IT- und Medienrecht

Rechtswidrige Zugänglichmachung in Forschernetzwerken

Aktenzeichen  21 O 14450/17

Datum:
31.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RR – 2022, 160
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 10 Abs. 3, § 6 Abs. 2, § 121 Abs. 1
Rom-I-VO Art. 4 Abs. 2 u. 3

 

Leitsatz

1. Die Anforderungen an die urheberrechtlich erforderliche Schöpfungshöhe eines Sprachwerkes sind im Grundsatz unabhängig davon, ob der zu beurteilende Text journalistischen, wissenschaftlichen, schöngeistigen oder sonstigen Inhalts ist; auch für den Wissenschaftsbereich ist von einem Regel-AusnahmeVerhältnis zugunsten der Urheberrechtsschutzfähigkeit von Fachartikeln auszugehen.
2. Findet sich ein ©-Vermerk im Rahmen einer Internetpräsenz, erstreckt sich dieser auch auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.
3. Nach § 10 UrhG besteht kein Erfordernis, den ©-Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen; der Vermerk soll nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken und lebt deshalb von seiner Einfachheit und Klarheit.
4. Zur Verantwortlichkeit des Betreibers einer Internetplattform für Wissenschaftler, wenn die Plattform an der Generierung von Plattform-Inhalten (hier: Zugänglichmachung von Fachartikeln) mitwirkt.

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft) oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre; Ordnungshaft im Falle der Beklagten zu 1) jeweils zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern),
im Verhältnis zur Klägerin zu 1) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 1a,
im Verhältnis zur Klägerin zu 2) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 1b, bei denen die Klägerin zu 2) als Rechteinhaber benannt ist,
im Verhältnis zur Klägerin zu 3) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage 1b, bei denen die Klägerin zu 3) als Rechteinhaber benannt ist,
sowie im Verhältnis zur Klägerin zu 4) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 1b, bei denen die Klägerin zu 4) als Rechteinhaber benannt ist,
als Previews, wie in Anlagen K 1c sowie K 1d dargestellt, und/oder die Abstracts dieser Artikel in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich zugänglich zu machen, wie über den Dienst „R.” unter www…net geschehen.
II. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft) oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre; Ordnungshaft im Falle der Beklagten zu 1) jeweils zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten),
im Verhältnis zur Klägerin zu 1) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 2a,
im Verhältnis zur Klägerin zu 2) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 2b, bei denen die Klägerin zu 2) als Rechteinhaber benannt ist,
sowie im Verhältnis zur Klägerin zu 4) zu unterlassen, die wissenschaftlichen Fachartikel in der Anlage K 2b, bei denen die Klägerin zu 4) als Rechteinhaber benannt ist,
im Ganzen und/oder die Abstracts dieser Artikel, in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich zugänglich zu machen, wie über den Dienst „R.” unter www…net geschehen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die durch die Beweisaufnahme entstandenen Kosten tragen die Klägerinnen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen 30% und die Beklagten 70%.
V. Das Urteil ist für jede Klägerin in Ziffern I. und II. jeweils gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil sowohl für die Klägerinnen als auch für die Beklagten in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
A.
Die streitgegenständlichen Texte sind urheberrechtlich geschützt. Die Klägerinnen sind allerdings hinsichtlich der behaupteten Urheberrechtsverletzungen nur aktivlegitimiert, soweit sie Unterlassungsansprüche geltend machen. Die Beklagten sind für die geltend gemachten Rechtsverletzungen verantwortlich.
I. Anwendbares Recht
Der zur Beurteilung stehende, grenzüberschreitende Sachverhalt (ausländische Verlage, ausländische Autoren) wirft in verschiedener Hinsicht die Frage auf, ob deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden ist.
1. Aufgrund des Schutzlandprinzips sind nach deutschem Recht insbesondere das Bestehen des Rechts – also insbesondere die Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Artikel, Previews und Abstracts -, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (BGH ZUM 2016, 861 Rn. 24 – An Evening with Marlene Dietrich; ZUM-RD 2016, 288 Rn. 24 – MarceI-BreuerMöbel II; ZUM 2015, 330 Rn. 24 – Hi Hotel 11; ZUM-RD 1997 546, 548 – Spielbankaffaire; Katzenberger/M. in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage, Vor §§ 120 ff. Rn. 125 und 150 f.).
2. Anknüpfungspunkt für den urheberrechtlichen Schutz eines Werkes in der Bundesrepublik Deutschland ist die Staatsangehörigkeit des Urhebers, nicht die Staatsangehörigkeit desjenigen, der Nutzungsrechte von ihm ableitet (BGH GRUR 2018, 178 – Vorschaubilder III).
Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Staatsangehörigkeit der Co-Autoren der streitgegenständlichen Texte, ist der Anwendungsbereich des deutschen Urheberrechts nach der fremdenrechtlichen Vorschrift des § 121 Abs. 1 UrhG durch ein Erscheinen der Artikel im Inland eröffnet.
Die Klägerinnen haben dargelegt, dass sämtliche streitgegenständlichen Texte in Deutschland sowohl online zum Abruf als auch in ihrer Print-Version angeboten werden, wobei die Klägerinnen ihre Artikel zunächst online und bedingt durch Druckzeiten mit leichter Verzögerung auch in Printform publizieren. Sowohl das Online-Angebot als auch das Erscheinen der Print-Ausgaben erfolgt bei den Klägerinnen weltweit zeitgleich. Eine Erstveröffentlichung in lediglich einzelnen Ländern erfolgt nicht.
Entgegen der Ansicht der Beklagten reicht es für ein Erscheinen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG aus, dass die Artikel online angeboten werden. Auch bei einem elektronischen Angebot sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erfüllt. Dabei ist die Vervielfältigung auf dem die Daten bereithaltenden Server für die Bedarfsdeckung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG als genügend anzusehen, weil davon beliebig viele Vervielfältigungstücke hergestellt werden können. Dies entspricht der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur, der sich auch die Kammer anschließt (aus der Literatur sei insbesondere verwiesen auf Katzenberger/M. in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 6 Rn. 55 f.).
Unschädlich ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch, ob der Server, auf dem das Vervielfältigungsstück gespeichert ist, in Deutschland oder im Ausland steht. (Katzenberger/M. in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 120 Rn. 145). Das Angebot an den Nutzer erfolgt weltweit überall dort, wo die Inhalte abrufbar sind und damit auch in Deutschland.
Anhaltspunkte dafür, dass die jeweils betroffenen Co-Autoren der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Artikel nicht zugestimmt haben, ergeben sich aufgrund des Sachvortrags der Parteien nicht.
3. Im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft gehen die Klägerinnen selbst nach dem Schutzlandprinzip zutreffend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus und berufen sich deshalb zur Darlegung ihrer Rechtsinhaberschaft auf § 10 Abs. 3 UrhG; das bedeutet aber kollisionsrechtlich gleichzeitig, dass gesetzliche Vermutungen zur Rechtsinhaberschaft aus fremden Rechtsordnungen insoweit nicht anwendbar sind. Von der Frage des im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft anzuwendenden Rechts streng zu trennen ist die Frage des auf eine vertragliche Rechtseinräumung anwendbaren Rechts, die nach deutschem internationalen Privatrecht nach dem sog. Vertragsstatut – hier dem Verlagsvertragsstatut – zu beantworten ist (Katzenberger/M. in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage, Vor §§ 120 ff. Rn. 150 f.). Die Beurteilung eines Verlagsvertrages kann als Vorfrage im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft von Bedeutung sein. Folglich kann bei der nach deutschem Recht zu behandelnden Frage der Rechtsinhaberschaft ein nach ausländischem Recht (Vertragsstatut) zu bewertender Verlagsvertrag eine Rolle spielen. Weitergehend kann bei der Bewertung des rechtswirksamen Abschlusses eines solchen Verlagsvertrages – gleichsam auf einer dritten Ebene – eine Bevollmächtigung eine Rolle spielen, die kollisionsrechtlich wiederum eigenen Regeln folgt (Vollmachtsstatut). Diese drei Ebenen sind kollisionsrechtlich im Folgenden strikt auseinanderzuhalten.
4. Hinsichtlich der Frage der wirksamen Rechtseinräumung an die Klägerinnen wird das anwendbare Recht durch das jeweilige Vertragsstatut bestimmt.
In seiner Entscheidung Lepo Sumera (GRUR 2001, 1134) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:
„In Ermangelung einer ausdrücklichen Rechtswahl im Vertrag bietet sich als Vertragsstatut das deutsche Recht als das Recht des Staats an, mit dem der Vertrag die engste Beziehung aufweist. Dies ist jedenfalls bei Verlagsverträgen und anderen urheberrechtlichen Nutzungsverträgen, die dem Verwerter eine Ausübungspflicht auferlegen, im Allgemeinen das Land, in dem der Verwerter seinen Geschäftssitz oder seine Hauptniederlassung hat (Art. 28 1 und II EGBGB; vgl. Martiny, in: MünchKomm, 3. Aufl., Art. 28 EGBGB Rdnr. 264; Schricker/Katzenberger, UrheberR, 2. Aufl., Vorb. §§ 120ff. UrhG Rdnrn. 156ff.; ferner zum alten Recht BGHZ 19, 110 [113] = NJW 1956, 377 = LM Art. 7fr. EGBGB Nr. 15- Sorrel and Son; BGH, GRUR 1980, 227 [230] = LM § 2 UrhG Nr. 4 – Monumenta Germaniae Historica). Soweit auf die Verfügung über das Urheberrecht das Recht des Schutzlandes anzuwenden ist (vgl. BGH, GRUR 1988, 296 [298] = NJW 1988, 1847 = LM § 31 UrhG Nr. 19 – GEMA-Vermutung IV; BGHZ 136, 380 [387f.] = GRUR 1999, 152 = NJW 1998, 1395 = LM H. 3/1998 § 97 UrhG Nr. 35 Spielbankaffaire), führt dies ebenfalls zur Anwendung deutschen Rechts.“
Entsprechend ist auch nach Art. 4 Abs. 2, 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Rom-I VO das Recht am Sitz der gewerblichen Niederlassung der Verlage anzuwenden. Die Verlage erbringen die „charakteristische Leistung“ nach Art. 4 Abs. 2 Rom-I VO (Katzenberger/M. in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 120 ff. Rn. 150 ff.) bzw. es entsteht durch die Vereinbarung der Autoren mit den Verlagen eine enge Verbindung zu einem bestimmten Staat, nämlich dem Staat mit dem Sitz der gewerblichen Niederlassung, nach Art. 4 Abs. 3 Rom-I VO (Martiny in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2018, Rom I-VO Art. 4 Rn. 247).
II. Urheberrechtlicher Schutz der streitgegenständlichen Texte
Sämtliche streitgegenständlichen Texte (Fachartikel, Previews, Abstracts) genießen urheberrechtlichen Schutz.
1. Volltext-Versionen der Fachartikel
Die streitgegenständlichen Fachartikel sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG als Sprachwerke geschützt. Dies ist in Ansehung des Umfangs der im Streit stehenden Texte und des sich nicht zuletzt daraus ergebenden Gestaltungsspielraums im Hinblick auf die konkrete Formulierung derart offensichtlich, dass sich die Kammer eine Einzelprüfung ersparen kann; die Kammer hat nicht den Hauch eines Zweifels, dass auch ein mit der Sache etwaig befasstes Obergericht dies auf dem Boden des Urheberrechtsgesetzes nicht anders wird sehen können. Die Kammer kann eine Einzelfallprüfung auch deshalb dahingestellt sein lassen, weil in Fortschreibung der Entscheidung CB-Infobank II des Bundesgerichtshofs (ZUM-RD 1997, 336) auch für den Wissenschaftsbereich von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Urheberrechtsschutzfähigkeit von Fachartikeln auszugehen ist. Die Beklagten haben zum Mangel der Schöpfungshöhe bezogen auf die einzelnen streitgegenständlichen Artikel nichts vorgetragen, was Anlass gäbe, hier Ausnahmen von der genannten Regel annehmen zu müssen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Anforderungen an die urheberrechtlich erforderliche Schöpfungshöhe eines Sprachwerkes ausweislich des Wortlauts des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG, der insoweit nicht zwischen Sprachwerken unterschiedlicher Genres unterscheidet, im Grundsatz unabhängig davon, ob der zu beurteilende Text journalistischen, wissenschaftlichen, schöngeistigen oder sonstigen Inhalts ist (ebenso Loewenheim/Leistner in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Auflage 2020, § 2 Rn. 86).
Es geht bei der hier vorzunehmenden Beurteilung auch nicht um die Frage, ob der gedankliche Inhalt der wissenschaftlichen Lehren, Theorien oder Erkenntnisse, welche Gegenstand der streitgegenständlichen Artikel sind, also letztlich die wissenschaftlichen Lehren, Theorien oder Erkenntnisse als solche und damit unabhängig von ihrer konkreten Formulierung, aus rechtlich übergeordneten Gesichtspunkten gemeinfrei bleiben müssen. Zutreffend hat daher der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Staatsexamen (GRUR 1981, 352) festgestellt:
„Der Schutz des Urhebers eines wissenschaftlichen Schriftwerks erfordert eine sorgfältige Trennung von wissenschaftlichem Ergebnis und Lehre einerseits und Darstellung und Gestaltung der Lehre im Schriftwerk andererseits. Es geht zu weit, die Urheberrechtsschutzfähigkeit einer Darstellung generell von dem behandelten Thema abhängig zu machen.“
Die den hier zu beurteilenden Fachartikeln zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden von den jeweiligen Autoren in eine konkrete sprachliche Form gegossen, wobei ersichtlich kreative Gestaltungsspielräume bestanden, die Texte abweichend zu formulieren. Die konkreten Formulierungen waren nicht aufgrund der Anwendung der einschlägigen wissenschaftlichen Fachterminologie und der konkreten verlagsseitigen Strukturvorgaben zur Abhandlung der jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnis prädeterminiert. Der Ansicht der Beklagten, im Falle der Darstellung einer für sich genommen nicht schutzfähigen wissenschaftlichen Erkenntnis bliebe bei Anwendung der einschlägigen Fachterminologie und detaillierten Vorgaben zur Abfassung eines Artikels in einer bestimmten Zeitschrift kein Raum für individuelles Schaffen, folgt die Kammer daher nicht. Die in den streitgegenständlichen Fachartikeln jeweils gewählten Formulierungen sind ersichtlich nicht notwendig oder gar zwingend wissenschaftlich vorgegeben; sie sind vielmehr frei gewählt und Ausdruck individuellen Schaffens.
Die bestehenden Gestaltungsspielräume zeigen sich gerade bei der beklagtenseits exemplarisch behandelten, nachfolgend eingeblendeten Textpassage (Introduction) des fünf Seiten umfassenden Artikels der Autoren mit dem Titel
„On titanium dioxide thin films growth from the direct current electric fields assisted chemical vapour deposition of titanium (IV) chloride in toluene“ (Anlage K 3b).
Die Beklagten haben in diesem Ausschnitt diejenigen Begriffe und Phrasen grau hinterlegt, die nach ihrer Auffassung ausschließlich der Fachsprache zuzuordnen sind. Die Beklagten sind der Ansicht, der Satzbau sei schlicht, die Wortwahl repetitiv (das Wort „reported“ wird dreimal verwendet) und deskriptiv. Die Sprache sei ersichtlich nüchtern und auf eine rein wissenschaftlichdeskriptive Darstellung ausgerichtet. Auch die verwandten Verben und sonstigen die Fachbegriffe und – phrasen verklammernden Worte seien gleichermaßen nüchtern wie dem Zweck folgend notwendig: Die verwandten Worte wie „well-known“, „leading to“, „attributed“, „comparing“, „reported“, „increasing“, „investigations“, „methods“, „coupling“, “proven“, „showed“ und „improve“ seien gleichfalls deskriptiv und im fraglichen wissenschaftlichen Fachbereich üblich.
Auch dieser Textauszug zeigt, dass die dem Fachartikel zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse von den Autoren unter Nutzung des bestehenden kreativen Gestaltungsspielraums eine konkrete sprachliche Fassung erhalten haben, die schutzfähig ist – mag auch der Schutzbereich eng begrenzt sein. Weder die gewählte Gedankenführung noch die konkreten Formulierungen waren aufgrund der Anwendung der einschlägigen wissenschaftlichen Fachtermini und der konkreten verlagsseitigen Strukturvorgaben vorherbestimmt. Eine urheberrechtlich unzureichende schöpferische Leistung lässt sich auch nicht daran festmachen, dass gebräuchliche Begriffe Verwendung finden; auch bei Sprachwerken aus dem Bereich der schöngeistigen Literatur greifen Autoren bisweilen zu einer nüchternen Sprache und schlichten Worten, ohne dass solchen Werken deshalb die Schutzfähigkeit abgesprochen werden kann. Die Wahl besonders seltener oder exaltierter Worte ist für sich genommen kein Ausschlusskriterium für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit.
Auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Werke in englischer Sprache abgefasst sind, ist für die rechtliche Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit unerheblich. Aus dem Gesetz ergibt sich keine Beschränkung des Urheberrechtsschutzes auf in deutscher Sprache abgefasste Sprachwerke, zumal dies mit dem insoweit geltenden internationalen Recht nicht vereinbar wäre.
2. Previews
Auch die streitgegenständlichen Previews sind selbständig als Teile der im Streit stehenden Fachartikel gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG als Sprachwerke geschützt.
In seiner Entscheidung Infopaq (GRUR 2009, 1041 Tz. 39, 48) hat der EuGH ausgeführt, dass der Ausdruck eines Auszugs aus einem geschützten Werk, der aus elf aufeinanderfolgenden Wörtern des Werks besteht, eine teilweise Vervielfältigung darstellen kann, wenn der Auszug einen Bestandteil des Werkes enthält, der als solcher die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringt. Angesichts des Umfangs der streitgegenständlichen Previews (regelmäßig mehr als eine Seite des Fachartikels; siehe dazu Anlagen K 1c und K 1d) hat die Kammer auch hier keinen Anlass, deren Schutzfähigkeit in Frage zu stellen.
3. Abstracts
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind auch die streitgegenständlichen Abstracts selbstständig urheberrechtlich geschützte Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG.
Die Schutzfähigkeit ist auch bei den hier gegenständlichen Abstracts anzunehmen, wenn sie einen gewissen Umfang erreichen und für sich gesehen selbstständige persönliche Schöpfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Unter dieser Voraussetzung kann auch ihrem Umfang nach kleinen Sprachwerken urheberrechtlicher Schutz zukommen. Lediglich bei sehr kleinen Teilen – wie einzelnen Wörtern oder knappen Wortfolgen – wird ein Urheberrechtsschutz meist daran scheitern, dass diese für sich genommen nicht hinreichend individuell sind (BGH NJW 2011, 761, 767, Tz. 54 – Perlentaucher; BGH GRUR 2009, 1046 – Kranhäuser; EuGH 2009, 1041 – Infopaq; BGH NJW 1953, 1258 – Lied der Wildbahn I; ebenso bereits die erkennende Kammer in BeckRS 2014, 3974). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1992, 382 – Leitsätze) können etwa auch nichtamtlich verfasste Leitsätze gerichtlicher Entscheidungen urheberrechtlich geschützt sein. Es ist kein Rechtsgrund ersichtlich, Abstracts zu wissenschaftlichen Fachartikeln anders als Leitsätze zu gerichtlichen Entscheidungen zu behandeln. Dies jedenfalls dann, wenn mit den Abstracts die Kernaussagen des Artikels in wenigen prägnanten Sätzen zusammengefasst werden. In einer solch prägnanten Zusammenfassung kann eine urheberrechtlich schutzfähige schöpferische Leistung liegen, wenn hierfür ein hinreichender sprachlicher Gestaltungsspielraum besteht.
Aus Sicht der Kammer gilt hinsichtlich der Abstracts Folgendes:
Abstract des Artikels Nr. 1 der Anlage K 1a lautet:
3-Cyanovinylcarbazole modified D-threoninol (CNVD) was incorporated in oligodeoxyribonucleotide and tested for a photo-cross-linking reaction with complementary oligodeoxyribonucleotide. The photoreactivity was 1.8- to 8- fold greater than that of 3-cyanovinylcarbazole modified deoxyribose (CNVK) previously reported. From the results of melting analysis and circular dichroism spectroscopy of the duplexes, the relatively flexible structure of CNVD compared with CNVK might be advantageous for [2 + 2] photocycloaddition between the cyanovinyl group on the CNVD and pyrimidine base in the complementary strand.
Bei diesem Abstract handelt es sich um eine ebenso knappe wie prägnante Zusammenfassung des Inhalts des ihm nachfolgenden Fachartikels. Der bestehende sprachliche Gestaltungsspielraum zur Formulierung dieses Abstract ist angesichts des Umfangs und Inhalts des entsprechenden Fachartikels offensichtlich: Ausgehend von der im Fachartikel dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnis bestanden nicht nur unterschiedliche Möglichkeiten der inhaltlichen Schwerpunktsetzung bei der Formulierung des Abstract, auch sprachlich und stilistisch bestehen hier mannigfaltige Möglichkeiten, die Essenz der Erkenntnis in knappen Worten auf den Punkt zu bringen. Den Autoren ist dies in individuellschöpferischer Weise gelungen. Dass der Schutzbereich dieses Sprachwerkes gering ist, ist unschädlich, da eine vollständige und identische Übernahme des Werkes vorliegt.
Gleiches gilt im Falle der Abstracts Nr. 4, 6 und 8 der Anlage K 1a, Nr. 3 und 8 der Anlage K 1b, Nr. 1, 6, 7, 14 und 15 der Anlage K 2a sowie Nr. 1 und 2 der Anlage K 2b, welche nach ihrer Textlänge dem Abstract des Artikels Nr. 1 der Anlage K 1a entsprechen.
Mit den Abstracts
– Nr. 2, 3, 5, 7, 9, 10 der Anlage K 1a,
– Nr. 1, 2, 4, 5, 6, 7, 9, 10 der Anlage K 1b
– Nr. 2, 3, 4, 5,8, 9, 10, 11, 12, 13 der Anlage K 2a
– Nr. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15 der Anlage K 2b
stehen Texte im Streit, die im Vergleich mit den oben genannten Abstracts eine deutlich größere Textlänge aufweisen. Für diese Abstracts gelten die vorstehenden Erwägungen daher erst recht.
III. Aktivlegitimation der Klägerinnen
Die Klägerinnen sind berechtigt, wegen der unberechtigten Nutzung der streitgegenständlichen Texte Unterlassungsansprüche geltend zu machen; für die entsprechende Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen besteht hingegen keine Berechtigung der Klägerinnen.
1. Die Klägerinnen sind berechtigt, die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Zwar haben die Beklagten mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerinnen über die für die Verwertung auf der Plattform erforderlichen ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Artikeln verfügen, wobei die Beklagten auf ihren fehlenden Einblick in die Lizenzierungspraxis der Klägerinnen hingewiesen haben.
Die Klägerinnen berufen sich demgegenüber hinsichtlich der im Streit stehenden Unterlassungsansprüche unter Hinweis auf den ©-Vermerk, welcher sich jeweils am Ende der streitgegenständlichen Artikel findet, zu Recht auf die gesetzliche Vermutung zugunsten von Inhabern ausschließlicher Nutzungsrechte aus § 10 Abs. 3 UrhG; dieser gilt ausdrücklich im Falle der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen.
a. Zur Frage, unter welchen Umständen und in welchem Umfang ein ©-Vermerk die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 3 UrhG begründen kann, werden in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten vertreten (zum Streitstand siehe OLG Hamburg BeckRS 2017, 121111).
Teilweise wird vertreten, der Copyright-Vermerk deute üblicherweise darauf hin, dass die dort bezeichnete Person Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte sei bzw. begründe die Vermutung für die Rechtsinhaberschaft (Schulze in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Auflage, § 10 Rn. 62 m.w.N.).
Nach anderer Ansicht soll nicht jeder Copyright-Vermerk die Vermutungswirkung nach § 10 Abs. 3 UrhG auslösen, sondern nur solche ©-Vermerke, die gerade auf die Ausschließlichkeit der Rechtseinräumung hinweisen (Thum in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 5. Aufl., § 10, Rn. 115 ff.; OLG Hamburg a.a.O.).
b. Nach Ansicht der regelmäßig mit Urheberstreitsachen befassten Kammer soll den Erfordernissen der Rechtspraxis und dem Zweck des ©-Vermerks folgend mit diesem eine ausschließliche Nutzungsberechtigung zumindest im Kontext seiner Verwendung zum Ausdruck gebracht werden. Findet sich ein ©-Vermerk etwa auf einem physischen Tonträger, soll sich dieser erkennbar zumindest auf das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht hinsichtlich der auf dem Tonträger enthaltenen Werke beziehen; findet sich der ©-Vermerk hingegen im Rahmen einer Internetpräsenz, besteht angesichts der Nutzungsgewohnheiten im Internet kein Anlass, diesen Vermerk auf Vervielfältigungsrechte zu beschränken und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mitzulesen. Die am reinen Wortlaut (© = Copyright = Vervielfältigungsrecht) haftende Ansicht, es werde grundsätzlich nur auf eine Rechteinhaberschaft an den Vervielfältigungsrechten hingewiesen, nicht aber ohne weiteres auf eine exklusive Rechtseinräumung bzw. die Erstreckung auf weitere Nutzungsrechte wie etwa das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, wird den Usancen der Rechtspraxis schon deshalb nicht gerecht, weil das Copyrightzeichen aus einer Zeit stammt (erwähnt etwa im Welturheberrechtsabkommen von 1952), in der es noch gar kein Internet gab. Der ©-Vermerk ist daher entsprechend dem sachlichen und zeitlichen Kontext zu lesen, in dem er verwendet wird.
aa. Klägerin zu 1)
Der von der Klägerin zu 1) am Ende der jeweiligen Fachartikel angebrachte ©Vermerk nebst der ihm nachfolgenden Angaben bringt hinreichend die alleinige Rechteinhaberschaft der Klägerin zu 1) am Recht der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Fachartikel zum Ausdruck.
Mit der auf dem jeweiligen, im Internet publizierten Fachartikel angebrachten Kennzeichnung
„© [Jahreszahl] BBUCHBHBHHHHHy“’
hat sich die Klägerin zu 1) in üblicher Weise als Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts der öffentliche Zugänglichmachung ausgewiesen. Da es nach § 10 Abs. 3 UrhG nicht vorgesehen und in der Praxis auch nicht üblich ist, mit dem ©-Vermerk die Inhaberschaft einfacher Nutzungsrechte anzuzeigen, ergibt sich aus der genannten Kennzeichnung, dass hier ausschließliche Nutzungsrechte bestehen. Aus der Tatsache, dass die Publikation im Internet erfolgt, ergibt sich die Vermutungswirkung für das in diesem Kontext relevante Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Unschädlich ist entgegen der Ansicht der Beklagten, dass einzelne Nutzungsrechtsarten und damit auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht genannt werden; nach § 10 UrhG besteht kein Erfordernis, den Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen; der Vermerk soll nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken und lebt deshalb von seiner Einfachheit und Klarheit. Ausreichend ist die Bezeichnung des Rechteinhabers.
bb. Klägerin zu 2)
Der von der Klägerin zu 2) am Ende der jeweiligen Fachartikel angebrachte ©Vermerk nebst der ihm nachfolgenden Angaben bringt hinreichend die alleinige Rechteinhaberschaft der Klägerin zu 2) am Recht der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Fachartikel zum Ausdruck.
Mit der auf dem jeweiligen, im Internet publizierten Fachartikel angebrachten Kennzeichnung
„© [Jahreszahl] XYBH All rights reserved“
hat sich die Klägerin zu 2) in üblicher Weise als Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts der öffentliche Zugänglichmachung ausgewiesen. Da es nach § 10 Abs. 3 UrhG nicht vorgesehen und in der Praxis auch nicht üblich ist, mit dem ©-Vermerk die Inhaberschaft einfacher Nutzungsrechte anzuzeigen, ergibt sich aus der genannten Kennzeichnung, dass hier ausschließliche Nutzungsrechte bestehen. Aus der Tatsache, dass die Publikation im Internet erfolgt, ergibt sich die Vermutungswirkung für das in diesem Kontext relevante Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Unschädlich ist entgegen der Ansicht der Beklagten, dass einzelne Nutzungsrechtsarten und damit auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht genannt werden; nach § 10 UrhG besteht kein Erfordernis, den Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen; der Vermerk soll nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken und lebt deshalb von seiner Einfachheit und Klarheit. Ausreichend ist die Bezeichnung des Rechteinhabers.
cc. Klägerin zu 3)
Der von der Klägerin zu 3) am Ende der jeweiligen Fachartikel angebrachte ©Vermerk nebst der ihm nachfolgenden Angaben bringt hinreichend die alleinige Rechteinhaberschaft der Klägerin zu 3) am Recht der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Fachartikel zum Ausdruck.
Mit der auf dem jeweiligen, im Internet publizierten Fachartikel angebrachten Kennzeichnung
„© [Jahreszahl] BUI All rights reserved“
hat sich die Klägerin zu 3) in üblicher Weise als Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts der öffentliche Zugänglichmachung ausgewiesen. Da es nach § 10 Abs. 3 UrhG nicht vorgesehen und in der Praxis auch nicht üblich ist, mit dem ©-Vermerk die Inhaberschaft einfacher Nutzungsrechte anzuzeigen, ergibt sich aus der genannten Kennzeichnung, dass hier ausschließliche Nutzungsrechte bestehen. Aus der Tatsache, dass die Publikation im Internet erfolgt, ergibt sich die Vermutungswirkung für das in diesem Kontext relevante Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Unschädlich ist entgegen der Ansicht der Beklagten, dass einzelne Nutzungsrechtsarten und damit auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht genannt werden; nach § 10 UrhG besteht kein Erfordernis, den Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen; der Vermerk soll nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken und lebt deshalb von seiner Einfachheit und Klarheit. Ausreichend ist die Bezeichnung des Rechteinhabers.
dd. Klägerin zu 4)
Der von der Klägerin zu 4) am Ende der jeweiligen Fachartikel angebrachte ©Vermerk nebst der ihm nachfolgenden Angaben bringt hinreichend die alleinige Rechteinhaberschaft der Klägerin zu 4) am Recht der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Fachartikel zum Ausdruck.
Mit der auf dem jeweiligen, im Internet publizierten Fachartikel angebrachten Kennzeichnung
„© [Jahreszahl] XHH| All rights reserved“
hat sich die Klägerin zu 1) in üblicher Weise als Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts der öffentliche Zugänglichmachung ausgewiesen| Da es nach § 10 Abs| 3 UrhG nicht vorgesehen und in der Praxis auch nicht üblich ist, mit dem ©-Vermerk die Inhaberschaft einfacher Nutzungsrechte anzuzeigen, ergibt sich aus der genannten Kennzeichnung, dass hier ausschließliche Nutzungsrechte bestehen| Aus der Tatsache, dass die Publikation im Internet erfolgt, ergibt sich die Vermutungswirkung für das in diesem Kontext relevante Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Unschädlich ist entgegen der Ansicht der Beklagten, dass einzelne Nutzungsrechtsarten und damit auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nicht genannt werden; nach § 10 UrhG besteht kein Erfordernis, den Vermerk mit einem Rechtekatalog oder einem pauschalen Bezug wie „alle Rechte vorbehalten“ zu versehen; der Vermerk soll nach dem Gesetzeszweck eine Erleichterung im Rechtsverkehr bewirken und lebt deshalb von seiner Einfachheit und Klarheit. Ausreichend ist die Bezeichnung des Rechteinhabers.
c. Die Beklagten haben die gesetzliche Vermutung nicht durch den Beweis des Gegenteils widerlegt, § 292 ZPO. Soweit die Beklagten vorgebracht haben, angesichts des lückenhaften und unzureichenden Vortrags der Klägerinnen zum Rechtserwerb sei die gesetzliche Vermutung erschüttert, verkennen die Beklagten, dass die Widerlegung nur gelingen kann, wenn die Beklagten ihrerseits in jedem einzelnen Fall darlegen und beweisen, dass ein wirksamer Rechtserwerb nicht erfolgt ist. Daran fehlt es letztlich. Nicht ausreichend ist es hingegen, zur Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung Mängel im Vortrag zur Rechtsinhaberschaft gegenüber demjenigen zu rügen, der sich auf die gesetzliche Vermutung (hier: § 10 Abs. 3 UrhG) beruft; die gesetzlich Vermutung hat gerade den Zweck, ihren Nutznießer von der andernfalls bestehenden Darlegungs- und Beweislast zu befreien. Es kann daher für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 10 Abs. 3 UrhG nicht ausreichen, etwaige Mängel im Vortrag zum Erwerb der behaupteten Rechtsposition aufzuzeigen.
2. Die Klägerinnen sind hingegen nicht berechtigt, die streitgegenständlichen Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Ein ausschließliches Nutzungsrecht berechtigt im Falle von dessen Verletzung zur Geltendmachung des in § 97 UrhG normierten Schadensersatzanspruchs (BGH GRUR 1987, 37 – Videolizenzvertrag). Bei der abgeleiteten Inhaberschaft ist die Aktivlegitimation nachzuweisen, indem die Rechtekette bis zum ursprünglich Berechtigten dargelegt und – falls bestritten – bewiesen wird (OLG München ZUM 2009, 245).
Die Beklagten haben mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerinnen über die für die Verwertung auf R. erforderlichen ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Artikeln verfügen.
a. Nach seinem eindeutigen Wortlaut gilt die gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 3 UrhG für Unterlassungs-, nicht aber für Auskunfts- und Schadensersatzansprüche. Dabei handelt es sich ersichtlich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, so dass eine analoge Anwendung der Vermutungsregel auf Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ausscheidet.
b. Die Klägerinnen haben zwar behauptet, Inhaber der ausschließlichen Rechte zur öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Artikel zu sein und insofern im eigenen Namen Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Einen Beweis für die behauptete Rechtsposition sind die Klägerinnen allerdings schuldig geblieben.
aa. Einen unmittelbaren Beweisantritt durch Benennung der betroffenen Autoren als Zeugen für die Rechtseinräumung haben die Klägerinnen ausdrücklich abgelehnt. Es bestand angesichts dessen auch kein Anlass, eine schriftliche Zeugenbefragung nach § 377 Abs. 3 ZPO anzuordnen.
bb. Die klägerseits behaupteten Rechtspositionen ergeben sich auch nicht allein aus den klägerseits vorgelegten Verträgen (Anlagen K 60 – K 63). Zwar ist eine Rechtseinräumung an einen Verlag durch eine Autorengemeinschaft auf die klägerseits beschriebene Weise (Vertragsschluss durch einen Corresponding Author für die gesamte Autorengemeinschaft) grundsätzlich rechtlich möglich (dazu nachfolgend (1.) – (3.)); ob eine solche Rechtseinräumung im Einzelfall tatsächlich erfolgt ist, ob also der jeweils benannte Corresponding Author tatsächlich von den jeweiligen Co-Autoren zum Vertragsschluss bevollmächtigt war und den jeweiligen Vertrag auch abgeschlossen hat, ist allerdings ein tatsächlicher Umstand, der sich nicht aus den vorgelegten Verträgen ergibt.
(1.) Die Kammer ist im Hinblick auf die Frage, ob mit dem als Anlage K 60, K 61 und K 62 vorgelegten Verträgen jeweils eine wirksame Einräumung von Verlagsrechten, insbesondere auch dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, an die Klägerin zu 1) bzw. die Klägerin zu 3) erfolgt ist, von der Maßgeblichkeit USamerikanischen Rechts ausgegangen (zur kollisionsrechtlichen Bedeutung des Vertragsstatuts siehe oben Ziffer I.2.).
Der zur Frage der (form-)wirksamen Rechtseinräumung an die Klägerinnen zu 1) und zu 3) nach USamerikanischen Recht bestellte Sachverständige Professor B. ist im Rahmen seiner gutachterlichen Ausführungen zunächst auf Grundlage der Anlagen K 60 und K 62 zu folgendem Ergebnis gekommen:
„(1) Absent either (a) express written consent/authorization for the transfer at issue or (b) an express authorization for the Corresponding Author to act on behalf of all the joint authors, the Transfer Clause on its own does not meet the formal validity requirements of a copyright transfer agreement contained in 17 U.S.C. § 204(a).
(2) The agreements contained in Exhibits K 60 and K 62 do not embody such written authorization/consent for the transfer or express authorization from the joint authors for the Corresponding Author to act as their agent. The existence of such authorization is a question of evidence that must be independently assessed.”
Mit seinem Ergänzungsgutachten hat er im Hinblick auf die Möglichkeit der elektronischen Unterzeichnung festgestellt, dass
„…the mere electronic form of the agreements in Exhibits K 60, K 61 and K 62 does not affect the writing and signature requirements of an assignment under § 204 (a), assuming that the party signing each of them was duly authorized to do so.”
Mit seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige zur Frage der Notwendigkeit einer schriftlichen Bevollmächtigung des Correspoding Author durch die übrigen Co-Autoren noch einmal betont, dass
„written authorization is not required for a duly authorized agent to satisfy the requirements of § 204 (a) (Expert Report of April 27, 2020, para 17). However, such written authorization would remain the clearest form of authorization if it is available or can be obtained.”
Der Sachverständige ist folglich zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wirksame Übertragung durch die vorgelegten Vertragsformulare grundsätzlich rechtswirksam möglich ist. Er hat ferner festgestellt, dass es einer schriftlichen Bevollmächtigung des Corresponding Author durch sämtliche Co-Autoren nicht bedarf. Der Sachverständige hat allerdings weiter darauf hingewiesen, dass sich die tatsächlich erfolgte Bevollmächtigung des Corresponding Author nicht aus den vorgelegten und von ihm begutachteten Verträgen ergibt.
Soweit die Klägerinnen der Ansicht sind, dass im Hinblick auf die Bevollmächtigungen durch die Co-Autoren auf nach USamerikanischem Recht bestehende Vermutungswirkungen zurückgegriffen werden könne, gilt Folgendes:
Auf – wie hier – vor dem 17.06.2017 erfolgte Bevollmächtigungen ist das nicht kodifizierte, von der Rechtsprechung entwickelte Kollisionsrechtsregime heranzuziehen; diesem zufolge sind Fragen rund um die Vollmacht grundsätzlich dem Recht des Ortes, an dem die Mittelsperson in Absprache mit dem Vollmachtgeber von der Vollmacht Gebrauch macht und wo die Vollmacht dementsprechend Wirkung entfalten soll, unterworfen (Gebrauchs- bzw. Wirkungsort; siehe dazu Huber in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2021, § 164 BGB Rn. 109 ff. m.w.N.). Der Wirkungsort ist im Falle der die Klägerinnen zu 1) und 3) betreffenden streitgegenständlichen Werke der jeweilige Verlagssitz in den USA; insofern gelten die Erwägungen zum Verlagsvertragsstatut entsprechend.
Sofern sich die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf die Anwendbarkeit von nach USamerikanischem Recht bestehenden Vermutungen betreffend die Rechtsinhaberschaft berufen, ist ihnen zwar zuzugeben, dass insoweit auch nach US-Recht einschlägige (gesetzliche) Vermutungen zur Anwendung kommen können; nach Art. 18 Abs. 1 Rom-I-VO ist das Vertragsstatut auch insoweit anzuwenden, als es um die Beweislastverteilung oder gesetzliche Vermutungen geht. Entsprechende Vermutungen müssen allerdings die sich im Zusammenhang mit dem Vollmachtsstatut betreffende Frage der Bevollmächtigung betreffen; die von den Klägerinnen insoweit geltend gemachten Vermutungen betreffen allesamt die kollisionsrechtlich nach deutschem Recht zu beurteilende Frage der Rechtsinhaberschaft der Klägerinnen (etwa Copyright-Registrierungen, wie sie sich aus den Anlagen K 93a bis K 94b ergeben sollen), nicht aber die der Bevollmächtigung einer von mehreren Personen zum Vertragsschluss. Die klägerseits zitierten Entscheidungen (Lewis v. Ichiban Records, Inc., 105 F.3d 655 (5th Cir. 1996); United Fabrics Intern., Inc. v. C& J Wear, Inc., 630 F.3d 1255, 1258 (9th Cir. 2011); Beschluss des District Court for the District of Maryland vom 11. Juni 2019, S. 7 f. vorgelegt als Anlage K 92) sind deshalb nicht einschlägig.
(2.) Die Kammer ist im Hinblick auf die Frage, ob mit dem als Anlage K 61 vorgelegten Vertrag eine wirksame Einräumung von Verlagsrechten einschließlich des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung an die Klägerin zu 2) erfolgt ist, von der Maßgeblichkeit niederländischen Rechts ausgegangen.
Der zur Frage der (form-)wirksamen Rechtseinräumung an die Klägerin zu 2) bestellte Sachverständige Prof. S. hat im Rahmen seiner gutachterlichen Ausführungen unter anderem festgestellt:
„As said before, a joint copyright can only be assigned by the authors jointly. The mere declaration by a corresponding author that he is entitled to transfer the joint copyright (or the individual copyrights of co-authors if they supplied separate contributions) must as such be considered insufficient; the co-authors must have given him power of attorney to do so.”
Der Sachverständige ist folglich zu dem Ergebnis gekommen, dass es einer tatsächlichen Bevollmächtigung des Corresponding Author durch sämtliche Co-Autoren bedarf. Aus der Anlage K 61 kann eine solche nicht geschlossen werden.
(3.) Hinsichtlich des als Anlage K 63 vorgelegten Vertrages, welcher die Einräumung von Verlagsrechten an die Klägerin zu 4) betrifft, ist die Kammer nach dem Vertragsstatut von der Maßgeblichkeit des Rechts des Vereinigten Königreichs ausgegangen.
Der zur Frage der (form-)wirksamen Rechtseinräumung an die Klägerin zu 4) bestellte Sachverständige A. hat im Rahmen seiner gutachterlichen Ausführungen unter anderem festgestellt:
„If the other co-authors have not authorized the signing author to undertake the relevant transaction, the agreement in question will not transfer the Copyright of the other co-authors. […] In general, a mere declaration by one of the authors that he or she has the consent of the other authors to grant the rights in question will not mean that the assignment or license is effective. There must be actual authorization (express or implied) by the other authors.”
Mit seinem Ergänzungsgutachten hat der Gutachter das Erfordernis einer tatsächlich erfolgten Bevollmächtigung des Corresponding Author durch die Co-Autoren nochmals bestätigt. Zur Rechtseinräumung auf elektronischem Wege hat der Sachverständige A. in seinem Ergänzungsgutachten festgestellt, dass
„the requirement that the assignment is “in writing”, is likely to be held satisfied in English law, even if the document in question existed and was provided only in electronic form.”
Der Sachverständige ist folglich zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wirksame Rechtseinräumung durch einen Corresponding Author hier grundsätzlich auch elektronisch rechtswirksam möglich ist. Er hat ferner festgestellt, dass es einer tatsächlichen Bevollmächtigung des Corresponding Author durch sämtliche Co-Autoren bedarf.
Soweit die Klägerinnen der Ansicht sind, dass im Hinblick auf die Bevollmächtigungen durch die Co-Autoren auf nach UK-Recht bestehende Vermutungswirkungen zurückgegriffen werden könne, gilt Folgendes:
Auf – wie hier – vor dem 17.06.2017 erfolgte Bevollmächtigungen ist das nicht kodifizierte, von der Rechtsprechung entwickelte Kollisionsrechtsregime heranzuziehen; diesem zufolge sind Fragen rund um die Vollmacht grundsätzlich dem Recht des Ortes, an dem die Mittelsperson in Absprache mit dem Vollmachtgeber von der Vollmacht Gebrauch macht und wo die Vollmacht dementsprechend Wirkung entfalten soll, unterworfen (Gebrauchs- bzw. Wirkungsort; siehe dazu Huber in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2021, § 164 BGB Rn. 109 ff. m.w.N.). Der Wirkungsort liegt im Falle der die Klägerin zu 4) betreffenden streitgegenständlichen Werke der Verlagssitz im Vereinigten Königreich; insofern gelten die Erwägungen zum Verlagsvertragsstatut entsprechend.
Sofern sich die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf die Anwendbarkeit von nach dem Recht des Vereinigten Königreichs bestehenden Vermutungen betreffend die Rechtsinhaberschaft berufen, ist ihnen zwar zuzugeben, dass insoweit auch nach dem Recht des Vereinigten Königreichs einschlägige (gesetzliche) Vermutungen zur Anwendung kommen können; nach Art. 18 Abs. 1 Rom-IVO ist das Vertragsstatut auch insoweit anzuwenden, als es um die Beweislastverteilung oder gesetzliche Vermutungen geht. Entsprechende Vermutungen müssen allerdings die sich im Zusammenhang mit dem Vollmachtsstatut betreffende Frage der Bevollmächtigung betreffen; die von den Klägerinnen insoweit geltend gemachten Vermutungen betreffen allesamt die kollisionsrechtlich nach deutschem Recht zu beurteilende Frage der Rechtsinhaberschaft der Klägerin.
cc. Soweit die Klägerinnen mit den Anlagen K 113a ff. zum Nachweis der Einräumung der streitgegenständlichen Rechte schriftliche Erklärungen zahlreicher Autoren vorgelegt haben, kann auch mit diesen der Beweis für die behauptete Rechteeinräumung nicht erbracht werden.
Zwar besteht in der Zivilprozessordnung keine dem § 250 StPO entsprechende Regelung, wonach, wenn der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person beruht, diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen ist und die Vernehmung nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden darf. Vielmehr bestimmt § 377 Abs. 3 ZPO ausdrücklich, dass das Gericht eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen kann, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Unter den durch die Vorschrift vorgegebenen Voraussetzungen ist also schon nach dem Gesetz eine Beweiswürdigung auf Grund der privatschriftlichen Erklärung eines Zeugen möglich (siehe dazu etwa BGH NZV 2007, 294 Tz. 16).
Auch wenn die Kammer eine Anordnung nach § 377 Abs. 3 ZPO nicht getroffen hat, handelt es sich bei den eingereichten Erklärungen grundsätzlich um ein nach der Zivilprozessordnung zulässiges Beweismittel, nämlich die Vorlage von Privaturkunden gemäß § 416 ZPO. Während bei öffentlichen Urkunden unter den Voraussetzungen des § 371b ZPO auch die Vorlage der eingescannten Urkunde genügt, sind Privaturkunden nach § 416 ZPO stets in Urschrift beizubringen, § 420 ZPO. Zwar kann das Gericht von einer Übereinstimmung mit dem Original ausgehen, wenn nur eine Fotokopie oder ein Scanprodukt vorgelegt wird und der Gegner die Echtheit nicht bestreitet; das Gericht kann dann die nur gescannte Privaturkunde in tatrichterlicher Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1) als ausreichenden Beweis einer Behauptung ansehen, wobei die Beweisregel des § 416 ZPO insoweit nicht gilt (zu allem Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 420 Rn. 1 m.w.N.).
Da die Beklagten hier die Authentizität der nicht im Original vorgelegten Erklärungen ausdrücklich bestritten haben, können sich die Klägerinnen nicht auf die Beweisregel des § 416 ZPO berufen. Die Vorlage der schriftlichen Erklärungen als Scan-Versionen stellt sich nach allem als untaugliches Beweismittel dar, zumal der Wortlaut der Erklärungen ohnehin das konkret im Streit stehende Recht der öffentliche Zugänglichmachung nicht spezifisch benennt, sondern lediglich pauschal vom Transfer der „ownership of the copyright“ spricht.
dd. Auch soweit sich die Klägerinnen auf einen Indizienbeweis berufen, ergibt sich hieraus die behauptete Rechtsposition zur Überzeugung der Kammer nicht.
Kollisionsrechtlich gilt auch für den Indizienbeweis, soweit er auf die Frage der Rechtsinhaberschaft angewandt werden soll, nach dem Schutzlandprinzip deutsches Recht (siehe oben Ziffer I.2.).
Zwar können – wie der vorliegende Fall zeigt – in der Praxis auch im Falle der Einräumung von Verlagsrechten einer Autorengemeinschaft an einen Verlag Schwierigkeiten beim Nachweis der Inhaberschaft von ausschließlichen Nutzungsrechten bestehen. Insofern hat der Gesetzgeber durch die Vermutungsregelungen gemäß § 10 UrhG für bestimmte Fälle Erleichterungen mit Blick auf die Erbringung des Nachweises der Rechtsinhaberschaft geschaffen. Soweit die Vermutungswirkungen des § 10 Abs. 3 UrhG im Hinblick auf Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht greifen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in jedem Fall – also auch hier – ein Indizienbeweis zulässig, bei dem mittelbare Tatsachen die Grundlage für die Annahme der Rechtsinhaberschaft liefern (BGH ZUM 2016, 173 Rn. 20 – Tauschbörse I m.w.N.).
Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung, die originäre Tonträgerherstellerrechte betraf, dabei allerdings
„… die besonderen Schwierigkeiten für den Nachweis der Rechteinhaberschaft gem. § 85 Abs. 1 UrhG [berücksichtigt], die in der Komplexität des Begriffs des Tonträgerherstellers begründet liegen. Tonträgerhersteller und Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 85 UrhG ist, wer die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen (BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 8 = WRP 2009, 308 – Metall auf Metall I). Zu den maßgeblichen Leistungen gehören die Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung, der Abschluss der erforderlichen Verträge mit Musikern, Sprechern und sonstigen beteiligten Personen im eigenen Namen, die Miete der Instrumente, Gerätschaften und des Studios, die Übernahme der Materialkosten, die organisatorische Leitung und die Überwachung der Aufnahmen. Es würde die Durchsetzung des Leistungsschutzrechts unzumutbar erschweren, wenn auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen hin für jede einzelne Musikaufnahme die insoweit relevanten Einzelheiten dargelegt und bewiesen werden müssten. Der Tonträgerhersteller kann sich deshalb zur Darlegung und zum Beweis seiner Aktivlegitimation in besonderem Maße auf Indizien, namentlich der Eintragung in den Ph-Medienkatalog, beziehen.“
Die vom Bundesgerichtshof im Fall von Tonträgerherstellern beschriebenen spezifischen Schwierigkeiten bei der Darlegung des Tonträgerherstellerrechts, mit denen die indizielle Berufung auf die Listung in einem Medienkatalog gerechtfertigt wird, greift im Falle von Wissenschaftsverlagen, die ihre Rechtsstellung unmittelbar von einer Autorengemeinschaft ableiten, allerdings nicht; denn diese müssen – wie hier – regelmäßig lediglich die vertragliche Rechtseinräumung durch die an einem bestimmten Artikel beteiligen Urheber darlegen und ggf. beweisen, sind insofern also gerade nicht Tonträgerherstellern vergleichbaren Schwierigkeiten ausgesetzt.
Der Tatrichter ist bei der Behandlung von Anträgen zum Beweis von Indizien freier gestellt als bei sonstigen Beweisanträgen; er darf und muss bei einem Indizienbeweis vor der Beweiserhebung prüfen, ob die vorgetragenen Indizien – ihre Richtigkeit unterstellt – ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Führt diese Prüfung zu dem Ergebnis, dass auch der Nachweis der in Rede stehenden Hilfstatsachen die richterliche Überzeugung von der Haupttatsache nicht begründen könnte, dürfen Beweisanträge, die diese Hilfstatsachen betreffen, abgelehnt werden (BGH NJW 2020, 1430).
Die Kammer hatte also bei ihrer Überzeugungsbildung im Hinblick auf den auch her im Grundsatz zulässigen Indizienbeweis auch zu berücksichtigen, dass es für einen Verlag, dessen Geschäftsbasis der rechtsgeschäftliche Erwerb von Nutzungsrechten der bei ihm verlegten Autoren ist, unschwer möglich sein sollte, diesen Rechtserwerb einem Gericht zumindest ansatzweise darzulegen (Haupttatsache); dies zumal dann, wenn es – wie hier – um den unmittelbaren Erwerb von den beteiligten Autoren geht und insofern nicht der Nachweis längerer Rechteketten in Rede steht. Insofern wäre etwa daran zu denken gewesen, im Wege des Indizienbeweises von der Darlegung der Rechtseinräumung an jeweils einem der von den Klägerinnen beanspruchten Artikeln auf den Rechtsbestand im Übrigen zu schließen. Alle vier Klägerinnen waren indes nicht imstande, auch nur in einem einzigen der fünfzig streitgegenständlichen Fälle umfassend zur Rechtseinräumung vorzutragen. Bei der Kammer ist insgesamt der Eindruck entstanden, dass die Klägerinnen mit der Berufung auf verschiedene Indizien für ihre Rechtsposition in erster Linie die unzureichende Dokumentation des Rechtserwerbs zu überspielen suchen, die ihnen die Darlegung der notwendigen tatsächlichen Umstände für die behauptete Rechtsstellung bisweilen unmöglich macht. Hierin liegt gerade der wesentliche Unterschied zu den von den Klägerinnen genannten Fallkonstellaltionen, in denen der Bundesgerichtshof einen Indizienbeweis als erbracht angesehen hat: Während in diesen Fällen eine Darlegung der für die behauptete Rechtsposition relevanten Umstände zwar möglich, aber ungemein aufwendig gewesen wäre, ist es vorliegend so, dass bereits die Möglichkeiten der Klägerinnen zur Darlegung der relevanten tatsächlichen Umstände Grenzen begegnen, die dazu führen, dass die Klägerinnen ihrer unabhängig von einem möglichen Indizienbeweis bestehenden Darlegungs- und Beweislast nicht genügen dürften.
Die von den Klägerinnen jeweils angebrachten Copyright-Hinweise konnten für einen Indizienbeweis von vornherein nicht herangezogen werden, da das Gesetz diesem Umstand nach § 10 Abs. 3 UrhG ausdrücklich keine Aussagekraft im Hinblick auf Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zubilligt; diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden, dass man diesem Umstand dann im Rahmen des Indizienbeweises doch maßgebliche Bedeutung beimisst.
IV. Passivlegitimation der Beklagten
Die Beklagten sind zur Unterlassung der klägerseits geltend gemachten Rechtsverletzungen verpflichtet.
1. Die öffentliche Zugänglichmachung sämtlicher streitgegenständlicher Fachartikel, Previews und Abstracts erfolgte durch die Beklagte zu 1) als Betreiberin der streitgegenständlichen Plattform.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 2021, 2571 – Youtube) erfolgt eine öffentliche Wiedergabe von Inhalten, die Nutzer auf einer Sharehosting-Plattform einstellen können, seitens des Betreibers einer Sharehosting-Plattform, wenn der Plattformbetreiber über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen.
Dies ist nach der Entscheidung des EuGH namentlich dann der Fall, wenn
– der Betreiber von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt oder
– wenn er, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, oder auch
– wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.
2. Ausgehend hiervon erfolgte die öffentliche Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Inhalte durch die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 1) hat als Betreiberin der streitgegenständlichen Plattform über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu beigetragen, der Öffentlichkeit Zugang zu urheberechtsverletzenden Inhalten zu verschaffen.
An den vom EuGH gebildeten Fallgruppen orientiert war die Beklagte zu 1) eindeutig an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurden, beteiligt und hat auf ihrer Plattform Hilfsmittel angeboten, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind. Sie haben ein solches Teilen auch wissentlich gefördert.
Aufbau, Struktur und Funktionselemente der streitgegenständlichen Plattform zeigen klar, dass die Beklagte zu 1) nicht lediglich als Hosting-Dienst für fremde Inhalte tätig geworden ist. In den Funktionen der Plattform kommt ein erhebliches Eigeninteresse der Beklagten zu 1) zum Ausdruck, die Plattform mit möglichst vielen wissenschaftlichen Fachartikeln zu bestücken und diese – etwa durch das Extrahieren von Tabellen und Schaubildern – in der Nutzung möglichst anwenderfreundlich aufzubereiten.
a. Im Falle der streitgegenständlichen Previews (Klageantrag Ziffer I.) hat die Beklagte zu 1) die betroffenen Fachartikel selbst im Internet identifiziert, hochgeladen und ihren Nutzern auf der streitgegenständlichen Plattform als Preview zugänglich gemacht; Gegenstand der streitgegenständlichen Previews waren auch die Abstracts der jeweiligen Fachartikel.
Die Beklagten haben im Zusammenhang mit der Preview-Funktion aber auch auf ihrer Plattform Hilfsmittel bereitgestellt, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt waren oder ein solches Teilen wissentlich fördern. Denn verbunden mit der Preview-Anzeige war nicht nur die Wiedergabe eines erheblichen Teils des Volltextes sowie des jeweiligen Abstracts, sondern auch die Möglichkeit, den Artikel insgesamt im Volltext zu erhalten („Request Full-Text“ bzw. die Frage „Would you like to access the full-text?“ verbunden mit dem Button „Access Full-Text“). Damit stellt sich die streitgegenständliche Plattform unter diesem Aspekt als Geschäftsmodell dar, das die Nutzer der Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform öffentlich zugänglich zu machen.
b. Das Eigeninteresse der Beklagten an der Generierung von Plattforminhalt in Gestalt wissenschaftlicher Fachartikel zeigt sich ferner darin, dass die Beklagte zu 1) Informationen aus dem Internet, die auf einen Fachartikel hinweisen, der von einem registrierten Nutzer des Dienstes stammen könnte, gezielt und automatisiert aufsucht und sodann den betroffenen Nutzer auffordert, seine Autorenschaft zu bestätigen (,Confirm authorship“/„confirm authorship to add it to your profile“). Ziel ist auch hier ersichtlich die Generierung von Inhalten in Gestalt von Fachartikeln, um diese zu vervollständigen und damit für die Nutzer attraktiver zu machen.
c. Auch im Falle der Plattform-Inhalte, die in einem letzten Schritt von den Nutzern der Plattform auf dieser öffentlich zugänglich gemacht wurden (Klageantrag Ziffer II.) hat die Beklagte zu 1) als Plattformbetreiberin über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus aktiv dazu beigetragen, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu wissenschaftlichen Fachartikeln zu verschaffen. Dies ergibt sich jedenfalls in einem Fall unschwer daraus, dass die Zugänglichmachung des Artikels nach einem Hinweis der Beklagten zu 1) auf die angeblich freie Verfügbarkeit des Artikels im Internet erfolgte.
d. Die Beklagte beschränkt sich nicht auf eine rein technische, automatische und passive Aktivität. Vielmehr ergibt sich ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH eine aktive Rolle der Beklagten zu 1) beim Generieren von Plattform-Inhalten: Die Beklagte optimiert das Angebot, indem sie etwa Daten und Teile der Inhalte extrahiert und diese separat speichert und zugänglich macht; sie optimiert das Angebot auch dadurch, dass sie den Nutzern die Möglichkeit bietet, die Inhalte etwa nach Zugehörigkeit, Referenzen etc. zu kategorisieren. Die Beklagte zu 1) hat ferner selbständig Verweise (Links) auf andere Fachartikel auf Verlagsseiten, die im Originalartikel vorhanden sind, durch Verweise auf Artikel ersetzt, die die Beklagte bereits in ihrer Datenbank führt; ist also beispielsweise im Artikel oder in einer Fußnote des Artikels der zitierte Artikel mit der Verlagsseite verlinkt, so dass der zitierte Artikel mit einem Klick (auf der Verlagsseite) aufgerufen werden kann, so wurde dieser Link von der Beklagten zu 1) durch einen Link auf www.R..net ersetzt, sofern verfügbar. Durch diese Veränderungen wurden die Nutzer der Beklagten zu 1) auf dem eigenen Angebot der Beklagten gehalten und nicht auf Verlagsseiten weitergeleitet. Mag diese Funktion von sogenannten Enhanced Footnotes, die es Nutzern ermöglichte, Informationen über die in einem Artikel zitierten Quellen bei R. zu finden, im Juni 2017 auch eingestellt worden sein, zeigt sie doch die aktive, über einen reinen Hosting-Dienst hinausgehenden Anspruch der Beklagten zu 1) beim Bereitstellen von Hilfsmitteln zum Auffinden und Teilen von Plattform-Inhalten.
e. Sofern die Beklagten meinen, der Entscheidung des EuGH eine Einschränkung dahin entnehmen zu können, dass eine öffentliche Wiedergabe des Betreibers einer Sharehosting-Plattform nur gegeben sei, wenn der von jedem einzelnen, in Streit stehenden rechtsverletzenden Inhalt Kenntnis hatte, folgt die Kammer dem nicht. Im Falle der dritten vom EuGH beispielhaft gebildeten Fallgruppe, die lautet
„…wenn er an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu verleitet, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen.“,
wird lediglich pauschal auf geschützte Inhalte abgestellt, die auf der Plattform öffentlich zugänglich gemacht werden, ohne dass es auf die Kenntnis einzelner, konkreter Rechtsverletzungen durch den Plattformbetreiber ankäme. Ein solches Verständnis würde die Haftung auch ad absurdum führen, da der Plattformbetreiber immer behaupten könnte, die einzelne konkrete Rechtsverletzung nicht gekannt zu haben – der Rechtsinhaber könnte dies kaum je widerlegen.
3. Eine Rechtsverletzung scheidet auch nicht deshalb aus, weil die klagenden Verlage und die Beklagte zu 1) dasselbe Publikum bedienten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es zur Einstufung als öffentliche Wiedergabe erforderlich, dass ein Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (EuGH GRUR 2018, 911 – Cordoba).
Der EuGH hat weiter entschieden, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ das Einstellen eines Werkes (im Falle des EuGH einer Fotografie) auf einer Website (auch dann) erfasst, wenn diese Fotografie zuvor ohne beschränkende Maßnahme, die ihr Herunterladen verhindert, und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Website veröffentlicht worden ist. Das Publikum, an das der Urheberrechtsinhaber gedacht hatte, als er der Wiedergabe seines Werkes auf der Website zugestimmt hatte, auf der es ursprünglich veröffentlicht wurde, besteht nur aus den Nutzern dieser Website und nicht aus den Nutzern der Website, auf der das Werk später ohne seine Zustimmung eingestellt worden ist (BGH GRUR 2019, 813 – Cordoba II).
So liegt die Sache auch hier. Mit dem Einstellen der streitgegenständlichen Werke auf dem Dienst der Beklagten zu 1), insbesondere der streitgegenständlichen Abstracts, liegt schon deshalb ein neues Publikum vor, weil sich die Nutzer des Internetangebotes der Klägerinnen und diejenigen des Angebots der Beklagten zu 1) unterscheiden. Ob beschränkende Maßnahmen das Herunterladen von Texten von den Internetseiten der Klägerinnen verhindern sollten, ist nach der Rechtsprechung des EuGH für die Frage der Wiedergabe auf der Seite eines Dritten unerheblich. Es liegt hinsichtlich der Abstracts auch keine konkludente bzw. stillschweigende Einwilligung der Klägerinnen zur freien Nutzung vor.
4. Die Förderung des unerlaubten Teilens geschützter Inhalte auf der Plattform der Beklagten zu 1) erfolgte auch wissentlich. Der Beklagten zu 1) musste – etwa in den Fällen der von ihr selbst als Previews wiedergegeben Fachartikel – aufgrund der auf sämtlichen Fachartikeln angebrachten Copyright-Hinweise davon ausgehen, dass es sich um geschützte Inhalte handelt, die ohne Zustimmung des jeweiligen Rechtsinhabers nicht auf der streitgegenständliche Plattform zugänglich gemacht werden durften.
Die Beklagte zu 1) durfte aber auch nicht davon ausgehen, dass – wie sie behauptet – seitens ihrer Nutzer für Dritte geschützte Inhalte nicht rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht würden. Nachdem auf sämtlichen streitgegenständlichen Fachartikeln als Rechteinhaber jeweils die Klägerinnen angegeben sind, können die Beklagen nicht mit dem Argument durchdringen, sich insoweit auf ihre Nutzer als Autoren der Fachartikel verlassen zu dürfen, die die Rechtesituation am besten kennen müssten. Dass die Beklagten hiervon letztlich auch nicht ausgegangen sind, zeigt sich an den beklagtenseits ergriffenen, vielfältigen Maßnahmen, mit denen Rechtsverletzungen begegnet wird („Notice & Takedown“, „Repeat Infringer Policy“ etc.); diese und insbesondere die in diesem Zusammenhang mit dem Branchenverband der Wissenschaftsverlage geführten Gespräche haben finden ihre Ursache nämlich gerade darin, dass sich die Nutzer der streitgegenständlichen Plattform im Hinblick auf das Zugänglichmachen von Fachartikeln eben gerade nicht ganz überwiegend rechtstreu verhalten, sondern die Beklagte zu 1) in einer beachtlichen Vielzahl mit Rechtsverletzungen konfrontiert sind und waren, die sich insofern auf der streitgegenständlichen Plattform ereignet haben.
5. Die Beklagte zu 1) ist mit Blick auf die Inhalte, die Nutzer bei R. einstellen, auch nicht nach § 10 Satz 1 TMG (bzw. Art. 14 Abs. 1 der RL 2000/31/EG) von einer Haftung befreit.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O) fällt die Beklagte zu 1) nicht in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der RL 2000/31/EG, da sie als Plattformbetreiberin eine aktive Rolle spielt, die ihr Kenntnis von den auf ihrer Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft.
Die Klägerinnen mussten sich daher nicht auf das Notice & Takedown-Verfahren der Beklagtenverweisen lassen.
6. Die Beklagte zu 1) kann sich im Hinblick auf die erfolgten Rechtsverletzungen auch nicht mit Erfolg auf urheberrechtliche Schrankenbestimmungen berufen.
a. Hinsichtlich des beklagtenseits angesprochenen Zweitveröffentlichungsrechts des § 38 Abs. 4 UrhG fehlt es an der Darlegung konkreter, auf die einzelnen streitgegenständlichen Artikel bezogenen Umstände zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser urheberrechtlichen Schranke (der wissenschaftliche Beitrag muss im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden sein).
b. § 53 UrhG betrifft lediglich hier nicht streitgegenständliche Vervielfältigungen; die unter dieser Schranke entstehenden Vervielfältigungsstücke dürfen ausdrücklich nicht zur öffentlichen Zugänglichmachung verwendet werden.
c. Auch § 52a Abs. 1 Nr. 2 UrhG bzw. § 60 c Abs. 1 Nr. 1 UrhG greift hier schon deshalb nicht zugunsten der Beklagen zu 1) ein, da diese Regelungen ausschließlich für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung gelten; ein solcher liegt im Falle des Kreises der Nutzer der streitgegenständlichen Plattform ersichtlich nicht vor
7. Auch die Beklagten zu 2) und 3) haften als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) persönlich auf Unterlassung.
Ein Geschäftsführer haftet für deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft persönlich, wenn er an ihnen entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (NJW 2016, 2335 – Marcel-Breuer Möbel II). Beruht die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, kann nach dem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen davon ausgegangen werden, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden ist (BGH a.a.O.).
Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist vorliegend mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auszugehen. Über die Gestaltung des Internetauftritts eines Unternehmens wird typischerweise auf Geschäftsleitungsebene entschieden (BGH a.a.O.); dies gilt insbesondere dann, wenn der Internetauftritt – wie hier beim Betrieb einer Plattform – Kerngegenstand der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagten zu 2) und 3) als alleinige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) über die konkret im Streit stehenden Möglichkeiten des Einstellens wissenschaftlicher Artikel entschieden haben.
B.
Die Entscheidungen über die Kosten sowie die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 96 ZPO (Kosten der Gutachten zum ausländischen Recht) und § 709 Satz 1 ZPO.


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