IT- und Medienrecht

Rechtsweg bei Badeverbot für privatrechtlich betriebenes Schwimmbad einer Gemeinde

Aktenzeichen  M 7 K 16.1571, M 7 S 16.1572

Datum:
24.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG GVG § 17 a Abs. 2
VwGO VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 173

 

Leitsatz

Für den Rechtsschutz gegen ein Badeverbot für ein Hallen- und Freibad, das von einer Gemeinde in Form einer privatrechtlichen Gesellschaft (GmbH & Co.KG) betrieben wird, ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Streitsachen M 7 K 16.1571 und M 7 S 16.1572 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
III.
Die Rechtsstreitigkeiten werden an das Amtsgericht Rosenheim verwiesen.
IV.
Die Kostenentscheidungen bleiben den Endentscheidungen vorbehalten.

Gründe

I.
Der Kläger und Antragsteller ist langjähriger Badegast der Beklagten und Antragsgegnerin, einem gemeindlichen Unternehmen in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG), und hatte zuletzt eine Jahreskarte inne, die am 10. Februar 2016 abgelaufen ist. Er schwimmt täglich ca. 30 Minuten im Schwimmstil Delphin-Rücken. Dabei kam es am 30. September 2015 zu einer Kollision mit einer anderen Schwimmerin, die Hautverletzungen unterhalb der Brust und am Arm davontrug. Der diensthabende Bademeister sprach hierauf ein vorläufiges Badeverbot gegen den Kläger und Antragsteller aus, das am 16. Oktober 2015 schriftlich bestätigt wurde, nachdem er auf seinen Schwimmstil nicht hatte verzichten wollen. Nach der Haus- und Badeordnung der Beklagten und Antragsgegnerin vom März 2013 übt das Personal des Bades gegenüber allen Besuchern das Hausrecht aus. Besucher, die gegen die Haus- und Badeordnung verstoßen, können vorübergehend oder dauernd vom Besuch des Bades ausgeschlossen werden.
Mit seiner am 6. April 2016 erhobenen Klage begehrt der Kläger und Antragsteller die Aufhebung des am 30. September 2015 ausgesprochenen und schriftlich bestätigten Badeverbots. Hilfsweise begehrt er, ihm das Baden im Hallenbad und im Freibad der Stadt R., auch zur Ausübung seines Rückenschwimmens, wieder zu gestatten, sowie gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO, hilfsweise gem. § 123 VwGO. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, es sei von einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis auszugehen. Die Beklagte und Antragsgegnerin sei ein Tochterunternehmen der Stadt R. und betreibe für diese zwei der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Bäder, das Hallenbad und das Freibad. Hierbei handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung. Bei dem Badeverbot handele es sich um einen Verwaltungsakt, der in die Benutzungsrechte des Klägers und Antragstellers aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis eingreife.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 8. April 2016 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung der Rechtsstreitigkeiten an das zuständige Zivilgericht angehört.
Mit Schreiben vom 19. April 2016 ihres Bevollmächtigten erklärte die Beklagte und Antragsgegnerin, sie halte den Verwaltungsrechtsweg für nicht eröffnet, da sie eine juristische Person des Privatrechts sei und nicht als beliehener Unternehmer handle. Ihr seien nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes öffentliche Aufgaben und Kompetenzen übertragen worden. Sie sei Eigentümerin der Schwimmbäder in R. und betreibe diese im eigenen Namen, in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung als juristische Person. Sie verlange von ihren Badengästen Eintritt und stelle hierfür Einzelkarten oder wie beim Kläger und Antragsteller Jahreskarten aus und führe hinsichtlich der Eintrittsgelder Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Sie habe auch keinen Verwaltungsakt erlassen.
Der Bevollmächtigte des Klägers und Antragstellers teilte mit Schreiben vom 22. April 2016 sein Einverständnis mit einer Verweisung mit.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO (analog) auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nicht eröffnet, da es sich vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Vielmehr ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Gem. § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen auszusprechen und der Rechtsstreit an das zuständige Zivilgericht zu verweisen. Die offensichtlich auf Klagen zugeschnittenen Bestimmungen über die Rechtswegverweisung sind in Eilverfahren analog anzuwenden (vgl. BVerwG, B. v. 15. November 2000 – 3 B 10/00 – juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 29. Juli 2002 – 20 A 02.40066, 20 A 02.40068 – juris Rn. 9 u. B. v. 5. Mai 1993 – 4 CE 93.464 – juris Rn. 11; Lückemann in Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 17a GVG Rn. 12).
Fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung ist für die Abgrenzung des Verwaltungs- vom Zivilrechtsweg die wahre Natur des Anspruchs maßgebend, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt (vgl. BGH, U. v. 5. Februar 1993 – V ZR 62/91 – juris Rn. 10 m. w. N. u. B. v. 7. Dezember 1999 – XI ZB 7/99 – juris Rn. 6). Hierbei darf nicht von der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, hier der gemeindlichen Daseinsvorsorge, auf den öffentlich-rechtlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden (vgl. BVerwG, B. v. 6. März 1990 – 7 B 120/89 – juris Rn. 3; OVG Nds., B. v. 24. Oktober 2007 – 10 OB 231/07 – juris Rn. 6). Sind an dem Rechtsstreit ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt, so scheidet eine Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus, es sei denn eine Partei wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und gegenüber der anderen Partei als beliehenes Unternehmen tätig geworden (BGH, B. v. 7. Dezember 1999 – XI ZB 7/99 – juris Rn. 6 m. w. N.; BVerwG, B. v. 6. März 1990 – 7 B 120/89 – juris Rn. 3 u. B. v. 29. Mai 1990 – 7 B 30/90 – juris Rn. 5). Zwar wird nach der sog. Zwei-Stufen-Theorie bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen, hier der städtischen Bäder, unterschieden zwischen dem Anspruch auf Zugang zu der Einrichtung einerseits, der regelmäßig nach öffentlichem Recht und darum von den Verwaltungsgerichten zu beurteilen ist, und den Modalitäten der Benutzung andererseits, die auch privatrechtlich ausgestaltet sein können und über die in diesem Fall im ordentlichen Rechtsweg gestritten werden muss (vgl. BVerwG, B. v. 29. Mai 1990 – 7 B 30/90 – juris Rn. 4). Dies gilt auch dann, wenn öffentliche Einrichtungen nicht vom gemeindlichen Träger selbst, sondern von einer von ihm begründeten und/oder beherrschten selbstständigen juristischen Person des Privatrechts betrieben werden. Besteht ein Zugangsanspruch, muss der gemeindliche Träger den Zugang zu der Einrichtung, sofern er darüber nicht ohnehin selbst entscheidet, durch Einwirkung auf die ihm unterstehende privatrechtliche Betriebsgesellschaft verschaffen (BVerwG, a. a. O.).
Jedoch richten sich Klage und Antrag vorliegend nicht gegen die Stadt R. als Trägerin des Hallen- und Freibades, sondern gegen die Beklagte und Antragsgegnerin als die zuständige privatrechtliche Betriebsgesellschaft. Damit unterfällt die Tätigkeit der Beklagten und Antragsgegnerin, auch wenn sie in den Dienst der gemeindlichen Daseinsvorsorge gestellt ist, grundsätzlich dem Privatrecht und infolgedessen der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Ein eine Ausnahme rechtfertigender Beleihungstatbestand liegt nicht vor, denn die Beklagte und Antragsgegnerin ist nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und hat solche mit dem Schreiben vom 16. Oktober 2015 auch nicht für sich in Anspruch genommen. Bedient sich der Staat oder hier die Gemeinde zur Erfüllung seiner bzw. ihrer Aufgaben privatrechtlicher Gestaltungsformen, wird die Privatrechtsordnung in einzelnen Punkten durch öffentlich-rechtliche Bindungen ergänzt, modifiziert oder überlagert, ohne dass das Verwaltungshandeln darum selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre (sog. Verwaltungsprivatrecht) (vgl. BVerwG, B. v. 6. März 1990 – 7 B 120/89 – juris Rn. 3). Über derartige öffentlich-rechtliche Bindungen des privatrechtlichen Verwaltungshandelns haben die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 13 GVG mitzuentscheiden (BVerwG, a. a. O.).
Für die Entscheidung örtlich zuständiges Gericht ist gem. §§ 12, 17 Abs. 1, § 29 Abs. 1 ZPO, Art. 5 Abs. 2 Nr. 58 GerOrgG das Amtsgericht Rosenheim.
Daher war gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG festzustellen, dass der beschrittene Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, und die Rechtsstreitigkeiten nach erfolgter Anhörung an das Amtsgericht zu verweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten des Rechtsstreits nach § 17 b Abs. 2 GVG als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben