IT- und Medienrecht

Rechtsmissbräuchliche Abmahnung von Handelsvertretern des selben Unternehmens

Aktenzeichen  33 O 20356/15

Datum:
31.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GewO GewO § 34d Abs. 1
UWG UWG § 8 Abs. 4 S. 1, § 12 Abs. 1 S. 2
BGB BGB § 242, § 314, § 339 S. 2

 

Leitsatz

1 Das zeitgleiche Vorgehen gegen 70 Handelsvertreter des selben Unternehmens und gegen das Unternehmen selbst kann rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG sein.  (red. LS Dirk Büch)
2 Ist es aufgrund der missbräuchlichen Abmahnung zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages gekommen, kann der Abgemahnte den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen (§ 314 BGB) und den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB auch für vor Kündigung erfolgte Verstöße geltend machen.  (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 3) bis 39) nicht die mit Klageantrag Ziffer V. geltend gemachte Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen, weil die jeweiligen Abmahnungen rechtsmissbräuchlich und damit unberechtigt waren. Insoweit unterscheidet sich die zum Zeitpunkt der Abmahnungen geltende Rechtslage (UWG a. F.) nicht von der zum Zeitpunkt der Verkündung geltenden Rechtslage (UWG n. F.) gemäß dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 02.12.2015 (BGBl. I S. 2150 vom 09.10.2015), in Kraft getreten am 10.12.2015 (Art. 2).
1. Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG kann Ersatz der für eine Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit diese berechtigt ist. Berechtigt ist eine Abmahnung dann, wenn sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 35. Auflage, § 12 Rdnr. 1.98 mit Verweis auf BGH GRUR 2010, 354 – Kräutertee). Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen sind allerdings nicht berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und begründen keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen (vgl. OLG München GRUR-RR 2016, 210 – Rechtsverfolgung mit Fremdgeldkonto unter Verweis auf BGH GRUR 2012, 730 – Bauheizgerät).
a) Die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung beurteilt sich nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, denn dieser gilt nicht nur für die gerichtliche, sondern auch für die außergerichtliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs und damit insbesondere für die Abmahnung (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 731 m. w. N. insbesondere auf BGH GRUR 2002, 357 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung, BGH GRUR 2012, 730 – Bauheizgerät und BGH GRUR 2013, 307 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung).
b) Im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG wird ein Missbrauch angenommen, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Ein Indiz für einen Missbrauch ist es, wenn dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen, er sie aber nicht nutzt (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.10 m. w. N.). Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen. Dies erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die sich aber in der Regel nur aus äußeren Umständen erschließen lassen (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.11 m. w. N.). Als typischen Beispielsfall nennt das Gesetz die Geltendmachung eines Anspruchs, die vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies gilt in gleicher Weise für das Interesse, Ansprüche auf Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann. Maßgebend ist dabei die Sichtweise eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.12 m. w. N.). Ein Missbrauch ist etwa dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbstständigt, das heißt in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann. Dies gilt insbesondere für geringfügige und/oder leicht zu ermittelnde Verstöße, die sich beispielsweise mittels systematischen Durchforstens im Internet aufgreifen lassen (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.12a m. w. N.). Ferner ist es ein Indiz für einen Missbrauch, wenn der beauftragte Anwalt das Abmahngeschäft „in eigener Regie“ betreibt, insbesondere Wettbewerbsverstöße erst ermittelt oder den Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistellt (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.12b m. w. N.). Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn es dem Anspruchsberechtigten zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend darum geht, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden. Ein Indiz ist es, wenn ein schonenderes Vorgehen im Einzelfall möglich und zumutbar ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.13 m. w. N.).
c) Nach dem übereinstimmenden Parteivortrag in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin circa 70 Handelsvertreter der c. F. AG wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts abgemahnt und die nachfolgenden Klagen auf u. a. Erstattung der Abmahnkosten in drei Komplexen an unterschiedlichen Gerichtsständen anhängig gemacht (Bl. 107 d. A.). Der Klägerin ist zwar darin zu folgen, dass in Fällen, in denen sich viele Mitbewerber Wettbewerbs widrig verhalten, es dem betroffenen Unternehmen auch grundsätzlich möglich sein muss, gegen alle vorzugehen (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.12b m. w. N.). Allerdings kann aber vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei den Abgemahnten jeweils um Handelsvertreter eines einzigen Prinzipals, nämlich der c. F. AG, handelt, die – wie sich aus den als Anlagenkonvolute K 2 und K 5 vorgelegten Screenshots unschwer ergibt, einen einheitlichen Internetauftritt auf dem unter www.p.de abrufbaren Internetportal koordiniert. Es wäre der Klägerin daher ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich – gegebenenfalls im Hinblick auf etwaig zu wahrende Dringlichkeitsfristen unter entsprechend kurzer Fristsetzung – zunächst nur an den (ohnehin ebenfalls in Anspruch genommenen) Prinzipal zu wenden und diesen aufzufordern, auf die Einstellung der streitgegenständlichen Wettbewerbsverstöße seiner Handelsvertreter hinzuwirken. Dabei hätte es sich um ein schonenderes, aber nicht minder effektives Vorgehen gehandelt. Hinzu kommt, dass es aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers wenig nachvollziehbar erscheint, angesichts dieser effizienten Handlungsalternative ohne Not ein Gebührenrisiko in Höhe von circa 52.150,- Euro einzugehen, zumal es sich bei den abgemahnten Impressumsverstößen um Verstöße von unterdurchschnittlichem Gewicht handelt (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 659), und die tatsächliche Beeinträchtigung der Klägerin infolge der unzutreffenden Bezeichnung der Beklagten als Versicherungsmakler eher gering sein dürfte, weil dem angesprochenen Verkehr die Unterschiede zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Versicherungsmakler nicht zwingend bekannt sein dürften. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass sich die vorgetragenen Umsätze der Klägerin unstreitig auf (lediglich) etwa 1.740.000,- Euro im Jahre 2012 bzw. 2.260.000,- Euro im Jahre 2013 belaufen haben und aktuelle Umsätze oder gar Gewinne schon gar nicht mitgeteilt werden. Die Abmahntätigkeit der Klägerin steht damit in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrer gewerblichen Tätigkeit; dies begründet den Vorwurf des Missbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG (vgl. OLG München GRUR-RR 2016, 210 – Rechtsverfolgung mit Fremdgeldkonto). Denn bei objektiver Betrachtung kann an der Verfolgung der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bzw. dem Interesse an der Generierung von Vertragsstrafenansprüchen bestehen. In dieses Gesamtbild passt es schließlich, wenn die Klägerin es vermeidet, sich festzulegen, ob und in welcher Höhe sie die vorgeblich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren bereits ausgeglichen hat (vgl. etwa S. 18 des Schriftsatzes vom 06.07.2016, Bl. 95 d. A.: „Die Höhe der von den Beklagten zu erstattenden Kosten der Rechtsverteidigung bestimmt sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die sich hieraus ergebenden Gebühren stellen die Mindestvergütung dar, die die Klägerin nach der getroffenen Honorarvereinbarung für das Tätigwerden der Kanzlei des Unterzeichners zu zahlen hat“ sowie S. 4 des Sitzungsprotokolls, Bl. 106 d. A.: „Klägervertreter erklärt auf Nachfrage des Gerichts, dass mit der Klagepartei eine Honorarvereinbarung bestehe, aufgrund derer auf Stundenbasis abgerechnet werde, mindestens aber in der Höhe der RVG-Gebühren. Die hier streitgegenständlichen Vorgänge seien jedenfalls der Klägerin in Rechnung gestellt worden, und zwar mit einem Betrag, der mindestens der entsprechenden RVG-Gebühr entspricht. Ob bereits eine Zahlung seitens der Klägerin erfolgt ist, könne man heute im Termin nicht sagen und benötige hierfür eine Schriftsatzfrist.“). Angesichts dessen, dass die Beklagtenvertreterin die behauptete Gebührenvereinbarung und die behauptete Inrechnungstellung mit Nichtwissen bestritten hat und die Klägerin für diese Tatsachenbehauptungen kein Beweisangebot unterbreitet hat, ist für den hiesigen Rechtsstreit davon auszugehen, dass ein Ausgleich der hier eingeklagten Abmahngebühren (noch) nicht erfolgt ist. In diesem Fall erscheint es aber angesichts der vorgenannten Gesamtumstände als keineswegs sicher, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinen Anspruch auch im Falle „erfolgloser“ Abmahnungen durchsetzt (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 35. Auflage, § 12 Rdnr. 1.112), zumal dieser das streitgegenständliche Abmahngeschäft schon seinem eigenen Vortrag nach zumindest in Teilen „in eigener Regie“ betrieben und insbesondere Wettbewerbsverstöße erst ermittelt hat (vgl. etwa S. 22 des Schriftsatzes vom 06.07.2016, Bl. 99 d. A.: „Schlussendlich sind die Abmahngebühren keineswegs überhöht […] Darüber hinaus kann in dem P.-Portal nicht nach Unternehmenszugehörigkeit gesucht werden, was das Auffinden der unlauteren Internetpräsenzen der Handelsvertreter ungleich erschwerte.“).
d) Im Ergebnis war daher die Geltendmachung der – an sich bestehenden – lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagten zu 3) bis 39) rechtsmissbräuchlich (und zwar auch dann, wenn man mit Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.8 unter Verweis auf BGH GRUR 2007, 164 – Telefax-Werbung II die Auffassung vertritt, dass sich die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung nicht nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, sondern nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beurteilt, weil auch dann Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden können) mit der Folge, dass dahingehende Abmahnkostenerstattungsansprüche nicht bestehen.
2. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten außerdem unschlüssig ist: Ersatz der Aufwendungen kann der Gläubiger nämlich nur dann verlangen, wenn er seinerseits die Aufwendungen bereits erbracht hat; um einen Zahlungsanspruch schlüssig zu begründen, muss der Gläubiger daher vortragen, dass er die Kosten bereits aufgewendet hat (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 35. Auflage, § 12 Rdnr. 1.112). Die Klägerin hat jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung und auch auf entsprechende gerichtliche Nachfrage hin nicht vorgetragen, die vorgerichtlichen Anwaltskosten bereits ausgeglichen zu haben.
II.
Der Klägerin stehen auch die gegen die Beklagten zu 3) bis 36) mit Klageantrag Ziffer IV. verfolgten Vertragsstrafenansprüche aus § 339 S. 2 BGB in Verbindung mit den jeweiligen Unterlassungserklärungen nicht zu, weil deren Geltendmachung ebenfalls rechtsmissbräuchlich ist.
1. Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe auf der Grundlage einer strafbewehrten Unterlassungserklärung rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, können dabei herangezogen werden, soweit sie auch im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe stehen (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 738 mit Verweis u. a. auf BGH GRUR 2012, 949 – Missbräuchliche Vertragsstrafe). Ist es aufgrund der missbräuchlichen Abmahnung zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages gekommen, kann der Abgemahnte den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen (§ 314 BGB). Macht der Abmahner eine vor Kündigung verwirkte Vertragsstrafe geltend, steht dem der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegen (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.6).
2. Weil die Abmahnungen der Beklagten zu 3) bis 36) rechtsmissbräuchlich waren (siehe oben I.), können sich diese auch gegenüber den auf die daraus resultierenden Unterwerfungserklärungen gestützten Vertragsstrafenforderungen der Klägerin mit Erfolg auf den Rechtsmissbrauchseinwand berufen. Dass das gesamte Vorgehen der Klägerin vordringlich ihrem Gelderzielungsinteresse dient, zeigt sich schon aus den oben geschilderten Umständen und wird nicht zuletzt nochmals dadurch verdeutlicht, dass die Klägerin in Fortsetzung des systematischen Durchforstens des unter www.p.de abrufbaren Internetportals im Anschluss an die Abmahnungen der Beklagten zu 3) bis 36) zahlreiche – vermeintliche – Verstöße gegen die abgegebenen Unterlassungserklärungen gesammelt und hierzu gezielt den Google Cache durchsucht hat, um anschließend Vertragsstrafenansprüche im hiesigen Verfahren von insgesamt 85.000,- Euro einzuklagen. Das ist rechtsmissbräuchlich und hat mit der eigentlichen Funktion einer Vertragsstrafe, nämlich der an sich legitimen Sanktion und Prävention von Verstößen, nichts mehr zu tun (vgl. zum unzulässigen Sammeln von Vertragsstrafen auch BGH GRUR 1998, 471 – Modenschau im Salvatorkeller und zur Funktion der Vertragsstrafe BGH GRUR 1994, 146 – Vertragsstrafebemessung).
3. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob überhaupt (schuldhafte) Verstöße gegen die jeweiligen Unterlassungserklärungen vorgelegen haben, kommt es nach alledem nicht mehr an.
III.
Eine Schriftsatzfrist zur Stellungnahme zu der Frage, ob die geltend gemachten Abmahnkosten von der Klägerin bereits bezahlt worden sind, war dem Klägervertreter nicht einzuräumen, denn ein Ausgleich dieser Kosten durch die Klägerin ist von den Beklagten bereits in der Klageerwiderung vom 29.03.2016 (dort S. 2 und 9, Bl. 52 und 59 d. A.) zunächst in Zweifel gezogen und im Folgenden auch ausdrücklich bestritten worden. Der Klägervertreter und der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls anwesende Geschäftsführer der Klägerin hatten daher bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.12.2016 anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er somit gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 132 Rdnr. 4), eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 156 Rdnr. 4). Lediglich ergänzend ist festzustellen, dass auch eine Berücksichtigung des Tatsachenvorbringens in diesem Schriftsatz an der Beurteilung der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit nichts geändert hätte. Denn die bloße Vorlage einer aus dem Jahre 2014 stammenden Mandats- und Vergütungsvereinbarung zwischen dem Klägervertreter und der Klägerin ist für sich genommen ohne jegliche Aussagekraft darüber, ob die in diesem Verfahren geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von der Klägerin tatsächlich bereits ausgeglichen worden sind. Sollte dies der Fall sein, wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass nicht (nur) eine Vergütungsvereinbarung nachgereicht wird, sondern auch die entsprechenden Rechnungen und Buchungsbelege.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a, 269 ZPO.
1. Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Klageanträge Ziffern I., II. und III., mit welchen die bereits abgemahnten Unterlassungsansprüche verfolgt wurden, bezüglich der Beklagten zu 1) für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gemäß § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen, weil die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche aus den unter I. angestellten Erwägungen rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG und die Klage insoweit von Anfang an unzulässig war (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 8 Rdnr. 4.3 m. w. N.).
2. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin die Klage gegen den Beklagten zu 2) hinsichtlich der Klageanträge Ziffern I., II. und III. zurückgenommen hat. Auch insoweit waren die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen der Klägerin aufzuerlegen, weil die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG und die Klage insoweit von Anfang an unzulässig war. Soweit die Klägerin die Klage gegen den Beklagten zu 2) hinsichtlich des Klageantrags Ziffer V. zurückgenommen hat, liegt kein Fall des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO vor, vielmehr war die Klage insoweit von Anfang an wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 261 Rdnr. 8), so dass die Klägerin insoweit die Kosten ihrer Teilklagerücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu tragen hat.
V.
Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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