IT- und Medienrecht

Rechtmäßige Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung

Aktenzeichen  M 26 K 15.2923

Datum:
7.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 5
VfGHG VfGHG Art. 29 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung nach § 2 Abs. 1 RBStV ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (redaktioneller Leitsatz)
2 Im privaten Bereich wird mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung ( § 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst (BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung, unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH BeckRS 2015, 47772). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte nach Anhörung der Beteiligten im Wege des Gerichtsbescheids ergehen (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage, mit der sich der Kläger gegen den Festsetzungsbescheid vom … März 2015 wendet (§ 88 VwGO), ist zulässig, jedenfalls als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO), selbst dann also, wenn man das Schreiben des Beklagten vom … Juni 2015 nicht – so wie der Kläger – als Widerspruchsbescheid begreift. Sie ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
1. Der Bescheid ist nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts formell rechtmäßig.
Der Beklagte ist als die den Bescheid erlassende Stelle ohne weiteres erkennbar. Der selbst nicht rechtsfähige ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice erledigt für diesen Verwaltungsaufgaben, wozu auch die Erstellung von Bescheiden gehört (§ 10 Abs. 7 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – i. V. m. § 2 der Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung).
Die ausführliche, zutreffende und auch ausreichend gut lesbare Rechtsbehelfsbelehrung macht es dem Adressaten des Bescheids ohne weiteres möglich, zu erkennen, in welcher Art und Weise er Rechtsbehelfe gegen den Bescheid ergreifen kann. Abgesehen davon wäre der Bescheid selbst dann nicht formell rechtswidrig, wenn ihm überhaupt keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wäre (s. § 58 Abs. 2 VwGO).
Schließlich leidet der Bescheid nicht deshalb an einem formellen Mangel, weil er nicht unterschrieben ist. Vielmehr enthält er gem. Art. 37 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – analog zulässigerweise den ebenfalls ausreichend gut lesbaren Hinweis, dass er maschinell erstellt worden ist und deshalb keine Unterschrift trägt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden auch materiell rechtmäßig Rundfunkbeiträge für eine Wohnung für den Zeitraum Januar 2013 bis Oktober 2014 und ein Säumniszuschlag festgesetzt.
2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des streitgegenständlichen Rundfunkbeitrags ist § 2 Abs. 1 RBStV (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 [GVBl S. 258]), § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [GVBl S. 566], in der Fassung, die er durch Art. 6 Nr. 8 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 7.6.2011 gefunden hat). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist trotz seiner Bezeichnung kein Vertrag, der nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben beurteilt werden kann. Vielmehr kommt dem zwischen den Bundesländern geschlossenen Vertrag gesetzliche Wirkung zu, denn er ist mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 bayerisches Landesrecht geworden (s. Art. 72 Abs. 2 Bayerische Verfassung – BV). Demnach ist seit dem 1. Januar 2013 im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) – also auch vom Kläger – ein monatlicher Rundfunkbeitrag – im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 17,98 EUR (seit 1.4.2015 17,50 EUR) – zu entrichten.
Nachdem der Kläger die Rundfunkbeiträge für die im Bescheid vom … März 2015 festgesetzten Monate nicht vollständig und bei Fälligkeit gezahlt hat (s. § 7 Abs. 3 RBStV), durfte der Beklagte die rückständigen Beträge – wie geschehen unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen bis zum Bescheiderlass (je e… EUR am …9.2014 und …1.2015) – festsetzen (s. § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von d… EUR beruht auf § 9 Abs. 2 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 Rundfunkbeitragssatzung und ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Säumigkeit tritt im Fall der Nichtzahlung 4 Wochen nach Fälligkeit des jeweiligen Rundfunkbeitrags kraft Gesetzes ein.
2.2. Auch die grundsätzlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers, mit denen er sich gegen den Rundfunkbeitrag als solchen richtet, sind nicht durchgreifend.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15. Mai 2014 auf zwei Popularklagen hin unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG) u. a. entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung mit der Bayerischen Verfassung – BV – vereinbar sei (E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris). Die Norm verstoße nicht gegen die Rundfunkempfangsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitssatz oder das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Rn. 62). Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die zu regeln in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Sie sei sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern werde als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben (Leitsatz Nr. 2). Die Abgabe habe den Charakter einer Vorzugslast; dem stehe nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig seien. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwinge den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollten (Leitsatz Nr. 3). Im privaten Bereich werde mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (§ 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst (Leitsatz Nr. 4). Wegen der weiteren Einzelheiten und Begründungen wird auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 verwiesen.
Seitdem hat das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung alle Klagen und Eilanträge im Rundfunkbeitragsrecht abgewiesen bzw. abgelehnt, mit denen im engeren oder weiteren Sinne ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Rundfunkbeitragserhebung geltend gemacht wurde. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung (§ 2 RBStV), unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, nicht zu beanstanden ist und der Rundfunkbeitrag auch sonst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (ständige Rechtsprechung des BayVGH seit U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 – juris). Im Übrigen gibt es trotz der Vielzahl der in Bayern und ganz Deutschland erhobenen Rechtsschutzanträge gegen den Rundfunkbeitrag und der in der Literatur vertretenen anderen Auffassungen (u. a. Degenhart, Rechtsgutachten: Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder, 2013, und Terschüren, Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland) keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, in der die Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags bejaht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache wegen der gemäß Art. 29 Abs. 1 VfGHG bindenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) hat, § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (s. auch OVG RhPf, B.v. 29.10.2014 – 7 A 10820/14 – NVwZ-RR 2015, 38, das im Hinblick auf das Urteil des VerfGH RhPf vom 13.5.2014 – VGH B 35/12 – DVBl. 2014, 842 und Art. 136 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache annimmt). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2015 (Az. 4 LA 231/15 – juris) festgestellt: „Angesichts der umfangreichen und übereinstimmenden landesverfassungsgerichtlichen, oberverwaltungsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags ist die Richtigkeit eines erstinstanzlichen Urteils, in dem die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags bejaht worden ist, nicht ernstlich zu bezweifeln.“
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 298,56 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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