Aktenzeichen M 26 K 15.4293
BayVerf BayVerf Art. 72 Abs. 2
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 5 S. 1
RFinStV § 8
Leitsatz
(Verfassungs-)rechtliche Einwände gegen den Rundfunkbeitrag sind nicht durchgreifend (Anschluss an BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Entscheidung konnte nach Anhörung der Beteiligten im Wege des Gerichtsbescheids ergehen (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das Klagebegehren ist unter Heranziehung des gesamten Vortrags der Klägerin, insbesondere im Klageverfahren, dahingehend auszulegen, dass es allein auf die Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 1. März 2014 und 2. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2015 gerichtet ist (§ 88 VwGO). Insoweit ist anzumerken, dass für den die Neuverbescheidung betreffenden Antragsteil auch kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich wäre, selbst dann nicht, wenn man den Vortrag der Klägerin gegenüber dem Beklagten berücksichtigt, wonach ihr für Rundfunkbeiträge für das Jahr 2013 keine Bescheide zugegangen seien. Aus dem Nichterlass eines belastenden Festsetzungsbescheids lassen sich keine Rechte auf Neuverbescheidung ableiten, zumal ein neuer Bescheid nicht Voraussetzung für Rechtsschutz gegen Vollzugsfolgen eines zuvor nicht bekanntgegebenen Bescheides ist. Die somit vorliegende Anfechtungsklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide vom 1. März 2014 und 2. Mai 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung des streitgegenständlichen Rundfunkbeitrags ist § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 [GVBl S. 258]), § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [GVBl S. 566], in der Fassung, die er durch Art. 6 Nr. 8 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 7.6.2011 gefunden hat). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist trotz seiner Bezeichnung kein Vertrag, der nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben beurteilt werden kann. Vielmehr kommt dem zwischen den Bundesländern geschlossenen Vertrag gesetzliche Wirkung zu, denn er ist mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 bayerisches Landesrecht geworden (s. Art. 72 Abs. 2 Bayerische Verfassung – BV). Demnach ist seit dem 1. Januar 2013 im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) – also auch von der Klägerin – ein monatlicher Rundfunkbeitrag – im streitgegenständlichen Zeitraum in Höhe von 17,98 EUR (seit 1.4.2015 17,50 EUR) – zu entrichten.
Nachdem die Klägerin die Rundfunkbeiträge für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 nicht bei Fälligkeit gezahlt hat (s. § 7 Abs. 3 RBStV), durfte der Beklagte die rückständigen Beträge festsetzen (s. § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV). Die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von c… EUR beruht auf § 9 Abs. 2 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – und ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Säumigkeit tritt im Fall der Nichtzahlung 4 Wochen nach Fälligkeit des jeweiligen Rundfunkbeitrags kraft Gesetzes ein.
Auch die grundsätzlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Einwendungen der Klägerin, mit denen sie sich gegen den Rundfunkbeitrag als solchen richtet, sind nicht durchgreifend.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15. Mai 2014 auf zwei Popularklagen hin unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG) u. a. entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung mit der Bayerischen Verfassung – BV – vereinbar sei (E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris). Die Norm verstoße nicht gegen die Rundfunkempfangsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitssatz oder das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Rn. 62). Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich um eine nichtsteuerliche Abgabe, die zu regeln in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Sie sei sowohl im privaten wie auch im nicht privaten Bereich im Gegensatz zu einer Steuer nicht „voraussetzungslos“ geschuldet, sondern werde als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben (Leitsatz Nr. 2). Die Abgabe habe den Charakter einer Vorzugslast; dem stehe nicht entgegen, dass auch die Inhaber von Raumeinheiten, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden, zahlungspflichtig seien. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwinge den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollten (Leitsatz Nr. 3). Im privaten Bereich werde mit der Anbindung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (§ 3 Abs. 1 RBStV) die Möglichkeit der Rundfunknutzung als abzugeltender Vorteil sachgerecht erfasst (Leitsatz Nr. 4). Wegen der weiteren Einzelheiten und Begründungen wird auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 verwiesen.
Seitdem hat das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung alle Klagen und Eilanträge im Rundfunkbeitragsrecht abgewiesen bzw. abgelehnt, mit denen im engeren oder weiteren Sinne ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Rundfunkbeitragserhebung geltend gemacht wurde. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass die Anknüpfung der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung (§ 2 RBStV), unabhängig davon, ob in der Wohnung ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird oder nicht, nicht zu beanstanden ist und der Rundfunkbeitrag auch sonst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (ständige Rechtsprechung des BayVGH seit U.v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 – juris). Im Übrigen gibt es trotz der Vielzahl der in Bayern und ganz Deutschland erhobenen Rechtsschutzanträge gegen den Rundfunkbeitrag und der in der Literatur vertretenen anderen Auffassungen (u. a. Degenhart, Rechtsgutachten: Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder, 2013, und Terschüren, Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland) keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, in der die Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags bejaht wird. Vielmehr hat nun auch das Bundesverwaltungsgericht nach mündlichen Verhandlungen am 16./17. März 2016 in insgesamt 18 Revisionsverfahren entschieden, dass der Rundfunkbeitrag für private Haushalte verfassungsgemäß erhoben wird (vgl. Pressemitteilung Nr. 21/2016 vom 18.3.2016, unter www.b…de, Rubrik Presse/Pressemitteilungen).
Soweit die Klägerin technische Möglichkeiten anspricht, die eine nutzungsabhängige Abrechnung ermöglichen, ist noch anzumerken, dass solche bereits unter dem Rundfunkgebührenrecht geprüft und verworfen worden sind (s. z. B. BVerwG, U.v. 27.10.2010 – 6 C 12.09, 6 C 17.09, 6 C 21.09 – MMR 2011, 258,261; BayVGH, U.v. 19.5.2009 – 7 B 08.2922 – DÖV 2009, 820 f.; BVerfG, U.v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 – NVwZ 2014, 867, 868; OVG NW, U.v. 26.5.2009 – 8 A 2690/08 – ZUM-RD 2010, 299 bis 308; BVerfG, B.v. 22.8.2012 – 1 BvR 199/11 – NJW 2012, 3423 f.). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann – anders als Privatanbieter – aufgrund seiner ihm obliegenden durch die Verfassung bestimmten Pflicht, eine Grundversorgung mit (staats-)unabhängigen und der Pluralität der Gesellschaft entsprechenden Rundfunkangeboten sicherzustellen, grundsätzlich kein rein nutzungsabhängiges Bezahlmodell einführen, sondern darf für die flächendeckend vorhandene Möglichkeit der Nutzung des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Beiträge erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 123,88 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.