der Absicht geprägt ist, die Behörde oder einen Drittbetroffenen zu schikanieren oder zu belästigen oder einem anderen Schaden zuzufügen (vgl. HessVGH, B.v. 24.3.2010 – 6 A 1832/09 – juris LS 1).
Derartiges ist von der Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt und auch nicht ersichtlich. Nicht durchdringen kann die Antragsgegnerin mit dem Argument, die Antragstellerin verfolge schon deswegen keine publizistischen Zwecke, weil sie über den Beschluss des Landgerichts N… vom 24. April 2020, der im Hinblick auf das „V… Gemeindeblatt“ März 2020 das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes verneint habe, nicht berichtet habe und „im Regelfall generell“ nicht über das Geschehen im Bereich der Gemeinde V… berichte. Die Presse entscheidet in den Grenzen des Rechts grundsätzlich selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet (vgl. BVerfG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 29). Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhinge (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2016 – 6 C 65.14 – BVerwGE 154, 222 Rn. 19).
Auch die Ausführungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Firma „S… … GmbH & Co.KG“ sind nicht geeignet, das Vorliegen von Rechtsmissbrauch zu belegen. Unbeschadet dessen, dass die Antragstellerin dieses Motiv bereits mit nachvollziehbarer Begründung verneint hat und die Antragsgegnerin dem nichts Substantiiertes entgegensetzt, liegt es auf der Hand, dass ein Interesse der Öffentlichkeit an den im Zusammenhang mit der Herausgabe des „V… Gemeindeblatts“ stehenden Entscheidungsvorgängen, den vertraglichen Regelungen und auch der Einhaltung der Vergabevorschriften bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch eine Gemeinde besteht. Soweit die Antragsgegnerin vorbringt, die Antragstellerin habe dieselben Fragen bereits im wettbewerbsrechtlichen Verfahren gestellt und dies spreche für die Absicht eines Rechtsmissbrauchs, ist auch dem nicht zu folgen. Die von der Antragstellerin begehrte Aufklärung lag zum damaligen Zeitpunkt darin begründet, dass die Antragsgegnerin im Verfahren ihre Passivlegitimation bestritten hat und die Frage einer anderweitigen Passivlegitimation unter anderem davon abhängig gewesen wäre, ob die Gemeinde die Herausgeberschaft für das „V… Gemeindeblatt“ wirksam auf eine andere Person übertragen hat.
Soweit die Antragsgegnerin nunmehr im Schriftsatz vom 21. Juli 2020 darauf hinweist, dass eine besondere Eilbedürftigkeit nicht mehr bestehe und die Frage des Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs im Hauptsacheverfahren geklärt werden könne, zielt sie auf einen fehlenden Anordnungsgrund. Diesem Einwand hat der Senat nicht mehr nachzugehen, da er nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegt worden ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Höhe des Streitwerts im erstinstanzlichen Verfahren.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben