IT- und Medienrecht

Rechtswegfeststellung, Petitionsrecht, Verwaltungsrechtsweg betreffend Gegenvorstellung

Aktenzeichen  M 30 K 19.3066

Datum:
30.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11717
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a
VwGO § 40 Abs. 2 S. 1
GG Art. 17
BV Art. 115
EGGVG § 23

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Mit Klageschriftsatz vom 24. Juni 2019 begehrt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, seine Gegenvorstellung vom 20. März 2019 in der ergänzten Fassung vom 2. April 2019 im Rahmen eines Todesermittlungsverfahrens (Az. 33 UJs 21327/09) zu beantworten.
Mit Schreiben vom 20. August 2019 hat der Beklagte beantragt, die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen. Zur Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit von Handlungen der Justizbehörden seien die ordentlichen Gerichte zuständig.
Das Gericht hat dem Kläger mit Schreiben vom 22. August 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich des gerügten Rechtswegs gegeben. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 GVG hat das Gericht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs durch Beschluss (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG) auszusprechen, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs von einer Partei gerügt wird.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
1. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, B.v. 28.1.2016 – 4 B 43/14 – juris Rn. 8 m.w.N.). Danach liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist, wenn also die Rechtsnormen, um deren Anwendbarkeit die Beteiligten streiten oder nach denen die zugrundeliegende Rechtsbeziehung zu beurteilen ist, dem öffentlichen Recht angehören (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 31.10.2014 – OVG 1 L 72.13 – juris Rn. 2). Dies ist hier der Fall.
Eine Gegenvorstellung gehört zu den Petitionen i.S.d. Art. 17 GG und Art. 115 BV (BayVerfGH, E.v. 2.5.2017 – Vf. 64-VI-15 – juris Rn. 15). Die einem Petenten durch Art. 17 GG und Art. 115 BV verliehenen Ansprüche auf Entgegennahme und Erledigung seiner Petition sind nach allgemeiner Auffassung Ansprüche auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (BVerwG, U.v. 28.11.1975 – VII C 53.73 – juris Rn. 15; BayVerfGH, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N. – unter Aufgabe seiner früheren Rspr; BayObLG, B.v. 24.11.2020 – 204 VAs 180/20 – BeckRS 2020, 37675 Rn.19 m.w.N.; HessStGH, B.v. 7.7.1977 – P.St. 797 – juris Rn. 22 m. w. N.).
2. Der Rechtsweg ist vorliegend auch nicht wegen § 23 EGGVG den ordentlichen Gerichten ausdrücklich zugewiesen.
Zum einen stellen Petitionsbescheide schon keine Justizverwaltungsakte i.S.d. § 23 EGGVG dar (OLG Hamm, B.v. 10.6.1970 – 15 VA 1/70 – OLGZ 1970, 434/435 m.w.N.; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 23 EGGVG Rn. 141; Köhnlein in Graf, BeckOK GVG, 10. Edition Stand: 15.02.2021, § 23 EGGVG Rn. 141). Petitionsbescheiden kommt keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung zu; vielmehr stellen diese eine nur tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG dar (vgl auch BVerwG, B.v. 1.9.1976 – VII B 101/75 – NJW 1977, 118/118).
Zum anderen stellt die Behandlung von Gegenvorstellungen als Petitionen auch keine Amtshandlung in Wahrnehmung einer spezifischen Aufgabe einer der in § 23 Abs. 1 EGGVG aufgeführten Rechtsgebiete dar (BGH, B.v. 15.1988 – IVa ARZ (VZ) 5/88 – NJW 1988, 587/588 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 27.4.1984 – 1 C 10/84 – NJW 1984, 2233/2233f.). Dabei reicht es nicht aus, wenn die Maßnahme in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG steht und damit ihren Ausgangspunkt auf einem der dort genannten Gebiete genommen hat, sondern es kommt maßgeblich darauf an, ob die streitgegenständliche Maßnahme und die aus ihr folgende Behördentätigkeit funktional zu den dort genannten Gebieten zu rechnen ist (SächsOVG, B.v. 27.11.2020 – 5 D 59/20 – juris Rn. 10). Eine Bescheidung von Petitionen stellt keine spezifische Aufgabe im Rahmen der Strafrechtspflege dar, sondern gehört zum allgemeinen Aufgabenkreis einer jeden Behörde (SächsOVG, ebd.).
Eine Zuweisung nach § 23 EGGVG ergibt sich auch nicht aufgrund eines engen Bezugs der Petition zu den in der Norm genannten justiziellen Tätigkeiten (a.A. BayVGH, B.v. 29.1.1998 – 5 C 97.2604 – juris). In einem Rechtstreit betreffend die Behandlung einer Petition ist nicht eine Prüfung und Bewertung derjenigen justiziellen Tätigkeit verfahrensgegenständlich, welche Ausgangspunkt der Gegenvorstellung war, sondern allein die inhaltlich anders gelagerte Frage, ob den im öffentlichen Recht verankerten Ansprüchen des Klägers aus Art. 17 GG und Art. 115 BV auf begründete Bescheidung seiner Petition Genüge getan worden ist (SächsOVG, a.a.O. – juris Rn. 11). Der Petent kann nur wegen der Frage, ob seine Petition den Anforderungen des Art. 17 GG und Art. 115 BV entsprechend geprüft und beschieden worden ist, um Rechtsschutz nachsuchen, ist aber nicht berechtigt, sein mit der Petition verfolgtes Anliegen selbst vor Gericht zu bringen (SächsOVG, ebd.; BVerwG, B.v. 13.11.1990 – 7 B 85/90 – juris Rn. 7). Das Petitionsrecht i. S. v. Art. 17 GG und Art. 115 BV begründet hierbei nur einen Anspruch auf Entgegennahme einer Petition, sachliche Prüfung des Anliegens und begründete Bescheidung in angemessener Frist (allgm. Rspr.). Der Petitionsbescheid muss hingegen keine besondere, die inhaltlich entscheidenden Erwägungen wiedergebende Begründung enthalten; auch Art und Umfang der sachlichen Prüfung des Petitionsanliegens unterliegen nicht der gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, B.v. 15.5.1992 – 1 BvR 1553/90 – juris Rn. 18 ff.; zum Ganzen auch SächsOVG, B.v. 16.12.2019 – 5 E 108/19 – juris Rn. 10).
Ferner handelt es sich beim Kläger auch um keinen Strafgefangenen, weshalb sich eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung auch ausnahmsweise nicht über § 109 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG ergeben kann (vgl. hierzu BayObLG, B.v. 24.11.2020 – 204 VAs 180/20 – BeckRS 2020, 37675 Rn. 18 ff.).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung vorbehalten.


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